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Wie beurteilte Gershom Scholem, der große Gelehrte und Erforscher der jüdischen Mystik, die überlebenschancen des Judentums in einer säkularisierten Welt? Darüber geben zwei Texte Aufschluß, die in diesem Band zum ersten Mal auf deutsch veröffentlicht werden. Der Vortrag »Einige Betrachtungen zur jüdischen Theologie in dieser Zeit« und ein Gespräch, in dem er über sich und sein Denken Auskunft gibt, entstanden in den Jahren, in denen Scholem an seinen autobiographischen Büchern Walter Benjamin - die Geschichte einer Freundschaft (1975) und Von Berlin nach Jerusalem. Jugenderinnerungen (1977)…mehr

Produktbeschreibung
Wie beurteilte Gershom Scholem, der große Gelehrte und Erforscher der jüdischen Mystik, die überlebenschancen des Judentums in einer säkularisierten Welt? Darüber geben zwei Texte Aufschluß, die in diesem Band zum ersten Mal auf deutsch veröffentlicht werden.
Der Vortrag »Einige Betrachtungen zur jüdischen Theologie in dieser Zeit« und ein Gespräch, in dem er über sich und sein Denken Auskunft gibt, entstanden in den Jahren, in denen Scholem an seinen autobiographischen Büchern Walter Benjamin - die Geschichte einer Freundschaft (1975) und Von Berlin nach Jerusalem. Jugenderinnerungen (1977) arbeitete. Der engagierte, streitbare Denker äußert sich hier direkter, offener, persönlicher zu wichtigen Fragen und Themen, die sein Leben und Werk prägten: Er spricht von seiner Beziehung zu Rosenzweig und Benjamin, seiner Hinwendung zum Judentum und zum Zionismus sowie seiner Wahrnehmung der gegenwärtigen jüdischen Befindlichkeit in Israel und der Diaspora. In seinem prägnanten überblick über die begründenden Momente der jüdischen Theologie wie im Gespräch nimmt Scholem klar Stellung zu der Frage, welche Bedeutung in seiner Sicht der jüdisch-religiösen Tradition in der modernen Welt zukommt.
»Es ist selbstverständlich, daß die Frage nach unserem Verhältnis zur Tradition des Judentums und zu dessen Geschichte als die eines Volkes, das sich in entscheidender Weise unter religiöser Inspiration geformt und entwickelt hat, auch in einem Zeitalter der Säkularisation nicht bedeutungslos oder gar hinfällig geworden ist.«
Autorenporträt
Scholem, GershomGershom Scholem (1897-1982) begründete mit seinen Werken einen neuen Forschungszweig: die wissenschaftliche Erforschung der jüdischen Mystik, die ein neues Verständnis des Judentums und der jüdischen Geschichte eröffnet hat.

Shedletzky, IttaItta Shedletzky, geboren 1943, lehrt deutsche Literatur an der Hebräischen Universität Jerusalem. Sie hat im Auftrag des Leo Baeck Instituts die Briefe Gershom Scholems herausgegeben.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.03.2003

