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This first book from Chicago author Chris Ware is a pleasantly-decorated view at a lonely and emotionally-impaired "everyman" (Jimmy Corrigan: The Smartest Kid on Earth), who is provided, at age 36, the opportunity to meet his father for the first time. An improvisatory romance which gingerly deports itself between 1890's Chicago and 1980's small town Michigan, the reader is helped along by thousands of colored illustrations and diagrams, which, when read rapidly in sequence, provide a convincing illusion of life and movement. The bulk of the work is supported by fold-out instructions, an…mehr

Produktbeschreibung
This first book from Chicago author Chris Ware is a pleasantly-decorated view at a lonely and emotionally-impaired "everyman" (Jimmy Corrigan: The Smartest Kid on Earth), who is provided, at age 36, the opportunity to meet his father for the first time. An improvisatory romance which gingerly deports itself between 1890's Chicago and 1980's small town Michigan, the reader is helped along by thousands of colored illustrations and diagrams, which, when read rapidly in sequence, provide a convincing illusion of life and movement. The bulk of the work is supported by fold-out instructions, an index, paper cut-outs, and a brief apology, all of which concrete to form a rich portrait of a man stunted by a paralyzing fear of being disliked.
Autorenporträt
Chris Ware
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.03.2013

In der weißen Stadt
Ein Meilenstein: Chris Wares Graphic Novel
„Jimmy Corrigan“ erscheint endlich auf Deutsch
VON THOMAS VON STEINAECKER
Es gibt gute und sehr gute Kunstwerke. Und es gibt Meilensteine. Zu der letzten Kategorie gehört die Graphic Novel „Jimmy Corrigan – Der klügste Junge der Welt“ des US-Amerikaners Chris Ware, die jetzt endlich, über dreizehn Jahre, nachdem sie in den USA erschien, auch auf Deutsch vorliegt. Es ist schon ein merkwürdiger Zufall, dass das Buch einst ausgerechnet zum Millenniumswechsel herauskam; war doch sofort nicht nur der Comic-Branche klar, dass man es hier mit einer Epoche machenden Arbeit und einem genialen, bis dahin aber nur Insidern bekannten Künstler zu tun hatte: Als erste Graphic Novel überhaupt erhielt das Buch neben den wichtigsten Auszeichnungen in Angoulême und beim Eisner-Award den angesehenen Guardian First Book Award.
  Sieben Jahre lang hatte Ware an seinem Opus Magnum gearbeitet, Kapitel um Kapitel, wie bei vielen Comic-Künstlern üblich, in seinem selbst herausgegebenem Periodical, „The ACME Novelty Library“, veröffentlicht und schließlich die Produktion des fertigen 380-Seiten-Buches von Anfang bis zum Ende allein überwacht – der Verlag übernahm lediglich den Vertrieb. Ein ungewöhnlicher Vorgang, der jedoch zugleich ein bezeichnendes Licht auf Ware wirft: Der fast kindlich schüchterne und zugleich stets von Selbstzweifeln geplagte Autor und Zeichner ist ein Perfektionist sondergleichen. Als er mit den Farben der Bilder unzufrieden war, flog er kurzerhand in die Druckerei nach Hongkong. Entdeckt wurde er in den späten 1980ern von keinem geringeren als Art Spiegelman, der durch Zufall auf der Rückseite der Rezension eines seiner eigenen Werke auf einen Strip Wares stieß und dem verblüfften Studenten anbot, für sein legendäres Raw-Magazin zu arbeiten. Heute bildet Ware zusammen mit Charles Burns („Black Hole“) und Dan Clowes („Ghost World“) eine Trias US-amerikanischer Zeichner, die für Generationen von internationalen Comickünstlern stilprägend ist, wobei kein Zweifel darüber besteht, dass Ware von den dreien der Innovativste und Manischste ist.
