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Vom Gilgamesch-Epos bis zu Milan Kunderas Unerträglicher Leichtigkeit des Seins - Bernhard Lang untersucht religiöse Motive wie Weisheit, Religionskritik, Biographie oder Heilsgeschichte in 100 Werken der Weltliteratur. Damit entsteht sowohl eine theologische Literaturgeschichte wie auch eine Geschichte des religiösen Denkens und Empfindens.Hesses Siddhartha wird ebenso untersucht wie Brochs Schlafwandler, die Kairo-Trilogie von Machfus, Platons Apologie des Sokrates, die Göttliche Komödie oder eine heilige Schrift wie das Buch der Psalmen oder das Daodejing. Jedes der Werke wird durch…mehr

Produktbeschreibung
Vom Gilgamesch-Epos bis zu Milan Kunderas Unerträglicher Leichtigkeit des Seins - Bernhard Lang untersucht religiöse Motive wie Weisheit, Religionskritik, Biographie oder Heilsgeschichte in 100 Werken der Weltliteratur. Damit entsteht sowohl eine theologische Literaturgeschichte wie auch eine Geschichte des religiösen Denkens und Empfindens.Hesses Siddhartha wird ebenso untersucht wie Brochs Schlafwandler, die Kairo-Trilogie von Machfus, Platons Apologie des Sokrates, die Göttliche Komödie oder eine heilige Schrift wie das Buch der Psalmen oder das Daodejing. Jedes der Werke wird durch Inhaltsangabe, Interpretation und Beurteilung durch Leser und Kritiker vorgestellt und erschlossen. Schriften, die als religionsfeindlich gelten, wie Nietzsches Zarathustra, fehlen ebenso wenig wie prominente theologische und religionsphilosophische Essays. So entsteht ein gewaltiges Panorama der Religions- und Literaturgeschichte für jeden, der sich mit Weltliteratur und Weltreligionen beschäftigt.
Autorenporträt
Bernhard Lang ist emeritierter Professor für Theologie und Religionswissenschaft. Er lehrte in Tübingen, Paderborn, Paris und St. Andrews und hat bislang mehr als dreißig Bücher publiziert, darunter mehrere erfolgreiche Sachbücher.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.12.2018

Wenn schon katholisch, dann bitte richtig
Bernhard Langs Führer durch das Feld der religiösen Literatur überzeugt nicht

Man kann darüber streiten, ob das Christentum eine Buchreligion ist. Denn die Bibel wird anders als etwa der Koran nicht als unmittelbare sprachliche Äußerung Gottes verehrt. Insofern ist das Christentum eher eine Religion des Geistes und weniger des Buchstabens. Doch auch der Geist will sich mitteilen, und sein bestes Verbreitungsmittel ist seit jeher das Buch. Deshalb sind besonders Katholizismus und Protestantismus Lesekonfessionen geworden: In Lektüren wird der Glaube vermittelt und angeeignet. Doch was soll man lesen? Das ist heute nicht mehr leicht zu sagen, denn in den vergangenen zweitausend Jahren wurden ungezählt viele Bücher über, für und gegen das Christentum geschrieben.

Der katholische Theologe Bernhard Lang versucht nun in einem umfangreichen Buch, die hundert wichtigsten Werke religiöser Literatur vorzustellen. Das ist eine erfreuliche, notwendige Dienstleistung. Noch vor wenigen Jahren galt die Aufstellung eines kulturellen Kanons als das Böse schlechthin, als Akt autoritärer Übermächtigung. Doch längst sind die alten Kanons zersetzt und zerstört, ist an ihre Stelle eine solche Vielfalt getreten, dass man nicht weiß, wo man anfangen soll. Da ist man für eine Leseliste dankbar. Man weiß ja, dass sie kein Gesetz ist, sondern eine subjektive Auswahl, von der man sich anregen lassen, die man aber auch übergehen kann.

Lang präsentiert drei Gruppen: Heilige Schriften aus vielen Weltteilen, theologische und philosophische Werke sowie religiös inspirierende Dichtung vornehmlich aus Europa. Zu jedem Buch bietet er Informationen über den Autor, eine Inhaltsangabe, Deutungsansätze und Hinweise zur Rezeption. All dies liest man gern, fühlt sich angenehm an vergangene Leseerlebnisse erinnert oder über Ungelesenes zuverlässig belehrt. Doch fragt man sich, ob die Konzeption sinnvoll ist. Heilige Schriften sind etwas ganz anderes als Reflexionstexte oder literarische Kunstwerke. Eigentlich hätten die drei Gruppen jeweils einen eigenen "Kanon" verdient, doch so kann es für jede von ihnen nur etwa dreißig Titel geben. Das ist karg. Dieses Buch leistet am Ende zu wenig, weil es zu viel will.

