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Soraya Alekozei half ihrer alten Heimat und diente gleichzeitig ihrem sicheren Hafen Deutschland.
Von Hans-Dieter Wichter
Soraya Alekozei ist eine Wanderin zwischen den Welten Afghanistans und Deutschlands. In der persönlichen wie traurigen Geschichte ihrer geliebten afghanischen Heimat wurde sie hin und her geworfen. Schließlich nahm sie mit Wali, ihrem ebenfalls aus Kabul stammenden Mann, und den beiden Söhnen die deutsche Staatsangehörigkeit an, blieb im Rheinland. Aber ihre Seele rief sie immer wieder zurück in das Land ihrer Kindheit. Für die jüngste Heimkehr hat sie einen hohen Preis zahlen müssen. Am 28. Mai 2011 wurde sie als Oberleutnant der Bundeswehr bei einem Bombenanschlag schwer verwundet. Sie war im Einsatz als Dolmetscherin des Isaf-Kommandeurs im Norden Afghanistans, General Markus Kneip. Nur dank des raschen engagierten Handelns und des Könnens der Frauen und Männer der Bundeswehr und ihres Sanitätsdienstes wurde ihr Leben gerettet.
Die spannende und sehr persönliche Geschichte öffnet einen Einblick in die Zeitgeschichte der afghanisch-deutschen Beziehungen aus der Perspektive einer sozial engagierten Frau. Spürbar ist sogar die großzügige Asylpolitik vor 30 Jahren. Die erste Begegnung mit deutscher Kultur erfuhr Soraya Alekozei durch den bewunderten Vater, ein königstreuer, westlich orientierter Beamter. Seine Schulbildung hatte er an der legendären, 1924 von Deutschen gegründeten Nejat-Oberrealschule in Kabul erhalten: eine Kaderschmiede Afghanistans. Es berührt, wenn Soraya hier die Ballade "Das Trauerspiel von Afghanistan" von Theodor Fontane zitiert. Die Verse über die Tragik eines der blutigen englisch-afghanischen Kriege hatten ihren Vater bewegt. Sie würden seine Tochter als Soldatin der Bundeswehr begleiten.
1974 heiratete Soraya: Wali war Student in Bonn in dem damals viel beachteten Austauschprogramm zwischen der Universität Kabul und den Universitäten Bonn und Köln. Deutsche Wissenschaftspolitik wollte zum Weg Afghanistans in die Moderne beitragen. Die frühen Jahre der jungen Familie in Deutschland waren arm, voll von Existenzangst und Einsamkeit. Trotzdem erinnert sich Soraya dankbar an die Hilfe freundlicher Menschen wie die der katholischen Ordensschwester Franziska, die ihr auch später beistand. Als der erste Sohn geboren war, trieb sie das Heimweh zurück zur Familie in Kabul.
Doch bald darauf riefen 1978 kommunistische Renegaten die Sowjetunion ins Land. Bedroht von der sowjetischen Soldateska, floh Soraya mit dem Sohn zurück zu ihrem Mann nach Bonn. Ihre Großfamilie wurde verfolgt, ging nach Deutschland, Pakistan oder in den Untergrund: Eine ergreifende Passage des Buches. Von Köln aus meldete sie sich über die Deutsche Welle für die Freiheit Afghanistans zu Wort. Friedfertige Proteste wurden organisiert. Nach dem zunächst gefeierten Sieg der Mudschahedin über die Rote Armee kam alles aber noch viel schlimmer. Die Terrorherrschaft der Taliban begann.
Der 11. September 2001 war ein Wendepunkt auch für Soraya. Fassungslos steht sie 2002 im zerstörten Kabul, sieht ausgemergelte und kriegsversehrte Kinder in Kanalrohren vegetieren. Sie beginnt, Hilfe zu organisieren, meist mühsam, oft frustrierend. Dabei lernt sie, dass sich bei einer Teilnahme am Afghanistaneinsatz der Bundeswehr die Hilfe steigern lässt. Die Streitkräfte profitieren von einer liberalen Integrationspolitik, gewinnen deutsche Staatsangehörige mit afghanischen Wurzeln. Als Reserveoffizier nimmt Soraya an sechs Einsätzen teil. Sie ist Rundfunkjournalistin, Afghanistanexpertin und Übersetzerin. In ihrer Freizeit engagiert sie sich weiter für Waisenkinder, bitterarme Familien, Verletzte oder durch das islamistische Unrecht geschundene Frauen. Dabei muss sie oft gegen die Korruption inkompetenter afghanischer Behörden oder die Arroganz internationaler Hilfsorganisationen ankämpfen. Sie lässt sich nicht entmutigen. Endlich kann sie ihrer Heimat helfen und gleichzeitig ihrem sicheren Hafen Deutschland dienen und danken.
Sind Sorayas humanitäre Erfolge durch den Bombenanschlag am 28. Mai 2011 ebenso zerstört worden wie ihre Gesundheit? Mit Blick auf den Abzug der Nato ist das leider nicht auszuschließen. Die Gefahr einer islamistischen Terrorherrschaft wie vor 2002 droht. Soraya plagt der Gedanke, dass dann die Opfer der gefallenen Kameraden vergebens waren. Die deutsche Afghanistanpolitik würde wieder vor dem Nichts stehen, wie Ende der 1970er Jahre. Fontane ist aktuell. Afghanistan ist ein Trauerspiel. Eins aber bleibt: Eine bewundernswerte Frau mit einer großen Lebensleistung. Ihr lesenswertes Buch wird zur Lektüre empfohlen - auch den Afghanistanpolitikern und den für Einwanderungs- und Asylpolitik Verantwortlichen.
Soraya Alekozei: Sie konnten mich nicht töten. Als Afghanin im Einsatz für die Bundeswehr.
Econ Verlag, Berlin 2014. 272 S., 18,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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