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Eine geistreiche, unterhaltsame Komödie über arabische Juden in Israel und zugleich eine subtile Auseinandersetzung mit der Selbstfindung der Frau: Kurz vor ihrer Hochzeit schließt sich Margi in ihrem Zimmer ein und verkündet: "Ich heirate nicht." Aber warum? Die Braut bleibt stumm - was bei den anderen einen Tumult an schmerzlichen Erinnerungen und unterdrückten Konflikten hervorruft. Der Bräutigam Matti kann nicht anders, als an ihrer Liebe zu zweifeln; ihre Mutter Nadja muss daran denken, dass sie vor zehn Jahren ihre jüngere Tochter Natalie und vor fünf Jahren ihren Mann verloren hat;…mehr

Produktbeschreibung
Eine geistreiche, unterhaltsame Komödie über arabische Juden in Israel und zugleich eine subtile Auseinandersetzung mit der Selbstfindung der Frau: Kurz vor ihrer Hochzeit schließt sich Margi in ihrem Zimmer ein und verkündet: "Ich heirate nicht." Aber warum? Die Braut bleibt stumm - was bei den anderen einen Tumult an schmerzlichen Erinnerungen und unterdrückten Konflikten hervorruft. Der Bräutigam Matti kann nicht anders, als an ihrer Liebe zu zweifeln; ihre Mutter Nadja muss daran denken, dass sie vor zehn Jahren ihre jüngere Tochter Natalie und vor fünf Jahren ihren Mann verloren hat; Mattis Eltern zerbrechen sich über die Kosten des Fests den Kopf; Margis Cousin Ilan, der Schmuck und Frauenklieder liebt und eine enge Beziehung zur schwerhörigen Großmutter Savtona hat, will unbedingt helfen und steht nur im Weg. Als alle Überredungskünste zu versagen drohen, scheint einzig die alte Savtona den Schlüssel zum Herzen der Braut zu finden ...

Autorenporträt
Matalon, RonitRonit Matalon wurde 1959 als Kind ägyptisch-jüdischer Immigranten in der Nähe von Tel Aviv geboren. Sie hat Literatur und Philosophie studiert und als Journalistin und Literaturkritikerin gearbeitet. Sie hat mehrere Romane veröffentlicht, wurde u.a. 2009 mit dem Bernstein Prize und 2017 mit dem Brenner Prize, dem Literaturpreis des Israelischen Schriftstellerverbandes, ausgezeichnet, war Dozentin an der Universität Haifa und der Sam-Spiegel-Filmschule in Jerusalem. Ronit Matalon starb Ende des Jahres 2017.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.12.2018

Aus dem Jawort wird ein dreifaches Nein

Alles eine Frage der Ehe: Ronit Matalons ironische Novelle "Und die Braut schloss die Tür" erzählt vom Aufbruch einer Frau.

Eine junge Braut hat sich seit mehr als "fünf Stunden ganz still im Schlafzimmer ihres Elternhauses eingeschlossen". Dann - durch die Tür, "an der vier Paar offene Ohren unsagbar erschrocken" lauschen - sagt sie dreimal hintereinander: "Ich heirate nicht, heirate nicht, heirate nicht."

So beginnt Ronit Matalon ihre Erzählung "Und die Braut schloss die Tür", die jetzt in schöner Übersetzung von Gundula Schiffer auf Deutsch vorliegt. Es ist eine Novelle im klassischen Sinn, schlank und stringent durchkomponiert. Ihre unerhörte Begebenheit trägt sie bereits im Titel, und diese bildet nicht nur den Anfang der Erzählung, sie ist das Ereignis schlechthin. Wie ein schwarzes Loch saugt sie ein anderes Ereignis auf, die Hochzeit, die nicht stattfinden kann; wirft ihr Licht - genauer: ihren Schatten - auf die Abläufe, deren Zeugen wir werden. Und mehr noch: Indem die Braut die Tür hinter sich verschließt, macht sie eine ganze Gesellschaft als Gefüge ineinandergreifender Zahnräder durchsichtig, das, an entscheidender Stelle unterbrochen, unweigerlich zum Stillstand kommt.

Der Stillstand wirft die einzelnen, hilflos gestrandeten Menschen dieser Gesellschaft auf sich selbst zurück. Die Hauptfiguren des kleinen Ensembles, das Matalon im engen Raum einer israelischen Mittelstandswohnung zusammenhält, sind Nadja, die verwitwete Mutter der Braut, und der Bräutigam Matti. Physisch bewegen sie sich zwischen dem Korridor vor der verschlossenen Tür und dem Wohnzimmer hin und her, aber während wir lesen, legen sie andere Strecken zurück. Wir folgen ihnen in die Schichten des Bewusstseins und der Erinnerung, wo sie nach Fluchtwegen aus der Klaustrophobie ihrer verzweifelten Lage suchen.

"Was machen wir jetzt?", fragt Nadja in ihrer Not. "Matti betrachtete sie konzentriert, in seine eigenen Gedanken versponnen und dennoch hellwach, sann augenscheinlich über ihre Frage nach, was aber nicht stimmte. Sie spürte, wie sein Blick ihr förmlich in die Haut stach, mitten in die Partie zwischen den nachgemalten Augenbrauen, spürte die Injektion, ein Gemisch aus Verzweiflung, erwartungsvoller Spannung und noch etwas anderem - ihr fehlte das Wort dafür -, das sein stechender Blick auslöste. Da erschrak sie plötzlich und wandte sich ab."

Matalon schildert, was sich auf Nadjas Haut abspielt, auf der Grenze von Außen und Innen. Mattis Blick durchsticht sie, aber das ist nur ein subjektives Gefühl; in Wirklichkeit ist dieser Blick gar nicht auf Nadja gerichtet, denn Matti hängt seinen eigenen, ganz anderen Gedanken nach. Matalon wird sie uns ausgiebig vorführen, doch hier folgt sie zunächst dem Bewusstsein der Mutter, diesem "Gemisch aus Verzweiflung, erwartungsvoller Spannung und noch etwas anderem", das nur eine Projektion ist und von dem sie sich, plötzlich erschrocken, abwendet.

Als sie die Verbindung ihres Lebens eingehen soll, schließt die Braut die Tür hinter sich und zieht die Grenze, die alle Menschen voneinander trennt. Sie verwandelt das Jawort des Rituals in ein dreifaches Nein - was aber bedeutet es, dass sie die Hochzeit verweigert, ihren Auftritt auf der Drehbühne der Generationen, die unseren Fortbestand garantiert?

Für Matti, mehr als für alle anderen Personen dieses Familiendramas, ist die Frage existentiell. Sie betrifft nicht nur die gestörte Ordnung seines Hochzeitstages, sondern sein ganzes Leben. Die Braut will ihn nicht heiraten - was aber sagt das über ihre Liebe zueinander, was haben Liebe und Hochzeit überhaupt miteinander zu tun? Die Braut, so empfindet er es, wird ihm fremd, doch einmal, als der Tag schon zur Neige geht, kommt ihm ein merkwürdiger Gedanke: "Und war sie nicht eigentlich deswegen, wegen der Fremdheit, zu seiner Geliebten geworden, und war es nicht genau das, was er eigentlich an ihr liebte: die Fremdheit?"

Ronit Matalon ist seit den neunziger Jahren eine gewichtige Stimme in der israelischen Literatur. Sie entstammt einer Familie, die aus Ägypten eingewandert ist, und oft schreibt sie über orientalische Juden, auch Nadja und die Braut gehören zu ihnen. Ihre publizistische Karriere begann Matalon als Journalistin in der linksliberalen Tageszeitung "Ha'aretz", für die sie aus den besetzten Gebieten berichtete, und vielfach hat sie sich kritisch über Israels Okkupationspolitik geäußert.

Offen muss bleiben, ob man ihre Novelle als eine Allegorie der Ausweglosigkeit lesen will oder als ein feministisches Manifest. Der Text lässt viele Deutungen zu, und vor allem, vielleicht, ist er eine Komödie. In der Wohnung befinden sich auch Nadjas Mutter, eine alte Frau, die an Demenz zu leiden scheint und zugleich seltsam wach ist; der junge Cousin der Braut, ein schräger Typ, der in Matalons Ensemble die Rolle des Hofnarren spielt; und später noch Mattis Eltern: Teils erscheinen sie eindrucksvoll, teils aber auch wie die Karikatur eines Ehepaars, die der Braut als Warnung gedient haben mag.

Die Fragen, die die Novelle aufwirft, finden keine eindeutige Antwort, und auch die Hochzeit findet nicht statt. Zur Nacht legt der Bräutigam sich an der Schwelle der verschlossenen Tür zum Schlaf nieder, und die alte Großmutter singt ein arabisches Liebeslied. Wie ein Echo hängt seine ganz andere, nicht mehr nur hebräische Melancholie über der sich verdunkelnden Wohnung.

Vor einem Jahr erkrankte Ronit Matalon, damals 58, an einem unheilbaren Krebs. Für ihre dunkle Komödie von der widerspenstigen Braut erhielt sie noch den Preis des israelischen Schriftstellerverbandes, konnte ihn aber nicht mehr persönlich entgegennehmen. Am Tag nach der Preisverleihung, dem 28. Dezember 2017, erlag Matalon ihrer Krankheit.

JAKOB HESSING

Ronit Matalon: "Und die Braut schloss die Tür". Roman.

Aus dem Hebräischen von Gundula Schiffer. Luchterhand Literaturverlag, München 2018.

159 S., geb., 18,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Ein tragikomisches Kammerstück über komplizierte Zwischenmenschlichkeiten.« Annabelle