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Stuttgart, Café Rösler, Samstag, den 3. April 2004 (vormittags) - ein Mann trinkt. Ralph Zimmermann ist allein mit sich und dem Alkohol. Oder auch nicht. Bei ihm sind Andy Warhol, Edie Sedgwick, Jim Morrison und nicht zuletzt seine Geliebte Joey. Tot zwar allesamt, aber doch anwesend genug, um einen Stift zumindest auf glatter Fläche ein paar Millimeter rollen zu lassen. Und natürlich, um zu kommentieren, was Ralphi-Ralph erzählt: von sich, seinem Leben, seiner Liebe und seinem eigenen Ausflug ins Totenreich.
"Falls es Sie interessiert, was uns nach dem Tod erwartet und was Jim Morrison und
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Produktbeschreibung
Stuttgart, Café Rösler, Samstag, den 3. April 2004 (vormittags) - ein Mann trinkt. Ralph Zimmermann ist allein mit sich und dem Alkohol. Oder auch nicht. Bei ihm sind Andy Warhol, Edie Sedgwick, Jim Morrison und nicht zuletzt seine Geliebte Joey. Tot zwar allesamt, aber doch anwesend genug, um einen Stift zumindest auf glatter Fläche ein paar Millimeter rollen zu lassen. Und natürlich, um zu kommentieren, was Ralphi-Ralph erzählt: von sich, seinem Leben, seiner Liebe und seinem eigenen Ausflug ins Totenreich.

"Falls es Sie interessiert, was uns nach dem Tod erwartet und was Jim Morrison und Andy Warhol heute so treiben, kommen Sie um diesen Roman nicht herum. Und falls es Sie nicht interessiert, dann sind Sie wahrscheinlich schon tot und haben es nur noch nicht gemerkt." -- Denis Scheck in Druckfrisch, ARD
Autorenporträt
Sibylle Lewitscharoff, 1954 in Stuttgart geboren, veröffentlichte Radiofeatures, Hörspiele, Essays und Romane. Für Pong erhielt sie 1998 den Ingeborg-Bachmann-Preis. Der Roman Apostoloff wurde 2009 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. 2013 wurde sie mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet. Ihr erstes Theaterstück, Vor dem Gericht , wurde 2012 am Nationaltheater Mannheim uraufgeführt. Lewitscharoff war Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung sowie der Berliner Akademie der Künste. Sibylle Lewitscharoff verstarb am 14. Mai 2023 im Alter von 69 Jahren in Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.06.2013

Consummatus
„Wie fein die Toten hören!“ lautet der erste Satz in „Consummatus“ ( DVA, München 2006 ), diesem poetischen Erzählgespinst, mit dem sich die Autorin Lewitscharoff abermals als Filigranmeisterin im kleinen metaphysischen Grenzverkehr erwies, als eine mit allen Wassern der Hoch- und Popkultur gewaschene Schleusenwärterin zwischen Diesseits und Jenseits. Denn die Toten hören eben nicht nur fein, sie reden auch sehr unfein, sie quatschen nämlich dauernd dazwischen. Eine Schar vorlauter Kobolde ist das, auch die Promis unter ihnen wie Andy Warhol oder der Doors-Sänger Jim Morrison legen plapperndes Zeugnis davon ab, dass es in der echten Unterwelt genauso banal zugeht wie im Underground auf Erden. Und dass die an die Kunst delegierten Erlösungsphantasien ins Leere laufen. Die Poltergeister fallen dem Lehrer Ralph Zimmermann ins Wort. Ein Stuttgarter Café dient ihm als Echokammer der Erinnerung. Hier ergeht sich dieser moderne Orpheus in einem inneren Trauermonolog über seine verstorbene, der Pop-Ikone Nico nachempfundene Geliebte Joey. Das Pathos des nicht nur todestrunkenen Schmerzensmannes in der Endlosschleife alkoholgestützter Epiphanien wird von den putzmunteren Toten konterkariert – bis er lernt: Wer über die letzten Dinge lacht, lacht am besten.
MIDT
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.02.2006

Aus dem Off des Lebens
Orpheusle: Sibylle Lewitscharoffs schwäbische Jenseitsreise

Bei manchen passionierten "Tatort"-Zuschauern sorgt es für Mißmut, wenn er mehr über Täter und Opfer, Rätsel und falsche Fährten weiß als die ermittelnden Kommissare: Wenn die Hauptfiguren im dunkeln tappen, ist man der eigenen Gewißheiten nicht recht froh, selbst wenn gerade das für Spannung sorgt. Aus dem gleichen Grund ist das Beiseite-Sprechen auf dem Theater aus der Mode gekommen - der Zuschauer wird auch hier nicht gern zum Mitwisser, während die auf der Bühne so tun müssen, als hätten sie nichts gehört.

