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Mit großer Sprachkunst erzählt und deutet Robin Lane Fox die entscheidenden Lebensphasen des heiligen Augustinus. Einfühlsam porträtiert er den Menschen und genialen Denker, der Meisterwerke der Weltliteratur schuf. Zugleich lässt er die faszinierende geistige Welt der Spätantike lebendig werden.
Augustinus von Hippo (354-430 n. Chr.), Redner, Philosoph und Kirchenlehrer, ist bis heute eine geistige Macht geblieben. Die Bürde des Schicksals und die Erfahrung der Freiheit, die Endlichkeit des Menschen und die Unendlichkeit Gottes - zwischen diesen Polen bewegt sich sein Leben.
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Produktbeschreibung
Mit großer Sprachkunst erzählt und deutet Robin Lane Fox die entscheidenden Lebensphasen des heiligen Augustinus. Einfühlsam porträtiert er den Menschen und genialen Denker, der Meisterwerke der Weltliteratur schuf. Zugleich lässt er die faszinierende geistige Welt der Spätantike lebendig werden.

Augustinus von Hippo (354-430 n. Chr.), Redner, Philosoph und Kirchenlehrer, ist bis heute eine geistige Macht geblieben. Die Bürde des Schicksals und die Erfahrung der Freiheit, die Endlichkeit des Menschen und die Unendlichkeit Gottes - zwischen diesen Polen bewegt sich sein Leben.

Robin Lane Fox zeigt ihn als einen Mann des späten römischen Reiches, dessen Denken von Anfang an von den intellektuellen Debatten seiner Zeit tief geprägt war und der sich ständig neu erfand. Mit großem Einfühlungsvermögen und Scharfsinn erzählt er die packende Geschichte Augustinus' vielfältiger Wandlungen.

Anhand der »Bekenntnisse«, eines der größten autobiographischen Meisterwerke aller Zeiten, schildert der Historiker Leben, Charakter und Temperament einer ebenso leidenschaftlichen wie komplexen Persönlichkeit.

Autorenporträt
Robin Lane Fox, geboren 1946, ging in Eton zur Schule und studierte Alte Geschichte und Altertumswissenschaften an der Universität Oxford, wo er bis 2014 am New College lehrte. Als leidenschaftlicher Gärtner schreibt er eine regelmäßige Kolumne für die 'Financial Times' über Garten- und Landschaftsgestaltung. Außerdem ist er ist ein hervorragender Reiter und Pferdekenner - was ihm zum besonderen Verständnis der antiken Kavallerie verhalf. Auf den Spuren Alexanders ist er von Griechenland bis nach Indien gereist. Für seine bei Klett-Cotta erschienene Biographie über Alexander den Großen ist er mit dem angesehenen Duff-Cooper-Preis ausgezeichnet worden. Für 'Augustinus' wurde er 2016 mit dem Wolfson History Prize geehrt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2017

Von der Umkehr eines Karrieristen

War Augustinus nur ein egozentrischer Ehrgeizling, der rechtzeitig aufs richtige Pferd setzte? Robin Lane Fox sieht das anders und macht das am Bildungsweg des Kirchenvaters fest.

Ein Mann aus dem Maghreb, der in Italien Karriere machen konnte: Das zeigt, welche Möglichkeiten die Friedensordnung des Römischen Reiches im vierten Jahrhundert noch bot. Die Rede ist von Augustinus, 354 in Thagaste, heute das algerische Souq Ahras, geboren, dem der in Oxford lehrende Althistoriker Robin Lane Fox eine beeindruckende, nun auch auf Deutsch erschienene Darstellung gewidmet hat. Gemeinsam mit einem Gönner waren Augustinus' Eltern, Angehörige der lokalen Oberschicht, aber auch nicht mehr, in der Lage, seine rhetorische Ausbildung zu finanzieren, zunächst in seiner Heimatstadt und dem nahen Madauros, dann in Karthago, einem intellektuellen Zentrum der lateinischen Welt.

