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Während des bitterkalten nordamerikanischen Winters leitet Emilio Renzi an der elitären Taylor University ein Seminar über W. H. Hudson. Gefangen im skurrilen Elfenbeinturm der Universität, wo die Kollegen Intrigen schüren undder einbeinige Dekan Don D'Amato einen Hai im Keller hält, lässt sich Renzi auf eine Affäre mit der brillanten Professorin Ida Brown ein. Doch dann ist Ida auf einmal tot - und das FBI beginnt zu ermitteln.Ist Ida Brown Opfer eines Serienkillers geworden? Hatte sie Kontakt zu einer terroristischen Zelle? Und wieso ist es bei der Jagd auf Massenmörder hilfreich, James…mehr

Produktbeschreibung
Während des bitterkalten nordamerikanischen Winters leitet Emilio Renzi an der elitären Taylor University ein Seminar über W. H. Hudson. Gefangen im skurrilen Elfenbeinturm der Universität, wo die Kollegen Intrigen schüren undder einbeinige Dekan Don D'Amato einen Hai im Keller hält, lässt sich Renzi auf eine Affäre mit der brillanten Professorin Ida Brown ein. Doch dann ist Ida auf einmal tot - und das FBI beginnt zu ermitteln.Ist Ida Brown Opfer eines Serienkillers geworden? Hatte sie Kontakt zu einer terroristischen Zelle? Und wieso ist es bei der Jagd auf Massenmörder hilfreich, James Joyce gelesen zu haben? Renzi findet nach dem Tod seiner Geliebten keine Ruhe und geht den überforderten Agenten zur Hand: Bald schon eröffnen sich vor ihm die paranoiden Abgründe der US- amerikanischen Gesellschaft.Was vermeintlich als sentimentale campus novel beginnt, verwandelt sich unversehens in einen Kriminalroman mit Anleihen bei Thrillern aus Hollywood - und in das Psychogramm eines kaltblütigen Täters mit revolutionären Ideen.
Autorenporträt
Ricardo Piglia wurde 1940 in Adrogué nahe Buenos Aires geboren. In Argentinien gilt er längst als moderner Klassiker - seine Romane erscheinen auf Deutsch bei Wagenbach:Künstliche Atmung, Falscher Name, Brennender Zaster, Ins Weiße zielen, außerdem die Erzählsammlung Der Goldschmied. 2011 erhielt Piglia den Premio Rómulo Gallegos, einen der höchstdotierten Literaturpreise der spanischsprachigen Welt.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Ricardo Piglia gehört zu den ersten argentinischen Intellektuellen, deren Referenzpunkt nicht mehr  Frankreich, sondern die USA war, weiß Rezensentin Eva-Christina Meier über den Autor zu berichten und spürt allenthalben diese kulturelle und politische Neuausrichtung. Der Roman ist Campus-Novelle, Kriminalroman und Geschichte der Linken in einem, freut sich Meier: Der argentinische Literaturwissenschaftler Emilio Renzi taucht in das amerikanische Universitätsleben ein, bis eine Kollegin von ihm ermordet wird. Ein wenig irritiert ist die Rezensentin, dass Piglia - nach weiteren Morden - die Geschichte des Unabombers Ted Kaczynskis quasi eins zu eins übernimmt, zumal sich von da an das Erzähltempo ändert. Doch das ändert nichts am positiven Eindruck der Rezensentin, und sie erkennt in diesem Roman eine meisterhafte Erzählung.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.04.2015

Feuer in der rechten Hand
Warum las der Unabomber Joseph Conrad? In seinem neuen Roman „Munk“ lässt der
argentinische Autor Ricardo Piglia den Terror aus der Lektüre von Literatur hervorgehen
VON RALPH HAMMERTHALER
Als der Roman „Munk“, im Original „El camino de Ida“ im Jahr 2013 herauskam, gab Ricardo Piglia ein großes Interview, in dem er auch auf Sigmund Freud verwies. „Freud brachte Intelligenz mit Aggression zusammen“, sagte er der argentinischen Tageszeitung Página/12. „Nur Aggression erlaubt es, ein so seltsames Instrument wie Intelligenz zu entwickeln.“ Beim Denken gehöre es einfach dazu, gegen das andere zu denken.