So ähnlich fühlt sich der Leser im neuen Roman von Sibylle Lewitscharoff: Das Rätsel, daß dem Leser hier aufgegeben wird, ist das Rätsel eines Lebens nach dem Tod. Doch leider liefert die Erzählung die Lösung gleich dazu, indem nicht nur die Lebenden, sondern auch die Toten zu Wort kommen. "Consummatus" ist der innere Monolog eines Kaffeehausbesuchers namens Ralph Zimmermann, eines Deutsch- und Geschichtslehrers, Mitte Fünfzig, der sich mit schwäbischer Regelmäßigkeit samstags in den Vollrausch trinkt und dabei immer wieder den Verlauf seines Lebens - und auch den seines eigenen Todes - heraufbeschwört. Wenige Jahre zuvor hatte er nämlich eine Nahtoderfahrung, bei der er der großen, fatalen Liebe seines Lebens, der bei einem Unfall ums Leben gekommenen Rocksängerin Joey, ins Jenseits folgte und ohne sie wieder in seinen drögen Paukeralltag zurückkehren mußte.

Diese pathetische Lebensbeichte und große Totenklage eines modernen, sozusagen umkehrten Orpheus (nicht er, sondern seine Eurydike sang zum Stein- und Beinerweichen) aber wird nun immer wieder unterbrochen durch die vorwitzigen, albernen, lebensweisen Kommentare einer regen und kregen Totengeisterschar, zu der neben der schon zu Lebzeiten fledermäusig-flatterhaften Joey auch deren Freunde und Bekannte wie Andy Warhol, der "Doors"-Sänger Jim Morrison und "Factory"-Star Edie Sedgwick gehören. Die Joey-Figur ist der 1988 verunglückten Underground-Ikone Nico nachempfunden (die ja in den letzten Jahren eine allerdings nur ideelle Renaissance erfuhr). Die nur vom Leser, nicht vom Erzähler wahrnehmbaren Promi-Stimmen aus dem Off des Lebens sind in blasserer Schrift abgesetzt, als sei dem Jenseits die Tinte ausgegangen.

Während Zimmermann bei Kaffee und mehr und mehr Wodka sein Leben Revue passieren läßt, wehmütig der knapp einjährigen wilden Zeit auf Tournee mit Joey gedenkt und sich grübelnd einen Reim auf das Jenseits zu machen versucht, fallen ihm die Geister ins Wort und benehmen sich wie Primaner auf Klassenfahrt. Es läßt sich schwerlich eine riskantere Konstruktion für ein Buch über dieses ja nicht gerade unbeackerte Feld finden. Doch Lewitscharoff, eine belesene und intelligente Autorin, wird von dem naheliegenden Einwand, mit der Totenrede verletzte man die erzählerische Glaubwürdigkeit, nicht getroffen werden. Denn die Literatur darf alles, auch Menschen als Käfer erwachen oder Tiere sprechen lassen. Natürlich darf sie auch Tote allerprominentesten Schlags daherquasseln lassen wie ein Damenkränzchen - wir sind schließlich im Café.

Die Grenzen zwischen Leben und Tod kann man literarisch nicht nur in der Vormoderne durchaus erfolgreich überschreiten. Im existentialistischen Geist hat das Thornton Wilder in "Unsere kleine Stadt" oder, daran anschließend, Max Frisch in seinem Nachkriegsbewältigungsdrama "Nun singen sie wieder" getan. Aktuelle Versuche unternahmen etwa der junge deutsche Autor Marcus Jensen in seinem Roman "Oberland" (2004) oder der Amerikaner Stewart O'Nan in "Halloween" (2003): Gerade dieser letzte Roman ist ein guter Vergleich, weil auch hier die Toten/Untoten ein plappernder, alberner Haufen waren - hier bei einem Autounfall verunglückte Jugendliche. Doch mit dem Kunstgriff, sie den Roman selbst erzählen zu lassen, legitimierte O'Nan eine allwissende Perspektive, die tiefe Reflexionen über Leben und Tod erlaubte.