Bald lehrte er selbst in der Heimat, schaffte es aber, stets gut vernetzt, wieder nach Karthago zu kommen, sogar bis Rom. Symmachus, ein führender Vertreter der traditionellen römischen Kultpraxis, empfahl ihn nach Mailand, der kaiserlichen Residenz, wo er mit eben dreißig Jahren zum offiziellen Rhetoriklehrer und Festredner der Stadt wurde. Seine Hauptaufgabe bestand darin, auf den jungen Kaiser Valentinian II. Reden zu halten. Alles sah nach einer großen Zukunft aus: Augustinus war mit höchsten Kreisen bekannt und hatte Aussicht auf eine Ehe mit einer Frau aus guter Familie; so schickte er seine Geliebte, die ihn über Jahre begleitet hatte, weg und behielt den Sohn. Eingehend schreibt Augustinus über seine Trauer, aber kein Wort über das Leid der Frau, die alles verlor. Er selbst nahm sich einstweilen eine andere Konkubine.

Doch die Umstände änderten sich: Nur mit Mühe bewahrte Valentinian II. seine Stellung. Der machtbewusste Bischof Ambrosius attackierte ihn als Häretiker; Maximus, den britannische Truppen zum Kaiser ausgerufen hatten, dehnte seine Herrschaft im Westen des Reiches aus. Die Unterstützung des Mailänders durch den Kaiser im Osten, Theodosius den Großen, blieb lau. Im Jahr 386 wurde Valentinians Schwäche offenkundig, viele wandten sich von ihm ab, so auch der Rhetorikprofessor, der gesundheitliche Gründe angab und sich mit Freunden auf ein Landgut im nahe gelegenen Cassiciacum zurückzog, dort philosophierte, die Bibel las und Psalmen sang, sich schließlich definitiv Ambrosius anschloss, indem er von ihm die Taufe nahm. Die zweite Geliebte verschwand ebenfalls, denn Augustinus sagte dem Geschlechtsverkehr ab. Bald machte er als Priester und Bischof Karriere.

So kann man die Geschichte Augustins erzählen als die eines egozentrischen Ehrgeizlings, der noch rechtzeitig auf das richtige Pferd setzte, die Kirche. Das geben seine Bekenntnisse, die "Confessiones", durchaus her, die gerne, halb richtig und halb falsch, als erste Autobiographie beschrieben werden. Man würde dann jedoch ein zentrales Element ignorieren. Denn Augustinus beschreibt seinen Karriereweg als den eines Suchenden und zugleich Getriebenen voller Zweifel, eines Mannes, der sich auf verschiedene Glaubenssysteme einließ, der sich aus Überdruss von der weltlichen Karriere abkehrte, den aber eigentlich stets Gott auf seinem Weg zum Christentum leitete. Dem hing schon seine Mutter an, die ihren Sohn immer wieder mit Ratschlägen traktierte.

Lebhaft berichtet Augustinus von seinen Sünden: Diese begannen schon bei der Gier des Säuglings nach den mütterlichen Brüsten und entwickelten sich über Ausschweifungen in Karthago bis hin zum Karrierismus in Rom und Mailand. Die Predigten des Ambrosius dort zeigten Augustinus, welches intellektuelle Niveau Christen erreichen. Doch bedurfte es einer wunderbaren Erscheinung, um ihn zur Umkehr zu bewegen. Unversehens hörte er eine Kinderstimme, die ihm zurief: "Nimm und lies!" Er griff zum Text des Römerbriefs, zufällig zur Hand, las eine Passage, die zur Umkehr aufrief, und wandte sich von seinem bisherigen Leben ab.

Das alles berichtet Augustinus stilistisch eindringlich in den "Confessiones", ihrer Form nach ein langes Gebet. Dieses Werk bildet die Grundlage für Robin Lane Fox' Buch über Augustinus, das keine vollständige Biographie bietet, sondern sein Leben bis zur Abfassung der Bekenntnisse beschreibt, also bis 397 - im Unterschied zu vielen anderen geht Lane Fox davon aus, dass die "Confessiones" in einem Zug geschrieben wurden.

Lane Fox, der lange in Oxford Alte Geschichte lehrte, erweist sich wie schon in seinem Buch über Alexander den Großen als glanzvoller Erzähler. Er begleitet den jungen Augustinus auf seinen Umwegen mit dem Wohlwollen eines erfahrenen akademischen Lehrers, der die Fähigkeiten des jungen Mannes erkannt hat, den manches befremdet, der sich aber daran freut, wie sich das Potential entfaltet, der den Zahn-, Gesäß- und Weltschmerz, die Augustinus peinigen, mitempfindet, aber auch die Neugier auf den Manichäismus und die neuplatonische Philosophie teilt.