  Ida Brown ist der Star einer Universität in New Jersey. Furchtlos, streitsüchtig, brillant. Und sie sieht auch noch verdammt gut aus. Könnte allerdings sein, dass sie sich in ihrem Denken verrannt hat, dass sie weniger wild als dogmatisch denkt. Im Spanischen steht ihr Name für Hinweg, la ida. Der Rückweg ist ausgeschlossen. So hätte der Roman auch „La ida de Ida“ heißen können, statt „El camino de Ida“, der offene Weg. Doch das wäre zu spitzfindig. Viel zu früh stirbt sie bei einem Autounfall. Aber war es ein Unfall? Ihre rechte Hand ist verbrannt, „als hätte sie Feuer gefangen, als sie etwas auf dem Boden suchte“.
  Ida war es, die Emilio Renzi aus Buenos Aires an die Universität geholt hat, als Gastdozent. Nicht nur in diesem Roman versteckt sich Ricardo Piglia hinter dem Namen Renzi, eine Art Alter Ego. Dieser Renzi hat Glück, denn Ida hat Lust auf Sex und stürzt ihn mit dem schwächsten Satz des Romans, „Im Herbst bin ich immer heiß“, in die angenehmste Verwirrung. Hat er sich verhört? Die Affäre nimmt ihren Lauf, mit Treffen im Hotel und bei ihr in New York. Alles bleibt geheim, weil Ida es so will. Die Überfliegerin gibt sich sexuell unterwürfig, verlangt nach Erniedrigung. Die Szenen gehen Renzi nicht aus dem Kopf.
  An die Mär vom Unfall will er nicht glauben. Er heuert einen Detektiv an, um die Ursache für Idas Tod zu klären. In den vergangenen Jahren sind eine Reihe von Wissenschaftlern durch Briefbomben ums Leben gekommen. Hat sie im Auto ihre Post geöffnet? Ist sie eine Komplizin gewesen, die eine tödliche Sendung aufgeben wollte und ihr versehentlich selbst zum Opfer fiel?
  Piglia, der nach fünfzehn Jahren an der Universität Princeton wieder in Buenos Aires lebt, kennt das Milieu, über das er schreibt, die hohe Intelligenz, das leise Sprechen, die unterschwellige Aggression. Bezogen auf den Campus, erzählt er atmosphärisch dicht und prägnant; später rutscht seine Sprache teils ins Journalistische. Aber das mag man ihm nachsehen, denn er behandelt nichts weniger als die revolutionäre Tat, den terroristischen Akt, indem er Frage um Frage aufwirft, ohne Antworten zu geben. Aus dem Hintergrund schält sich die reale Geschichte des Theodore Kaczynski heraus, des Unabombers – er war ein begnadeter Mathematiker, der alles hinschmiss und in die Einsamkeit der Natur ging, um Briefbomben zu basteln. Bei Piglia heißt er Thomas Munk.
  Wer James Bennings Film „Stemple Pass“ gesehen hat, wird Kaczynskis Hütte nicht mehr vergessen. Leider nur nachgebaut, weil das Original bereits im Museum steht. Zwei Stunden in vier statischen Kameraeinstellungen, jeweils dreißig Minuten für Frühling, Herbst, Winter und Sommer. Die Natur, sagt Kaczynski, ist nicht so sehr das, was wir gerade sehen und hören und riechen, sondern sie ist das Ganze, the whole thing.
