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Homers "Odyssee", entstanden etwa um 730 v. Chr., berichtet in 24 Gesängen von den zehn Jahre andauernden Irrfahrten des Helden Odysseus, der nach dem Sieg über Troja immer neue phantastisch-märchenhafte Abenteuer bestehen muss, bevor er endlich in seine Heimat Ithaka zurückkehren kann. - Dieser Ausgabe liegt die Übersetzung von Johann Heinrich Voß aus dem Jahr 1781 zugrunde, deren bildhafte, wortgewaltige Sprache bis heute nichts von ihrer Wirkung eingebüßt hat.

Produktbeschreibung
Homers "Odyssee", entstanden etwa um 730 v. Chr., berichtet in 24 Gesängen von den zehn Jahre andauernden Irrfahrten des Helden Odysseus, der nach dem Sieg über Troja immer neue phantastisch-märchenhafte Abenteuer bestehen muss, bevor er endlich in seine Heimat Ithaka zurückkehren kann. - Dieser Ausgabe liegt die Übersetzung von Johann Heinrich Voß aus dem Jahr 1781 zugrunde, deren bildhafte, wortgewaltige Sprache bis heute nichts von ihrer Wirkung eingebüßt hat.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.10.1996

Daß es nur so kracht
Christoph Martin hat Homers Odyssee ins Knackige übersetzt / Von Manfred Fuhrmann

Das Buch enthält den Text einer Hörfunkfolge, die für die ARD hergestellt wurde. Der Text will als zeitgemäße Prosaübertragung des homerischen Epos aufgefaßt sein, der es auf Lesbarkeit oder richtiger auf Verständlichkeit beim mündlichen Vortrag ankomme. Eine willkürlich herausgegriffene Probe mag zeigen, in welcher Richtung Martin die Lösung dieser Aufgabe gesucht hat. Die Probe ist dem Anfang des neunzehnten Gesanges entnommen. Odysseus ist endlich in seine Heimat, in sein von den Freiern seiner Gattin Penelope besetztes Anwesen zurückgekehrt, noch unerkannt und als Bettler, so daß eine Dienerin sich veranlaßt sieht, ihn zu beschimpfen.

Da heißt es denn: "Odysseus warf ihr von unten einen finsteren Blick zu und sagte: ,Du dummes Ding, was keifst du mich derart an? Stört dich, daß ich schmutzig bin, Lumpen am Leib trage und betteln muß? Ich habe es mir nicht so ausgesucht! So sehen Bettler nun mal aus, und Landstreicher nicht anders. Mir ging es auch schon mal besser, Haus, Geld, alles hatte ich; und oft gab ich durchreisenden Bettlern Almosen, gleich, wer es war oder wie armselig er aussah. Tausend Sklaven besaß ich, Tausende von Dingen, von denen die Menschen annehmen, daß sie Reichtum repräsentieren und das Leben angenehm machen. Vorbei! Zeus, der Kronide, wollte es so . . .'"

Wer diese Partie mit einer älteren Version - von Johann Heinrich Voss bis Wolfgang Schadewaldt - vergleicht, stellt mühelos fest, daß Martin eine schlichte, eingängige Wiedergabe angestrebt hat, eine Wiedergabe in heutigem Deutsch, die die sattsam bekannte, mitunter unfreiwillig komisch wirkende Gespreiztheit ihrer humanistischen Vorgängerinnen zu meiden sucht.

Allerdings: Ohne einen Preis ist dieser Effekt nicht zu haben. Homer war nicht populär: Er dichtete in einem künstlichen Versmaß und in einer künstlichen Sprache für ein aristokratisches, überaus kultiviertes Publikum. Martin hat nicht nur auf den Hexameter verzichtet, sondern weithin auch auf die gehobene Diktion. So wird in der zitierten Partie die eher wuchtige Aussage des Originals "Denn Notwendigkeit bedrängt mich" herabstilisiert zur Alltagswendung "Ich habe es mir nicht so ausgesucht!", und das bündige "Vorbei!" ersetzt die Worte "Zeus machte das zunichte".