Der Autor gibt sich nicht zufrieden mit einfachen Urteilen über Ehrgeiz und Egozentrik; er vermeidet übereiltes Psychologisieren, sondern nimmt den Hochbegabten in seiner Widersprüchlichkeit ernst. Eingeflochten sind Vergleiche mit den Karrierewegen von Zeitgenossen, namentlich des Libanios und des Synesios. So erkennt der Leser die Eigenheiten Augustins und bekommt ein breiteres Bild vom Römischen Reich.

Methodisch ist Lane Fox' Lektüre der "Confessiones" angreifbar: Wir wissen viel über die Selbsterfindung von Menschen in autobiographischen Zeugnissen, auch über die Literarizität der "Confessiones", über die Stilisierung dieses Lebens im Gestus der Ehrlichkeit, während er Augustinus im Zweifelsfalle beim Wort nimmt. Überhaupt könnte man in der Zunft die Stirn runzeln: Das Buch entbehrt jeder Innovationsrhetorik, trägt keine revisionistischen Ansätze zu Markte, bietet kein neues theoretisches Modell feil, schmückt sich nicht mit einer aparten Begrifflichkeit; mit Gusto lässt Lane Fox sich zu Spekulationen hinreißen.

Doch kann man Lane Fox nicht vorwerfen, ein Alterswerk ohne Anbindung an die jüngere Forschung geschrieben zu haben. Er kennt sie gut, erfreulicherweise auch die deutsch- und französischsprachige, und bezieht auch Position, wenn er etwa die Bedeutung des Manichäismus für Augustinus betont. Vor allem aber hat er ein Werk der Bildung im besten Sinne des Wortes verfasst, reich an literarischen Anspielungen, und weitet dadurch den Horizont, für Menschen im Elfenbeinturm und außerhalb. Das ist nicht das Geringste, was eine historische Darstellung leisten kann.

Von dem späteren Leben Augustins als pflichtbewusster Bischof, der sich im theologischen Streit und in Alltagskonflikten aufrieb, braucht Lane Fox nicht mehr zu erzählen. Als der Mann aus Thagaste 430 im Sterben lag, bestürmten vandalische Horden seinen Bischofssitz Hippo Regius an der algerischen Küste. So vieles hatte sich verändert gegenüber seiner Jugendzeit in einer scheinbar unerschütterlichen Welt.

Der Frieden war dahin; seit Jahren lag Italien verwüstet, das Mittelmeer war nicht mehr pazifiziert. Keiner der jungen Männer seiner Gemeinde konnte mehr auf einen so ruhigen Bildungsweg hoffen, wie er ihn, nach außen hin, gegangen war. Trotz der Verwüstungen blieben seine Schriften bewahrt. Die "Bekenntnisse" sind neben der "Vom Gottesstaat" die wirkungsmächtigsten, ein eindringliches Zeugnis frommer Selbstreflexion, das Lane Fox, ein bekennender Atheist, einsichtsvoll in Erinnerung ruft.

HARTMUT LEPPIN

Robin Lane Fox: "Augustinus". Bekenntnisse und Bekehrungen im Leben eines antiken Menschen.

Aus dem Englischen von K. Schuler und H. Schlatterer. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2017. 746 S., geb., 38,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.11.2017