  Er, der die Büttel des Systems anzugreifen hoffte, die willfährige Intelligenzija des technisch aufgerüsteten Kapitalismus, wurde von Öko-Radikalen zum Helden verklärt. Von 1978 bis 1995 verschickte er seine Post. Nur durch Bomben, so bildete er sich ein, finde eine einzelne Stimme Gehör. So veröffentlichte die New York Times sein ellenlanges Manifest – was ihm zum Verhängnis wurde, denn sein Bruder erkannte bestimmte Redewendungen und verriet ihn ans FBI. Fast zwanzig Jahre hatte die Polizei im Dunkeln getappt; für keine Fahndung war in den USA so viel Geld ausgegeben worden wie für die Fahndung nach dem Unabomber. Am 3. April 1996 wurde er in Montana verhaftet.
  Im Roman begibt sich Renzi auf seine Spur. Und er findet heraus, dass Ida Kontakt mit ihm hatte in Berkeley, wo Munk Mathematik lehrte. Er besucht ihn sogar im Gefängnis, ohne dass er etwas über Idas Rolle erfahren würde. Munk will nicht als Verrückter gelten, selbst wenn ihm die Diagnose das Leben retten würde. In Gesprächen wirkt er klar, zugewandt, freundlich. Kaczynski sitzt weiter ein, während sie Munk, die Romanfigur, hinrichten lassen – unrealistisch, da sie ihm vorher die Zurechnungsfähigkeit abgesprochen haben.
  Obwohl der Roman „Munk“ heißt oder, nach dem Originaltitel, „Der Weg von Ida“, greift er weit und raffiniert über den Fall hinaus. Im Nachbarhaus von Renzis Bleibe wohnt eine alte russische Slawistin, die noch unter den Bolschewiken gelitten hat. Heute predigt sie Tolstois Lehre der Abkehr vom System, naturbewusst und friedlich, aber kompromisslos. Und Renzi selbst erinnert sich seiner Studententage in Argentinien, Mitte der Sechzigerjahre, als er einem Kommilitonen Unterschlupf bot und dessen Pistole aufbewahrte. „Das hieß, zum Umfeld zu gehören. Teil der logistischen Unterstützung zu sein. Sie hatten den FAL gegründet, eine der ersten bewaffneten Gruppen.“
  Unaufdringlich, weil üblich in der akademischen Welt, spielt auch Literatur herein. Tolstoi, Sartre, und vor allem Joseph Conrads Roman „Der Geheimagent“. Ida hat das Buch bei Renzi liegen lassen. Und er entdeckt darin ihre Kringel und Unterstreichungen. Ein Professor schert aus und verschreibt sich der terroristischen Aktion. Nachweislich, so Piglia im Interview, ließ sich der reale Kaczynski von Conrads Roman inspirieren. Er erweckte eine literarische Figur zum Leben. Ida war dem Roman-Kaczynski auf die Schliche gekommen. Musste sie deshalb sterben?
Schon möglich, dass Ricardo Piglia auf nur 250 Seiten etwas zu viel erzählen wollte. Möglich auch, dass eine Doku-Fiction über Kaczynski schärfer gewesen wäre als der romanhafte Plot. Erfundenes schafft eine trügerische Sicherheit. Aber das Buch lässt einen schwer los. Man könnte es gleich wieder lesen. Lieber zu groß denken als zu klein.
„Nur Aggression erlaubt es,
ein so seltsames Instrument
wie Intelligenz zu entwickeln.“
Munk will nicht als Verrückter
gelten, selbst wenn ihm die
Diagnose das Leben retten würde
Pastorale Welt und gefährlicher Ort zugleich: Die (nachgebaute) Hütte des Unabombers Theodore Kaczynski aus James Bennings Film „Stemple Pass“ (2012). In Ricardo Piglias Roman „Munk“ ist die Figur des Titelhelden dem Unabomber nachgebildet.
Foto: James Benning
          
  
           
  
Ricardo Piglia: Munk.
Roman. Aus dem Spanischen von Carsten Regling. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2015.256 Seiten, 22,90 Euro. E-Book 20,99 Euro.
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