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Vorsicht Tierfutter: Hans-Ulrich Grimm steigt in animalische Abgründe hinab und warnt vor dem Fraß, den wir unseren Mitgeschöpfen in den Napf füllen
Hans-Ulrich Grimm ist als Ernährungskritiker ausgewiesen: Unter anderem im Bestseller "Die Suppe lügt", 1997 erschienen, beschäftigte er sich mit den Schattenseiten der modernen Nahrungsmittelindustrie. In seiner neuesten Buchveröffentlichung "Katzen würden Mäuse kaufen - Schwarzbuch Tierfutter" nimmt sich der ehemalige "Spiegel"Redakteur jetzt die Futtermittelbranche vor. Zunächst konnte das Werk nicht wie geplant erscheinen, denn der Tierfutterkonzern Masterfoods erwirkte eine einstweilige Verfügung. Nun wird es doch verkauft. Nach Angaben des Verlags blieb es inhaltlich unverändert, nur ein neuer Umschlag wurde gewählt.
Der Autor folgte gleich zwei Trends, als er sich zur Recherche im Milieu der "Tierfutter-Mafia" entschloss: Zum einen lenkt er das Augenmerk auf ein neues Phänomen, nämlich auf das blühende Geschäft mit dem Luxus für Haustiere. Zum anderen bemüht er ein Konzept, das zuletzt in Filmen wie "We Feed the World" und "Fast Food Nation" umgesetzt worden ist: Er nimmt den Leser und Verbraucher mit in eine fremde Welt, auf die "unreine Seite" der Futterproduktion, dorthin, wo Normalsterbliche gewöhnlich keinen Zutritt haben. Der Anlieferungsbereich einer Tierkörperbeseitigungsanlage ist beispielsweise solch ein Ort. Dort, wo Grimm mit seiner Recherche nicht mehr weitergekommen ist, weil Futter-Lobbyisten und Veterinärmediziner sich gleichermaßen zugeknöpft geben, zitiert er stattdessen genüsslich andere Quellen, zum Beispiel die internen Werbeschriften, die nur innerhalb der Futtermittelindustrie zirkulieren.
Während das Tierfutter in der Rinder- und Schweinehaltung nicht billig genug sein kann, werden Leckereien für die Hausgenossen des Menschen zum Hoffnungsträger einer neuen Wachstumsbranche, der Industrie für Tier-Luxus. Vor allem die Deutschen knauserten beim Essen für sich selbst, konstatiert der Autor, beim Futter für Hund oder Katze dagegen seien sie zu hohen Ausgaben bereit.
"Katzen würden Mäuse kaufen" ist nicht das erste Buch, das die Beziehung der Deutschen zu ihren Haustieren kritisch beleuchtet. "Du armer Hund", ein Enthüllungsbuch des "Stern"-Journalisten Heiko Gebhardt aus dem Jahr 1978, verfolgte ähnliche Absichten. Damals trat der Hund allerdings noch als gepeinigte Kreatur auf, gezüchtet in den verdreckten Verschlägen krimineller Hundehändler, von Hundesport-Fanatikern geschunden oder von kaltherzigen Urlaubern kurzerhand im Müllcontainer einer Autobahnraststätte "entsorgt".
Jetzt, dreißig Jahre später, lautet die Anklage nicht mehr: Der Hund wird zu Tode gequält. Heute wird der Hund zu Tode gehätschelt. Ob Krebs, Diabetes oder Bandscheibenvorfälle, an sämtlichen Krankheiten der Tiere in deutschen Haushalten soll überteuertes Dosenfutter schuld sein. In seinem Rundumschlag holt Grimm aber manchmal ein bisschen weit aus und vermischt auch so einiges, was nicht zusammengehört. Um die Auswüchse der Branche zu illustrieren, nennt er Spezialkekse für die Zahnpflege in einem Atemzug mit Medikamenten gegen Epilepsie oder modernem Insulin für zuckerkranke Tiere. Die Unterscheidung zwischen dem, was Geldschneiderei ist, und dem, was den neuen Bedürfnissen einer veränderten Haustierhalter-Gesellschaft wirklich entgegenkommt, unterbleibt an dieser Stelle.
Die Bindung zwischen Mensch und Haustier ist in den letzten Jahrzehnten deutlich enger geworden. Hund, Katze, Pferd und Kaninchen sind längst in Therapieprogramme für verhaltensauffällige Kinder integriert worden; sie helfen mit, vom Job besessene Singles wieder an ein Sozialleben anzubinden, und lassen Alte oder Kranke ihre Isolation überwinden. Angesichts solcher Beziehungen ist es nur zwangsläufig, dass Tierbesitzer ihre epilepsiekranke Katze für den Rest ihres Lebens täglich mit Phenobarbital-Tabletten versorgen, denn ein Leben mit einer Katze, die dreimal am Tag krampfend von der Fensterbank fällt und sich dabei irgendwann schwer verletzen wird, ist allen Beteiligten nicht zumutbar. Grimm behandelt die verschiedenen Manifestationen von Tierliebe und verbundenem Kommerz nicht differenziert genug, wenn er eine so gestaltete Überlebenshilfe in die Nähe eines Luxusbedürfnisses rückt.
Die Lösung liegt für das "Schwarzbuch Tierfutter" in Tierfreunden, die für ihre Hunde und Katzen gesunde Mahlzeiten aus frischen Zutaten kochen. Aber der Hundebesitzer greift ja nicht nur zur Dose, weil er wähnt, seinem Tier damit etwas Gutes zu tun. Die Verwendung von Fertigfutter bedeutet schlicht eine notwendige Zeitersparnis für den berufstätigen Tierhalter. Dass Grimms Vorschlag den Ruin der Futtermittelproduzenten einläuten wird, darf deshalb bezweifelt werden.
CHRISTINA HUCKLENBROICH
Hans-Ulrich Grimm: "Katzen würden Mäuse kaufen". Schwarzbuch Tierfutter. Deuticke im Paul Zsolnay Verlag, Wien 2007. 208 S., br., 17,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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