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Von einem, der als Sohn einer strenggläubigen Volksschullehrerin in einem Dorf in Schweden aufwuchs und zu einem der angesehensten europäischen Schriftsteller wurde. Per Olov Enquist erzählt seine Lebensgeschichte, als ob es die eines anderen wäre: Er studierte in Uppsala, erlebte die RAF-Zeit in West-Berlin, schrieb in München als Journalist über die Olympiade und debütierte mit seinem ersten Theaterstück am Broadway in New York. "Wenn alles so gut ging, wie konnte es dann so schlimm werden?" - steht als Leitfrage über Enquists Biografie, die auch tief in die Alkoholabhängigkeit und an den…mehr

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Produktbeschreibung
Von einem, der als Sohn einer strenggläubigen Volksschullehrerin in einem Dorf in Schweden aufwuchs und zu einem der angesehensten europäischen Schriftsteller wurde. Per Olov Enquist erzählt seine Lebensgeschichte, als ob es die eines anderen wäre: Er studierte in Uppsala, erlebte die RAF-Zeit in West-Berlin, schrieb in München als Journalist über die Olympiade und debütierte mit seinem ersten Theaterstück am Broadway in New York. "Wenn alles so gut ging, wie konnte es dann so schlimm werden?" - steht als Leitfrage über Enquists Biografie, die auch tief in die Alkoholabhängigkeit und an den Rand des Todes führte. Ein außergewöhnliches Buch, das sich liest wie ein zeitgenössischer Roman.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Per Olov Enquist, 1934 in einem Dorf im Norden Schwedens geboren, lebt in Stockholm. Nach dem Studium arbeitete er als Theater- und Literaturkritiker. Er zählt heute zu den bedeutendsten Autoren Schwedens. Bei Hanser erschienen unter anderem Der Besuch des Leibarztes (Roman, 2001), Der fünfte Winter des Magnetiseurs (Roman, 2002), Hamsun (Eine Filmerzählung, 2004), Das Buch von Blanche und Marie (Roman, 2005), Kapitän Nemos Bibliothek (Neuausgabe, 2006), seine Autobiographie Ein anderes Leben (2009), für die er den renommiertesten schwedischen Literaturpreis, den August-Preis, erhielt, Die Ausgelieferten (Neuausgabe, 2011) sowie Das Buch der Gleichnisse (Roman, 2013). 2003 erschien sein erstes Kinderbuch Großvater und die Wölfe; 2011 folgte Großvater und die Schmuggler. 2017 erschienen diese beiden erfolgreichen Einzeltitel als Sammelband Abenteuer mit Großvater.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.03.2009

