14,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Broschiertes Buch

3 Kundenbewertungen

»Eine überwältigende Geschichte über Widerstandsfähigkeit und Mitgefühl.« Barack Obama
Sunja und ihre Söhne leben als koreanische Einwanderer in Japan wie Menschen zweiter Klasse. Während Sunja versucht, sich abzufinden, fordern Noa und Mozasu ihr Schicksal heraus. Der eine schafft es an die besten Universitäten des Landes, den anderen zieht es in die Spielhallen der kriminellen Unterwelt der Yakuza.
Ein opulentes Familienepos über Loyalität und die Suche nach der eigenen Identität

Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
»Eine überwältigende Geschichte über Widerstandsfähigkeit und Mitgefühl.« Barack Obama

Sunja und ihre Söhne leben als koreanische Einwanderer in Japan wie Menschen zweiter Klasse. Während Sunja versucht, sich abzufinden, fordern Noa und Mozasu ihr Schicksal heraus. Der eine schafft es an die besten Universitäten des Landes, den anderen zieht es in die Spielhallen der kriminellen Unterwelt der Yakuza.

Ein opulentes Familienepos über Loyalität und die Suche nach der eigenen Identität
Autorenporträt
Min Jin Lee wurde 1968 in Seoul/Südkorea geboren und immigrierte, als sie acht Jahre alt war, mit ihrer Familie in die USA. Sie hat in Yale studiert und vor der Veröffentlichung ihres ersten Romans als Anwältin gearbeitet. ¿Ein einfaches Leben¿ stand auf der Shortlist des National Book Award und auf allen Bestsellerlisten der USA. Min Jin Lee lebt in New York.
Rezensionen
Min Jin Lee erzählt die fünf Generationen umfassende Familiengeschichte aus einer allwissenden Perspektive, die etwas Bergendes hat und an die grossen bürgerlichen Romane des 19. Jahrhunderts erinnert. Katharina Borchardt Neue Zürcher Zeitung 20190221

