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Wer bestimmt, was der Mensch ist: als Individuum oder Amtsinhaber, als Angehöriger einer Gruppe, Religion oder Ethnie? Facettenreich und mit vielen persönlichen Rückblicken schreibt der große Europäer Grosser über die Entstehung und Moral sozialer Identität. Dabei wehrt er sich gegen ein altes Grundübel, das aktueller ist denn je - den Finger, der auf andere zeigt, das "schlimme DIE": DIE Muslime, DIE Frauen, DIE Juden, DIE Deutschen, DIE Flüchtlinge. Ein großes Buch, das uns auffordert, auch in schwierigen Zeiten niemals unsere Menschlichkeit zu verlieren.Klar in der Sprache und konkret in…mehr

Produktbeschreibung
Wer bestimmt, was der Mensch ist: als Individuum oder Amtsinhaber, als Angehöriger einer Gruppe, Religion oder Ethnie? Facettenreich und mit vielen persönlichen Rückblicken schreibt der große Europäer Grosser über die Entstehung und Moral sozialer Identität. Dabei wehrt er sich gegen ein altes Grundübel, das aktueller ist denn je - den Finger, der auf andere zeigt, das "schlimme DIE": DIE Muslime, DIE Frauen, DIE Juden, DIE Deutschen, DIE Flüchtlinge. Ein großes Buch, das uns auffordert, auch in schwierigen Zeiten niemals unsere Menschlichkeit zu verlieren.Klar in der Sprache und konkret in der Sache nimmt Alfred Grosser das Menschsein auf allen Feldern des gesellschaftlichen Lebens unter die Lupe: Kultur, Politik und Erziehung, Geschlecht, Geschichte und Religion, Geld und nationale Mythen - und natürlich unsere Identität in einem Europa mit Flüchtlingen oder ohne. Er warnt eindringlich vor Politikver-achtung und zieht Bilanz über das "Menschwerden inmitten der Verzweiflung am Weltgeschehen". Sein Credo: "Penser juste, donc à la fois avec justesse et avec justice - Richtig denken heißt, mit Richtigkeit und mit Gerechtigkeit denken. Das klingt zwar im Deutschen nicht so gut, sagt aber doch das Wesentliche."
Autorenporträt
Alfred Grosser, 1925-2024, geb. in Frankfurt am Main, war seit 1937 französischer Staatsbürger. Er war Professor für Politikwissenschaft am Institut d'Etudes Politiques in Paris und Journalist, außerdem Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels, Träger des großen Verdienstkreuzes mit Stern und Schulterband der Bundesrepublik Deutschland, der Wilhelm-Leuschner-Medaille 2004 sowie vieler anderer Auszeichnungen und Preise. Er war Autor zahlreicher Publikationen und "Mittler zwischen Franzosen und Deutschen, Ungläubigen und Gläubigen, Europäern und Menschen anderer Kontinente".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.05.2017

Ich sind sehr viele andere
Beharrlich: Alfred Grossers Alterswerk "Le Mensch"

Alfred Grosser, inzwischen zweiundneunzig Jahre alt, hat, zusammen mit dem 2004 verstorbenen Joseph Rovan, im deutsch-französischen Verhältnis nach dem Krieg eine unersetzliche Rolle gespielt: Beide waren Vermittler zwischen Deutschland, dem Land, in dem sie geboren und aus dem sie vertrieben wurden, und Frankreich, dem Land, in dem sie Zuflucht und Heimat gefunden hatten. Grosser bediente sich in seinen vielen Büchern, Aufsätzen und Reden einer quasi-dialektischen Methode: Er warb in Frankreich dafür, "die Deutschen" nicht als historisch schuldiges Kollektiv anzusehen, sondern sie in ihrer Verschiedenheit, in ihrem Anderssein zu verstehen und die deutsche Geschichte in ihrer Vielfalt zu begreifen.

In Deutschland wiederum erinnerte er beharrlich, aber nie undifferenziert an die historische Verantwortung, die unser Land trägt; gleichzeitig erklärte er, warum Frankreich eine andere politische Kultur hat und anders mit seiner Geschichte und Gegenwart umgeht. Sein neues Buch mit dem ein wenig gesucht wirkenden Titel "Le Mensch" ist ein Alterswerk, in dem Grosser diese Methode ausweitet: Es geht ihm darum, die dem Menschen auferlegte Identitätszuschreibung als Teil eines Kollektivs aufzubrechen und daran zu erinnern, dass jeder ein unverwechselbares Individuum mit vielerlei Identitäten ist - als Mann oder Frau, als Deutscher oder Franzose, als Lehrer oder Schüler und so weiter. Zuordnungen verbergen diese Wirklichkeit, verhindern das Erkennen und Anerkennen des Einzelnen und sind deshalb unrichtig und ungerecht.

Die Gegenleistung dafür ist, dass sich niemand hinter kollektiven Zuschreibungen verstecken darf, um seine persönliche Verantwortung in Gesellschaft und Staat, in Wirtschaft und Kultur zu verleugnen. Als Mensch trägt jeder eine "Mitverantwortung für die Zukunft". Das ist ein Aufruf zum Engagement. Grosser selbst nennt viele dieser Fragen, historische und aktuelle, und er macht auch kein Hehl aus seinen Ansichten dazu: In den Kapiteln des Buches geht es um Geschichte und Erinnerung in Deutschland wie in Frankreich, um die Politik in all ihren Facetten, um die europäische Integration, um die Rolle des Geldes in der Gesellschaft und vieles mehr; der besonders von der katholischen Kirche faszinierte Atheist Grosser hat dezidierte Ansichten zur Religion, die Deutschland und Frankreich auf so unterschiedliche Weise prägt.

Mit manchen Urteilen, die Grosser - immer temperamentvoll - abgibt, muss man nicht einverstanden sein. Anzuerkennen ist jedoch, dass er meist einen wunden Punkt trifft. Einiges geht da ab und zu durcheinander; der Autor kommt auch manchmal vom Hölzchen aufs Stöckchen. Aber das ist wahrscheinlich unvermeidlich, wenn man versucht, die Einsichten und Erkenntnisse eines langen, bewegten Lebens zusammenzufassen. Das große Verdienst des Buches, das im Untertitel das Wort "Ethik" trägt, ist es, nicht bei abstrakten Weisheiten zu verweilen, sondern Maximen, die unser Handeln leiten sollten, an historischen und aktuellen Beispielen zu zeigen oder mit Entscheidungen mehr oder weniger bekannter Persönlichkeiten zu illustrieren. Das gibt dem Buch seinen eigenen Tonfall. Und dem "Weltverbesserer" Grosser, der sich von Widersprüchen nicht schrecken lässt, bewahrt es auch im hohen Alter seine "pessimistische Zuversicht".

GÜNTHER NONNENMACHER.

Alfred Grosser: "Le Mensch". Die Ethik der Identitäten. J. H. W. Dietz Verlag, Bonn 2017. 288 S., geb., 24,90 [Euro].

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