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Schicksal Ehrenmord
Mit 15 vergewaltigt. Zur Sühne soll sie sterben. Ein kleines ostanatolisches Dorf ist in Aufruhr: Die 15-jährige Meryem wurde missbraucht - und nun droht ihr der Tod, weil sie ihre Familie entehrt hat. Cousin Cemal, gerade aus dem Krieg gegen die kurdische PKK zurück, erhält den Auftrag, sie zu töten. Dafür soll er sie in die anonyme Großstadt Istanbul bringen. Dort treffen die beiden jungen Leute auf eine ganz andere Türkei ... «Ein intensiver Roman, dicht an Ereignissen, Gedanken, Themen.» DIE WELT

Produktbeschreibung
Schicksal Ehrenmord
Mit 15 vergewaltigt.
Zur Sühne soll sie sterben.
Ein kleines ostanatolisches Dorf ist in Aufruhr: Die 15-jährige Meryem wurde missbraucht - und nun droht ihr der Tod, weil sie ihre Familie entehrt hat. Cousin Cemal, gerade aus dem Krieg gegen die kurdische PKK zurück, erhält den Auftrag, sie zu töten. Dafür soll er sie in die anonyme Großstadt Istanbul bringen. Dort treffen die beiden jungen Leute auf eine ganz andere Türkei ...
«Ein intensiver Roman, dicht an Ereignissen, Gedanken, Themen.»
DIE WELT
Autorenporträt
Zülfü Livaneli wurde 1946 in Konya-Ilg¿n (Türkei) geboren. In den 70er Jahren war er wegen seiner politischen Anschauungen gezwungen, die Türkei zu verlassen, erst 1984 kehrte er zurück. Seitdem ist er einer der bekanntesten Sänger der Türkei, der auch international große Erfolge feierte. Einige Jahre war er Mitglied des türkischen Parlaments, besonders setzte er sich für die türkisch-griechische Aussöhnung ein. Livanelis Bücher werden weltweit gelesen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.10.2008

Odyssee zu dritt
Zülfü Livanelis neuer Roman „Glückseligkeit” umrundet die anatolische Halbinsel Von Volker Breidecker
Als Musiker ist der 1946 geborene Zülfü Livaneli längst eine Legende, und auch als Schriftsteller und Filmemacher genießt er Kultstatus. Doch auch wenn er seinen ersten Vornamen Omer irgendwann abgelegt hat, bleibt er als Romancier, dessen Bücher in alle Weltsprachen übersetzt sind, zuallererst ein Sänger. Seine eindringlichen, zumeist auf das Saitenspiel einer Gitarre gestützten Lieder verschmelzen die Traditionen der türkischen Volksmusik mit arabesken und mediterranen Tönen, und sie vereinigen die instrumentalen Klangkörper des Orients mit denen der westlichen Popmusik. Nach analogen Mustern sind auch Livanelis Romane gestrickt. Wenn daher an einer Stelle des Romans „Glückseligkeit” von einer Musik „voller brennender Glut” die Rede ist, „berauschend, manchmal leichtlebig wie ein frischer Westwind, dann wieder voller Schmerz – vergraben auf dem Grund der Ägäis”, dann hat Livaneli damit die Gestimmtheit nicht nur seiner Lieder, sondern auch diejenige seiner epischen Erzählungen umschrieben.
„Glückseligkeit” steht als Titel über diesem Roman weniger als Verheißung im Hinblick auf seinen Inhalt, eher als ein märchenhaftes Ideal. Davon ließe sich nämlich singen und träumen, wenn das Erwachen nicht so traumatisch und blutig wie für die junge Romanheldin Meryem ausfiele, die in den ersten Sätzen noch als ein weiblicher Ganymed eingeführt wird: „Meryem schlief den Schlaf einer Siebzehnjährigen – ein Schlummer, tief wie der Van-See. Im Traum kletterte sie splitternackt auf den Nacken des legendären Phönix und flog mit ihm davon. Wie ihr eigener schlanker Körper war auch der Riesenvogel schneeweiß. Er trug sie leicht in ruhigem Flug dahin und brachte sie sicher durch die Wolkenschleier.”
Der Van-See liegt weit im Osten Anatoliens, in einem ehemals armenischen Siedlungsgebiet, womit auch schon eines von vielen brisanten, wenn auch tabuisierten Themen und Problemen dieses großen Landes angesprochen ist. Und keines dieser Themen lässt der Roman aus, am wenigsten das grausame Ritual der sogenannten Ehrenmorde.
Meryem ist von ihrem Onkel, einem sittenstrengen islamischen Geistlichen, brutal vergewaltigt worden. Da sie sich vor lauter Scham und Angst über die Tat und den Täter ausschweigt, wird sie von ihrer Familie in ein dunkles Kellerloch geworfen. Nach dem Urteil, das der Onkel an der Spitze des Familienrats über sie fällt, soll sie sterben, weil dies der Brauch sei: Am besten durch eigene Hand, wozu man dem Mädchen einen Strick reicht. Kommt sie der Aufforderung nicht nach, wird man sie unauffällig beseitigen. Der Mordauftrag ergeht alsdann an den Cousin des Mädchens, einen entlassenen Soldaten, der soeben aus dem in den nahen Bergen ausgetragenen Krieg gegen die Kurden zurückgekehrt ist.
Livaneli erzählt aus drei verschiedenen Perspektiven, die mit jedem Kapitel alternieren – und jedes Kapitel ist wie ein neues Lied komponiert: Meryem vergeht nicht nur vor Scham, sondern leidet unter ihrer ganzen verwundeten Weiblichkeit, leidet nicht nur an dem, was ihr angetan wurde, sondern an der Verinnerlichung jener allgemeinen Verachtung, der ihr Geschlecht ausgesetzt ist. Cemal, ihrem Cousin, folgen wir zunächst als Teilnehmer eines gnadenlos geführten Kriegs gegen Kämpfer, die zum Teil aus Familien stammen, mit denen man im Dorf Haus an Haus lebt. Und schließlich ist da noch ein liberaler Professor, der in der drei Tagesreisen entfernten Metropole in eine schwere Midlife-Crisis fällt und von heute auf morgen alles aufgibt.
Ein seltsames Trio, das da auf einem Segelschiff in der Ägäis – dem maritimen und interkontinentalen locus classicus der Begegnung von östlicher und westlicher, europäischer und asiatischer, islamischer und christlicher Kultur – zusammenkommt, nach dem die Figuren ihre jeweilige Odyssee erlebt haben: Auch auf engem Raum will sich keine gemeinsame Sprache, keine Gemeinsamkeit des Empfindens einstellen. Gemeinsam ist den dreien nur eine tiefe und abgründige Angst, mit der jeder dennoch ganz allein ist, und die Scham vor den Regungen und Wallungen einer verdrängten Sexualität.
Damit verliert Livanelis Roman, in dem alles auf die spannungsvolle Begegnung dieser drei Menschen hinauslief, im zweiten Teil viel von seiner Dramatik und Schönheit. Er wirkt unentschlossen, hier und da auch etwas kitschig – wahrscheinlich genau wie das wirkliche Leben. Solche Schwächen der Erzählung aber zeugen von jenen seismischen Zonen der türkischen Gesellschaft, die sich noch lange nicht genügend aneinander gerieben haben.
Zülfü Livaneli
Glückseligkeit
Roman. Aus dem Türkischen von Wolfgang Riemann. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2008. 313 Seiten, 22,90 Euro.
„Im Traum kletterte sie splitternackt auf den Nacken des legendären Phoenix”
Sänger, Filmemacher, Romancier und Kultfigur: Zülfü Livaneli Foto: Gulbiz/Sipa
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Volker Breidecker stellt den jüngsten Roman des Musikers, Filmemachers und Schriftstellers Zülfü Livaneli vor, der ihn nicht selten an dessen legendäre Lieder erinnert. In "Glückseligkeit" geht es, wie der Rezensent zusammenfasst, um die von ihrem eigenen Onkel vergewaltigte Meryem, um ihren Cousin Cemal, der zum Ehrenmord an ihr beauftragt wird, und um einen Professor in der Midlife-Crisis, die sich im zweiten Teil des Buches gemeinsam auf einem Segelschiff in der Ägäis wieder finden, fasst der Rezensent zusammen. Wie in seinen Liedern vereinigt Livaneli in den drei Schicksalen orientalische und westliche Motive und erzählt eine gleichermaßen berauschende wie schmerzvolle Geschichte, die zudem kaum ein Tabuthema der türkischen Gesellschaft auslässt, so der Rezensent gebannt. Allerdings verliert der Roman ab dem Zusammentreffen der drei Hauptfiguren viel von seiner "Dramatik und Schönheit" und zeigt stellenweise Kitsch und Unentschlossenheit, bedauert Breidecker, der das als Indiz für die bis heute unversöhnten Strömungen in der türkischen Gesellschaft gelesen hat.

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