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.10.2018

Zwinkern im Donner der Epochen
Das Familienepos der Amerikanerin Min Jin Lee über die koreanische Minderheit in Japan
Es gibt Bücher, die sind schwer und lang und doch so zärtlich und leicht geschrieben, dass man nach der Lektüre glücklich ist und gar nicht weiß, wie das geschehen konnte. Der Roman „Ein einfaches Leben“ der koreanisch-amerikanischen Autorin Min Jin Lee ist so eines. Ein Roman voller Poesie und sensibler Momente, die sich so dicht und magisch entfalten wie das Leben in seinen besten Augenblicken.
Kann man so ein Werk überhaupt nacherzählen, kann man seiner Struktur gerecht werden? Wenn ja, dann nur, indem man den Protagonisten voranstellt, der in diesem Roman heimlich die Geschicke leitet: Die Dialektik der Geschichte, die das menschliche Leben anpeitscht, wie ein Fähnchen, das sich im Wind in die eine oder andere Richtung wirft.
Anfangs glaubt man allerdings noch, es mit einer klassischen Familiengeschichte zu tun zu haben, die ihre Anfänge im Jahr 1889 in Korea nimmt. Der erste Satz ist ein Sinnbild des ganzen Textes: „Die Geschichte hat uns im Stich gelassen, aber was macht das schon.“ Die Erzählung beginnt mit einer Eheschließung in einem kleinen koreanischen Fischerdorf, kurz nach der Annexion Koreas durch Japan. Hoonie, der klumpfüßige Sohn eines Logierhausbesitzers, wird mit Yangjin, der 15-jährigen Tochter eines armen Bauern vermählt. Sie bekommen eine Tochter namens Sunja.
Um dieses Mädchen dreht sich der erste Teil des Buches. Es ist ein liebes, artiges Kind, das prächtig gedeiht und bereits im jungen Alter fleißig im Logierhaus der Familie mitarbeitet. Der Zufall will es, dass sie an einem Frühlingstag einen gut gekleideten Mann kennenlernt, einen Koreaner, der erfolgreich der Armut entflohen ist und in den besten Kreisen Japans verkehrt. Schon bei der ersten Begegnung kommt er als Retter daher: Auf dem Weg nach Hause wird Sunja von drei japanischen Jungen geschubst, geschlagen und beinahe vergewaltig. Der feine Mann namens Hansu verhindert Schlimmeres und bietet dem jungen Mädchen eine Art Freundschaft an. Fortan trifft sich das ungleiche Paar regelmäßig.
Die Annäherung zwischen der gerade mal 16-jährigen Sunja, deren Vater mittlerweile verstorben ist, und dem 34-jährigen Hansu ist die vielleicht befremdlichste, verstörendste und zugleich wichtigste Stelle des Romans. Er trifft sich Woche für Woche mit dem Mädchen, spricht mit ihr, beschützt und unterstützt sie. Und doch werden seine Annäherungen von einer prekären Intimität begleitet. Dann passiert es, bei einem der Treffen beginnt Hansu die junge Sunja unter ihrer Bluse zu streicheln: „Sunja fing leise an zu weinen, und er zog sie zu sich und murmelte sanft und beschwichtigend, und sie erlaubte ihm, sie zu trösten, während er das tat, was wer wollte. Sanft legte er sie auf den Waldboden.“
Bis zum Schluss verbindet den noblen Hansu und die arme Sunja eine Beziehung, die zwischen zarter Bindung und grober Abhängigkeit hin- und herpendelt. Die Verbindung ist, wie die vielen komplexen Beziehungen des Romans, realistisch inszeniert, den sie entwickelt sich in vieldeutigen Graubereichen. Unklar bleibt, ob Hansu das Mädchen benutzt, missbraucht oder tatsächlich geliebt hat. Auch seine wahre Identität und die Gründe für seinen Reichtum bleiben lange verborgen. Nur so viel ist sicher: Das Mädchen wird von dem 34-Jährigen schwanger, aber er gibt ihr zu verstehen, dass er sie nicht heiraten wird, weil er drei Kinder und eine Frau in Japan hat. Dennoch garantiert er Sunja, dass er für sie und sein ungeborenes Kind Noa gut sorgen wird.
Und mit diesem Schicksalsschlag beginnt eine weitere Geschichte, die mitten in die Konflikte zwischen Japan und Korea führt. Der Roman funktioniert wie das Rad der Geschichte: Er rollt und rollt und überrollt Existenzen, Biografien und Epochen, ohne Unterschiede zu machen. Erst steht Sunjas Jugend im Mittelpunkt. Dann die Ehe zu ihrem Mann Isak, einem koreanischen Geistlichen, der ihr und ihrem Sohn ein neues Zuhause verspricht, als Adoptivvater einspringt, und mit dem sie später ein weiteres Kind bekommt.
