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Gustav Klimt ist der unangefochtene Star unter den Künstlern des Wiener Fin-de-Siècle und einer der "teuersten" Maler der Welt. Er hat nicht nur zahlreiche Ikonen geschaffen, er hat sich auch konsequent für die Freiheit der Kunst eingesetzt. Wie Klimts Persönlichkeit, so wird auch seine Kunst bis heute gerne vereinfacht dargestellt. Aber weder dem Mann und Künstler, noch seinen Werken wird man damit gerecht. Klimt bietet eine Tiefe, über die die Ästhetik seiner Bilder leicht hinwegtäuscht. Das spiegelt sich auch in den zahlreichen Büchern über Klimt, die ungesicherte Anekdoten reproduzieren…mehr

Produktbeschreibung
Gustav Klimt ist der unangefochtene Star unter den Künstlern des Wiener Fin-de-Siècle und einer der "teuersten" Maler der Welt. Er hat nicht nur zahlreiche Ikonen geschaffen, er hat sich auch konsequent für die Freiheit der Kunst eingesetzt. Wie Klimts Persönlichkeit, so wird auch seine Kunst bis heute gerne vereinfacht dargestellt. Aber weder dem Mann und Künstler, noch seinen Werken wird man damit gerecht. Klimt bietet eine Tiefe, über die die Ästhetik seiner Bilder leicht hinwegtäuscht. Das spiegelt sich auch in den zahlreichen Büchern über Klimt, die ungesicherte Anekdoten reproduzieren und den Mythos befeuern, am liebsten den von Klimt als Weiberheld.

Horncastle und Weidinger fassen erstmals Archivmaterial und Zeitzeugenberichte in einer Publikation zusammen. Sie beleuchten die unbekannten Seiten Klimts, lassen uns eintauchen in den Zeitgeist der Wiener Gesellschaft um 1900 und räumen mit hoher erzählerischer Qualität endlich mit vielen Halbwahrheiten auf - denn Klimts Biografie hat Legendenbildung nicht nötig.
Autorenporträt
Mona Horncastle, Autorin, Verlegerin und Kuratorin. Ihr Engagement gilt der Vermittlung von Kunst und Kultur und der Entwicklung museumsdidaktischer Programme. Ihr Forschungsschwerpunkt sind die Secessionsbewegungen in Wien, München und Berlin. Alfred Weidinger, Chefkurator und Vizedirektor im Belvedere in Wien, davor Vizedirektor der Albertina. Seit Mitte 2017 Direktor des Museums der bildenden Künste Leipzig. Zahlreiche Publikationen, u.a. der Oeuvre-Katalog der Gemälde von Klimt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.02.2018

Der Meister des gemalten Wahnsinns
Mona Horncastle und Alfred Weidinger legen eine Biographie Gustav Klimts vor, der heute vor hundert Jahren starb

Anfang des Jahres 1943 findet in Wien eine große Ausstellung statt. In nur einem Monat strömen mitten im Krieg 24 000 Besucher in das Gebäude der Secession. Gezeigt werden dort hundert Werke von Gustav Klimt, der im Juli zuvor seinen achtzigsten Geburtstag gefeiert hätte, wäre er nicht schon 1918 an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben. Zu sehen sind laut damaligem Katalog auch die Porträts "Stehendes Mädchen", "Stehende Dame", "Damenbildnis mit chinesischer Tapete" sowie "Damenbildnis mit gelbem Hintergrund".

Die genauen Zusammenhänge dieser Retrospektive, die alles andere als eine gewöhnliche Gedächtnisschau war, präsentieren Mona Horncastle und Alfred Weidinger - sie Autorin und Verlegerin, er langjähriger Kurator am Wiener Belvedere und heute Direktor des Museums der bildenden Künste in Leipzig - in ihrer Klimt-Biographie. Anstatt die Legenden zu wiederholen, die sich um den Künstler ranken, schälen die Autoren aus ihnen die Tatsachen heraus, berichten von dem, was meist weniger bekannt ist. Zum Beispiel zu Klimts Rezeptionsgeschichte.

