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"City: Der unwahrscheinlichste aller Orte" ist die Vision einer globalisierten und zerrissenen Welt. Michal Hvorecky hat eine hochaktuelle Groteske über das neue Europa in Form einer literarisch brillanten Liebesgeschichte geschrieben. Er läßt eine Generation aus der Mitte Europas zu Wort kommen, die nichts anderes kennt, als den Kapitalismus in seiner extremsten Ausprägung. Ein Roman über die Sucht nach Bildern und die Suche nach Liebe.
Der junge Fotograf Irvin Mirsky lebt in einer Welt, in der der globale Kapitalismus das Leben der Menschen in Besitz genommen hat. Neugeborene werden Nivea
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Produktbeschreibung
"City: Der unwahrscheinlichste aller Orte" ist die Vision einer globalisierten und zerrissenen Welt. Michal Hvorecky hat eine hochaktuelle Groteske über das neue Europa in Form einer literarisch brillanten Liebesgeschichte geschrieben. Er läßt eine Generation aus der Mitte Europas zu Wort kommen, die nichts anderes kennt, als den Kapitalismus in seiner extremsten Ausprägung. Ein Roman über die Sucht nach Bildern und die Suche nach Liebe.
Der junge Fotograf Irvin Mirsky lebt in einer Welt, in der der globale Kapitalismus das Leben der Menschen in Besitz genommen hat. Neugeborene werden Nivea oder Gucci genannt, da große Konzerne für die Namensgebung bezahlen. Ein Stipendium führt Irvin nach City, den unwahrscheinlichsten aller Orte, wie die neue Hauptstadt Supereuropas genannt wird. Dort versucht er der Sucht zu entkommen, die ihn seit seiner Jugend verfolgt: Er ist abhängig vom Internet. Auf der Suche nach innerer Ruhe trifft er Lina, die Frau seines Lebens. Während Lina zur Ikone der öffentlichen Revolte wird, die das Leben aus den Fesseln der Virtualität befreien will, überwindet Irvin seine Abhängigkeit und versucht die Welt seinerseits von der Übermacht der Bilder zu befreien.
Der Roman erzählt in Lichtgeschwindigkeit über Liebe und Abhängigkeit, über Manipulation und Widerstand.
Autorenporträt
Hvorecky, MichalMichal Hvorecky, geboren 1976, lebt in Bratislava. Auf Deutsch erschienen bereits drei seiner Romane und eine Novelle. Hvorecky verfasst regelmäßig Beiträge für die FAZ, Die Zeit und zahlreiche Zeitschriften. In seiner Heimat engagiert er sich für den Schutz der Pressefreiheit und gegen antidemokratische Entwicklungen.

Kraetsch, MirkoMirko Kraetsch, geboren 1971. Übersetzer für Belletristik, Dramatik und Lyrik, außerdem Literaturvermittler und Gelegenheitsautor. Übersetzte unter anderem Michal Hvorecky, Emil Hakl, Bianca Bellová und Jaroslav Rudis ins Deutsche.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.04.2006

Süchtig ist jeder für sich allein
"City: Der unwahrscheinlichste aller Orte": Der slowakische Autor Michal Hvorecký provoziert

Am Anfang denkt man sich noch: Betrifft mich nicht! Die anderen sind süchtig! Ich bin es nicht, mir kann niemand was - ist doch alles nur erfunden! Aber dann, nachdem man 280 Seiten gelesen, mit dem Autor gesprochen, Sätze bedacht, Kapitel beendet und Gedanken wieder verworfen hat, wird klar: Es ist alles doch so schrecklich und ätzend und verdammt unausweichlich, wie es der slowakische Autor Michal Hvorecký in seinem neuen Buch "City: Der unwahrscheinlichste aller Orte" beschreibt.

Es wird klar: Man ist süchtig. Und noch klarer wird, was das schlimmste an "City" ist: Man bemerkt die eigene Sucht nicht, wenn man das Buch nicht liest. Und wenn man es doch tut, dann hilft es einem erst mal auch nicht weiter, sondern macht alles noch schlechter, weil einem ja eh niemand glaubt, wenn man mutmaßt, man sei vielleicht einer von einer Million internetsüchtigen Menschen in Deutschland. Und weil Irvin Mirsky, die Hauptfigur des Romans, am Ende als Depp dasteht. Warum also nicht auch der Leser?

