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»Herkunft ist Zufall und wird doch als Absicht verwendet ...« Sasa Stanisic
In HERKUNFT geht es um Sprache, Schwarzarbeit, die Stafette der Jugend und viele Sommer. Es geht um den Sommer, als mein Großvater meiner Großmutter beim Tanzen derart oft auf den Fuß trat, dass ich beinahe nie geboren worden wäre. Den Sommer, als ich fast ertrank. Den Sommer, in dem Angela Merkel die Grenzen öffnen ließ und der dem Sommer ähnlich war, als ich über viele Grenzen nach Deutschland floh.
Gelesen von Sasa Stanisic.
(5 CDs, Laufzeit: 5h 39)

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Produktbeschreibung
»Herkunft ist Zufall und wird doch als Absicht verwendet ...« Sasa Stanisic

In HERKUNFT geht es um Sprache, Schwarzarbeit, die Stafette der Jugend und viele Sommer. Es geht um den Sommer, als mein Großvater meiner Großmutter beim Tanzen derart oft auf den Fuß trat, dass ich beinahe nie geboren worden wäre. Den Sommer, als ich fast ertrank. Den Sommer, in dem Angela Merkel die Grenzen öffnen ließ und der dem Sommer ähnlich war, als ich über viele Grenzen nach Deutschland floh.

Gelesen von Sasa Stanisic.

(5 CDs, Laufzeit: 5h 39)
Autorenporträt
Saa Stanii¿ wurde 1978 in Viegrad in Bosnien-Herzegowina geboren und lebt seit 1992 in Deutschland. Sein Debu¿troman "Wie der Soldat das Grammofon repariert" begeisterte Leser und Kritik gleichermaßen und wurde in 31 Sprachen u¿bersetzt. "Vor dem Fest" wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter der renommierte Alfred-Döblin-Preis sowie der Preis der Leipziger Buchmesse 2014. Saa Stanii¿ lebt und arbeitet in Hamburg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.03.2020

Lachen ist ansteckend
Sasa Stanisics kurzweilige Lesung im Schauspiel

FRANKFURT Sasa Stanisic betritt die Bühne des Schauspiels Frankfurt gleich mit einem Scherz, nämlich den Zuhörern viel Spaß während der nächsten vier Stunden wünschend. "Ich bringe diesen Witz immer", gibt der Schriftsteller entwaffnend zu und setzt damit den Grundton für eine kurzweilige, neunzig Minuten dauernde Lesung. Stanisic kündigt ein "Best-of" seines jüngsten, mit dem Deutschen Buchpreis prämierten Werks "Herkunft" an. Hierfür habe er sogar einige Kunststücke präpariert. Die Kunst seiner Lesung liegt dann aber im lebendigen Vortrag, der mit Sprache, Gesten und Stimmlagen jonglierend im Großen Haus nicht fehl am Platze wirkt. "Tut mir leid, aber wenn man schon einmal so eine Bühne hat", lacht Stanisic und wird an manchen Stellen fast zum Schauspieler seiner selbst.

Er entfernt sich dann vom Rednerpult und spricht vollkommen frei, als entstünde die Rede spontan. Die Sätze weichen im Vortrag leicht von ihrer Druckfassung ab, und das autobiographische Element von "Herkunft" wird direkt spürbar. Anders als im Buch gliedert Stanisic den Abend chronologisch, entschärft so die komplexe Erzählstruktur und wird durch ein aufmerksames, amüsiertes Publikum sowie mit viel Zwischenapplaus belohnt. Beginnend mit seiner "Kindheit ohne Smartphone", reiht Stanisic inklusive Zugabe acht kurze anekdotenhafte Kapitel aneinander. Ein sowjetischer Stafettenlauf, der den Schein und das "Eventmanagement des real existierenden Sozialismus" humoristisch beleuchtet, abgelöst von Fußballspielen, in denen die jugoslawische Bevölkerung ein letztes Mal vereint zu sein scheint; Erfahrungen von der Flucht und dem Ankommen in Deutschland "für denjenigen, der hier jetzt ich bin". Einmal herrscht auch vollkommene Stille im ausverkauften und trotz Coronavirus fast vollen Saal. Da kommt Stanisic auf die rechtsextremen Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen von 1992 zu sprechen.

Erzählt Stanisic jedoch von der Schulzeit, Bruce Willis oder der ersten neuen Liebe, dann muss er auch manchmal gemeinsam mit dem Publikum lachen. Einzig die Passagen um die durch "Herkunft" geisternde demente Großmutter, von der es bisweilen heißt, sie sei die heimliche Hauptfigur, lässt Stanisic an diesem Abend unberücksichtigt. Aus Vorsicht vor dem Virus möchte der Autor an diesem Abend keine Bücher signieren, hat entsprechende aber schon vorbereitet. Es reicht schließlich, wenn das Lachen im Saal ansteckend ist.

DAVID NIESWANDT

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Der Autor liest herzerfrischend, empathisch, authentisch und sehr ehrlich.« Münchner Merkur

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.03.2019

Woher,
wohin
An die Elbe mit Saša Stanišić,
der sein bislang persönlichstes Buch
geschrieben hat: „Herkunft“
VON MARIE SCHMIDT
Es ist zu warm für die Jahreszeit, und die Frage, wo jemand herkommt, ist wieder mal Hashtag-Material. Auf Twitter zeigen Leute in kleinen Dialogen, wie sie Deutschen zu verklickern versuchen, dass sie aus Herne, Nürnberg oder Berlin sind, und die fragen immer wieder nach, weil sie einen Migrationshintergrund wittern. „Ich brauche niemandem zu erklären, warum ich dort, wo ich herkomme, nicht mehr bin. Es kommt mir vor, als würde ich genau das aber immerfort tun“, schreibt der Schriftsteller Saša Stanišić in seinem neuen Buch: „Es kommt mir vor, als stünde ich wegen der Geschichte dieser Stadt, Višegrad, und wegen des Glücks meiner Kindheit in einer Schuld, die ich mit Geschichten begleichen muss. Es kommt mir vor, als meinten meine Geschichten diese Stadt sogar, wenn ich nicht über sie schreiben will.“ Man könnte das so lesen, als sei alles, was Stanišić schreibt, eine Art Antwort auf die Frage: „Wo kommst du her?“ Und die fällt in seinen Erzählungen doppelbödig, komisch, elegant, erfunden, erfahren, existenziell aus. Sie ist nur nie einfach „Ottensen“.
Aber da sind wir jetzt, in dem Viertel, in dem Stanišić wohnt, und das der arbeitsamen Hansestadt Hamburg insofern nicht ähnlich sieht, als hier an einem Montagvormittag Leute faul vor dem Café sitzen und die Nasen in die Februarsonne halten. Die Frühstücker sind gerade durch, und im Hinterzimmer sitzt Stanišić, der hier manchmal schreibt. Etwas aufgeregt, sein Buch erscheint bald, und es ist sein persönlichstes. Anders als in früheren Büchern erzählt er als er selbst, Saša Stanišić, von Vorfahren, Eltern, Freunden und von Jugoslawien, dem Land, das es nicht mehr gibt. Vor allem ist dieses Buch aber ein großer, wehmütiger Abschied von seiner Großmutter in Višegrad, die in der Erzählung kurz vor ihrem Tod etwas die Orientierung verliert. Sie glaubt sich an anderen Orten oder zu anderen Zeiten: „Großmutter geht zum Metzger, der Metzger hat aber an der Stelle, wo Großmutter an der Tür rüttelt, seit zehn Jahren kein Geschäft mehr.“ So mitfühlend der Enkel versucht, ihrem flackernden Bewusstsein schreibend hinterherzukommen, spürt man die Angst: dass wenn sie und ihre Erinnerungen weg sind, die Frage nach der eigenen Herkunft noch schwerer zu beantworten sein wird.
Zu den Klärungsversuchen des Buches gehört außerdem eine Coming-of-Age-Story, in welcher der Erzähler erwachsen und deutscher Schriftsteller wird. Sie beginnt mit der Flucht: „In Bosnien hat es geschossen am 24. August 1992, in Heidelberg hat es geregnet – und es hätte ebenso gut Osloer Regen sein können. Jedes Zuhause ist ein zufälliges.“ Da war er vierzehn.