So liest man, dass jene Ausstellung 1943 von Baldur von Schirach organisiert wurde, Reichsstatthalter in Wien, der die Stadt als große deutsche Kunstmetropole neben Berlin etablieren wollte. Ausgerechnet dieser Mann, verantwortlich für die Deportation österreichischer Juden, präsentierte einen Maler, der aufs engste verbunden war mit dem jüdischen Großbürgertum. Um Klimt nazisalonfähig zu machen, amputierte man ihn. Verschwiegen wurden die Skandale, die Klimt mit seiner Modernität ausgelöst hatte, die Tatsache, dass er vor allen von jüdischen Sammlern gefördert worden war, dass die meisten Bilder einst ihnen gehört hatten und die ausgestellten Porträts ihre Frauen und Töchter zeigten.

Bildtitel im Katalog waren erfunden, die Namen der Dargestellten - etwa von Serena Lederer, Adele Bloch-Bauer und Mäda Primavesi - verschwanden hinter anonymen "Mädchen" und "Damen". Bevor ihre Familien von den Nazis enteignet, vertrieben oder ermordet wurden, waren sie Teil einer Kunst- und Kulturszene, die weit über die österreichische Hauptstadt hinaus strahlte.

In thematisch angelegten Kapiteln erzählen Horncastle und Weidinger zwar kaum bahnbrechend Neues, aber sie stellen es auf Basis von Quellen und Forschung doch klug zusammen. Zum Beispiel über die Darstellung von Frauen bei Klimt. Oft würden seine Leistungen hier allein an den zwischen 1897 und 1917 entstandenen großformatigen Porträts festgemacht. In prachtvoller Garderobe, mal in Gold, mal in zarte, mal in leuchtend bunte Farben getaucht, verschmelzen die Körper der Frauen mit dem flächigen Hintergrund. Ihre schönen, emotionsarmen Gesichter verhüllen die oft starken Charaktere. Viele der Porträtierten waren gebildet, kultiviert, emanzipiert. In seinen Bildern aber entkörperliche und entpersonalisiere der Maler sie. Die Klimt-Frau ist hier bloß Ornament, so Horncastle und Weidinger, um den Salon des männlichen Auftraggebers zu schmücken.

Ganz anders dagegen die weniger bekannten Aktzeichnungen, denen die Autoren ein langes Kapitel widmen. Sie zeigen Frauen, die sich selbst befriedigen. Klimt habe der weiblichen Lust mit seinen geradezu revolutionären, weil gegen die herrschenden Konventionen gerichteten Zeichnungen ein Denkmal gesetzt. Die Frau des Zeichners Klimt ist, anders als die des Porträtmalers, nicht schmückendes Objekt, sondern selbstbewusstes Subjekt.

Sexualität, Lust, Körperlichkeit, Triebe - das Fin de Siècle war auch ein Zeitalter der Erkundung des Unerklärlichen und Kreatürlichen in der menschlichen Seele wie im Körper. Klimt ist mittendrin, folgt den Debatten, liest Bücher, hört medizinische Vorträge. Und verarbeitet alles in seinen Werken. Etwa in den drei 1894 in Auftrag gegebenen Bildern für die Wiener Universität, die einen Skandal auslösten. Denn anstatt brave Allegorien von Medizin, Philosophie und Jurisprudenz, anstatt den Triumph von Wissenschaft und Vernunft zu malen, wirft Klimt Traumbilder auf die Leinwand, ausgemergelte, sich windende nackte Körper, die unergründlichen Kräften ausgeliefert sind. Die Auftraggeber und die Presse waren entsetzt, "gemalter Wahnsinn" sei das. Nach jahrelangem Hin und Her behielt Klimt 1905 seine Werke ein und zahlte den Vorschuss zurück. Für "einen Auftraggeber, der nicht an mein Werk glaubt, der mich beschimpfen lässt, weigere ich mich, ferner zu arbeiten". Berta Zuckerkandl, Grande Dame der Wiener Gesellschaft, in deren Salon die Geistesgrößen ein- und ausgingen, schrieb: "Er ist einer jener Künstler, der zum Helden wird, wenn es gilt, sein Reich zu schützen."