Irvin Mirsky ist Fotograf. Den Großteil seines Lebens verbringt er aber damit, Pornos aus dem Internet zu laden, sie anzugucken und wieder zu löschen, wenn die Festplatte voll ist. Wochenlang vegetiert Mirsky vor seinem Computer, nur zum Duschen kriecht er ins Bad. Doch was ein südkoreanischer Zocker im vergangenen Sommer in fünfzig Stunden schaffte, sich vor dem Computer zu Tode zu spielen, das gelingt Mirsky in wochenlanger Arbeit nicht. Schlimmer noch: Er startet ungezählte Therapien, bricht sie wieder ab und wird rückfällig. Irgendwann beschließt er fortzugehen aus seiner Stadt, Bratislava: "Ich war vierundzwanzig und meine Patientenakte über vierhundert Seiten lang. Ich mußte meinen Körper an Orten in Bewegung setzen, an denen kein Rückfall drohte, mußte jenen Organismus vernichten, der keine Ruhe kannte."

Eine Stadt namens City

Eineinhalb Jahre lang trampt er durch "Orte, die zu den letzten auf der Welt gehörten, wo man meine Kreditkarte brauchte". Per Brief erfährt Mirsky dann, daß er zu einem dreimonatigen Stipendiumsaufenthalt nach Deutschland eingeladen wurde, in die neue Hauptstadt Supereuropas: City, heißt die, einfach City. Mit ihren aus Marmor, Chrom und Plexiglas gebauten, einander zum Verwechseln ähnlichen Bürogebäuden, wo "feste Regeln, weiße Kragen, kein Humor" herrschen, erinnert City nicht zufällig an das Berliner Regierungsviertel, jenes Ensemble aus Sandsteinfassaden, Coffeeshops und Touristen. Doch City ist nicht nur ein pessimistisches Abziehbild von Berlin-Mitte, auch wenn Hvoreckýs detailversessene Beschreibung das suggeriert. Es ist eine noch häßlichere, noch unwirtlichere Stadt, und anders als Berlin liegt sie unweit der französischen Grenze. Der unwahrscheinlichste aller Orte eben.

"City" ist eine Übertreibung, keine Frage, aber alles andere als ein Hirngespinst. Vielmehr bedient sich Hvorecký, 1976 in Bratislava geboren, reichlich überdeutlich seiner Erinnerungen an den Fall des Eisernen Vorhangs; danach, sagt Hvorecký, "war plötzlich alles möglich". Mit einem Mal gab es Drogen, die niemand je probiert hatte, Musik, die keiner gehört hatte, eine Jugendkultur, die neu war und viel versprach und doch wenig bereithielt für manche, die dann abstürzten und liegenblieben wie Mirsky.

Penibel listet Hvorecký auf, welche Pornodarstellerinnen sein Held vergöttert, welche Tricks er anwendet, um nicht erwischt zu werden bei seinen virtuellen Eskapaden im Schulcomputerraum, und welchen Umgang Süchtige in der Therapie miteinander pflegen. So gut wie gar keinen, stellt sich heraus, denn "die jeweiligen Gruppen der verschiedenen Abhängigkeiten hatten nur Verachtung füreinander übrig". Hvoreckýs Ton in diesen Passagen ist erschreckend souverän und fundiert, so daß man sich der Frage, ob dem Roman nicht doch eigene körperliche Erfahrungen zugrunde liegen, nicht entziehen kann. "Einige meiner Freunde haben Heroin oder andere harte Drogen genommen, als wir fünfzehn und sechzehn waren. Aber ich nicht", sagt Hvorecký. "Ich bin nicht Irvin Mirsky."

Und auch die sexuellen Erfahrungen, die Mirsky von seinen Religions- und Mathematiklehrern aufgezwungen werden und die ein Grund für seine Pornosucht sind, sind nicht Hvoreckýs eigene Erfahrungen, sondern "nur" die seiner ehemaligen Klassenkameraden, die in den Achtzigern Opfer des berühmtesten Pädophilie-Falles in der Tschechoslowakei wurden.

Eine Sucht namens Chat

Ruhig und konzentriert ist Hvorecký, wenn er das erzählt. Und als er von seiner Mutter spricht, der er angesichts der in "City" erzählten Drogengeschichten einmal gesagt habe, "Ich habe noch viel mehr erlebt", wirkt der 1976 geborene, schmächtige Hvorecký in seiner H&M-Uniform wie ein moderner Märchenonkel, in dessen Kopf noch tausend Geschichten darauf warten, aufgeschrieben zu werden.

Hvorecký ist ein Meister des Nebenbeierzählens. Hier flicht er ein Geschichtchen über die Minderwertigkeitskomplexe der Slowaken ein, dort eines über die seltsamen Verrenkungen eines Barmanns beim Einschenken der Getränke. Doch die gutgemeinten Sätze, Anekdoten und Erzählstränge verbinden sich nicht immer zu einem stimmigen Ganzen, ufern aus, ohne irgendwo zu enden, reißen an, ohne festzumachen.