Ein ruheloses Herz
Robin Lane Fox erzählt die Geschichte der „Confessiones“ des Augustinus – das Werk eines skrupulösen Perfektionisten
Welch ein Buch. In jedem Jahrhundert fand es begeisterte Leser. Francesco Petrarca nahm es 1336 mit auf den Mont Ventoux, Ludwig Wittgenstein entdeckte es 1919 in italienischer Kriegsgefangenschaft. Blaise Pascal suchte in ihm den Sinn der christlichen Offenbarung, und John Henry Newman gab es Halt in seiner Glaubenskrise. Jean-Jacques Rousseau hat sich ebenso auf das Werk berufen wie Jacques Derrida.
Die „Confessiones“ des Augustinus, seine „Bekenntnisse“, am Ende des vierten nachchristlichen Jahrhunderts verfasst, gelten als Archetyp der Autobiografie. Was sagt uns aber ein Buch heute, das gleich zu Beginn feststellt „Ruhelos ist unser Herz, bis es ruht in Dir, Gott“? Seit wir durch die Rückkehr des Fundamentalismus im 21. Jahrhundert die Gewissheit verloren haben, der Siegeszug des Säkularismus sei nicht aufzuhalten, sind wir wieder empfänglicher, zumindest neugieriger für anspruchsvolle Selbstinterpretationen von Menschen geworden, die sich als Teil eines göttlichen Heilsplans sehen und um dessen Erkenntnis ringen. Aber uns ist die Naivität abhandengekommen, die Texte unmittelbar auf uns wirken zu lassen. Der Autor kann nur in seiner historischen Bedingtheit verstanden werden, da der Text der Konstruktion seines Selbstbildes dient und nur eine fragmentarische Momentaufnahme seines Lebens bietet.
Deshalb bedarf es der reflektierten Hinführung zu dem Verfasser und seinem Werk. Zu Augustinus und den Confessiones ist wahrlich genug geschrieben worden, aber das neueste Buch des Oxforder Althistorikers Robin Lane Fox, das 2015 in England erschien und nun in einer flüssigen deutschen Übersetzung vorliegt, überragt die wissenschaftliche Alltagsproduktion. Lane Fox beschränkt sich auf die 43 Jahre, denen die Confessiones gewidmet sind. Er folgt klug ihrem Aufbau, kontextualisiert sie zeitgeschichtlich, indem er sie mit anderen Zeugnissen des vierten nachchristlichen Jahrhunderts vergleicht. Prominent vertreten ist der Rhetor Libanius aus Antiochia, der wie Augustinus durch Bildung Karriere machte – allerdings im Osten des Reiches. Darüber hinaus werden der neuplatonische Philosoph und spätere Bischof Synesios von Kyrene, der Kirchenvater und Bibelübersetzer Hieronymus und der streitbare Mailänder Bischof Ambrosius bemüht, um Augustinus’ Entwicklung zu dokumentieren und den komplexen Prozess der Christianisierung des spätantiken Reiches zu illustrieren.
Im Mittelpunkt steht also das Selbstzeugnis des Augustinus, das in dreizehn Büchern auf uns gekommen ist. Der biografische Rückblick beginnt, mit seiner Geburt 354 nach Christus im nordafrikanischen Thagaste, dem heutigen Soukh Ahras in Algerien. Am Ende des autobiografischen Teils, der die ersten neun Bücher umfasst, steht die bewegende Schilderung des Todes der Mutter Monnica 387 – zehn Jahre bevor der Sohn sich an die Abfassung der Confessiones machte. Augustinus erzählt von den Diebstählen seiner Jugend, seiner starken Mutter, seinen einflussreichen Freunden, seiner namenlosen Geliebten, seiner offenen Sexbesessenheit und seinen weltlichen Ambitionen. Lane Fox vergleicht diesen Lebensgang mit denen seiner Zeitgenossen, charakterisiert das soziale Milieu, dem er entstammte, und rekonstruiert die philosophischen Debatten und religiösen Auseinandersetzungen, in die er verstrickt war. Der Vater Patricius, ein recht wohlhabender Grundbesitzer, war ein notorischer Fremdgänger, der im Jähzorn seine Ehefrau misshandelte.