Klimts Reich, das war für viele Jahre auch die Wiener Secession. 1902 präsentierte er dort den Beethovenfries. Diese "gemalte Pornographie" eigne sich allenfalls für ein "unterirdisches Local, in dem heidnische Orgien gefeiert" werden, spottete die Presse. Was heute, jenseits der Berichte über die heftigen Reaktionen, häufig unerwähnt bleibt, ist, dass das Werk, so jedenfalls sieht es ein Teil der Forschung, inspiriert wurde vom symbolistischen Maler und Sozialreformer Karl Wilhelm Diefenbach. Detailliert weisen die Autoren Parallelen in Leben und Selbstverständnis der beiden Künstler nach und zeigen, welche inhaltlichen Ähnlichkeiten Beethovenfries und Diefenbachs siebzig Meter langer Schattenfries "Per aspera ad astra" aufweisen.

Die Ausstellung, in der der Beethovenfries gezeigt wurde, war als ein dem Komponisten gewidmetes Gesamtkunstwerk aus Malerei, Skulptur und Architektur konzipiert und sollte in einer bestimmten Richtung durchlaufen werden. Die Secession war, auch das betonen Honrncastle und Weidinger, nicht nur eine Vereinigung progressiver Künstler, sondern auch ein Labor für moderne Formen der Kunstvermittlung. Es gab verschiebbare Wände, Bilder hingen auf Augenhöhe, ein Begleitprogramm, Kataloge und eine flankierende Zeitschrift. Damit durch die Kunst, so das erklärte Ziel der Secessionisten, "der schlummernde Trieb geweckt werde, der in jeder Menschenbrust gelegen ist, nach Schönheit und Freiheit des Denkens und Fühlens (. . .) ohne Unterschied des Standes und des Vermögens".

Klimt ist heute allgegenwärtig. Auf Tassen, Lampen, Salzstreuern, Tüchern, Krawatten und mit gigantischen Preisen auf dem Kunstmarkt. Umso erstaunlicher war es, dass keine Biographie jüngeren Datums vorlag. Horncastle und Weidinger wollten das ändern. Ihr Buch tritt mit dem Untertitel "Die Biografie" auf. Es ist seine Stärke, überzeugende Einblicke in Klimts Schaffen und seine künstlerische Entwicklung zu liefern. Es ist seine Schwäche, dass der Mann Klimt dabei zu kurz kommt und manches gar nicht erst erwähnt wird. Über den Maler und die Frauen zum Beispiel sei bis zur Erschöpfung geschrieben worden, heißt es im Vorwort.

Sollte aber, wer die emanzipatorische Kraft seiner Zeichnungen hervorhebt, nicht auch, zumindest in einer Biographie, den Mann Klimt schärfer in den Blick nehmen? Einen Mann, der 1899 versucht, Alma Schindler, spätere Mahler, spätere Gropius, spätere Werfel rumzukriegen, nebenbei flammende Briefe an seine lebenslange Gefährtin Emilie Flöge schreibt und Vater von zwei Gustavs junior wird, deren Mütter die Modelle Maria Ucická und Marie alias Mizzi Zimmermann sind? Von diesen beiden Frauen aber, die nicht zum erlauchten Kreis der feinen Wiener Gesellschaft gehörten, erfährt man so gut wie nichts. "Die" Klimt-Biographie steht also doch noch aus.

KATHARINA RUDOLPH

Mona Horncastle und Alfred Weidinger: "Gustav Klimt". Die Biografie.

Christian Brandstätter

Verlag, Wien 2018.

320 S., geb., 29,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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