Aber vielleicht soll das auch so sein. Süchtig ist jeder für sich allein, Sucht ist keine Abstraktion, von der Sucht des einen kann man nicht schließen auf die des anderen. In "City" gelingt es Hvorecký, genau das darzustellen. Und das ist die wirklich großartige Leistung des Buches: Es fordert Süchtige zum Sprechen heraus. Auf Hvoreckýs jüngster Lesereise durch die Slowakei habe "ein älterer Mann mir erzählt, daß er chatsüchtig ist. Er hatte nie einen Internetanschluß, aber als er schließlich doch einen bekam, chattete er den ganzen Tag mit jungen Mädchen. Als seine Frau davon erfahren hatte, hat sie sich von ihm getrennt." Ohne "City" hätte der Mann womöglich niemandem davon erzählt. Wie Mirsky kann auch dieser Mann aus dem Teufelskreis von Sucht und Therapie nur aussteigen, wenn die Quelle der Sucht versiegt.

In City passiert genau das. Ein Stromausfall legt die ganze Stadt lahm. Plötzlich ist hier Dritte Welt, die Wasserversorgung bricht zusammen, Lebensmittel werden knapp, Anarchie macht sich breit. Dort, wo sonst Firmen herrschen, übernehmen Soldaten die Kontrolle. Mirsky ist das egal. Er will nur von seiner Sucht loskommen. Er begründet die Bewegung "Liebe statt Strom" und überträgt, was nicht einer gewissen Ironie entbehrt, die Führung jener Frau, die sein Traum war und seine Sucht: Sie heißt Erika Eroticka, ist eine berühmte Sexkolumnistin; Mirsky hat sie in einem Darkroom kennengelernt, wohin er sich bei einem seiner Ausflüge nach City verirrt hatte. Dort hat er zum ersten Mal seit langem eine Frau berührt. Und dort erst hat Mirsky jene Liebe gespürt, die er seit seiner Geburt, im Internet und bei seinen Lehrern, erfolglos gesucht hatte. Kitsch? Ja, aber wer sagt, das Leben sei frei davon?

Ein Kind namens Gucci

"City" ist eine Übertreibung, keine Frage, doch eine maßvolle. Denn die Negativutopie, die Hvorecký implizit entwirft, mit all ihren Bausünden, der enormen Macht des Kapitals und der Entmenschlichung der Gesellschaft, die ist längst keine Utopie mehr. Hvorecký weiß das aus eigener Erfahrung, und wenn er diese Uniformität mit Hilfe eines Running Gags überzeichnet, dann ist es vielleicht nur die Genervtheit, die eintritt, wenn auf einmal alles möglich ist. Der Gag ist nach 288 Seiten denn auch das einzige, was nervt. Da heißen Kinder Gucci, Nivea oder GlaxoSmithKline und rattern die Werbesprüche ihrer Namenspaten runter: "Hallo, ich bin McDonald's. Ich liebe es." Und wenn die Firma pleite geht, bekommen die Humanlitfaßsäulen eben einen neuen Namen und einen neuen Werbespruch. Lustig ist das nur einmal. Aber es erfüllt seinen Zweck: Man möchte sein Kind Andreas oder Claudia nennen.

Slowakische Kritiker haben Hvorecký vorgeworfen, sein Buch sei für die junge Generation geschrieben und obendrein nicht kritisch genug. Ältere würden die darin beschriebenen Probleme nicht kennen; und realistisch sei "City" schon gar nicht. Über Irvin Mirsky, die Hauptfigur in "City", schrieb einer sogar: "Ich hasse diesen Irvin. Er ist ein unerträglicher Mensch."

Gerade weil "City" keine Fiktion ist, sondern ein nur leicht übertriebenes Portrait unserer Welt, ist es in beeindruckender Weise schlimm und hervorragend zugleich. Wer jetzt noch stundenlang im Internet surft, kann sich nach der Lektüre des Buches gleich um einen Platz in einer der chinesischen Entzugskliniken umsehen. Oder wenigstens die Flatrate kündigen.

DOMINIK SCHOTTNER

Michal Hvorecký: "City: Der unwahrscheinlichste aller Orte", Tropen-Verlag, 288 Seiten, 19,80 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nicht wirklich erwärmen kann sich Kolja Mensing für Michal Hvoreckys Roman über einen Internet und Porno süchtigen jungen Mann, der nach einem Stromausfall eine Terrorgruppe gründet und eine Revolution anzettelt. Das Werk kommt ihm vor wie ein lauer Aufguss aus Romanen von Autoren wie David Sedaris, David Foster Wallace, Chuck Palahniuk, Douglas Coupland und Michel Houellebecq. "Originell" kann er das wirklich nicht finden. Zudem erscheint ihm das Buch nicht besonders gut geschrieben, nämlich "zweidimensional und leidenschaftslos". Immerhin eines hält Mensing dem Werk zu Gute: es handelt sich um eine "gelungene Abbildung des Internets mit den Mitteln der Literatur". Doch das kann das Buch nicht retten. Im Grunde sieht Mensing darin nämlich einen "furchtbar langweiligen und uninteressanten Roman".

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