Es folgt die Flucht der Familie vor dem Hunger ins japanische Osaka, ihr Entkommen aus dem amerikanischen Bombenhagel, die Rückkehr ins geteilte Korea, das Großwerden der Kinder, die Armut in den fünfziger Jahren und schließlich der Aufbau des südlichen Landesteils. Es geht um den Hunger, das Leid, das Überleben, das Zerplatzen von Träumen und das Heraufbeschwören von Wahrheiten, die jede Familie an den Rand des Untergangs bringen würde. Es ist ein Familienepos von Thomas Mannscher Größe.
Interessanterweise verändert sich der Stil des Romans mit der Entwicklung der Charaktere und der Epochen: Anfangs noch märchenhaft und verträumt, bekommt der Erzählton in Krisenzeiten eine Dringlichkeit und gleitet dann wieder sanfter ins späte 20. Jahrhundert hinein. Selbst die zentralen Schicksalsschläge werden nicht dramatisiert, sondern in einer poetischen Zugänglichkeit erzählt, die dem Schrecken der Geschichte eine unschuldige Verspieltheit verleiht. Als würde uns die Autorin sagen wollen: am Ende sind Leid und Glück nichts weiter als zwei Varianten des Zwinkerns im Donnern der Epochen.
In den USA hat dieser Roman, der dort 2017 erschienen ist, für großes Aufsehen gesorgt. Ein Kernelement seiner Entstehung ist die Migrationserfahrung der Autorin: 1976 kam Min Jin Lee als Siebenjährige ins Land, hat mit ihrer Familie im koreanischen Stadtteil Elmhurst in Queens gelebt und dort im familieneigenen Juwelierladen ausgeholfen. Später studierte sie Geschichte und Jura und praktizierte als Juristin, bevor sie Schriftstellerin wurde. Nach „Free Food for Millionaires“ (2007) ist der jetzt ins Deutsche übersetzte ihr zweiter Roman. Die New York Times empfahl ihn als einen der zehn besten des Jahres 2017. Man kann also sagen, dass sich Min Jin Lee als Schriftstellerin in den USA durchgesetzt hat. Und doch gibt es Parallelen zu den glücklosen Charakteren in ihrem Roman.
Zwischen den Zeilen erzählt der Text von Min Jin Lees persönlicher Migrationsgeschichte, von einem mühseligen Aufstieg. Als Leser bekommt man ein Gefühl für die Spannungen zwischen Korea und Japan, für die Ressentiments, die an die zwischen Osteuropäern und Deutschen erinnern und doch einzigartig erscheinen. Der koreanische Minderwertigkeitskomplex rührt an (seien es subjektive oder reale) Minderwertigkeitserfahrungen, die auch in deutschen Migrantenkreisen gefühlt und diskutiert werden und allmählich literarisch und auch gesellschaftlich zur Sprache kommen.
Das Zerbrechen einer Minderheit an der Mehrheitsgesellschaft zeigt sich vor allem in der Figur von Sunjas Sohn Noa: Er weiß nicht, dass sein Vater Koreaner ist und durch kriminelle Machenschaften reich wurde. Der Junge ist klug und fleißig, will Literatur studieren und sich in der bildungsbürgerlichen Schicht Japans ehrlich hocharbeiten, die Klischees vom zwielichtigen Koreaner hinter sich lassen. Doch was er auch tut, die Außenwelt erinnert ihn immer wieder daran, dass er anders ist, nicht dazugehört. Selbst seine japanische Freundin, eine Intellektuelle, sieht in ihm nicht nur den Freund, sondern vor allem den „klugen, attraktiven Koreaner“, der es im Mutterland geschafft hat. Sie exotisiert ihn, bewundert seine Durchsetzungskraft und gibt ihm dennoch zu verstehen, dass er trotz oder gerade wegen seiner Intelligenz nicht zur Norm gehört. Die Beziehung zerbricht an einer Form des positiven Rassismus.
In großartig einfühlsam erzählten Variationen erzählt der Roman davon, wie schwierig es ist, zu seinem persönlichen Glück, zur seiner Bestimmung, ja, zu einer Identität zukommen. Und dass man den Erfolg einer solchen Suche nicht nur selbst in der Hand hat. Nebenbei waltet still und heimlich das Schicksal. Man nennt es auch: die Geschichte.
TOMASZ KURIANOWICZ
Was er auch
tut, die Gesellschaft
erinnert ihn immer
wieder daran, dass er nicht
dazugehört
Min Jin Lee:
Ein einfaches Leben. Roman. Aus dem
Englischen von Susanne Höbel. dtv, München 2018. 548 Seiten, 24 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.12.2018

