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Er war Mozarts kongenialer Librettist, Gefährte Casanovas, notorisch erfolgloser Tabak-, Buch- und Gemüseverkäufer und der erste Italienisch-Professor New Yorks. Lorenzo Da Pontes bewegtes Leben als Kaiserdiener und Abenteurer, Theater-Impressario und Bohemien ist noch nie so fundiert und geistreich erzählt worden wie in der viel gelobten Biographie von Rodney Bolt.
Als Kind hieß er noch Emanuele. Bis sich sein Vater, ein jüdischer Lederarbeiter, im antisemitischen Klima von Ceneda gezwungen sah, die Familie taufen zu lassen und den Sohn nach dem dortigen Bischof zu benennen. Zehn Jahre
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Produktbeschreibung
Er war Mozarts kongenialer Librettist, Gefährte Casanovas, notorisch erfolgloser Tabak-, Buch- und Gemüseverkäufer und der erste Italienisch-Professor New Yorks. Lorenzo Da Pontes bewegtes Leben als Kaiserdiener und Abenteurer, Theater-Impressario und Bohemien ist noch nie so fundiert und geistreich erzählt worden wie in der viel gelobten Biographie von Rodney Bolt.
Als Kind hieß er noch Emanuele. Bis sich sein Vater, ein jüdischer Lederarbeiter, im antisemitischen Klima von Ceneda gezwungen sah, die Familie taufen zu lassen und den Sohn nach dem dortigen Bischof zu benennen. Zehn Jahre später erhält der Konvertit selbst die Priesterweihe - und wird nach Bekanntschaft mit einer verarmten Patrizierin doch lieber Lehrer. Das Leben Lorenzo Da Pontes ist geprägt von einer unablässigen Identitätssuche, von freiwilligen und erzwungenen Rollenwechseln. Aus Venezien verbannt, kommt er nach Wien und schafft gemeinsam mit Mozart drei der wichtigsten Werke der Operngeschichte. Eine Intrige am Kaiserhof zwingt ihn zur Flucht nach London, der finanzielle Ruin zum Aufbruch nach Amerika. Mit großem erzählerischen Schwung schildert Rodney Bolt die Lebensstationen einer der schillerndsten Figuren der Musikgeschichte. Dabei spiegelt sein Buch zugleich eine politisch bewegte Zeit und würdigt einen Künstler, der viel zu lange in Mozarts Schatten stand.
Autorenporträt
Bolt, Rodney
Rodney Bolt, geboren in Südafrika, ist Theaterregisseur, Reiseschriftsteller und Sachbuchautor. Seine Reisereportagen erscheinen in Zeitungen und Magazinen wie The Daily Telegraph und Vogue und wurden in Deutschland und in den USA mit Preisen ausgezeichnet. 2004 veröffentlichte er »History Play«, ein fiktionales Spiel mit der Lebensgeschichte von Christopher Marlowe. Die Biographie Lorenzo Da Ponte, die auf der Shortlist des Los Angeles Times Book Prize stand, ist sein erstes Buch auf Deutsch. Rodney Bolt lebt in Amsterdam.
Rezensionen
"Irresistible reading, even for those who prefer Italy's olives to its opera." -- The New York Times

"[Bolt] is geneous with background detail and scrupulous with the facts, and enough of these exist to create an entertaining, informative and highly readable narrative." -- The Guardian

"The depth of his reading emerges in many delightful details ... and the old poet would have enjoyed his biographer's sparkly turn of phrase" -- The Independent

"Bolt's Lorenzo Da Ponte is an ideal tribute to the composer's brilliant if erring librettist. Without a hint of plodding, the author has examined Da Ponte's voluminous oeuvre almost to the last sonnet and clearly feels at home everywhere in the poet's multiple worlds" -- The Telegraph