Die Eltern zerstritten sich über Glaubensfragen, da der Vater altgläubig, die Mutter hingegen Christin war; beide waren sich allerdings darin einig, in Bildung investieren zu müssen, um den gesellschaftlichen Aufstieg des Sohnes zu ermöglichen. Dessen Bildungsweg führte nach Karthago, wo Augustinus zunächst Rhetorik studierte und dann auch unterrichtete. Karthago war auch der Ort sexueller Libertinage. Der junge Nordafrikaner lebte mit einer Konkubine zusammen, die er Jahre später mit kaltem Kalkül verstoßen wird, weil sie seinem Fortkommen hinderlich ist. Anfang der 370er-Jahre erblickt ein gemeinsamer Sohn das Licht der Welt, „Adeodatus“ genannt, „von Gott gegeben“: ein durchaus passender Name, wie Lane Fox lakonisch bemerkt, für ein nicht geplantes Kind, das Gott außerhalb einer legitimen Ehe „gab“. In Karthago wandte sich Augustin zum großen Leidwesen der Mutter vom Christentum ab und dem Manichäismus zu, einer gnostisch inspirierten Glaubensgemeinschaft, die sich auf den persischen Religionsgründer Mani zurückführte.
383 ging Augustin nach Rom, er hoffte als Rhetorikprofessor auf besseres Einkommen und höheres Sozialprestige; außerdem konnte er den Zwist mit seiner Mutter hinter sich lassen. Die Studenten waren hier zwar weniger rüpelhaft als ihre karthagischen Kommilitonen, prellten aber ihre Lehrer auf durchtriebene Weise um das verdiente Honorar. Bereitwillig ergriff Augustinus die Möglichkeit, auf eine Professur nach Mailand zu wechseln, wo zu dieser Zeit der Kaiser saß. Bei dem Karrieresprung in die kaiserliche Residenz hatten ihn der mächtige römische Stadtpräfekt Symmachus und manichäische Freunde protegiert. In Mailand kam es jedoch zum Bruch mit dem Manichäismus, da christliche Intellektuelle Augustinus von einer platonisierenden Lesart der christlichen Botschaft überzeugten. Ambrosius, dessen geschliffenen Predigten ihn begeisterten, vermochte ihn schließlich an die katholische Kirche heranzuführen.
Die Konversion zum Christentum, oder wie Lane Fox zu Recht betont: die Rückwendung zum Christentum seiner Kindheit und Jugend wird in dem wohl berühmtesten Abschnitt der Confessiones geschildert, der Mailänder Gartenszene. Hier zeigt sich der englische Historiker einmal mehr als großartiger Erzähler. Er schildert Augustin, der, in Tränen zerflossen, nach dem Gebet unter einem Feigenbaum aus dem Nachbarhaus eine Kinderstimme vernahm, die zweimal rief: tolle, lege – nimm und lies. Er verstand das Wort als göttlichen Befehl und schlug die Heilige Schrift auf. Er stieß auf eine Stelle im Römerbrief (13,13f.), die er als Aufforderung verstand, mit seinem bisherigen Leben zu brechen. Für Lane Fox ist die Interpretation der Paulinischen Ermahnung, die Augustinus mit einem „völligen Verbot von Sex“ und der Abkehr von „weltlichem Streben“ gleichsetzte, ein „kreatives“ und „konstruktives Missverständnis“, das dem aufgewühlten Augustin die Gewissheit schenkte, Gott lenke nunmehr sein Leben Schritt für Schritt. Lane Fox widerspricht einem Teil der Forschung, die in dieser Erzählung eine retrospektive Fiktion des älteren Augustinus sehen möchte; er liest diese Zeilen empathisch als die „Geschichte eines inneren Konflikts“.
Der provinziale Aufsteiger, wurde zum Aussteiger, der nun der Karriere und dem Geschlechtsverkehr entsagte. In der Folge lebte er mit Gleichgesinnten in Cassiciacum, einem Landgut in der Nähe Mailands, und ließ sich von Ambrosius in der Osternacht 387 taufen. Im nächsten Jahr kehrte er über Rom nach Afrika zurück, wo er 391 in Hippo zuerst zum Priester und einige Jahre später zum Bischof geweiht wurde. Verstaubte Gelehrsamkeit ist nicht Sache von Robin Lane Fox, der 1973, mit gerade einmal 27 Jahren, eine Alexanderbiografie schrieb, die damals die Altertumswissenschaften durcheinanderwirbelte. Auch sein neuestes Buch hat das Zeug zum Bestseller. Er vertraut auf die Unmittelbarkeit der Quellenzeugnisse. Man könnte versucht sein zu sagen, er zitiere Augustins Worte wie einen cantus firmus, der aber immer mehrstimmig umspielt wird. Zugleich ist der Autor bestens mit der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion vertraut, die er aber nicht in ermüdenden Fußnoten ausbreitet. Sein Urteil ist meist treffend, bisweilen scharf, durchweg reflektiert.