Vom Wachstum der Schmerzpunkte
Reale Drähte und transzendente Leitungen: Per Olov Enquist erzählt sein Leben als Wiederauferstehung nach freiem Fall
Gründonnerstag. Die tief religiöse Mutter ist mit dem Bus zum Abendmahl gefahren, derweil den Vater und den Jungen daheim das Gewissen plagt. Sie müssen hinterher. Da sie Sportler sind, nehmen sie nicht nur die Räder, sondern auch die Zeit: zwölf Kilometer im Regen durch den Wald in 29’15 Minuten. Von der Haustür bis zur Kirche geht es ihnen nur um die Verbesserung ihres persönlichen Rekords.
Diese Szene, in der sich zwei Lebenswelten auf so wunderbare Weise missverstehen, hat Per Olov Enquist bereits vor fast dreißig Jahren beschrieben, in seinem Roman „Der Sekundant”. Dass hinter der Szene ein persönliches Erlebnis steht, erfahren wir nun in seiner Autobiographie „Ein anderes Leben” – mit einem wesentlichen Unterschied: Enquist ist damals allein durch den Wald gehastet, denn sein leiblicher Vater starb 1935, ein halbes Jahr nach der Geburt des Jungen.
Das Dorf Hjoggböle, in dem er aufwächst, liegt tausend Kilometer nördlich von Stockholm. Dort in Västerbotten liegt immerzu Schnee, und der gefrorene Urin, den man dem Eimer ausschlägt, sieht aus wie ein gelber Kuchen. Enquist folgt der Mutter ins Bethaus, doch holt er sich heimlich Rat bei der Stimme des verlorenen Vaters. Oft sitzt er still da, ein Einzelkind, das die Landkarten des Dorfes abpaust und die wirkliche Welt um das ergänzt, was es gerne sehen möchte.
Knapp siebzig Jahre später hat dieses ruhige Kind ein Œuvre geschaffen, aus dem eine ausgeprägte Rastlosigkeit spricht: Von der Arbeiterbewegung über den Zweiten Weltkrieg bis in die Feinheiten des Wohlfahrtsstaates hat Per Olov Enquist sein Heimatland belletristisch, dramatisch und essayistisch beackert. Und er hat Kreise zu den skandinavischen Nachbarn geschlagen: Ob die religiöse Pfingstbewegung oder die Kopenhagener Aufklärung, ob Andersen, Hamsun oder Strindberg als Monolithen der Literatur, ob Niels Bohr, der Palme-Mord oder der skandalöse Sportbetrug eines einheimischen Hammerwerfers – was Enquist dem Norden Europas an Gedanken gewidmet hat, sucht seinesgleichen. Auch hierzulande kennt der Leser ihn als unermüdlich produzierenden Romancier, der sich in den Arzt Struensee oder in Marie Curie, in manch „anderes Leben” einschrieb. Um es vorwegzunehmen: Archiv, Recherchearbeit und die vielen historischen Figuren, die Enquist erschlossen hat, sind aus der Autobiographie verbannt. Hier erzählt einer von seinen eigenen Abgründen.
„Ein anderes Leben” ist als Triptychon angelegt: Der längere Hauptteil, der zwischen die zwei schmalen Textflügel der Kindheit und des Alters eingepasst ist, führt Enquist bald nach Stockholm. Er lernt die Stadt nach dem Studium als ein leeres Zentrum kennen, in das mit ihm eine ganze Provinzgeneration einströmt. Stockholm wird für Jahrzehnte sein Lebensmittelpunkt bleiben, ein Synonym für Enquists langfristiges Projekt, die skandinavische Seele auszuleuchten. Umrankt wird diese Niederlassung im Buch von zwei geradezu gegensätzlichen Bewegungen: Zunächst ist „Ein anderes Leben” eine Reise vorwärts – vom nördlichen Schweden führt sie den Autor chronologisch über Stockholm ins pochende Herz Mitteleuropas, nach Berlin, Prag und Paris, um in Kopenhagen ihr vorübergehendes Ende zu nehmen.
Enquists frühe Erfolge und die Politisierung seiner Generation zwingen dieser Reise ein hohes Tempo auf. In Westberlin tritt er 1970 zu einem Stipendium als bekennender Sozialdemokrat an – und ist sofort Außenseiter. Die kompromisslose Sprachschärfe der Linksintellektuellen setzt Enquist zu, so schreibt er, und als er für die schwedische Zeitschrift Expressen zur Münchner Olympiade 1972 fährt und das Massaker an der israelischen Mannschaft erlebt, bekommt sein Weltbild Risse. Der Guerillakrieg ist in Europa angekommen.
Wir haben es dieser Beschleunigung zu danken, dass Enquist vom heimatlosen Schreibtisch aus eine zweite Reise antritt – eine Reise, die ihn rückwärts führen wird, in seine Herkunft hinein. Weitab von der politischen Welt des Aufruhrs liegt dort ein eigensinniger Bilderkosmos verborgen – und Enquists literarischer Ton. Der Nordschwede beginnt, eine stille Gegenwelt zu erschreiben, in der die Menschen allein sind mit den Fragen ihrer Existenz. Sie fühlen sich als Henker, Opfer oder Verräter. Sie kämpfen um Vergebung, gegen den Hass, mit der Liebe. Näher als jedes menschliche Gegenüber stehen ihnen die vorbeihuschenden Tiere, deren Blick sie zu deuten versuchen. Einmal sieht der Erzähler den Möwen zu, die vor seinem Fenster gegen den Sturm kämpfen und immerzu zurückgetrieben werden. Eine weitere Variation auf das Credo unserer Vergeblichkeit, welches in Enquists mittlerem Romankorpus seit dem „Auszug der Musikanten” (1978) stetig wiederkehrt: „,Man kann Liebe nicht erklären‘, schrie sie. Aber wenn man es nicht versuchte, wo ständen wir dann?”, heißt es in „Gestürzter Engel” (1985). Für Enquist sind diese „Schmerzpunkte”, an denen der menschliche Geist versagt, immer Schreibanlass geblieben. Sie fließen auch in den Hauptteil der Autobiographie ein. Der Leser spürt die ungeheuren Kräfte, die seit Enzensbergers so benanntem Essay „Poesie und Politik” auseinander reißen wollen. Unter dem Druck des Berliner Aufruhrs, hat Enquist auch zum ersten Mal jene „Himmelsharfe” angestimmt, das Kindheitsbild des Autors. Die Himmelsharfe, das waren die Telefondrähte, die aus dem Weltraum kamen und am grünen Wohnhaus befestigt waren, um zu singen, wenn sie es in den kältesten Nächten als Resonanzraum nutzten. Reale Drähte, die doch transzendente Leitungen sind: Sie verbinden den verlorenen Sohn mit seiner einsam zurückgelassenen Mutter, wie sie die Mutter mit Gott verbinden.
Was für eine Flucht in die Literatur! Es scheint so, als fände die ständige Bilderflut, der sich der Schwede als Reporter aussetzt, in der sternklaren Romansprache ihr Gegengewicht. Internationaler Ruhm geben Enquist Recht, der Weg ist ein Höhenflug, mit dem Theaterstück „Die Nacht der Tribaden” schafft er es 1975 sogar an den Broadway. Und weil Autobiographien immer auch Entwicklungsromane sind, beginnen wir uns langsam vor einer Erfolgsgeschichte zu fürchten, die durch Alter und höhere Reifegrade womöglich nur noch veredelt wird. Gerade recht kommt deshalb die Frage: „Wenn alles so gut ging, wie konnte es dann so schlecht werden?”
Der dritte und letzte Teil dieses Menschen-Bildes heißt „Im Dunkel”, und weil ein Triptychon ein starkes Motiv braucht, das die gesamte Bildfläche überspannt, schlägt nun derjenige zu, vor dem die Eltern bereits den kleinen Jungen einst am eindrücklichsten warnten: Teufel Alkohol. Die späten achtziger Jahre werden zum Versuch eines Suchtkranken, dieses Leben loszuwerden und „Ein anderes Leben” zu beginnen. Die Schmerzpunkte, an die Per Olov Enquist in seinen Büchern so oft gerührt hat, wachsen sich in seinem eigenen Leben zu einer Schmerzfläche aus.
