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Die junge Generation Japans: Toshiki Okada ist einer von ihnen. Seine Theaterstücke werden weltweit aufgeführt, immer wieder auch in Deutschland. Okada beschreibt in "Die Zeit, die uns bleibt" den Zustand einer Generation, die von Kriegen umgeben ist, die in einem Land lebt, das von Tsunamis und Reaktorunfällen heimgesucht wird, in dem der Wirtschafstboom längst vorbei ist. Eine Generation ohne Zukunft, möchte man glauben, aber auch sie haben eine Zukunft, sie wissen nur noch nicht, wo. Und so lange besaufen sie sich, haben Sex mit Unbekannten in runtergekommen Love Hotels, warten, dass die…mehr

Produktbeschreibung
Die junge Generation Japans: Toshiki Okada ist einer von ihnen. Seine Theaterstücke werden weltweit aufgeführt, immer wieder auch in Deutschland. Okada beschreibt in "Die Zeit, die uns bleibt" den Zustand einer Generation, die von Kriegen umgeben ist, die in einem Land lebt, das von Tsunamis und Reaktorunfällen heimgesucht wird, in dem der Wirtschafstboom längst vorbei ist. Eine Generation ohne Zukunft, möchte man glauben, aber auch sie haben eine Zukunft, sie wissen nur noch nicht, wo. Und so lange besaufen sie sich, haben Sex mit Unbekannten in runtergekommen Love Hotels, warten, dass die Kakerlake in ihrer schimmligen Wohnung im Schrank verschwindet. Das ist hart, das ist gut, Okada ist die neue Stimme Japans.
Autorenporträt
Okada, ToshikiToshiki Okada ist Theaterautor, Regisseur und Schriftsteller und u¨ber Japans Grenzen hinaus bekannt. Besonders in Deutschland hat er eine Fangemeinde. 1997 gru¨ndete er die Theatergruppe Chelfitsch, deren Stu¨cke eine Mischung aus Sprechtheater und Tanz sind. Okada wurde 1973 in Yokohama geboren. 'Die Zeit die uns bleibt' ist sein erster Roman und wurde 2008 mit dem Kenzaburo- Preis ausgezeichnet. Heike Patzschke, geboren 1959, arbeitet seit 1994 als freiberufliche Dolmetscherin und Übersetzerin fu¨r Japanisch. Sie dolmetschte bisher fu¨r den Nobelpreisträger Kenzaburo - O- e, fu¨r Haruki Murakami und Saiichi Maruya und u¨bersetzte unter anderem Werke von Mori O-gai, Ryo-taro-Shiba und Mizuko Masuda.

Patzschke, HeikeHeike Patzschke, geboren 1959, arbeitet seit 1994 als freiberufliche Dolmetscherin und Übersetzerin für Japanisch. Sie dolmetschte bisher für den Nobelpreisträger Kenzaburo Oe, für Haruki Murakami und Saiichi Maruya und übersetzte unter anderem Werke von Mori Ogai, Ryotaro Shiba und Mizuko Masuda.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.12.2012

Eine neue Bühne für die Bühne

Toshiki Okada zeichnet in seinem Erzählband "Die Zeit, die uns bleibt" ein erschreckendes Bild von der "Lost Generation" - der jungen Leute Japans.

Eine junge Frau, sie wird demnächst dreißig, liegt auf dem Bett in ihrer feuchten, nach Schimmel stinkenden Wohnung. Im Hintergrund brummt der Kühlschrank, ihr Handy gibt von Zeit zu Zeit ein leise surrendes Geräusch von sich. Dabei steigen in der Frau vage Erinnerungen ans Meer auf. Mitten in der Nacht gehen Mails ein. Draußen nähert und entfernt sich die Müllabfuhr mit ihrer Erkennungsmelodie. Die Frau kann sich nicht aufraffen, sie beschließt, nicht zur Arbeit ins Call-Center zu gehen, und gibt sich ihrer "Gefühlslage der totalen Kraft- und Lustlosigkeit" hin.