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.12.2011

Der Schutzpatron des kreativen Prekariats
Mozarts Textdichter Lorenzo Da Ponte war ein Abenteurer, ein Virtuose des Leichtsinns. Nun kann man ihn in einer neuen Biographie erleben
Mit leeren Taschen sind damals, Anfang des 19. Jahrhunderts, viele in der Neuen Welt angekommen. Auch war er gewiss nicht der Einzige, der von der einen oder anderen ungünstigen Schicksalswendung, von der einen oder anderen – natürlich strittigen – Forderung zur Flucht aus dem alten Europa gedrängt wurde. Aber er war so pleite, dass er bei der Ankunft in Amerika nicht einmal den Zoll für seine lächerlich wenigen Habseligkeiten bezahlen konnte. Und zugleich besaß er etwas, was wohl nur die wenigsten seiner Schicksalsgefährten je ihr eigen nennen konnten, was sie sich, im besten Fall, hier erst zu erwerben hofften: Er besaß einen Namen.
Einen sehr klangvollen sogar. Nicht nur weil dieser von einem italienischen Bischof stammte, der ihm den seinen – freiwillig – überlassen hatte. Sondern weil dieser Name im liederlichen Venedig, im kaiserlichen Wien, im aufgeklärten London einst berüchtigt und, ja, berühmt gewesen war. In seinen besten Tagen hatte er sogar einen hochoffiziellen Titel – Poeta dei Teatri Imperiali – hinzufügen können. Lorenzo Da Ponte betrat im Jahre 1805 als ein Ruinierter amerikanischen Boden, als Mann der Vergangenheit, als eine ziemlich abgehalfterte Kuriosität aus der versunkenen Welt des Ancien Régime. Als einer, der Geld und Kredit, Amt und Ehren verloren hatte. Aber er verzagte nicht. Er war bester Laune. Es dauerte nicht lange, da betätigte sich jener geschmeidige Dichter, der für Mozarts epochale Opern die Libretti verfasst hatte, als Gemischtwarenhändler. Er öffnete einen Drugstore in New York.   In Neuengland findet also dieses ohnehin schon reichlich bunte, köstlich schillernde Abenteurerleben Lorenzo Da Pontes ein langes Nachspiel. Mehr als dreißig Jahre lang wird er hier dem Glück hinterherjagen, so wie er es schon vorher tat, in der zugleich verwelkenden und noch einmal die allertollsten Blüten hervortreibenden Welt des Rokoko: Charmant und erfindungsreich, wagemutig im Erfolg, unerschütterlich im Pech, stets an seinen Stern glaubend, mochte der Himmel auch noch so verdüstert sein; von bewundernswerter, geradezu göttlicher Leichtsinnigkeit. Ein unverbesserlicher, aber eben auch unbesiegbarer Märchenheld, der lächelnd die „Tragikomödie seines Lebens“ durchsteht, nicht als Protagonist, wie er selber bemerkt, sondern „als einer der Hauptdarsteller“. Der selbst im „Land der karierten Hemden und Realisten, der Bären und Klapperschlangen“ (Claus Süßenberger) seinen Optimismus und seine Liebe zu Dante, Ariost und Petrarca nicht verlieren wird.
Auch seine prekäre Existenzform behält er, vom Anfang seines Lebens im jüdischen Ghetto von Ceneda (1749) bis zu seinem Ende, als – natürlich wiederum bankrotter – Anreger und Mitbegründer des „Italian Opera House“ von New York, das ein Jahr nach seinem eigenen Tod (1838) auch gleich abbrennt. Wenn es jemanden gibt, den die mehr oder weniger prekär Lebenden sich heute zum Schutzpatron erwählen könnten, dann eben ihn, den unverwüstlichen Lorenzo Da Ponte, der seine Karriere symptomatisch als Stegreifdichter in Venedig beginnt und als Fuselbrenner in Sunbury, Pennsylvania (fast) beendet.
Der südafrikanische Journalist Rodney Bolt hat diesem glücklosen Glückritter nun eine große, kenntnisreiche, höchst unterhaltsame Biographie gewidmet. Sie sollte Pflichtlektüre für alle Adoleszenten werden: Damit sie es sich gut überlegen, bevor sie sich tatsächlich dazu entschließen, ein abgrundtief langweiliges – also geradliniges, folgerichtiges, ökonomisches – Dasein zu führen. Damit sie wenigstens ein bisschen erröten, wenn sie ihre erste Lebensversicherung abschließen oder sich womöglich schon auf der Schule überlegen, was sie später einmal zu ihrem Lebensinhalt machen wollen.
Rodney Bolt, der in Amsterdam lebt und vor allem durch seine Reisereportagen bekannt wurde, mag zwar nicht unbedingt eine stilistische Brillanz wie etwa Hermann Kesten oder Claus Süßenberger besitzen; beide widmeten Da Ponte geistreich-elegante Kurzporträts mit trefflichen Pointierungen. Aber seine Biographie geht nicht nur in Umfang und Ausführlichkeit weit darüber hinaus, sondern auch in der Genauigkeit. Und das ist, speziell im Fall Da Pontes, keine lässliche Kleinigkeit. Das Dasein eines Hasardeurs und Abenteurers ist unweigerlich von Klatsch, Gerüchten, Machinationen umwuchert, erst recht in dieser Epoche, die sich, wie Franz Blei einmal bemerkte, ganz außerordentlich „im Illusionismus gefiel“. Deswegen ja auch konnten allein im 18. Jahrhundert solche begnadeten Illusionskünstler ihren triumphalen Auftritt haben wie etwa Casanova und Cagliostro, der Graf von Saint-Germain oder der Finanzakrobat John Law.
