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Viele Hotels tragen Glücksversprechen und sehnsuchtsvolle Verlockungen im Namen, sie heißen "Paradiso", "Sunrise" oder "Princess". Ganz selten aber stößt man auch auf Häuser, die ihren Gästen keine Paradiese verheißen und Namen tragen, die auf Schmerz und Zwiespalt hinweisen. Wie schläft es sich wohl im "Hotel Kummer"? Wovon träumt man im "Hotel Verloren"? Wonach schmeckt das Frühstück in der "Pension Trauer"? Conny Habbel und Franz Adrian Wenzl sind quer durch Europa gereist und haben diese Herzbrechhotels besucht. Eine sentimentale Reise, die Habbel mit der Fotokamera und Wenzl mit dem…mehr

Produktbeschreibung
Viele Hotels tragen Glücksversprechen und sehnsuchtsvolle Verlockungen im Namen, sie heißen "Paradiso", "Sunrise" oder "Princess". Ganz selten aber stößt man auch auf Häuser, die ihren Gästen keine Paradiese verheißen und Namen tragen, die auf Schmerz und Zwiespalt hinweisen. Wie schläft es sich wohl im "Hotel Kummer"? Wovon träumt man im "Hotel Verloren"? Wonach schmeckt das Frühstück in der "Pension Trauer"?
Conny Habbel und Franz Adrian Wenzl sind quer durch Europa gereist und haben diese Herzbrechhotels besucht. Eine sentimentale Reise, die Habbel mit der Fotokamera und Wenzl mit dem Kugelschreiber festgehalten hat. Das Ergebnis ist ein anspielungsreicher Bildband mit feinen Betrachtungen über "Zorn", "Leiden", "Angst" und andere ambivalent benannte Hotels, mit stimmungsmächtigen Fotografien und pointierten Mikrostories.
Autorenporträt
Conny Habbel, Künstlerin und Fotografin, geboren 1979 in Regensburg, lebt in München und Wien. Internationale Ausstellungen und Publikationen in den Bereichen Bildende Kunst und Kulturtheorie. Ihre inszenierten Fotoserien 'Go and fight!' und 'Home ist the place you left'wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Franz Adrian Wenzl, Autor, Sänger und Musiker, geboren 1976 in Steyr, lebt in Wien und München. Zahlreiche Veröffentlichungen, u.a. mit der Rockgruppe Kreisky und als Freddie-Mercury-Impersonator Austrofred. Zuletzt ist von diesem der Band 'Du kannst dir deine Zauberflöte in den Arsch schieben - Mein Briefwechsel mit W.A. Mozart' erschienen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.05.2013

Im Anfang war das Wort

Es gibt Hotels, die heißen "Hunger","Angst" und "Kummer" oder "Trauer", "Trost" und "Zweifel". Die Fotografin Conny Habbel hat sie besucht und ihnen ein Buch gewidmet. Es wird zur Reise auf die gespenstische Seite des bürgerlichen Daseins.

Von Gabriele Mayer

Wucherndes Grün, ein gespenstischer Kran, eine opulente, bröckelnde Fassade und klitzeklein der Name des Hotels: "Angst". Die ehemalige italienische Luxusherberge ist übervoll von Geschichten, und sie regte neben der Phantasie vieler Gäste auch die des Theater-Phantasten Christoph Marthaler an, der prompt eines seiner tragikomischen Menschheitstraum-Endspiele nach just diesem Haus benannte. Und nun kam Conny Habbel.

Die junge Fotografin hat eine Art "sentimental journey" kreuz und quer durch Mitteleuropa unternommen. Zu öffentlichen Orten, großen Hotels und kleinen Pensionen, und doch bleibt sie stets diskret. Sie ist in all ihren Bildern eine wehmütige, fast schon schmerzhaft-sehnsüchtige Anthropologin. Ihre Aufmerksamkeit gilt dem Menschen und seinen Beziehungen. Aber weil ebendiese Menschen den Schauplatz noch nicht betreten oder schon wieder verlassen haben, lässt sich Conny Habbel von sorgfältig arrangierten Accessoires faszinieren - und von den Spuren, die zurückbleiben, wenn ein Gast hastig oder gleichgültig aufbricht.

An die Unmittelbarkeit der Wahrnehmung, an die Authentizität des Blicks, glaubt diese Fotografin nicht. Für sie wird die sichtbare Welt zum Text, den es zu dechiffrieren gilt. Der Philosoph Robert Pfaller zitiert in seinem Nachwort zu "Herzbrechhotel" den französischen Moralisten La Rochefoucauld: "Manche Menschen hätten sich niemals verliebt, hätten sie nicht andere darüber sprechen gehört." Zuerst sind die Worte da, dann kommen langsam die Bilder, die Gefühle und Affekte.

Conny Habbel folgte bei ihrer Reise dem Ruf verstörender Hotel- oder Pensionsnamen: "Angst" oder "Ernst", "Flucht" oder "Fremd", "Hunger" oder "Kummer", "Trauer" oder "Trost", "Zorn" oder "Zweifel". Die Unterkünfte heißen so wie ihre Eigentümer. Aber natürlich bergen diese Bezeichnungen einen Bedeutungsüberschuss. Hier lebt es sich anders. Es ist fast so, als habe der Gast einen Auftrag zu erfüllen oder ein Rätsel zu ergründen. Dazu passen die Fotos. Sie sind intim und hermetisch zugleich. Noch in der größten Vertrautheit schauen sie uns fremd an. Das Seltsame und Zauberhafte der Existenz spiegelt sich in den Dingen, die der Mensch vorfindet und hinterlässt.

Die Fotografin verhält sich wie die Choreographin eines imaginären Theaters. Die Bühnenbilder und Kostüme findet sie vor, aber sie setzt durch Auswahl und Perspektive neue Akzente. Ihre große Passion ist das Gespenstische des bürgerlichen Daseins, das sich in den Dingen mehr zeigt als in der Flüchtigkeit von Körpern und Gesichtern. Deutlicher als in einer Geste erscheint die psychische Disposition im heimeligen Horror eines ausgestopften Tiers oder in der "nature morte" der Blumenarrangements. Manchmal ist es so, als würde ein Häkeldeckchen einen Abgrund verdecken und als verweise ein zerwühltes Bett nicht auf hastige Lust, sondern auf ein Leben, das dauerhaft in Unordnung geraten ist.

Und was ist die Pointe all dieser "stills"? Vielleicht, dass es keine gibt. Dass sich das, was zu sehen ist, nie restlos auflöst in Sinn oder Erkenntnis. Die Kürzestgeschichten von Franz Adrian Wenzl verstärken diesen Eindruck noch. Diese Recherche mittels zersplitternder Bilder führt mitten ins Schattenreich der schwarzen Romantik. Jedes Hotel ist voller Wartezimmer. Und in manchen finden sich noch die Echos eines berühmten Songs von Elvis Presley, der diesem Buch seinen sperrigen Titel gab.

"Herzbrechhotel" von Conny Habbel, mit shortest stories von Franz Adrian Wenzl und einem Nachwort von Robert Pfaller. Orange-press, Freiburg 2012. 127 Seiten, zahlreiche Fotografien. Gebunden, 18 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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