Was autobiographisches Schreiben vermag und welche schriftstellerische Größe Enquist hat, führt uns dieser dritte Teil eindrücklich vor. Wir brauchen keinem Torkelnden durch die nächtlichen Bars von Kopenhagen und Paris zu folgen – Hauptspielplätze sind weiterhin die Wohnungen des Autors –, doch gewinnt der Text gerade aus Rückzug, Krankheitseinsicht und der Ruhe, mit der sich jemand der Sucht hingibt, eine zunehmende Atemlosigkeit.
Wer lebend auf sein Leben zurückblickt, kommt nicht umhin, eine schmerzhafte Ferne zum eigenen Ich wahrzunehmen. Diese Kluft ist nicht zu kitten, doch verstehen man jetzt, warum Enquist sein Buch in der dritten Person verfasst hat. Nicht nur kann das Pronomen den Autor nachträglich schützen vor dieser Figur, die merkte, dass sie fiel, und die nichts dagegen unternommen hat. Auch gibt sich der Autor, und das ist nicht absurd, selbst ein Stück Lebenswürde zurück, indem er den Kranken beschreibt.
Im voyeuristischen Spiel, das zwischen Nähe und Distanz changiert, hat sich Enquists Sprache schon immer am besten entfaltet. Wie kein anderer Konstrukteur versteht er sich dabei auf die Scharniere, jene kurzen Satzblitze, welche die Energie vorangegangener Betrachtungen bündeln und sich doch dem nächsten Gedankenkreis bereits wieder öffnen. Einmal sagt der Autor über sich, er habe vielleicht das absolute Gehör für die Prosa. So klingt es, seit vielen Büchern schon und hier wieder, auch in Wolfgang Butts deutscher Übersetzung.
Einer, der nicht „ich” zu sich sagen will, verzichtet nicht nur auf Identifikation. Er vermeidet auch jede selbstironisierende Geste. Wie Wolfgang Hilbig im Krisenroman „Das Provisorium” rechnet Enquist schonungslos ab, wie Hilbig weiß er, dass Stolz gerade dort entsteht, wo jemand immer und immer wieder nur auf der Stelle tritt. Wer ehrlich über die Sucht schreiben will, hat Verhaltensmuster zu wiederholen.
Also wird ein Kopenhagener Rentner, mit dem Enquist tagsüber trinkt, zu seiner letzten Muse. Und damit die Tragödie überhaupt noch weitere Darsteller hat, werden französischer Wein und dänisches Elefantenbier kurzerhand zu „Gefängniswärtern” ernannt. Überhaupt breiten sich die Gefängnismetaphern aus, denn nun sind beide eingangs beschriebenen Bewegungen gekappt. Es geht weder vor noch zurück, sowohl die paneuropäische Lebensreise als auch jene (Flucht)-Wege, die sich der Autor in Romanen, Dramen, Essays und Kritiken erschrieben hat, sind ihm verstellt. Man kann das ganz aristotelisch lesen: Dem Erwachen der Kindheit und der Entfaltung der menschlichen Fähigkeiten folgt die Katharsis. Wir folgen einem, der in Schweden wie auf Island aus den Entzugskliniken wegläuft, weil er zu spüren meint, dass sein altes Leben rückstandslos vernichtet werden soll.
Es ist Februar 1990, als der Wahn ein Ende hat. Enquist hat wieder einen Computer vor sich. Er beginnt sein anderes Leben, vergräbt sich tiefer als je zuvor in die eigene Kindheit – und kehrt schließlich mit dem Roman „Kapitän Nemos Bibliothek” zurück in die Weltliteratur.JAN BÖTTCHER
PER OLOV ENQUIST: Ein anderes Leben. Aus dem Schwedischen von Wolfgang Butt. Hanser Verlag, München 2009. 544 Seiten, 24,90 Euro.
In Westberlin tritt er 1970 als bekennender Sozialdemokrat auf und ist sofort Außenseiter
Stolz entsteht gerade dort, wo jemand immer und immer wieder nur auf der Stelle tritt
Per Olov Enquist Foto: Regina Schmeken
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.06.2009

