Marktplatzangebote
4 Angebote ab € 7,99 €
  • Gebundenes Buch

Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktdetails
  • Verlag: Donat
  • Seitenzahl: 348
  • Erscheinungstermin: 23. Dezember 2013
  • Deutsch
  • Abmessung: 223mm x 123mm x 30mm
  • Gewicht: 430g
  • ISBN-13: 9783943425277
  • ISBN-10: 3943425274
  • Artikelnr.: 40027278
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.03.2014

Neues von
gestern
Christian Schmidt-Häuer
erlebte Weltgeschichte live
Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern, heißt ein beliebter Spruch in Journalistenkreisen. In Zeiten, in denen manche fürchten, die Zeitung selbst sei von gestern, ist das Buch von Christian Schmidt-Häuer ein geeignetes Gegengift. In „Erlebte Weltgeschichte“ hat der Veteran der Zeit-Auslandskorrespondenten ausgewählte Geschichten über ein verlorenes Imperium zusammengestellt, die Sowjetunion und ihre osteuropäischen Satelliten: So gut kann gedruckter Journalismus sein, dass er Leser auch nach Jahrzehnten noch in seinen Bann zieht und Dinge erklärt, ohne die viele aktuelle Geschehnisse nicht recht verständlich sind.
  Aktuell wäre sicherlich die Krim-Krise ein solches Beispiel. Was dort geschieht, ist für Westeuropäer schockierend. Wer aber bei Schmidt-Häuer noch einmal nachliest, wie der Reformer Michail Gorbatschow vergeblich versuchte, das marode Reich so vieler Völker und Nationen „in eine Art Commonwealth entlassen zu können“, der vermag die Nachfolgekämpfe um die neue Ordnung in der Ukraine historisch besser einzuordnen.
  Schmidt-Häuer, geboren 1938, war als Korrespondent in Osteuropa und hat fast alles gesehen: die sowjetischen Panzer 1968, welche den Aufstand des Prager Frühlings niederwalzten, aber auch „die Helden der samtenen Revolution (in Prag) von 1989, welche die neoliberalen Medien mit ihren oft frisch gebackenen journalistischen Yuppies den Prager Frühling instrumentalisieren ließen“. Er kann erklären, wie ausgerechnet das einst unter der Tyrannei des Kreml vergleichsweise weit entwickelte Ungarn zum nationalistischen Sorgenkind der EU werden konnte: „Das Land hat in den sozialen Verwerfungen nach der radikalen Marktöffnung 1989 den Glauben an die emanzipatorische Kraft der Zukunft verloren.“ Und da stieg der alte, nie bewältigte Rassenhass einer Nation wieder hoch, die sich zu den Verlierern der Geschichte zählt.
  Für Schmidt-Häuer ist „Geschichte das Rüstzeug für den Journalismus“ geworden, das macht den bleibenden Wert seiner Artikel aus, die stilistisch souverän und völlig uneitel geschrieben sind – obwohl der Autor viele Staatsmänner des roten Weltreichs noch persönlich kannte.
  In den Siebzigerjahren stieg er regelmäßig in einem Bukarester Hotel ab. Kaum hatte er sein Zimmer betreten, klingelte das Telefon, und eine Frauenstimme flötete: „Wann besuchen sie uns?“ Über Hintertreppen und düstere Seitengänge erreichte der Reporter sein Ziel: die Telefonzentrale des Hotels, deren Mitarbeiterinnen er mit reichlich Westzigaretten ausstattete. So konnte er zumindest halbwegs sicher sein, bei Bedarf noch am selben Tag eine Leitung in die Hamburger Redaktion zu bekommen. Schmidt-Häuer: „Die analoge Welt forderte den Korrespondenten vergleichsweise harte Pionierarbeit ab, unterwarf sie dafür aber nicht dem Stress der pausenlos anbrandenden, simultanen Informationsflut von heute, die keine Grenzen mehr kennt.“
  Ein wunderbares Buch, und man darf sich freuen auf den angekündigten zweiten Band.
JOACHIM KÄPPNER
Christian Schmidt-Häuer: Erlebte Weltgeschichte. Prag, Polen, Moskau, Ungarn, Rumänien 1968- 2013. Donat Verlag, Bremen 2014. 348 S., 18 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr