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Eine umfassende Dokumentation der alltäglichen und der spektakulären, der gelungenen und der gescheiterten Rettungsversuche in ganz Europa.Arno Lustiger schildert die Bemühungen, Juden im gesamten besetzten Europa das Leben zu retten, aus einer neuen Perspektive. So erweitert er die Kriterien dessen, was in der öffentlichen Wahrnehmung unter »Judenrettung« verstanden wird: Er schildert nicht nur die Aktionen derer, die als »Gerechte unter den Völkern« geehrt wurden, sondern auch die in Vergessenheit geratenen Rettungsversuche von Diplomaten, Juden, Geistlichen u.a. Auch unterscheidet er nicht…mehr

Produktbeschreibung
Eine umfassende Dokumentation der alltäglichen und der spektakulären, der gelungenen und der gescheiterten Rettungsversuche in ganz Europa.Arno Lustiger schildert die Bemühungen, Juden im gesamten besetzten Europa das Leben zu retten, aus einer neuen Perspektive. So erweitert er die Kriterien dessen, was in der öffentlichen Wahrnehmung unter »Judenrettung« verstanden wird: Er schildert nicht nur die Aktionen derer, die als »Gerechte unter den Völkern« geehrt wurden, sondern auch die in Vergessenheit geratenen Rettungsversuche von Diplomaten, Juden, Geistlichen u.a. Auch unterscheidet er nicht zwischen erfolgreichen und missglückten Aktionen; eine Hierarchisierung der Retter findet ebenfalls nicht statt. Auf diese Weise bringt er auch die kleinen, alltäglichen Rettungsbemühungen von Einzelpersonen ebenso wie von Netzwerken ans Licht, die den Mord an den europäischen Juden nicht aufhalten konnten, die jedoch gleichwohl Widerstand gegen die Nazis bedeuteten. Vor diesem Hintergrund prägte Lustiger den Begriff »Rettungswiderstand«.Die Synthese aus der persönlichen Nähe des Holocaust-Überlebenden, der sein eigenes Leben mehreren Rettungsgeschichten verdankt, und der wissenschaftlichen Distanz des Historikers macht diesen Band zu einem eindringlichen Leseerlebnis und einer Horizonterweiterung unseres Wissens um die Möglichkeiten widerständischen Verhaltens gleichermaßen.
Autorenporträt
Arno Lustiger wurde 1924 in Polen geboren. Er überlebte die KZs Buchenwald und Auschwitz und war Mitbegründer der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt, Ehrenvorsitzender des Fördervereins des Leo Baeck Instituts in Deutschland und Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes. Er lebte von 1945 bis 2012 als Historiker, Schriftsteller und Publizist in Frankfurt am Main.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2011

Die besungenen Retter
Einhunderttausend widersetzten sich der Judenverfolgung

Den Begriff Rettungswiderstand prägte Arno Lustiger, selbst ein Überlebender von Auschwitz und Buchenwald, der 1945 Mitbegründer der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt am Main gewesen war. Der 87 Jahre alte Publizist und Historiker erfasst damit das Verhalten derjenigen, die sich während der Zeit des Nationalsozialismus eine humane Orientierung bewahren wollten und konnten. Hierzu sammelte er aus familiärem Interesse und als Vorbereitung für Vorlesungen und Vorträge Materialien:. "Da es zum Zeitpunkt meiner Recherchen nicht meine Absicht gewesen war, ein Buch zu schreiben, sondern vielmehr die Geschichten der Retter, also des Rettungswiderstandes, zu bewahren und von ihnen zu erzählen, habe ich damals die Quellen meiner Notizen nicht dokumentiert." Als Ersatz für fehlende Belege soll eine umfangreiche Bibliographie dienen.

Aus dem eigentlich ungeplanten Buch ist eine eindrucksvolle Sammlung der guten Taten von mehr als zweihundert Rettern in über dreißig Ländern geworden. Den Hauptkapiteln über das Deutsche Reich (mit Österreich, Böhmen und Mähren sowie Ostoberschlesien), die besetzten Länder, die Verbündeten Deutschlands und die Alliierten stellt Lustiger einführende Reflexionen über den deutschen Widerstand voran. Dieser "kostete zwar unzählige Opfer, konnte aber kaum etwas bewirken, weil er keinen Rückhalt in der Bevölkerung hatte. Aus diesem Grunde waren die Widerstandskräfte in Deutschland die einsamsten unter allen europäischen Widerstandsbewegungen." Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung habe nach 1933 das Hitler-Regime akzeptiert oder sich mit ihm arrangiert: "Die meisten Menschen waren Zuschauer oder Wegschauer bei der Drangsalierung und Verfolgung der Juden."