Wir gehen jetzt raus und zufällig in Hamburg spazieren, an die Elbe runter. Als die Kräne auf der anderen Flussseite in Sicht kommen, hört man das Wummern des Hafens. Mit diesem Geräusch wächst jetzt sein kleiner Sohn auf. Und hier haben sie Saša Stanišić gerade zum Klassiker gemacht: Sein zweiter Roman „Vor dem Fest“ ist Abiturstoff an Hamburger Schulen. Abends geht er manchmal hin, wenn Lehrer ihn einladen. Dann lernen die Kinder, dass ein Schriftsteller kein fernes Wesen ist, sondern ein Mann in kariertem Hemd und Parka, der gerne und ausgiebig lacht und wissen will, was sie denken. Stanišić bittet die Lehrer, ihre Schüler selbst etwas schreiben zu lassen. Zum Beispiel könnten sie fotografieren, was sie an einem Tag um 18 Uhr gerade tun und dann die Bilder austauschen, um sich zu erzählen, was da los war: „Dann sehen sie auf den Bildern der anderen Orte, an denen sie selber oft sind, und bekommen ein Gefühl dafür, wie das Leben in ihrem Viertel zusammenhängt.“
So geht nämlich der Roman „Vor dem Fest“ mit dem fiktiven Dorf Fürstenfelde in Brandenburg vor, schlüsselt es in verschiedene Figuren, ihre Redeweisen und Leben auf. Die Lernhilfe „Königs Erläuterungen“ versorgt Abiturienten mit Listen von Charakteren sowie dem Hinweis: „Mit dieser formalen Eigenart weist der Roman eine Parallele zu dem berühmten Vorläufer dieser Erzählweise, dem Roman ,Ulysses‘ von James Joyce auf, der ebenfalls multiperspektivisch und mithilfe verschiedener Textgattungen Handlungen eines einzigen Tages festhält.“ Wahr ist, dass man Saša Stanišićs Sinn für die Poesie verschiedener Idiome, Erzähltechniken und Wahrnehmungsweisen nicht genug bewundern kann. Man spürt seine Lust an Stilwechseln übrigens auch, wenn er auf Twitter Pointen ausspielt. Was er, wie er sagt, manchmal vor dem eigentlichen Schreiben tut, „um reinzukommen“. Vor allem aber muss Stanišić ein genialer Zuhörer sein. Wie er seine Brandenburger hat reden lassen in „Vor dem Fest“, das klang typisch, aber auch besonders, nie denunziatorisch. So kann nur jemand schreiben, der Menschen im Allgemeinen sehr mag.
„Herkunft“ ist nun ein Buch über Menschen, die er liebt. Und damit der hervorragende Fall einer autobiografischen Erzählung, die nicht um sich selbst kreist. Die Antworten auf die W-Fragen, das Woher, Wie und Wann des Lebens, sucht er bei anderen, seine Empathie ist fein, selbst in Seitenblicken. Einmal beschreibt er, wie seine Mutter in einer für sie unangenehmen Situation Kaffee macht, nur ihre Handgriffe, ganz sachlich, aber man sieht durch den bangen Blick des Sohnes, wie es ihr geht.
Sein Verständniswillen ist aber auch so umfassend, dass diesem Buch abgeht, was zurzeit die Diskussionen über Einwanderung nach Deutschland prägt: Wut über die Borniertheit der Deutschen. Wir gehen gerade runter ans Ufer und im Zickzack zwischen den Bürogebäuden und Absperrungen dort entlang, als Stanišić erklärt, was auch in „Herkunft“ steht: Er habe Glück gehabt, mit deutschen Lehrern, mit Freunden und ihren Familien – und als ein „Sachbearbeiter in der Ausländerbehörde mehr als nur Dienst nach Vorschrift tat“, sodass er nach dem Ende des Bosnienkrieges weiter studieren konnte und nicht abgeschoben wurde. Aber von Glück zu reden bedeute ja, sagt er, dass er auch hätte Pech haben können, weil die Dinge nicht so geregelt sind, dass Immigranten hier leben können, ohne auf die Hilfe wohlmeinender Einzelner angewiesen zu sein. Der Kontrast sei grell gewesen zwischen dem Leben, in dem seine Familie und er auf Zeit geduldet waren, immer nur sechs Monate sicher, und der Zeit nach der Entfristung seiner Aufenthaltserlaubnis: „Mit meinem Geflüchtetenstatus verschwanden die praktischen Hürden“, steht in „Herkunft“. „Je mehr Chancen ich nutzen durfte, desto schwieriger wurde es, mich ins Abseits zu stellen oder zum Opfer zu machen.“