Auch ihr Mann ist Teilzeitjobber. Zwischen Nachtschicht und dem nächsten Job hängt er in einem Café herum, wo ihn seine Frau aus einer Art virtueller Vogelperspektive beobachtet. Sie möchte mit ihm Kontakt aufnehmen, will wissen, was er wirklich denkt und fühlt, doch zu mehr als einer kurzen Textbotschaft mit Allerweltsfloskeln reicht die Energie nicht. Immer wieder sucht sie stattdessen im Internet, ob er nicht einen Blog führt, um seine wahren Gefühle kennenzulernen.

"Der Plural meiner Orte" heißt diese Erzählung aus dem trostlosen Alltag eines Paares im Japan des vergangenen Jahrzehnts. Das Buch, dem sie entstammt, enthält zuvor noch eine weitere Erzählung mit dem Titel "Fünf Tage im März". Nein, hier geht es nicht um die Dreifachkatastrophe aus Erdbeben, Tsunami und Atomhavarie vom Frühjahr 2011, sondern um die Tage vor und nach der Invasion der amerikanischen Truppen im Irak im März 2003 aus der Sicht einiger junger Leute in Tokio zwischen dem hippen Roppongi-Hills-Komplex und dem auch hierzulande ikonisch gewordenen Leuchtreklamen- und haushohen Videowand-Geflimmer über der großen Straßenkreuzung von Shibuya, an der sich, wenn die Ampel auf Grün springt, breite Fußgängerströme vertikal durcheinanderweben. Die jungen Leute geraten in eine Performance von Ausländern, die sie politisch aufrütteln und zum Protest animieren wollen. Vergeblich, denn Politik und Krieg sind und bleiben für sie fern und virtuell.

Zwei Erzählungen, gewissermaßen Genrebilder aus dem Leben der Jungen. Ihr Verfasser ist Toshiki Okada. Kann ein solches Buch deutsche Leser fesseln?

In Japan spricht man neuerdings von der "Lost Generation", der Kohorte der Mittzwanziger bis Enddreißigjährigen, die zwar noch ein langes, finanziell aber keinesfalls abgesichertes Leben vor sich haben. Immer mehr junge Leute finden sich nach dem Studium in prekären Arbeitsverhältnissen wieder oder halten sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Der Staat, der kaum Vorsorge für die jetzt massiv werdende Überalterung der Gesellschaft betrieben hat, überlässt auch die junge Generation sich selbst.

Und die, so scheint es, lebt in den Tag hinein und zieht sich auf sich selbst zurück. Es ist gerade ein Jahr her, dass ein sechsundzwanzigjähriger Soziologe mit einer Studie zu den Lebenseinstellungen und Zukunftsaussichten dieser Generation unter dem Titel "Das Glück der Jungen im Land der Hoffnungslosigkeit" einen in Japan vieldiskutierten Bestseller landete. Toshiki Okadas Erzählungsband trägt den Titel "Die Zeit, die uns bleibt" und zeichnet ein ziemlich - um nicht zu sagen erschreckend - hautnahes Bild dieser Jugend aus der Innenperspektive. Wir könnten uns beim Lesen aber auch an Eva Illouz' Analysen zum Elend der modernen Liebe erinnert fühlen bei all der Willensschwäche, Bindungsangst, Ambivalenz und unterschwelligen Enttäuschung, die uns da entgegenschlägt. Aber reicht es, wenn wir Literatur als eine gelungene Bebilderung von soziologischen Analysen lesen? Das hatte der Autor mit Sicherheit nicht im Sinn.