Die neue Übersetzung gibt das Epos ungekürzt wieder: Sie übernimmt auch die Gliederung in 24 Gesänge. Im Detail allerdings erlaubt sie sich vielerlei Freiheiten: sie paraphrasiert, sie schiebt erläuternde Zusätze ein; sie strafft auch und läßt mitunter ganze Verse weg. Nicht wenige dieser Abweichungen scheinen willkürlich: Nichts weist darauf, daß sie das antike Werk einem heutigen, mit der Dichtweise Homers nicht vertrauten Publikum nahebringen helfen.

Dies gilt zumal für Wendungen, die sich offensichtlich vom Sinn des Originals entfernen. Poseidon gedenkt die seefahrenden Phäaken zu strafen, weil sie Odysseus in die Heimat transportierten: "Dann will ich ihre Stadt mit einem großen Gebirge umgeben", erklärt unter anderem der zürnende Gott. In der Übersetzung klingt die Drohung weit martialischer: "Danach mach' ich ihre Stadt platt, ich schmeiß' Berge drauf, daß es nur so kracht!"

Ein hervorstechendes Merkmal der homerischen Epik sind die zahlreichen Wiederholungen, die beredtesten Zeugen der ursprünglich mündlichen Überlieferung: nicht nur stereotype Formelverse für wiederkehrende Ereignisse wie Tagesanbruch, Gesprächseinleitungen oder Mahlzeiten, sondern auch längere Textstücke verschiedenen Inhalts. Diese Eigenschaft des Originals sollte jeder Übersetzer respektieren, was immer für Ziele er sonst verfolgen mag. Martin hat sie nicht respektiert: Er bringt die wörtlich übereinstimmenden Partien des griechischen Textes manchmal in der gleichen, manchmal in je verschiedener Version. Der jedem Homerleser wohlvertraute Formelvers von der Göttin Eos, der "rosenfingrigen Morgenröte" ist durch derlei Variationen gänzlich unkenntlich gemacht, womit er zugleich seiner gliedernden, refrainartig einen neuen Abschnitt des Geschehens hervorhebenden Funktion verlustig geht. "Als in der Frühe die Göttin Eos die Morgenröte heraufschickte", heißt es einmal, "Als in die dämmernde Frühe Eos ihr strahlendes Morgenrot sandte", ein andermal.

Die auffälligste, sofort in die Augen springende Eigenschaft der neuen "Odysseus"-Übersetzung ist ihre Wortwahl. Martin hat sich nicht damit begnügt, die gehobene Diktion des Originals - wie eingangs dargetan - auf die Stilebene heutiger Alltagssprache herunterzuholen: Er hat an vielen Stellen allerlei Lichter aufgesetzt, hat immer wieder Wendungen benutzt, die sich grell von ihrer Umgebung abheben. Oft sollen diese Ausdrücke offenbar die Haupttendenz der Übersetzung bekräftigen: Sie sollen Homer von den Schlacken des Bildungsbürgertums befreien und ihn als jemanden erscheinen lassen, der gleichsam in unserer Zeit gedichtet hat. Da "liegt jemand ganz richtig", und etwas "ist prima gelaufen". "Nun mach mal einen Punkt", ruft die Zauberin Kirke, und Odysseus quittiert den Bericht vom entsetzlichen Ende Agamemnons mit einem "Das darf doch nicht wahr sein!" Man hat "Wut im Bauch" oder ist "am Boden zerstört", und dem als junger Mann auftretenden Hermes wird bescheinigt, daß er sich "im knackigsten Alter" befinde.