Ihr Leben als Pachinko-Spiel
Langzeitbetrachtung: Min Jin Lee erzählt die Geschichte einer koreanischen Familie

Noa ist Koreaner und kann es doch nicht sein. Er ist einer, den es eigentlich gar nicht geben dürfte: Sohn der jungen Sunja und des Fischgroßhändlers Hansu Koh von der Insel Jeju. Im Sommer des Jahres 1932 ist sie sechzehn und er längst verheiratet, mit einer Japanerin in Osaka. Ein Kind, das unehelich bei seiner Mutter aufwächst, das ist zu dieser Zeit ein Skandal, der die gesamte Familie zu Aussätzigen machen würde. Der junge protestantische Geistliche Isak Beak aus dem Norden des Landes, nimmt sich Sunjas an, sie zur Frau und mit nach Osaka. Er wird das Kind, das wenig später in Osaka zur Welt kommt, wie sein eigenes behandeln.

Zum Zeitpunkt, an dem die 1968 in Seoul geborene und in Amerika lebende Autorin Min Jin Lee ihre raumgreifende Familiengeschichte beginnt, im Jahr 1910, ist die koreanische Halbinsel gerade als Provinz Chôsen in das japanische Kaiserreich eingegliedert worden. Shintô wird Staatsreligion, wenig später wird Japanisch zur Nationalsprache. Unter der anhaltenden Besatzung verschlägt es viele Koreaner als Arbeiter nach Japan. Denn während es in Korea zunehmend schwieriger wird, hat Japan während der zwanziger Jahre einen hohen Bedarf an Arbeitskräften. Im Jahr 1930 sind bereits mehr als 400 000 Koreaner immigriert. In der Regel schlecht ausgebildet, müssen sie sich mit harter physischer Arbeit durchschlagen. Zusammen mit anderen Minderheiten leiden die sogenannten "Zainichi"-Koreaner unter Diskriminierung und Anfeindung. Eine Haltung, die sich durch alle Schichten der japanischen Gesellschaft bis heute erhalten hat.

Lee verfolgt das Schicksal von Sunjas Familie, ihren Vorfahren, ihrer Mutter Yangjin, ihrem ersten Sohn Noa, ihrem zweiten Sohn Mozasu und deren Kindern über einen Zeitraum von fast achtzig Jahren bis ins Jahr 1989. Am Anfang, als da noch so etwas wie Heimat ist, rund um Yangjins kleines Logierhaus auf der Insel Yeongdo, ist der Horizont der Figuren noch begrenzt. Das schlägt sich auch in der Sprache nieder, die sich jedoch mit der Geschichte der Figuren entwickelt. Ihre Welt ist klein, und für menschliche Abgründe ist vor lauter ehrlicher Arbeit kaum Platz. Die Umgebung, Räume, Ausstattung und Sinneseindrücke werden bei Lee durchweg oberflächlich beschrieben. Luft ist "würzig", und Frauen findet ein Mann einfach "sehr schön". Für den Leser liest sich das mitunter wie eine reduzierte sprachliche Bleistiftzeichnung auf patinabeladener Grundierung. Gleichzeitig aber verlangt diese Art zu schreiben, in kurzen schnörkellosen Sätzen, die sich und die Person des Autors nicht aufdrängen, ein Höchstmaß an Disziplin.

Die Geschichte gewinnt stellenweise die Qualität einer Telenovela, deren koreanische Variante seit 2000 in alle Welt ausstrahlt und mit Serien wie "Autumn in My Heart", "Winter Sonata" oder zuletzt anspruchsvoller mit "The Heirs" zelebriert wurde. Denn noch bevor man es merkt, hat man Anteil genommen am Schicksal dieses luftwurzelnden Lebens. Man leidet mit den Figuren - an der Ungerechtigkeit und Willkür ihrer Widerfahrnisse. Je stärker die Familie um Sunja wächst und vergeht, je intensiver Lee den einzelnen Lebensfäden der Söhne und Kindeskinder in einem Land nachspürt, in dem die Kunst der Aneignung immer höher bewertet wurde als die der Integration, desto begieriger folgt man ihrem Kampf um ein lebenswertes Dasein in der Diaspora. Die großen Reizthemen wie die koreanischen "Trostfrauen" (japanisch: Ianfu), die während des Zweiten Weltkriegs als Zwangsprostituierte in japanischen Bordellen arbeiten mussten, werden hingegen nur angedeutet. In Osaka beginnt Sunja an der Seite von Isak ein Leben im Haus ihres Schwagers Yoseb und seiner Frau Kyunghee. Sie verkauft sauer eingelegten Kohl (Kimchi) auf dem Markt, findet Arbeit in einem Yakiniku-Restaurant und flüchtet vor den Bomben der Amerikaner aufs Land. Ihre Erlösung und ihr Fluch ist der ehemalige Fischgroßhändler Hansu Koh, der sie all die Jahre nie aus den Augen gelassen hat. Im Hintergrund steigt er zum Boss einer mächtigen Yakuza-Organisation auf. Sein Problem: Er hat drei Töchter. Denen kann er sein Imperium nicht vererben. Und als er endlich einen, wenn auch nicht ganz rechtmäßigen Erben hat, wird der ihm erst entzogen, später entzieht er sich selbst. Noa, der Strebsame, Sohn dieses Gangsters, bemüht sich um die Aufnahme an der renommierten Waseda-Universität, um englische Literatur zu studieren. Sein Bruder, Mozasu, der Lebenslustige, Sohn des Pfarrers, gerät in die zwielichtig höllenlärmende Welt der titelgebenden Pachinko-Hallen. Darin füttern Japaner die Spielautomaten mit erbsengroßen Metallkugeln, um sie in ein Labyrinth aus Metallstiften (die sich bestens manipulieren lassen) zu schießen, damit sie am Ende möglichst in einem der Gewinn-Löcher verschwinden.