Toshiki Okada, Jahrgang 1973, ist vor allem als Gründer und Regisseur der Theatergruppe "Chelfitsch" bekannt, für die er innovative und vielfach preisgekrönte Stücke schreibt. Auch in Deutschland tritt er regelmäßig mit neuen experimentellen Produktionen auf. Eines dieser Stücke ist Grundlage für die erste Erzählung, und ein Markenzeichen Okadas, das präzis dem Alltag abgelauschte Sprechen, für das sich die Bezeichnung "hyperrealistisch" durchgesetzt hat, lässt sich auch in "Fünf Tage im März" beobachten - in den Monologen der erzählenden Figuren, egozentrisch, langatmig und gewunden, unpräzis und unschlüssig. Ob er bei der Darstellung des Denkhorizonts und des Lebensgefühls der jungen Generation in deren eigener Sprache nicht allzu zynisch sei, wurde der Regisseur gefragt, und er machte deutlich, dass auch er sich zu jener Verlorenen Generation zähle, die angesichts einer unabweisbar schwierigen Zukunft Resignation und Aufbruchstimmung zugleich verkörpere.

Im Drama wie im Buch spielt Okada mit feiner Ironie, wenn er beispielsweise die jungen Leute die Stegreif-Performance der Ausländer beobachten lässt, denen es nicht gelingt, das japanische Publikum zu Reaktionen zu motivieren: "Es wurde ganz still. Hier war eben Japan." Großartig, wie er verhallende Reminiszenzen an die ganz anders agierende achtundsechziger Protestgeneration einbaut.

Keine Frage, dieser Text ist Literatur, und zwar raffiniert gestaltete Literatur von einem Autor mit unverwechselbarer Stimme. Schade nur, dass diese Stimme in der Übersetzung nicht richtig rüberkommt. Zwar hat die Heike Patzschke genaue und sorgfältige Arbeit geleistet, den Sog aber, den diese Erzählungen beim Lesen auf Japanisch erzeugen, in denen ja oberflächlich gesehen "nichts passiert", hat sie mit ihrer nicht immer registersicheren Übertragung nicht reproduzieren können.

Auch die zweite Erzählung, vor der ersten entstanden, ist weit komplexer, als es auf den ersten Blick scheint, denn die junge Ich-Erzählerin springt in einem Atemzug in die unterschiedlichsten Erzählpositionen. Eben noch blickte sie wie aus einer Überwachungskamera an der Zimmerdecke auf sich herunter und registrierte die Lage von Rumpf und Gliedern auf Laken und Matratze, dann weiß sie wie ein allwissender Erzähler, ob sich in einer angebrochenen Dose noch ein Rest Bier befindet, oder auch, was das Mädchen, das im Schnellrestaurant neben ihrem Mann sitzt, "von Anfang an" vorgehabt hat. Doch was ihr Mann wirklich fühlt, das versucht sie trotz allen Zugängen, die ihr die Medien bieten, vergeblich herauszufinden und stößt in Blogs nur auf ihre eigenen Doppelgänger.

Es sind diese scheinbaren Ablenkungen - doch wovon eigentlich? -, die uns fesseln. "Die Zeit, die uns bleibt" bietet verstörende Einblicke in heutiges Leben, nicht nur in Japan. Okada hat dafür neue Erzählformen gefunden.

IRMELA HIJIYA-KIRSCHNEREIT

Toshiki Okada: "Die Zeit, die uns bleibt". Erzählungen.

Aus dem Japanischen von Heike Patzschke. Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2012. 159 S., geb., 16,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

In den vorliegenden Erzählungen erkennt Astrid Kaminski auch den Dramatiker Toshiki Okada wieder: Wie auf der Bühne befasst sich der japanische Autor mit der "Beschränktheit der Akteure", die vor einer unübersichtlichen Welt in banales und primitives Handeln fliehen. Das Ergebnis ist reichlich trostlos und auch auf Grund der knappen Settings wie für die Bühne geschaffen, lautet der keineswegs negative Befund der Rezensentin, nachdem sie sich durch Geschichten über roboterhafte Menschen, so athletischen wie sinnentleerten Sex und eine Frau, die ihr Bett erst dann verlässt, weil sie eine Kakerlake totschlagen muss, gelesen hat. Dass die Geschichten auch in ihrer Zuspitzung Wiedererkennungswert aufweisen, lässt Kaminski abschließend frösteln: Der hier verhandelten Banalität misst sie ein nicht zu unterschätzendes Bedrohungspotenzial bei.

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