Helgas großer Traum ist es, das Gymnasium zu besuchen. Sie liebt Literatur und hat sich in ihrer Zeit in Frankreich gegen alle Widerstände in die neue Sprache eingefunden. Dann ändert ein Brief alles: Der Vater ist aus russischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrt und will seine Kinder wieder bei sich
haben. Helga und ihr älterer Bruder Jürgen machen sich also auf nach Köln, wo sie den Krieg zuletzt…mehrHelgas großer Traum ist es, das Gymnasium zu besuchen. Sie liebt Literatur und hat sich in ihrer Zeit in Frankreich gegen alle Widerstände in die neue Sprache eingefunden. Dann ändert ein Brief alles: Der Vater ist aus russischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrt und will seine Kinder wieder bei sich haben. Helga und ihr älterer Bruder Jürgen machen sich also auf nach Köln, wo sie den Krieg zuletzt in einer Kinderbande überlebt haben.
Von der ersten Seite an tauche ich ein in die Atmosphäre, die die Autorin schafft. Natürlich kenne ich Bilder der zerstörten Stadt, habe die ein oder andere Dokumentation über die Nachkriegszeit gesehen und mich auch mit dem Teil der Ausstellung im "Haus der deutschen Geschichte" beschäftigt, die das Schicksal der Flüchtlinge 1945 und der vielen Kinder aufgreift, die in den Wirren von ihren Eltern getrennt worden waren.
Hier wird dieser Teil der deutschen Geschichte lebendig und die Vielzahl der elternlosen Kinder bekommt ein Gesicht, nämlich das von Helga und Jürgen, die Glück haben und von den Eltern eines anderen Mitglieds ihrer Kinderbande mitgenommen werden. Wobei das Leben in Frankreich, unmittelbar nach dem Krieg nicht einfach war, auch das erfahre ich durch Helgas Schilderungen.
Und nun kommt der Aufruf, zum Vater zu fahren, dem Vater, an den sich beide kaum erinnern können.
Die Zeit des Wiederaufbaus nach dem Krieg, die moralische Enge der neuen BRD und der Versuch des Vaters, seine Tochter vor Fehlern zu bewahren, werden zu einer spannenden Handlung verknüpft. Zeitweise kann ich das Buch kaum aus der Hand legen, bin berührt von Helgas Erlebnissen im Kinderheim, sehe die leitende Schwester meiner eigenen Kindergartenzeit vor mir, während ich entsetzt die Handlungen dieser fiktiven Frau verfolge. Auch hier gelingt es der Autorin, dem Unfassbaren, das in Dokumentationen aufgedeckt wurde, ein Gesicht zu geben, mich mitlfühlen zu lassen.
Wenn ich sehr kritisch auf das Werk schaue, so ist vielleicht zu viel in eine Geschichte gepackt worden, sind die "Zufälle" zu viel, aber im Hinblick auf eine spannende Geschichte und die Beschränkung auf eine übersichtliche Anzahl an Protagonisten, kann ich die Entscheidung verstehen. Zumal sie mich beim Lesen nicht gestört hat. Ich war mitten im Roman, habe mitgelitten, mich geärgert über ... Aber das sollte jede(r) selbst lesen.
Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung.