Mohammed - für Muslime eine faszinierende und inspirierende Person, aber für viele andere ein Buch mit sieben Siegeln oder sogar ein Auslöser für Angst und Verunsicherung. Woher kam er? Was war er für ein Mensch? Wodurch wurde er zum Vorbild für Millionen von Menschen?
Der Islamwissenschaftler Lorenz Just nimmt den Leser mit auf die arabische Halbinsel in das Gebiet des heutigen Saudi-Arabien. Er schildert Mohammed in dem kulturellen und geschichtlichen Umfeld, in dem er aufwuchs und sich bewegte. Dadurch gelingt es ihm, die Faszination der Person für jeden Leser - religionsübergreifend - spürbar und erlebbar zu machen.
Der Islamwissenschaftler Lorenz Just nimmt den Leser mit auf die arabische Halbinsel in das Gebiet des heutigen Saudi-Arabien. Er schildert Mohammed in dem kulturellen und geschichtlichen Umfeld, in dem er aufwuchs und sich bewegte. Dadurch gelingt es ihm, die Faszination der Person für jeden Leser - religionsübergreifend - spürbar und erlebbar zu machen.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.10.2015Der nette Herr Mohammed
Biografie des arabischen Religionsstifters
Alle reden vom Islam. Am lautesten die Warner. Bedrohlich sei diese Religion für Deutschland, für seine christlich geprägte Kultur. Das Problem ist, dass die Kultur-Pessimisten oft nicht wissen, was diese Religion ausmacht und wie viel der Islam mit Christen- und Judentum gemein hat. Ist der Islam ein Glaube, dem die Gewalt der Kopfabschneider und Frauenunterdrücker zwingend innewohnt, oder ist er eine Religion wie andere auch: Die Moderne kann es richten, Glauben ist Auslegungssache, dem Islam light gehört die Zukunft. Genug Fragen also für eine leicht verständliche Biografie des Mannes, dem der Islam verkündet wurde oder der ihn, nach weltlichem Verständnis, einfach erfunden hat: Mohammed.
Lorenz Just versucht Antworten in Mohammed – Das unbekannte Leben des Propheten. Der Islamwissenschaftler erzählt das Leben des arabischen Religionsstifters, anschaulich, streckenweise spannend, getrieben von unüberhörbarer Affinität zur islamischen Welt. Er zeichnet die Geschichte eines Jungen nach, der als Halbwaise gesellschaftlicher Außenseiter war in der Handelsstadt Mekka, wo im 7. Jahrhundert Herkunft, Stamm und Clan die eng gestellten Leitplanken für ein Leben waren. Er ist klug, heiratet eine reiche ältere Frau, mehrt ihren Reichtum. Dann erscheint ihm in der gebirgigen Wüstenlandschaft der Erzengel Gabriel. Er würgt ihn, bis Mohammed die Verkündigung nachspricht: „Lies! Im Namen Deines Herren, der erschuf, er schuf den Menschen aus einem Tropfen Blut . . .“ So überliefert Gott seinem Sendboten den Koran: Es soll die letztgültige Botschaft Allahs sein, sie wird zum heiligen Buch der Muslime.
Was folgt, ist Prophetenschicksal: Kaum einer will die Botschaft hören. Mohammed wird angefeindet, muss mit seinen Jüngern fliehen. Mekka mit seinem Götzentempel in der Kaaba ist eine Handelsstadt. Der Opfertourismus der Karawanenhändler zu den Göttern belebt das Geschäft. Ein neuer Prophet, der die Götzenbilder zerschlagen will, ist geschäftsschädigend. Er sucht Asyl in Medina, schmiedet aus der Schar seiner Anhänger und den Stämmen der Oase eine Allianz – in Medina bildet sich der urislamische Staat. Der Prophet wird Politiker, führt Krieg gegen die Mekkaner. Bald wendet sich das Blatt, der Vertriebene kehrt heim, wird zum Herrscher über Mekka, Medina und weite Teile Arabiens, bevor seine Nachfolger ein die Welt veränderndes Großreich erbauen.
Mohammed erscheint bei Lorenz fast zwangsläufig als grundsympathische Persönlichkeit. Der Autor zitiert islamische Originalquellen, bezieht sich auf den Volksglauben. Für Muslime ist ihr Religionsstifter der beste, gütigste, weiseste aller Menschen, der Vorbildmensch schlechthin. Nur wo bleibt jenseits von mageren Andeutungen der bedeutende theologische Vordenker, der Teile von Juden- und Christentum raffiniert kopiert hat? Der Staatsmann, der auch ein brutaler Machtmensch war?
Wo es noch fehlt: Warum sich von Fundamentalisten eine so unerbittliche Intoleranz in die Lehre Mohammeds hineinlesen lässt. Warum die Frau dem Mann untergeordnet sein soll. Warum der Prophet die sechsjährige Aischa als Frau nahm (er hat sie angeblich nicht angefasst). Dass der Krieg, den er gegen die in Arabien siedelnden Judenstämme führt, Folgen hat: Der angebliche Verrat der Juden von Medina bildet das Fundament für einen islamischen Antisemitismus, der mit Israel und der Palästinenserfrage überhaupt nichts zu tun hat. Das sind Punkte, auf die ein Mohammed-Autor ein jüngeres Publikum klar verweisen muss. Das Buch wirkt daher so, wie der Verlag es bewirbt: „Wer heute Gewalt rechtfertigen möchte, kann sich nicht auf das Leben Mohammeds und die Worte Allahs berufen.“ Das ist nett gemeint, stimmt aber nicht: Eine Schwäche, die der Islam mit anderen Religionen teilt. (ab 14 Jahre)
TOMAS AVENARIUS
Lorenz Just: Das unbekannte Leben des Propheten. Gabriel 2015. 240 Seiten, 16,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Biografie des arabischen Religionsstifters
Alle reden vom Islam. Am lautesten die Warner. Bedrohlich sei diese Religion für Deutschland, für seine christlich geprägte Kultur. Das Problem ist, dass die Kultur-Pessimisten oft nicht wissen, was diese Religion ausmacht und wie viel der Islam mit Christen- und Judentum gemein hat. Ist der Islam ein Glaube, dem die Gewalt der Kopfabschneider und Frauenunterdrücker zwingend innewohnt, oder ist er eine Religion wie andere auch: Die Moderne kann es richten, Glauben ist Auslegungssache, dem Islam light gehört die Zukunft. Genug Fragen also für eine leicht verständliche Biografie des Mannes, dem der Islam verkündet wurde oder der ihn, nach weltlichem Verständnis, einfach erfunden hat: Mohammed.
Lorenz Just versucht Antworten in Mohammed – Das unbekannte Leben des Propheten. Der Islamwissenschaftler erzählt das Leben des arabischen Religionsstifters, anschaulich, streckenweise spannend, getrieben von unüberhörbarer Affinität zur islamischen Welt. Er zeichnet die Geschichte eines Jungen nach, der als Halbwaise gesellschaftlicher Außenseiter war in der Handelsstadt Mekka, wo im 7. Jahrhundert Herkunft, Stamm und Clan die eng gestellten Leitplanken für ein Leben waren. Er ist klug, heiratet eine reiche ältere Frau, mehrt ihren Reichtum. Dann erscheint ihm in der gebirgigen Wüstenlandschaft der Erzengel Gabriel. Er würgt ihn, bis Mohammed die Verkündigung nachspricht: „Lies! Im Namen Deines Herren, der erschuf, er schuf den Menschen aus einem Tropfen Blut . . .“ So überliefert Gott seinem Sendboten den Koran: Es soll die letztgültige Botschaft Allahs sein, sie wird zum heiligen Buch der Muslime.
Was folgt, ist Prophetenschicksal: Kaum einer will die Botschaft hören. Mohammed wird angefeindet, muss mit seinen Jüngern fliehen. Mekka mit seinem Götzentempel in der Kaaba ist eine Handelsstadt. Der Opfertourismus der Karawanenhändler zu den Göttern belebt das Geschäft. Ein neuer Prophet, der die Götzenbilder zerschlagen will, ist geschäftsschädigend. Er sucht Asyl in Medina, schmiedet aus der Schar seiner Anhänger und den Stämmen der Oase eine Allianz – in Medina bildet sich der urislamische Staat. Der Prophet wird Politiker, führt Krieg gegen die Mekkaner. Bald wendet sich das Blatt, der Vertriebene kehrt heim, wird zum Herrscher über Mekka, Medina und weite Teile Arabiens, bevor seine Nachfolger ein die Welt veränderndes Großreich erbauen.
Mohammed erscheint bei Lorenz fast zwangsläufig als grundsympathische Persönlichkeit. Der Autor zitiert islamische Originalquellen, bezieht sich auf den Volksglauben. Für Muslime ist ihr Religionsstifter der beste, gütigste, weiseste aller Menschen, der Vorbildmensch schlechthin. Nur wo bleibt jenseits von mageren Andeutungen der bedeutende theologische Vordenker, der Teile von Juden- und Christentum raffiniert kopiert hat? Der Staatsmann, der auch ein brutaler Machtmensch war?
Wo es noch fehlt: Warum sich von Fundamentalisten eine so unerbittliche Intoleranz in die Lehre Mohammeds hineinlesen lässt. Warum die Frau dem Mann untergeordnet sein soll. Warum der Prophet die sechsjährige Aischa als Frau nahm (er hat sie angeblich nicht angefasst). Dass der Krieg, den er gegen die in Arabien siedelnden Judenstämme führt, Folgen hat: Der angebliche Verrat der Juden von Medina bildet das Fundament für einen islamischen Antisemitismus, der mit Israel und der Palästinenserfrage überhaupt nichts zu tun hat. Das sind Punkte, auf die ein Mohammed-Autor ein jüngeres Publikum klar verweisen muss. Das Buch wirkt daher so, wie der Verlag es bewirbt: „Wer heute Gewalt rechtfertigen möchte, kann sich nicht auf das Leben Mohammeds und die Worte Allahs berufen.“ Das ist nett gemeint, stimmt aber nicht: Eine Schwäche, die der Islam mit anderen Religionen teilt. (ab 14 Jahre)
TOMAS AVENARIUS
Lorenz Just: Das unbekannte Leben des Propheten. Gabriel 2015. 240 Seiten, 16,99 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Alle reden derzeit vom Islam, schreibt Tomas Avenarius, aber seiner Meinung nach kennen sich zu wenige mit dieser Weltreligion wirklich aus. Der Islamwissenschaftler Lorenz Just mache sich nun mit seiner Biografie des Propheten Mohammed daran, Antworten für ein Lesepublikum ab 14 Jahren zu geben. Das Ergebnis gerate anschaulich und mitunter spannend, nach Meinung des Rezensenten ist es zudem getragen von einer deutlichen Sympathie für den Islam. Auch der Religionsstifter selbst erscheine als "grundsympathische Persönlichkeit". Doch Avenarius bleiben letztlich dann doch zu viele Fragen offen: Woher stammt die Intoleranz der Fundamentalisten? Warum ist im Islam die Frau dem Mann untergeordnet? Und was hat es mit islamischem Antisemitismus auf sich? Der Kritiker findet, Just hätte auch auf diese brisanten Punkte Bezug nehmen müssen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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