Oder eben jener nach Dichtkunst und Glücksspiel, Eleganz und Eros lechzende Abbate Lorenzo Da Ponte, dessen Eintritt in die Geschichte gleich mit einem Rollenwechsel begann, mit einer Charade: Mit der Konvertierung zum Christentum im Alter von vierzehn Jahren, wobei er den Namen des taufenden Bischofs annahm und der Armut und Bildungslosigkeit seiner Familie durch den Umzug ins Priesterseminar entkam. Bis in die Neue Welt werden diese selbstgewählten wie erzwungenen Volten sein Dasein prägen.
Da Ponte, der vor allem ja bekannt ist durch die Libretti, die er in Wien für Mozart schrieb, für den „Figaro“, für den „Don Giovanni“ und für „Così fan tutte“, betätigte sich zum Beispiel auch als Hauslehrer und Hilfspriester, als Impresario und als improvvisatore, als ein improvisierender Gelegenheitsdichter also, als Stegreifgeiger in venezianischen Bordellen, als Buchhändler in London, als Sprachlehrer in New York. In Wien besaß er das Wohlwollen Kaiser Josephs II., in England die Aufmerksamkeit der Polizei, die ihn wegen seltsamer Wechselgeschäfte mehrfach inhaftierte, und überall offensichtlich die Gunst der Frauen, obwohl er nicht unbedingt schön und stets nur für kurze, allzu flüchtige Zeiten halbwegs flüssig war.
Aber er war wohl überaus liebenswürdig, was selbst seine zahllosen Feinde nicht wirklich leugnen können (und stattdessen einfach zu seinen schlechten Eigenschaften zählen, neben seiner Eitelkeit, seiner modisch vielleicht allzu gespreizten Geckenhaftigkeit, seiner Lüsternheit und seiner wohl ziemlich ausgeprägten Lockerheit im sittlichen Betragen, die sich auch nicht durch das Tragen einer Soutane am Spaß hindern ließ). Es spricht definitiv für den guten Geschmack dieses – vom aufziehenden Spießbürgertum dann lauthals verhöhnten – Zeitalters, dass es sich gerne von Charme und Beredsamkeit, selbst von größeren wie kleineren Taschenspielereien beeindrucken ließ. Dass es sich in die interessante Erscheinung eines Menschen verlieben konnte, ohne allzu genau auf seine Referenzen zu achten. Dass es zu schätzen wusste, wenn jemand angenehme Gesellschaft bot; im Zweifelsfall zählte dies mehr als große Taten oder Werke – weswegen auch jeder große Charmeur wie Da Ponte, Casanova oder der Prince de Ligne ein ganzes Heer von Neidern hinter sich herzieht). Es war ein wunderbares Zeitalter, das solche Gestalten wie Lorenzo Da Ponte hervorbrachte. Sein ebenso rasanter wie amüsanter Lebensweg übertrifft seine dichterischen Leistungen bei weitem.
Die Menschen jener Epoche haben wohl zumindest geahnt, dass sie die wirklich große Kunst vielleicht nur in ihren Lebenswegen zu erreichen vermögen. Deswegen ist das Zeitalter so reich an Memoirenliteratur, deswegen auch spielt der Klatsch eine so große Rolle, dem Rodney Bolt eine seiner vielen schönen Exkursionen in den kulturgeschichtlichen Kontext seines Helden widmet. Auch Da Ponte hat ja glücklicherweise seine Erinnerungen aufgeschrieben, als alter Mann in der Neuen Welt, der auf die Welt von gestern zurückblickt. Natürlich nur mit lachenden Augen, mit Selbstironie und Eitelkeit, wie es sich gehört für einen Mann, der in Venedig zum Abenteurer reifte, jenem „Paradies für Huren und Spieler“ (Casimir von Chledowski), wo er, wie es Claus Süßenberger formulierte, seine Praktikantenzeit im Reich der Sünde mit Bravour absolvierte.
Da Pontes Erinnerungen gehören zu den Klassikern der Memoirenliteratur. Aber sie sind eben ungenau und unzuverlässig wie die Klatschgeschichten, die um ihn kursierten – seine jüdische Herkunft verschweigt er etwa vollkommen –, und sie bedienen sich ungeniert literarischer Kunstgriffe, die kleinliche Geister als freie Erfindung bezeichnen würden. Bolts famose Biographie, die nun manch Irriges korrigiert und viel Verschwommenes präzisiert, wird man also mit ebenso viel Gewinn wie Genuss lesen. Die Tatsachen aus Lorenzo Da Pontes Leben sind viel aufregender als die vielen allzu romantisch anmutenden Episoden, die der Held in seine eigenen Lebenserinnerungen einwebt, auch wenn wir diesem Bruder Leichtfuß natürlich jede Mogelei verzeihen. Um ihn ins Herz zu schließen, muss mannur einen einzigen Blick in den Koffer werfen, den er bei sich hatte, als er in Amerika eintraf. Es befanden sich darin: eine Violine, ein paar Saiten, ein paar Bände klassischer italienischer Dichtung. Mehr brauchte dieses Weltkind nicht, um ein neues Leben zu beginnen.
MANFRED SCHWARZ
RODNEY BOLT: Lorenzo Da Ponte. Mozarts Librettist und sein Aufbruch in die Neue Welt. Aus dem Englischen von Martin Pfeiffer. Berlin Verlag, Berlin 2011. 560 Seiten, 32 Euro.
Dieses Buch ist Pflichtlektüre für
alle, die ein langweiliges und
sicheres Leben führen wollen
Zum Lebensabend kam er nach
Amerika – eine abgehalfterte
Kuriosität aus dem Ancien Régime
Lorenzo Da Ponte schrieb das Libretto zu Mozarts Oper „Don Giovanni“. Eigentlich ist das keine niedliche Figur, was aber nicht hinderte, dass vor einigen Jahren dieser Steiff-Teddybär „Vienna Opera“, ein Sammlerstück in limierter Auflage, als Don Giovanni daherkam. Foto: dapd
Lorenzo Da Ponte (1749-1838)
Abb.: culture-images/Lebrecht
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.06.2012