Lane Fox betont einleitend, er schreibe weniger über Schuld und mehr über Mystik, vor allem aber interessiere ihn Augustinus’ Verhältnis zum Neuplatonismus. Sein Augenmerk gilt nicht nur dem autobiografischen Teil der Confessiones, sondern auch dem zehnten Buch mit seinem Exkurs zur Bedeutung der memoria, also der Erinnerung für die Gotteserkenntnis des Menschen, und den letzten drei Büchern, in denen die ersten Verse der Genesis ausgelegt werden und die Frage nach dem Sein der Zeit aufgeworfen wird. Lane Fox argumentiert schlüssig für die Einheit des Werkes, das die „spirituelle Übung“ eines „skrupulösen Perfektionisten“ sei, der minutiös seine Sünden aufliste und am Ende über die Worte Gottes in der Bibel meditiere, um andere zum eigenen Weg zu bekehren. Leidenschaftlich wirbt Lane Fox für seine Überzeugung, dass Augustinus „in einem einzigen längeren Schaffensrausch“ zwischen Mitte Februar und Ende März, mithin in der Fastenzeit des Jahres 397, die Confessiones diktiert habe. Er teilt Augustinus’ christliche Glaubensgewissheit nicht, aber ihn faszinieren seine „ruhelose Intelligenz“ und „seine grandiose Wortgewandtheit“. Durch die konsequente Historisierung hat er diese Weltliteratur dem heutigen Leser erschlossen und damit uns allen bewahrt.
STEFAN REBENICH
Aus dem Römerbrief liest
Augustinus für sich ein
„völliges Verbot von Sex“ heraus
Robin Lane Fox:
Augustinus. Bekenntnisse und Bekehrungen im Leben eines antiken Menschen. Aus dem Englischen von Karin Schuler und Heike Schlatterer. Klett Cotta Verlag, Stuttgart 2017.
745 Seiten, 38 Euro.
E-Book 29,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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»Ein Mensch in all seinen Zweifeln und Ängsten tritt hervor, der zugleich vor den historischen Hintergrund seiner Zeit gestellt wird« Damals, Ausgabe 12/2018 »Durch seine anschauliche Darstellung gelingt es dem englischen Historiker, uns Augustinus wirklich nahe zu bringen.« damals, 04.2018 »Ein herausragendes Buch über eine Ausnahmegestalt in einer Zeit des Umbruchs.« Bernhard Lübbers, Mitteldeutsche Zeitung, 11.02.2018 »Über die umfangreiche moderne Forschungsliteratur zur Spätantike verfügt Lane Fox mit souveräner Kenntnis. Seine Darstellung ist durchgängig präzise und elegant. Mit seinem "Augustinus" legt der britische Wissenschaftler ein wirklich bedeutendes Werk vor.« Clemens Schlip, 01.02,2018, Die Tagespost »Der quellensichere Historiker Robin Lane Fox [...] holt Augustinus aus der Gefangenschaft heraus, befreit ihn von den Klischees und stellt ihn als Menschen der Antike vor, der mit Schaudern oder Hysterie nicht zu erfassen ist.« Dirk Pilz, Frankfurter Rundschau, 28.12.2017 »Das neueste Buch des Althistorikers Robin Lane Fox [...] überragt die wissenschaftliche Alltagsproduktion.«Stefan Rebenich, Süddeutsche Zeitung, 22.11.2017 »Lane Fox [...] hat diese Weltliteratur dem heutigen Leser erschlossen und damit uns allen bewahrt.«Stefan Rebenich, Süddeutsche Zeitung, 22.11.2017 »Ein Werk der Bildung im besten Sinne des Wortes verfasst, reich an literarischen Anspielungen, und weitet dadurch den Horizont, für Menschen im Elfenbeinturm und außerhalb.« Hartmut Leppin, FAZ, 10.2017 »Dem Autor gelingt es, die Zeit lebendig werden zu lassen und den Leser in allgemeinverständlicher Sprache durch das Denken des Augustinus zu führen. Dessen Leben und Denken mag heute mehr als zuvor provozieren, doch wer sich von ihm herausfordern lässt, kann viel gewinnen.« Andreas Kirchner, Christ in der Gegenwart, 15.10.2017…mehr