Schreiben und Flüstern
Allein mit dem Ruhm und der Sucht: Der schwedische Autor Per Olov Enquist erzählt seine Lebensgeschichte

Wenn man dieses Buch mit demselben scharfen Blick betrachtet, mit dem sein Autor sich selbst anschaut - ein Auge weit aufgerissen, das andere wie zum genaueren Zielen zusammengekniffen -, ist es eigentlich keine Autobiographie mehr, sondern ein Verhör. Ein gründliches, geduldiges, manchmal quälendes, manchmal komisches Selbstverhör. Nur dass alle Fragen nachträglich gestrichen wurden: Wie bist du geworden, was du bist? Woher kommt dein Talent? Was war mit deinem totgeborenen Bruder, dem Vater, der starb, als du klein warst? Wann begann dein Höhenflug, wann fing dein Absturz an? Das alles liegt wie wegradiert unter dem Text, den man liest. Aber die Antworten stehen da, eine nach der anderen.

Per Olov Enquist, der Autor des "Besuchs des Leibarztes", des "Buchs von Blanche und Marie" und der "Nacht der Tribaden", der (mit einigem Abstand vor Lars Gustafsson) wichtigste schwedische Schriftsteller unserer Zeit, erzählt sein Leben. Aber er redet nicht wie jemand, der sich interessant machen, der seinen Taten und Träumen ein Denkmal setzen will. Enquist spricht wie einer, der noch nicht fertig ist mit sich selbst, der noch eine Rechnung offen hat mit dem Ich, das er war. Er beginnt mit dem Tiefpunkt seines ganzen Lebens, einer Nacht im Dezember 1989, in der er aus einer Entzugsklinik auf Island zu fliehen versuchte, und arbeitet sich dann in einer gewaltigen, fünfhundert Seiten langen Erzählkurve wieder zu dieser Nacht vor.

Dazwischen liegen die Kindheit in Nordschweden, die Schüler- und Studentenzeit, die Jahre des Ruhms, des Sports und der Politik, schließlich die Jahre des Alkohols und der Verzweiflung. Aber dann - Island: "Die Luft war kalt, vielleicht drei, vier Grad minus, der Schnee unter den Socken fühlte sich trocken an, und er war sicher, dass sie nicht nass werden würden . . . Aber kein Laut vom Herrscher des Weltalls. Und er war mitnichten schwerhörig. Zehn Minuten ging er immer langsamer. Inzwischen waren die Lichter hinter ihm auch sehr weit entfernt, und die vor ihm waren nicht näher gekommen. Unter dem Schnee jetzt offenbar Steine und Felsblöcke, er begann zu stolpern, es war nicht mehr so leicht voranzukommen. Er fiel einmal, und blieb liegen. Klares Wetter in dieser Nacht. Man sah die Sterne, aber kein Nordlicht. Wohin war es verschwunden."

Jede Enquistfigur kommt irgendwann an den Punkt, an dem sie allein vor ihrem Schöpfer und ihrem Schicksal steht, hilflos, ohne Tricks und Ausreden, in der großen Nacht des Universums. Und jede besitzt ihren eigenen Dämon, der sie an diesen Punkt getrieben hat - die Machtgier, die Liebe, die Ruhmsucht, die Selbstüberschätzung, manchmal auch alle zusammen. Bei Enquist, dem Autor, der sich selbst zur Figur wird, ist dieser Dämon der Alkohol. Sein Buch gibt sich gar keine Mühe, die Sucht zu entschuldigen. Sie hilft ihm weder beim Schreiben noch beim Nichtschreiben, und sie kommt auch nicht aus der Kindheit, auch wenn es scheint, als wäre sein Vater, der dem kleinen Per Olov in seinem letzten Brief auf dem Sterbebett auftrug, Prediger zu werden, ebenfalls alkoholsüchtig gewesen. Sie ist einfach da. Und doch wirbelt der Zusammenbruch, auf den dieses Buch zusteuert, all die frühen Bilder des Unglücks wieder auf, von denen sich der Erfolgsschriftsteller Enquist befreit glaubte: den "Totbruder", der an seiner Nabelschnur erstickt war und von dem Per Olov den Vornamen erbte; den toten Vater, mit dem der Schüler E. Selbstgespräche führte; das Heimatdorf in Nordschweden, in dem das Sägewerk, die Kirche und der schäbige Fußballplatz den Rhythmus des Lebens bestimmten. Und schließlich und vor allem die Mutter, eine tief gläubige, früh verwitwete und verhärtete Dorfschullehrerin, über die Enquist den schönsten Satz seiner Lebensbeichte geschrieben hat: "Weil er, zu Recht, fürchtet, dass sie ihn geformt hat, neigt er dazu, sie zu leugnen." Besser kann man das in alle Ewigkeit nicht sagen.