So trostlos kann das Schicksal eines Herzensbrechers sein
Eine Biographie ist doch kein Roman: Der englische Schriftsteller Rodney Bolt vermischt in seiner Lebensbeschreibung des Librettisten Lorenzo da Ponte die Genres

Kaum ein Librettist der Operngeschichte hat so einen klingenden Namen wie er: Lorenzo da Ponte schrieb die großartigsten Texte für Mozarts Opern und hat mit drei Werken den Komponisten und sich selbst unsterblich gemacht: "Don Giovanni", "Le nozze di Figaro" und "Così fan tutte". Genialere, dramaturgisch vollendetere Koproduktionen konnten zwei Ausnahmegenies, die ansonsten nicht nur Meisterwerke produzierten, kaum erfinden. Diesen Dauerbrennern ist auch zu verdanken, dass Da Ponte, der im Jahr 1749 als Sohn einer armen jüdischen Familie unter dem Namen Emanuele Conegliano in Ceneda, dem heutigen Vittorio Veneto, geboren wurde, einer der wenigen Librettisten der Operngeschichte blieb, denen bis heute Biographien und wissenschaftliche Studien gewidmet werden. Eine der besten stammt vom venezianischen Literaturwissenschaftler Aleramo Lanapoppi und ist leider nicht ins Deutsche übersetzt.