Das ist also keine Frage der Lizenz. Sondern eine des Zwecks. Bei Lewitscharoff nun dienen die Geisterstimmmen dazu, vergleichbar den ironisch-besserwisserischen Fußnoten im letzten Ingo Schulze, die alkoholisch beflügelten philosophisch-theologischen Aufschwünge komisch zu brechen. So soll es wohl auch höhere Ironie sein, daß gerade die zur Legende verklärten Morrison oder Warhol im Jenseits aus reiner Langeweile ins Neckische regredieren: Was dem Leben des Deutschlehrers einst die Aura von Künstlertum und Freiheit gab, ist auf der anderen Seite auch nur ein sinnlos-lächerliches Ewigkeitstotschlagen. Die immer wieder beschworene Transzendenz der Kunst, der allgegenwärtigen Musik der "Doors" oder Dylans und der beschworenen sakral-mystischen Tradition moderner Literatur ist auch schon eine Vermischung von Weltlichem und Göttlichem. Die im Text immer wieder aufblitzende, aphoristisch glänzende Sprachkraft ist somit ein Abglanz der Erlösungshoffnungen, die die banale Realität des Jenseits längt dementiert hat: Zimmermann rätselt lange über seine Eindrücke von der Hadesfahrt: eine merkwürdige Schleuse, ein kichernder Jesus.

Am Ende des Romans mischt sich der göttliche Logos selbst in die Totenrede ein. Ob der betrunkene Zimmermann sein Delirium oder seine Erleuchtung erlebt, ist nicht mehr zu unterscheiden. Der Titel des Romans, der auf die letzten Worte Jesu am Kreuz ("Consummatum est", Es ist vollbracht), aber auch auf den Alkoholkonsum des Erzählers anspielt, bleibt in der Schwebe. Der Tod mag uns aus den Fesseln banaler Alltagsexistenz befreien, doch vielleicht warten "dort" nicht nur das Reich der Freiheit, sondern ganz neue quälende Fragen.

Sibylle Lewitscharoff: "Consummatus". Roman. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2006. 238 S., geb., 18,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Wundersam, skurril, humorvoll, gebildet, bescheiden - all dies fällt Jochen Jung zu Sybille Lewitscharoff ein und vergleicht sie großzügig mit Jean Paul, mit dem sie der Humor verbinde, der sie wiederum vor dem Umkippen ins Bierernste bewahre. Jungs Begeisterung verdankt sich Lewitscharoffs neuestem Buch "Consummatus", dessen Titel wohl auch den Ungebildeten, der bei diesem Buch nicht auf seine Kosten kommen dürfte, "draußen hält", so Jung. Schade andererseits, meint Jung, denn so würde diesem Nicht-Leser das Augenzwinkern entgehen, mit dem die Autorin ihre literarischen Vorbilder hops nehme. Aus dem biblischen letzten Wort des Herrn "consummatum est" werde ein saloppes "Jungejunge, es ist vollbracht", zitiert der Rezensent. Handlung habe dieses Buch kaum, gesteht er, sie bestünde aus einem dürftigen Rahmenprogramm, das den Lehrer Ralph Zimmermann für vier Stunden in einem Cafe an einen Tisch platziert und dort monologisieren lässt. In seinen Monolog mischen sich die Lebenden und vor allem die Toten seines Lebens, die wiederum bringen Gott, Jesus, Bob Dylan und die ganze Schöpfung ins Spiel. Ehrfürchtig steht Jung vor so viel "Gotteswahrnehmung, die sich so unreligiös wie nur möglich gibt" und nichts mit Esoterik zu tun hat. Erträglich mache das alles Lewitscharoffs verschmitzter Umgang mit dem Erhabenen der Schöpfung und der Literatur, bekräftigt der Rezensent am Ende noch einmal sein positives Urteil.

© Perlentaucher Medien GmbH
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