  Was aber nun macht „Jimmy Corrigan“ zu so einem Wunderwerk? Anders als bei einem Roman, in den man sich erst einmal einlesen muss, um ihn zu beurteilen, ist Wares Kunst für jeden auf den ersten Blick ersichtlich. Wenn man das Buch aufschlägt, sticht sofort die Kolorierung ins Auge, und man versteht, warum sie Ware so wichtig ist: Jede Episode wird von einer bestimmten Farbe mit ihren diversen Abstufungen dominiert, in die behutsam Akzente, meistens in rot oder gelb, gesetzt sind. Die Wirkung ist verblüffend: Ohne die Motive oder die Geschichte zu kennen, überzeugen die Seiten allein schon durch ihre jeweilige Chromatik als abstraktes Bild. Ihr Aufbau ist dabei äußerst komplex: Häufig gibt ein großes Panel eine Außenansicht wieder, ein Haus oder ein Auto, während rundherum angeordnete kurze Sequenzen in minimalistischen Bewegungsabläufen Details zeigen, einen gähnenden Mann beispielsweise oder eine herumschwirrende Biene. Dabei hat Ware das Gesamtbild ebenso im Blick wie die Puzzlesteinchen, aus denen es sich zusammensetzt, was der Hauptgrund dafür ist, warum dieses Buch nicht als E-Book funktionieren würde. Die Landschaften und Figuren, die die Seiten bevölkern, erinnern wie auch bei Burns und Clowes an die klare Linie Hergés und wirken bei aller karikaturistischen Verzerrung stets realistisch. Allein schon visuell ist „Jimmy Corrigan“ also ein Genuss. Hier und da ist man versucht, eine Seite auszuschneiden und einzurahmen.
  Die eigentliche Bedeutung von Wares Graphic Novel liegt aber nun darin, dass hier die brillanten Bilder nicht, wie so oft bei anderen Künstlern, eine am Ende recht dürftige Geschichte kaschieren; stattdessen weist „Jimmy Corrigan“ viele Merkmale einer „Great American Novel“ auf. Tatsächlich erschien der Comic in den USA nahezu gleichzeitig mit Jonathan Franzens Roman „Die Korrekturen“, was ein weiterer seltsamer Zufall ist. Denn auch bei Ware geht es um mehrere Generationen einer Familie, deren Wege sich auf einem Fest, in diesem Fall an Thanksgiving, kreuzen. Was so entsteht, ist sowohl das Psychogramm unterschiedlicher, typisch amerikanischer Charaktere, als auch das Abbild ihres Landes.
  Das Buch beginnt im verschneiten Chicago Anfang der 1980er mit dem titelgebenden Antihelden, Jimmy Corrigan. In dem Ensemble aus Figuren, die im Lauf der folgenden Episoden vorgestellt werden, ist er letztlich die am wenigsten originelle, weil mit ihren Autismen ein wenig eindimensional geraten: 36 Jahre alt, aber vor der Zeit gealtert, sowie als 08/15-Bürokraft sozial isoliert und von der von ihm angehimmelten Kollegin verachtet; lediglich seine Mutter nervt ihn mit überfürsorglichen Anrufen aus dem Altenheim. Da wirbelt ein Brief Jimmys monotonen Alltag durcheinander: Sein Vater, den er nie kennengelernt hat, lädt ihn zu Thanksgiving ein, das Flugticket liegt bei. Also macht sich Jimmy nach Michigan auf und steht bald darauf, in einer typischen, streng symmetrisch angelegten Ware-Szene, seinem eigenen älteren Spiegelbild, seinem Erzeuger gegenüber, der nichts Besseres zu sagen hat als: „Und, wie war dein Flug?“ Corrigan sen. mag von seinem Aussehen und seinem tristen Leben her seinem Sohn ziemlich ähnlich sein; aber wo jener wegen seiner Neurosen nie einen Mucks herausbringt, überspielt der Vater seine Schwächen mit penetrantem Macho-Gehabe und schmieriger Anbiederung. Dass man nach und nach doch gewisse Sympathien für diesen Kotzbrocken hegt, liegt nicht so sehr an seinen ungelenken Wiedergutmachungsversuchen, sondern an seiner Adoptivtochter, die plötzlich auftaucht, als er nach einem Autounfall im Koma liegt: Amy ist jung, schwarz, redet, was sie gerade denkt und hat dabei das Herz am rechten Fleck. Man ahnt, dass Jimmys Vater wohl eigentlich ein netter Kerl ist, der sich aufopfernd um Amy gekümmert hat. Und auch Jimmy selbst, der von der Situation natürlich völlig überfordert ist, beginnt allmählich durch die lockere Art seiner Stiefschwester aufzutauen. Am Ende wird er zwar nach einer Katastrophe seine neue Familie Hals über Kopf verlassen, doch es besteht Hoffnung, dass er als ein anderer nach Chicago heimkehrt.