Die neueste Biographie hat der renommierte Reiseschriftsteller und Sachbuchautor Rodney Bolt verfasst, der sich damit das erste Mal eines Opernthemas angenommen hat. Er verlässt sich bei seiner Zeichnung des bunten Lebenswegs von Da Ponte vor allem auf dessen im Alter verfasste Memoiren, die in drei Bänden zwischen 1823 und 1826 in New York erschienen sind. Weitere Zeitzeugen sind der verbose Opernhabitué Charles Burney, aber auch amüsante Berichte wie die des Tenors Michael Kelly, dem Bolt eine Anekdote abgelauscht hat, in der der große Herzensbrecher Da Ponte als lispelnder Geck verulkt wird.

Bolt lässt seine flott geschriebene Biographie chronologisch im venetischen Geburtsort Ceneda beginnen, wo es seit 1637 ein jüdisches Getto gab. Die Synagoge aus dem Jahr 1701, die der kleine Emanuele alias Lorenzo bis zu seinem vierzehnten Lebensjahr und zur Konvertierung seines Vaters zum Katholizismus regelmäßig besuchte, steht seit 1952 in Jerusalem, weil man sie nach dem Untergang der Gemeinde nach Israel transponierte. Sehr detailliert beschreibt Bolt, wie das Geschick der Familie Conegliano durch den Übertritt zum Katholizismus und die Protektion des Bischofs von Ceneda, dessen Namen der kleine Emanuele mit der Taufe übernehmen darf, sich zum Besseren wendet. Der frisch getaufte Katholik bekommt nun mit seinen Geschwistern geregelten Schulunterricht, und sein Vater kann sicher sein, dass sein Sohn durch den Eintritt ins Priesterseminar von Portogruaro einem glücklicheren Schicksal entgegensehen wird.

Lorenzo da Ponte hat sich nach eigenem Bekunden sein ganzes Leben lang für die Belange seiner Familie engagiert und auch immer wieder Geld in die Heimat geschickt. Seine jüdische Herkunft indes, bemerkt Bolt feinsinnig, erwähnte er in seinen Memoiren nicht ein einziges Mal. Bis zu seiner ersten abenteuerlichen Station in Venedig absolviert Da Ponte zwischen den Provinznestern Portogruaro und Treviso meisterlich die Laufbahn als Geistlicher und erhält 1773 die Priesterweihen. Bolt schildert in arg romanhafter Weise, wie sich die unglaubliche Begabung und Geisteskraft Da Pontes schon früh unter Beweis stellt. Unter Analphabeten aufgewachsen, beherrscht er nun im Alter von sechzehn Jahren bereits nach sechs Monaten Dantes "Inferno" auswendig.

Hier verführt den Autor die Zuneigung zu übertriebenen Charakterisierungen. Zum Beispiel, wenn er bei den Beschreibungen von Da Pontes wildem Leben in der Vergnügungsmetropole Venedig und den oft gesucht gefährlichen Situationen zwischen Glücksspiel und Mätressen - im achtzehnten Jahrhundert für einen Abbé keine ungewöhnlichen Spielfelder - seinen Charme als "übernatürlich" charakterisiert. Wenn man die Memoiren Da Pontes - die natürlich von Casanova, dem anderen großen Venezianer derselben Epoche, unmittelbar beeinflusst sind - für bare Münze nimmt, könnte man wirklich zu diesem Schluss kommen. Doch dürfte bei den erotischen Abenteuern viel persönliche Stilisierung mitspielen.

Aus Venedig muss Lorenzo wegen gefährlicher Liebschaften und politischer Intrigen fliehen, wie er überhaupt sein ganzes Leben sehr getrieben ist von hochfliegenden Hoffnungen und bitterbösen Enttäuschungen. In Wien erfolgt das glückhafte Zusammentreffen mit Mozart. Ein kurzes, vor allem aus der Rückschau entscheidendes Kapitel, dessen Schicksalhaftigkeit Bolt mit der harten Kindheit beider Protagonisten eher unzureichend erklärt. Vor allem kann Da Ponte die Gunst von Kaiser Joseph II. gewinnen, aber als dieser stirbt und von dessen Bruder Leopold abgelöst wird, verstrickt der erfolgreiche Librettist sich undiplomatisch und selbstverliebt in sein Verhängnis, intrigiert gegen Leopold und muss auch aus Wien wieder fliehen. Hier deutet Bolt den geläufigen Mozart-Mythos kurzerhand in Da Pontes Interesse um: Mozarts Pechsträhne in Wien wird gemeinhin und fälschlich der italienischen Clique rund um Salieri angehängt. In Bolts Schilderung hat aber gerade der Italiener Da Ponte das Nachsehen, und die Wiener Opernszene ist für den Autor eine einzige antiitalienische Verschwörung, die vom deutschen Komponisten Gluck ausgeht.