Zwar hätten nach dem Stauffenberg-Attentat Verhaftete in Verhören und Prozessen die Judenverfolgung als ein wichtiges Motiv für ihre Gegnerschaft zu Hitler herausgestellt, aber: "Für die Juden kam der Umsturzversuch vom 20. Juli drei Jahre zu spät, denn zu diesem Zeitpunkt waren bereits etwa fünf Millionen Juden ermordet worden. Gerade an diesem 20. Juli 1944 wurden 1700 Juden auf der Insel Rhodos eingeschifft, um nach einer langen Reise quer durch Europa in Auschwitz vergast zu werden." Im deutschen Widerstand drückte sich der Selbstbehauptungswillen der Kämpfer aus, "die ihren persönlichen Beitrag für die Ehre des deutschen Volkes leisteten".

Es stelle sich überhaupt die Frage, ob Erfolg oder Misserfolg von Handlungen der Maßstab für eine spätere Würdigung sein könne. Der gesamte europäische Widerstand habe wenig Einfluss auf das Kriegsgeschehen gehabt: "Das mussten Millionen von alliierten Soldaten leisten. Umso höher sind die Versuche zur Rettung von Juden zu bewerten." Hier zitiert Lustiger aus seiner Rede im Bundestag vom 27. Januar 2005, dem 60. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz: "Der Begriff ,Widerstand' wird meist auf Aktionen beschränkt, die auf Beseitigung des Naziregimes gerichtet waren, aber auch die Rettung der Juden war aktiver und dazu oft erfolgreicher Widerstand."

Die Würdigung der "fast unbekannten, unbesungenen Helden" des Rettungswiderstandes ist das große Anliegen des Autors. Laut Lustiger beteiligten sich "mehr als 100 000 Menschen an der Rettung von Juden" im nationalsozialistischen Deutschland und im besetzten Europa. So fiel ihm eine Auswahl für sein Buch schwer. Zudem gesteht er, durch Begegnungen mit Geretteten und Rettern - darunter Joel Brand, Jan Karski und Oskar Schindler - beeinflusst worden zu sein. In Yad Vashem gelten "stringente" Kriterien für die Ehrung der Gerechten. Darüber setzt er sich bei allem Respekt für die nationale Gedenkstätte hinweg und bezieht "Rettungstaten von Menschen" ein, "die sich nie um Anerkennung bemüht haben und zugleich bei der Auswahl von Yad Vashem ,durchfielen'".

In der frühen Bundesrepublik sei wenig über Retter von Juden geforscht oder berichtet worden. Als Ausnahme nennt Lustiger "Die unbesungenen Helden" von Kurt Richard Grossmann von 1957. Außerdem erwähnt er, dass Judenretter im Deutschen Reich - im Gegensatz zum besetzten Polen - "nicht mit einer Todesstrafe rechnen" mussten, jedoch mit Festnahme, Verhör, Folterung, Konzentrationslager, hin und wieder auch nur mit Verwarnungen durch die Gestapo oder geringfügigen Geldbußen. "Nach dem Krieg wurde Helfern kein Anspruch auf Entschädigung nach dem Bundes-Entschädigungsgesetz zugestanden und ihre Hilfeleistung nicht als Widerstandshandlung anerkannt, sofern sie nicht inhaftiert worden waren", beklagt Lustiger.

Am Schluss der Sammlung mit bewegendsten Geschichten werden die 23 778 Geehrten von Yad Vashem 44 Nationalitäten und Staaten zugeordnet (Stand: Januar 2011). Die 495 deutschen Gerechten stellten "nur einen Bruchteil der heldenhaften deutschen Helfer dar, die im Gegensatz zu anderen europäischen Gerechten gegen die Gesetze der eigenen Regierung handeln mussten". Lustigers letzter Satz ist eine schmerzende Frage: "Wie viele Menschen wären am Leben geblieben, wenn es mehr solcher Helden des Rettungswiderstandes in Europa gegeben hätte, wie sie in diesem Buch beschrieben werden?"

RAINER BLASIUS

Arno Lustiger. Rettungswiderstand. Über die Judenretter in Europa während der NS-Zeit. Wallstein Verlag, Göttingen 2011. 462 S., 29,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Rainer Blasius hat dieses Buch von Arno Lustiger sehr beeindruckt, aber er bleibt etwas auf Distanz. Lustiger möchte die Retter von Juden während des Nationalsozialismus, oft unbesungene Helden, deren Zahl er insgesamt auf 100.000 Menschen in Deutschland und im besetzten Europa schätzt, ins rechte Licht setzen. Von mehr als zweihundert Rettern erzählt Lustiger ausführlicher, und Blasius hat die Geschichten sehr bewegt nachgelesen. Dass Lustiger seine Quellen nicht immer genau angeben kann oder nicht die gleichen strengen Standards an eine heldenhafte Tat anlegt, wie die Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem, stört Blasius nicht. Nicht ganz einverstanden scheint Blasius mit Lustigers generelleren Ausführungen zum deutschen Widerstand, den Lustiger dadurch in seiner Bedeutung relativiere, dass er - wie der 20. Juli - entweder zu spät kam, nicht in der Bevölkerung verankert war oder kaum Erfolgsergebnisse vorweisen konnte.

© Perlentaucher Medien GmbH