Die "Odyssee" nimmt manchen Zug des modernen Schelmenromans vorweg, und schon das "Satyrikon" Petrons liest sich streckenweise wie deren Parodie. Es hindert also nichts, sie um des Kontrastes willen zu travestieren, ihr, wie das auch sonst mit erhabener Dichtung, etwa mit Vergils "Äneis", schon etliche Male versucht worden ist, durch einen Jargon von der Gasse eine Spottgestalt zu geben. "Nun scheinst du ja völlig durchzudrehen, du mieser Landstreicher! Willst du nicht endlich abhauen und da pennen, wo du hingehörst . . .?" Derlei ist möglich und kann, konsequent und in richtiger Dosierung angewendet, eine vergnügliche Lektüre bereiten - allerdings vornehmlich denen, welche die Übersetzungen von Voss und seinen Nachfolgern noch im Ohr haben.

Übertreibungen allerdings sollten vermieden werden (hat die Lautgestalt des griechischen Wortes kaká, "Schlimmes, Böses", die völlig deplazierte Wiedergabe "Scheiße" hervorgerufen?), und vor allem darf das Vokabular nicht gänzlich verschiedener Herkunft sein - dann zerfließt die Travestie in Willkür und Witzelei. Die neue Übersetzung geizt nicht mit Fremdwörtern und arbeitet gerade hierdurch ihrem Hauptziel entgegen: "opulente Souvenirs, düpieren, protegieren, recherchieren, tolerieren, partout und apropos, ambitioniert und ingeniös" - viele dieser Ausdrücke gemahnen an die französelnde Bourgeoisie von vorgestern.

Erst recht erscheinen die zahlreichen Modernismen als unpassende Einsprengsel: Sie entstammen teils der verwalteten Welt (wie "Hauptbetroffene, Führungspositionen, Diensthabender, Haushaltsvorstand"), teils dem neuesten Mediendeutsch (etwa "Zielvorstellungen, Möchtegernputschist, international anerkannte Seefahrtprofis"). Die "Untergangsszenarien" und der "Nachrichtensprecher" spiegeln die berufliche Sphäre des Übersetzers, eines Rundfunkregisseurs, der hier und da seine Neigung zu aktualisieren nicht unterdrücken kann: Im "göttlichen Klintos aus den sagenhaften Wäldern des Ostens", einer Figur, die das Original nicht kennt, scheint sich kein anderer als der amerikanische Präsident Clinton zu verbergen. Zu alledem aber steht einiges Fremdgelassene in seltsamem Kontrast: Sowohl Ägypten als auch der Nil heißen stets, wie bei Homer, Aigyptos, und die Unterwelt, der Hades, erscheint fast immer - mit dem archaischen Iota - als Haides.

So eignet dem Ganzen eine gewisse Buntscheckigkeit, nach Art einer kabarettistischen Darbietung, der es nur um einzelne Pointen geht, und hierbei ist der Fußkranken fast jedes Übersetzerfeldzugs, der Fehler ("scheinbar" ist nicht "anscheinend", und die 3. Person des Singulars von "gebären" heißt "gebiert"), noch nicht gedacht. Von dieser lexikalischen Buntscheckigkeit sind indes etwa zwei Drittel des Textes gänzlich frei: Dort herrscht die schlichte, ebenmäßig fließende Schreibart, die als das Hauptcharakteristikum der neuen Übersetzung gelten darf.

Eine Hörfunkfolge ist ein Ding, eine Buchveröffentlichung ein anderes: Auf der Verkennung dieses Unterschiedes scheint ein gut Teil der Bedenken zu beruhen, welche die neue deutsche "Odyssee" hervorruft. Gustav Schwabs "Schönste Sagen des klassischen Altertums" sind jetzt mehr als hundertfünfzig Jahre alt: Sie hätten längst einer Transposition in heutiges gutes Deutsch bedurft. Martins "Odyssee" enthält Ansätze hierzu: Jedenfalls wünscht man sich eine revidierte Fassung seiner Version, die sich weniger geistreich gibt und mehr Vertrauen zum sprachlich und stilistisch homogenen Original bekundet.

Homer: "Die Odyssee". Erzählt von Christoph Martin. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 1996. 391 S., geb., 36,- DM.

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Seit wir Schadewaldt haben, sind wir fürs Erste alle Sorgen eines deutschen Homers wegen ganz los. Die Zeit