In scholemoïdem
Deutsch
Gershom Scholem über jüdische
Theologie und die Praxis
Die Verwirklichung des Zionismus und die Verteidigung Israels scheint auf der säkularen wie auf der religiösen Seite in Hände von Leuten gefallen, vor deren Handeln und deren Rechtfertigungen es Gershom Scholem schaudern würde, weil sie etwas Säkulares mit dem Messianismus destruktiv mischen. Auch wenn in dem vorliegenden Buch mit einem langen Interview Scholems mit seinem Schüler Muki Tsur aus dem Jahr 1973/4 und der Originalfassung seines langen Vortrags „Einige Betrachtungen zur jüdischen Theologie in dieser Zeit” nur ein einziges Mal die „arabische Frage” erwähnt wird, war es Scholem doch Ernst damit, mit dem neuen Eintritt in die Geschichte durch die Gründung des Staates Israel das Judentum wieder historische Verantwortung übernehme – und dies auch in einem Sinn, der vielen, gerade auch Israelis; offenbar noch gar nicht aufgegangen ist.
Der vorliegende Band ist aber nur indirekt unter politischen Aspekten interessant, noch nicht einmal ausschließlich unter dem Aspekt der jüdischen Theologie. Vielmehr ist der Vortrag instruktiv und bewegend vor allem deshalb, weil er vom Verhältnis zur Religion in einer säkularisierten Welt handelt, von der Möglichkeit, aus der Theologie Sinn und Werte abzuleiten, und sich des Glaubens an die Existenz Gottes für versichert zu halten, da technologische Rationalität, historische Kritik und Psychologie alles autoritative Sprechen geschwächt oder gänzlich zum Verschwinden gebracht haben.
Gershom Scholem war kein orthodoxer Jude, aber er war auch kein Atheist. Dass die jüdische Tradition etwas auch außerhalb der Religion noch immer Fortwirkendes ist, sieht Scholem nicht zuletzt dadurch bestätigt, dass „nachdrücklich irreligiöse” Juden sich emphatisch als Juden bekennen. Es scheint, dass im Judentum (wie im Christentum) zur Debatte steht, inwieweit eine in der Offenbarungsreligion errungene Ethik und daraus fließende moralische Werte gerettet werden können in eine säkulare Welt, auch wenn die traditionelle Begründung nicht mehr geglaubt wird. Oder könnten Werte ganz innerweltlich hergeleitet und begründet werden – vermag die Welt Sinn und Werte aus sich selbst hervorzubringen? Scholem glaubt dies nicht, dies um den Preis, dass er schwer vorstellbar wird, wie göttliche Offenbarung sich je in menschlicher Sprache mitteilen ließ, nicht nur im Judentum, sondern auch im Christentum: „Moral als konstruktive Kraft ist ohne Religion, ohne irgendeine Kraft jenseits der reinen Vernunft unmöglich. Säkulare Moral wäre eine nur in der Vernunft begründete. Ich glaube nicht an eine solche Möglichkeit.”
Gegen das Geschwätz
Scholems Vortrag, zwar in Santa Barbara auf Englisch gehalten, aber ursprünglich in „präzisem, scholemoïdem Deutsch” (dixit: Gerhard Scholem, ein vorlauter gebürtiger Berliner vom Jahrgang 1897) geschrieben, ist so aufregend, weil er etwa zum Begriff der „Offenbarung”, zum Phänomen der „Epiphanie” oder auch zum Konzept der Verbalinspiration der Bibel – sei es Tora, sei es Neues Testament – so Differenzierendes, so sehr aus dem verwaschenen Geschwätz von neuer Religiosität und von vage „Heiligem” ganz allgemeiner Art Herausragendes sagt, dass man auch als Nicht-Gläubiger in einen hellen Raum zu treten glaubt; kaum je habe ich so schlüssig formuliert gefunden, warum zum Beispiel die (Er)Findung des Monotheismus durch die Juden „einer der revolutionärsten Schritte in der Geschichte der Menschheit” gewesen ist.
Daher besteht ein Vergnügen bei der Lektüre des Vortrags im Miterleben der schneidenden Abfuhr, welche Scholem den Kollegen erteilt, die begrifflich jämmerlich sich in Vagheiten flüchten, wo doch intellektuell zu bewältigen wäre, dass die beiden großen Religionen Christentum und Judentum, gestiftet durch Offenbarung am Berg Sinai und auf Golgatha, Opfer der historischen Kritik in den verschiedensten Formen der vergangenen 250 Jahren geworden sind.
Wahrscheinlich kann Scholem so faszinieren, weil er wie als Lehrer über die Jüdische Mystik, so auch über die Theologie und insbesondere die heutige Möglichkeit jüdischer Theologie (die ja die Katastrophe der Vernichtung des europäischen Judentums auch in theologischen Kategorien irgendwie muss ’denken‘ können, was, wie Scholem diskret andeutet, eben unmöglich ist) „aus gleichzeitiger Identifizierung und Entfernung” spricht. Er denkt und redet nicht allein als Wissenschaftler, aber auch weder als Rabbi noch als Orthodoxer noch als Kabbalist.
Inzwischen muss man voller Melancholie auf diese Texte aus den frühen siebziger Jahren zurückblicken; die Hoffnung war bei weitem noch nicht so verstellt wie heute, dass einer, der aus dem „Selbstbetrug” jüdischer Assimilation in Deutschland nach Palästina schon 1923 floh, nicht nur sein Leben retten würde, sondern Mitarbeiter an einem glückenden spirituellen oder realpolitischen Projekt werden könne. Aber: „Nichts Jüdisches ist mir fremd”, sagt Scholem, also vielleicht auch das heutige Israelisch-Jüdische, und: „Ich habe die Hoffnung nie aufgegeben.”
JÖRG DREWS
GERSHOM SCHOLEM: „Es gibt ein Geheimnis in der Welt”. Tradition und Säkularisation. Ein Vortrag und ein Gespräch. Hrsg. und mit einem Nachwort von Itta Shedletzky. Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002. 127 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Die in diesem Band versammelten Texte - der aus dem Jahr 1973 stammende Vortrag "Einige Betrachtungen zur jüdischen Theologie in dieser Zeit" und das kurz darauf geführte Gespräch mit seinem Schüler Muki Tsur - gehören zu Gershom Scholems eher unbekannten Texten, erklärt Rezensent Andreas Kilcher. Sie seien zuweilen "hoch theologisch", meistens allerdings anekdotisch, und das macht sie in den Augen des Rezensenten zu sehr "persönlichen" Dokumenten, die charakteristisch sind für Scholems mit dem Alter zunehmende Nüchternheit. Der "späte Scholem" sei zwar von den Idealen der "Entdeckung des Judentums, der hebräischen Sprache, des Zionismus und der Kabbala" nicht abgekommen, habe sie aber "zurückhaltender" und "unsicherer" formuliert. Kein Wunder also, dass Scholem hier eher Fragen aufwerfe, vor allem die eine, "nach der Stellung des Judentums und seiner Überlieferung in einer säkularisierten und technologisierten Welt". Scholem zeigt sich hier als "Denker des Widerspruchs", schreibt Kilcher, denn zum Einen betrachte er die Säkularisierung nicht nur als "unumgänglich", sondern als "fruchtbar", doch zum Anderen sei er enttäuscht über die sich daraus ergebende "Egalisierung" des 'heiligen Volks' zu einem Volk wie alle anderen Völker. Scholem formuliert diese Spannung in einer für den Rezensenten schlüssigen Paradoxie: "Mein Säkularismus ist nicht säkulär."

© Perlentaucher Medien GmbH
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