Stanišićs Eltern hatten nicht das gleiche Glück. Sein Vater stammt aus einer serbischen, seine Mutter aus einer bosniakisch-muslimischen Familie, in Deutschland hatten sie schwer und unter ihrer Qualifikation gearbeitet.1998 erwartete man, dass sie in das vom Krieg zerstörte Land zurückkehrten, das nicht mehr ihres war: „In Višegrad wurden Tausende Bosnier und Muslime umgebracht“, sagt Saša Stanišić, „hätte meine Mutter da einfach wieder durch die Straßen gehen sollen?“ Seine Eltern kamen der Abschiebung zuvor und wanderten in die USA aus.
Mittag am Hafen, und wir gehen in ein Lokal, das ein Österreicher führt, weshalb es „Beisl“ heißt: nicht ganz Restaurant, aber auch kein Imbiss. Wir bestellen Fische, die wir vorher googeln, weil wir nicht wissen, was Lumb und Stinte sind. Zwei alte Damen setzen sich in dem komplett leeren Laden direkt neben uns und bitten uns, leiser zu sprechen. Man verstehe ja jedes Wort. Saša Stanišić sagt Ja, selbstverständlich, nicht mal die Idee, sich über die Frauen zu ärgern, scheint ihm zu kommen.
Ein vollkommen freundlicher Mensch. Und es gibt auch in „Herkunft“ keine Bitterkeit, nur diese tiefe Traurigkeit: „Meine Familie lebt über die ganze Welt verstreut“, heißt es da. „Was ich über Herkunft erzählen möchte, hat auch zu tun mit dieser Disparatheit, die über Jahre mitbestimmt hat, wo ich bin: so gut wie niemals dort, wo Familie ist.“ Am Ende bleibt sein nagendes Gewissen, weil er nicht da sein kann, als seine Großmutter gebrechlich wird und stirbt. „Als sich die Trauergäste in ihrer Wohnung versammelten, saß ich mit dem Computer im Nebenzimmer“, erzählt er jetzt wirklich sehr leise. „Ich schrieb an diesem Buch, und darin lebte sie noch. Ich wusste nicht, wie ich weiterschreiben soll, aber ich wusste, dass ich sie in der Handlung am Leben halten wollte.“
Und dann hat ihn offensichtlich sein Formgenie gerettet: „Herkunft“ endet mit einer Erzählung nach dem Modell der „Choose your own adventure“-Kinderbücher der Neunzigerjahre, narrativen Vorläufern heutiger Videorollenspiele. Am Ende jedes Abschnitts wählt man unter zwei, drei Optionen, wie es weitergehen soll, findet seinen Pfad durch die Geschichte. Es muss auf die Art keinen Abschied geben von der Großmutter, oder eigentlich gibt es mehrere, parallel ablaufende. Das ist eine umwerfende Form für eine Elegie. Und nebenbei vielleicht die einzig richtige Reaktion auf die Frage, wo einer herkommt: „Die Möglichkeiten, eine Geschichte zu erzählen, sind quasi unendlich“, heißt es in „Herkunft“, „Da triff mal die beste.“
Der Schriftsteller Saša Stanišić wurde 1978 in Višegrad geboren. Er studierte in Heidelberg und
am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 2006 erschien sein
Debüt „Wie der Soldat das
Grammofon repariert“.
Foto: picture alliance/Arno Burgi
Saša Stanišić:
Herkunft.
Luchterhand Verlag, München 2019.
360 Seiten, 20 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur FAS-Rezension

Das Wort Lebensabriss kommt Rezensent Tobias Rüther beim Lesen von Sasa Stanisics autobiografischem Bericht in den Sinn. Nicht, weil Stanisic schnell und kompakt erzählen würde, das tue er nicht, sondern weil sein Leben tatsächlich abgerissen sei, als seine bosnisch-serbische Familie 1992 gezwungen wurde, das auseinanderkrachende Jugoslawien zu verlassen. Essayistisch-dichterisch umkreist Stanisic in diesem filigranen Buch die Geschichte seines Leben und die Bedeutung der Herkunft, erklärt Rüther: Ist sie ein Ort, eine Zeit oder ein Gestaltwandler? Am Ende wertet der eingenommene Rezensent es als eine Art "höhere poetische Beamtenweisheit", dass die deutschen Behörden Stanisiscs Aufenthaltsgenehmigung stets an seine "Tätigkeit als Schriftsteller" knüpften.

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