  Parallel zu Jimmys Geschichte entspannt sich die seines Großvaters. Und hier kommt das Buch ganz zu sich: Nicht nur, weil das Chicago des späten 19. Jahrhunderts reich an Schauwerten ist, sondern weil der greise James Corrigan selbst Amy von seiner schrecklichen Kindheit erzählt und sich dabei zum ersten Mal so etwas wie Innerlichkeit einstellt. Der Neunjährige lebt als Halbwaise bei seinem tyrannischen Vater, der sehnsüchtig auf das Erbe seiner sterbenden Mutter wartet und sich als Handwerker in der neoklassizistischen Idealstadt „White City“ auf der anstehenden Weltausstellung verdingt: Hier also die triumphale Selbstfeier des modernen Menschen und seiner Errungenschaften, dort das traurige Schicksal des schüchternen James’, der in der Schule gehänselt wird und daheim, als der Vater dem schwarzen Hausmädchen kündigt, seine einzige Fürsprecherin verliert.
  Das Buch hält indes am Ende einen Clou bereit, der die diversen miteinander verwobenen Lebensgeschichten in einem neuen Licht erscheinen lässt: In einem Diagramm sehen wir, dass Amy von eben jenem Hausmädchen abstammt, mit dem James’ Vater eine Affäre hatte. „Jimmy Corrigan“ ist damit nicht nur das Porträt einer kaputten Nation, sondern auch eine komplexe Studie zur Rassenproblematik der USA. Erst vor diesem Hintergrund begreift man die vielen subtilen, auffällig weiß konnotierten Leitmotive des Buches, von der „White City“ über den allerorts präsenten Schnee bis hin zum „White Trash“ der Familie Corrigan. Daneben offenbart die Graphic Novel eine fruchtbare Anzahl weiterer Tiefenschichten, die genug Stoff für zahlreiche Doktorarbeiten böten. Denn im Unterschied zu Franzen ist Ware sowohl ein realistischer als auch ein knallharter postmoderner Erzähler. Oft wird die Handlung unterbrochen, vor allem von Passagen, die sich erst a posteriori als Tagtraum herausstellen, sodass man sich über den Wirklichkeitsstatus des Erzählten nie ganz sicher sein kann, oder, wie es im Text in der gelungenen Übersetzung Tina Hohls und Heinrich Anders’ heißt: „Manche Erinnerungen bleiben so frisch wie im ersten Augenblick, während andere zu zerfallen scheinen und ihre Nachbarn mit einem giftigen Schimmel der Ungewissheit bestäuben.“ Dementsprechend ist auch die Leserichtung durch die kaleidoskopartigen Gesamtbilder auf den einzelnen Seiten nicht klar linear vorgegeben. Selbst nach der x-ten Lektüre wird man neue Aspekte entdecken.
  Ein kleiner Wermutstropfen bleibt: Chris Ware ist kein One-Hit-Wonder. In dem im letzten Jahr erschienenem Großwerk „Building Stories“ führt er seine Chronik der amerikanischen Seele fort. Die Geschichte übertrifft sogar noch die Innovationskraft „Jimmy Corrigans“ und wird in sage und schreibe vierzehn verschiedenformatigen Büchern erzählt, die in einer Kiste geliefert werden. Dass „Building Stories“ je außerhalb der USA erscheinen wird, ist wegen des komplexen Letterings leider eher unwahrscheinlich. Vielleicht ist das der Preis, den Genies zu zahlen haben.  
Chris Ware: Jimmy Corrigan – Der klügste Junge der Welt. Aus dem Amerikanischen von Heinrich Anders und Tina Hohl. Reprodukt Verlag, Berlin 2013. 384 Seiten, 39 Euro.
Jede Episode wird von einer
bestimmten Farbe dominiert, in
die behutsam Akzente gesetzt sind
Der Comic ist auch eine Studie
zur Rassenproblematik
der USA – deshalb so viel Weiß
Ein Mann und seine Stadt: Jimmy Corrigan im verschneiten Chicago.
 ABBILDUNG AUS DEM BESPROCHENEN BAND
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