Natürlich ist es langweilig, ein Buch danach zu beurteilen, was es nicht enthält. Aber bei solchen Leselisten gehört es zum Spiel, dass man nachschaut, ob die eigenen Lieblinge mit an Bord sind. Da fällt dem (protestantischen) Rezensenten auf, wie sehr der (katholische) Autor konfessionellen Vorlieben folgt. Luther ist bloß mit seinem "Kleinen Katechismus" eingeladen und wird als autoritärer Indoktrinationspädagoge vorgestellt. Sein literarisches Charisma bleibt außen vor. Ebenso fehlen die Choräle, überhaupt die Gesangbücher als eigene Gattung und Brunnen der Poesie. Vergessen wurde die klassische protestantische Avantgarde: Herder, Schleiermacher, Mörike oder Novalis, aber auch Jean Paul oder Hölderlin. Als nicht erwähnenswert gelten die Höhepunkte protestantisch geprägter Erzählkunst: Hebels "Kalendergeschichten" oder die Romane von Moritz, Gotthelf, Fontane oder Raabe.

Hat man sich ausreichend geärgert, fragt man sich, ob Lang nicht gut beraten gewesen wäre, bewusst seinen Vorlieben zu folgen und eine subjektive, eben katholische Linie zu ziehen. Denn die Kapitel zum göttlichen Dante, dem heiligen Franziskus, dem romantischen Eichendorff, später zum todtraurigen Bernanos, zur abgründigen Flannery O'Connor oder zu hochintellektuell Suchenden wie Doderer oder Musil lesen sich anregend. Davon hätte man gern mehr gehabt: etwa den konservativen Avantgardisten Claudel, moderne Konvertiten wie Chesterton oder Döblin sowie die großen polnischen Lyriker der Moderne. Also, wenn schon katholisch, dann bitte richtig!

Nur mündet eine solche Linie schnell in eine Verfallsgeschichte. Von der Bibel und mit den Kirchenvätern geht es hinauf zu Dante, dem Gipfel einer Verschmelzung von Glaube und Kunst, danach aber wieder hinab. Die Reformation zerstört die schöne Einheit, und seit der Aufklärung wird die Religionskritik immer lauter, am Ende geht der Knoten der Geschichte so aus: Die Literatur mit dem Unglauben und der Glaube mit der Unbildung. Auf diese Weise aber nimmt man die ästhetischen Umformungen des Religiösen in der Moderne nicht wahr.

Dazu müsste man die literarische Verweltlichung des Christentums - etwa seit Lessing - als eine Form seiner Verwirklichung verstehen: Wesentlich Christliches nimmt in der säkularen Literatur eine neue, nicht mehr kirchlich gebundene Gestalt an. Diese Perspektive hat der Germanist Wolfgang Braungart in seiner großartigen Studie "Literatur und Religion in der Moderne" (2016) vorgestellt. Für sie braucht man allerdings einen besonderen Spürsinn. Da genügt es nicht mehr, nach Jesus-Figuren oder theologischen Debatten in Romanen und Dramen zu suchen. Man muss in der Sprache eines Werkes, seiner künstlerischen Gestalt selbst den religiösen Sinn ausmachen. Leider zeigt Lang für Formfragen wenig Interesse. So kommt die Gattung, die hier am interessantesten ist, bei ihm kaum vor: die Lyrik. Ein Blick auf die anglikanische Tradition der "metaphysical poets" von Herbert zu Eliot, Auden oder Dickinson hätte sich gelohnt.

Wahrscheinlich deshalb ist Lang in seinen Urteilen über die Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts so unsicher. Eine auch in religiöser Hinsicht epochale Gestalt wie Kafka fehlt. Sein viertklassiger Freund Brod aber wird präsentiert. Überhaupt hat Lang zu viele Autoren von beschränkter Güte und mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum aufgenommen: Hesse, Tagore, Sartre oder Frisch. Doch Beckett sucht man vergeblich.

Hier zeigt sich, dass ein zeitgemäßer Kanon religiös interessanter Literatur heute ein Doppeltes leisten muss. Er hat zum einen grundlegende Bücherkenntnisse zu vermitteln. Zum anderen sollte er darüber hinaus Neugier und Sensibilität wecken, um Religion auch dort zu entdecken, wo sie nicht in traditioneller oder institutionell-kirchlicher, sondern eben in modern-literarischer Gestalt auftritt. Ein solcher Kanon wäre mehr als nur eine Leseliste, nämlich zugleich eine Wünschelrute, die ihren Nutzern die Lektüre nicht abnimmt, sondern sie zu eigenständigen literarischen Erkundungsreisen anstiftet.

Ein religiöser Literaturverführer in diesem doppelten Sinn wäre für viele Studenten hilfreich, mehr noch aber für all die Literaturwissenschaftler, die für einen wichtigen Aspekt ihres Forschungsgegenstandes keinen rechten Sinn mehr besitzen.

JOHANN HINRICH CLAUSSEN

Bernhard Lang: "Religion und Literatur in drei Jahrtausenden".

Hundert Bücher.

Ferdinand Schöningh

Verlag, Paderborn 2018.

764 S., geb., 79,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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