Gewöhnen muss man sich an die wechselnden Erzählperspektiven. Lee gleitet stets fließend durch die Gedankenwelten ihrer Figuren. Was zunächst verwirrt, gewinnt später an Wert: So erfährt der Leser nicht nur, was die Haupt-, sondern auch die Nebenfiguren denken und fühlen. Lee öffnet auf diese Weise kleine Nebenschauplätze, deren Miniaturgefühlswelten im Leser nachhallen, selbst wenn die Geschichte längst über die Figuren hinweggegangen ist.

Die Autorin leistet mit ihrem Buch Aufklärungs- und Erinnerungsarbeit im Dienste einer bis heute oft übersehenen Minderheit. Und für ein Land, das vor den olympischen Sommerspielen 2020 in Tokio viel zu sehr mit seinem Image als "Cool Japan" beschäftigt ist. "Die Geschichte hat uns im Stich gelassen, aber was macht das schon", lautet der erste Satz. In einem Interview mit dem "Guardian" erklärte Lee, sie glaube, dass "die Geschichte jeden im Stich gelassen hat, der in dieser Welt gewöhnlich ist". Auch die Geschichtsschreibung habe versagt. "Ich sage nicht, dass Historiker nicht ihren Job machen, sondern dass die Erinnerung an Geschichte anhand der Elite rekonstruiert wurde, weil die überwiegende Mehrheit der einfachen Leute nur selten grundlegende Dokumente hinterlässt; sie haben niemanden, der ihr Leben in Echtzeit aufzeichnet."

Das hat zwar auch Lee nicht getan. Doch sie hat den Menschen, deren Nachfolgegenerationen bis heute weder hüben noch drüben jemals richtig ankommen konnten - ein Topos, der auch in Deutschland noch nicht aufgearbeitet ist -, ein großes, vorsichtiges und vielschichtiges Panorama gezeichnet. Sie bekommen eine Stimme, eine Sprache und Gefühle. Das macht es schwerer, sie zu übergehen.

AXEL WEIDEMANN

Min Jin Lee: "Ein einfaches Leben". Roman.

Aus dem amerikanischen Englisch von Susanne Höbel. Dtv, München 2018. 552 S., geb., 24,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Axel Weidemann hat einiges an Min Jin Lees Roman auszusetzen - und kann sich dessen Sogkraft dennoch nicht entziehen. Knapp achtzig Jahre lang begleitet der Kritiker hier das Schicksal einer koreanischen Familie, die in den dreißiger Jahren als Arbeitsmigranten nach Japan auswandern und sich dort durchschlägt. Die koreanische, in den USA lebende Autorin erzählt ihm davon in bis zur Schmerzgrenze reduzierten Sätzen, mitunter in "Telenovela"-Qualität und dank zahlreichen Perspektivwechseln häufig verwirrend - und doch betont Weidemann immer wieder die Stärken hinter Jin Lees ästhetischen Entscheidungen: Großes Mitgefühl mit den Figuren, nachhallende Nebenfiguren und der Blick auf eine bis heute in Japan übersehende Minderheit machen den Roman für den Kritiker zum "großen, vielschichtigen Panorama".

© Perlentaucher Medien GmbH