Man muss sich diese fünfhundertseitige Selbstbefragung wie einen Wallander-Krimi vorstellen, in dem Enquist zugleich der Kommissar, das Opfer und der Hauptverdächtige ist. Mal schaut er mit einem misstrauischen Ermittlerblick sein Leben an, dann wieder versucht er hakenschlagend und anekdotensprühend den Häschern zu entkommen, und immer wieder steht er weinend vor der Leiche seines früheren Ichs. Über die geschönten Memoiren der dänischen Schauspielerin Luise Heiberg, die ihn zu seinem Drama "Aus dem Leben der Regenwürmer" inspirierte, schreibt Enquist: "Das Getilgte stellte eine unerhörte Wahrheit dar." Aus seinem eigenen Leben hat er diese Wahrheit nicht getilgt.

"Ein anderes Leben" liest sich wie das Skript zu einem Film, den Enquists langjähriger Freund Ingmar Bergman nicht mehr gedreht hat. Es ist ein düsteres, mit Dissonanzen aufgeladenes Buch, das auch seine Leser nicht schont. Aber am Ende hat Enquist uns da, wo er uns hinhaben will: in der Nacht, der Kälte, der Einsamkeit, unter den Sternen. "Er könnte sich ja hier im Schnee im Herzen von Island ausruhen." Doch er wird gerettet. Und man atmet auf.

ANDREAS KILB

Per Olov Enquist: "Ein anderes Leben". Übersetzt von Wolfgang Butt. Hanser-Verlag, 542 Seiten, 24,90 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Was für eine Autobiografie! Jan Böttcher ist tief beeindruckt. Nicht nur, weil ihm Per Olov Enquist hier offenbart, wie sehr seine Romane von persönlichen Erlebnissen geprägt sind. Böttcher liest den Text aristotelisch, als dreiteiliges kathartisches Unterfangen eines Mannes, der in die eigenen Abgründe schaut. Der äußerlichen rasenden Vorwärtsbewegung (Reisen durch Mitteleuropa) entspricht ein innerer rückwärtsgewandter Blick - Richtung Herkunft. Hier stößt Böttcher auf ein reiches Bilderreservoir und auf den literarischen Ton des Autors. Beide Bewegungen zusammen ergeben "Schmerzpunkte", Kräfte, deren Bedeutung für den Schaffensprozess dem Rezensenten unmittelbar einleuchten. Wenn im dritten und letzten Teil der Autobiografie Enquist dem "Teufel Alkohol" begegnet, spürt Böttcher die Größe, die das verlangt, aber auch die heilsame Distanz, die sich aus der vom Autor gewählten dritten Person ergibt.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Was autobiographisches Schreiben vermag, und welche schriftstellerische Größe Enquist hat!" Jan Böttcher, Süddeutsche Zeitung, 09.03.09

"Es ist, als hätte er sich in diesem Buch und im Leben einen Ort geschaffen, an dem sich die Themen seines Lebens verdichten." Susanne Mayer, Die Zeit, 12.03.09

"Per Olov Enquists Lebensroman ... ist die Beschreibung des langen, krummen Weges zu sich selbst. ... Eine Lektüre, die einen mitreißt und durchschüttelt." Martin Ebel, Tages-Anzeiger, 23.03.09

"Man hoffe ja immer auf ein Wunder, hatte es zu Beginn geheißen, mit einem Zitat aus dem rettenden Roman. Jetzt, da mit dessen Vollendung zugleich diese Lebens-Geschichte ans Ende gelangt ist, hat sich das Wunder ereignet. Es ist auch eines der Literatur." Heinrich Detering, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.04.09

"Die Sehnsucht des Individuums nach dem Sinn seiner Existenz. Dieses unvergängliche Thema hat Enquist auf beeindruckende Weise neu instrumentiert." Claus-Ulrich Bielefeld, Die Welt, 04.04.09

"Ein ebenso subtiles wie mächtiges, lichtes wie aufwühlendes Bekenntnisbuch. ... Betörend ist die Mischung aus Strenge und Selbstironie, Elegie und Essenz." Andreas Breitenstein, Neue Zürcher Zeitung, 18.04.09