Das Romanhafteste an Da Ponte, der die Zusammenarbeit mit Mozart anfangs nicht sonderlich wichtig genommen haben muss, ist aber sicher nicht seine naheliegende Wahl für London als neues Ausweichquartier. Richtig abenteuerlich wird erst seine Emigration nach New York im Alter von sechsundfünfzig Jahren. Noch in Wien hatte er die junge Engländerin Nancy Grahl kennengelernt, die recht eigentlich und durch eigene Arbeit als Wirtin sein Alter sichern sollte. Nach eigenen Erzählungen hatte er noch in London das Buchhändlergewerbe für sich entdeckt, da er an der Oper nicht mehr reüssieren konnte, und mit diesem Gewerbe in New York weitergemacht. Doch der agile Italiener soll auch als Schnapsbrenner gearbeitet haben, reichen Amerikanerinnen Italienisch-Unterricht gegeben und die New Yorker Oper gegründet haben. Je mehr diese Biographie aber dem Ende von Da Pontes Leben naht, umso kritikloser wird Bolt gegenüber den Memoiren seines Helden. Der Biograph gibt ihm Raum, die Bitterkeit über sein Schicksal ungeprüft auszuwälzen, obwohl der Hasardeur allzu oft durch unkluge und selbstsüchtige Entscheidungen seinen Niedergang generierte.

Mit etwas mehr Kenntnis der Sozialgeschichte jener Zeit und besserer Quellenkenntnis wäre dieses Buch tiefgründiger geworden. Was wir kennenlernen, bleibt ein romanhaftes Leben, das sowohl in der geschönten Selbstbetrachtung der Memoiren als auch in Bolts ungenügend dokumentierter Beschreibung einen traurigen Eindruck hinterlässt. Da Ponte war ein eitler, grantiger Reisender, der niemals wirklich irgendwo ankam. Seine vermeintlich komischen Opern um den getriebenen Don Giovanni, die libertine Hochzeit des Figaro oder die Seitensprünge von Fiordiligi und Co. wirken - hinter heiterer, bewegter Fassade - ganz ähnlich wie seine Biographie: als Psychogramme emotionaler Trostlosigkeit.

BIRGIT PAULS

Rodney Bolt: "Lorenzo Da Ponte". Mozarts Librettist und sein Aufbruch in die Neue Welt.

Aus dem Englischen von Martin Pfeiffer. Berlin Verlag, Berlin 2011. 560 S., geb., 32,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Welch ein Paradiesvogel! Rezensent Manfred Schwarz neidet nach dieser Lektüre nicht nur Mozart seinen Librettisten, sondern auch dem Teufelskerl Lorenzo Da Ponte, Sänger, Dichter, Lehrer, Priester, Märchenheld, selber seine Zeit, die einen wie ihn erst möglich machte, ihn gewähren ließ und sogar Gefallen an ihm fand. Was Da Ponte selber aufgeschrieben hat, freut sich Schwarz, ist allerdings nichts gegen die Wirklichkeit seines bunten Lebens, das ihn von Venedig über Wien und London bis in die USA führte. Rodney Bolt hat das mal zusammengefasst, nicht eben mit der stilistischen Brillanz eines Hermann Kesten, meint Schwarz, aber doch so ausführlich und genau wie nie - keine Kleinigkeit, findet er, bei diesem rasanten Lebensweg. Dankbar über den ein oder anderen kulturgeschichtlichen Exkurs, genießt der Rezensent dies pralle Leben und rät den jungen Spießbürgern von morgen zu dieser Lektüre statt zum Bausparvertrag.

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