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Die Jahre, bevor in Europa die Lichter ausgingen, sind merkwürdig unterbelichtet geblieben. Kein deutscher Erzähler, mit Ausnahme von Thomas Mann, hat uns einen großen Gesellschaftsroman hinterlassen, der uns diese reiche, ahnungslose, schwer begreifliche Zeit fühlbar machen könnte. Nicht zufällig ist es eine Emigrantin, gebürtig in Berlin, aufgewachsen zwischen Deutschland, Frankreich und England, die diese Lücke geschlossen hat. Vertraut mit der Atmosphäre der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, mit dem jüdischen Großbürgertum Berlins ebenso wie mit dem badischen Landadel, entwirft Sybille…mehr

Produktbeschreibung
Die Jahre, bevor in Europa die Lichter ausgingen, sind merkwürdig unterbelichtet geblieben. Kein deutscher Erzähler, mit Ausnahme von Thomas Mann, hat uns einen großen Gesellschaftsroman hinterlassen, der uns diese reiche, ahnungslose, schwer begreifliche Zeit fühlbar machen könnte. Nicht zufällig ist es eine Emigrantin, gebürtig in Berlin, aufgewachsen zwischen Deutschland, Frankreich und England, die diese Lücke geschlossen hat. Vertraut mit der Atmosphäre der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, mit dem jüdischen Großbürgertum Berlins ebenso wie mit dem badischen Landadel, entwirft Sybille Bedford ein Diorama dieser fernen Welt. Auf brillante Weise verbindet sie Elemente des Bildungs- und des Familienromans mit der politischen Kolportage. Boom und Ruin, Antisemitismus und Kulturkampf, militärischer Wahn und liberales Aufsteigertum bilden den historischen Hintergrund des Romans, dessen Handlung ein halbes Jahrhundert umspannt. Julius von Felden, der Vater der Erzählerin, ist ein adeliger Kosmopolit, der das wilhelminische Preußen verabscheut und mit stoischer Würde den Schicksalsschlägen und Skandalen begegnet, mit welchen die Epoche ihn belästigt. Seiner Tochter kommt ein erstaunliches autobiographisches Gedächtnis zugute, das, auf beinah Proustsche Weise, die sprechenden Details einer verlorenen Zeit bewahrt hat. Sybille Bedford: Ein Vermächtnis. Roman. Aus dem Englischen von Reinhard Kaiser. Die Andere Bibliothek, Band 223, Erstausgabe Frankfurt am Main, 2003; Sonderausgabe 2013 © AB - Die Andere Bibliothek GmbH & Co. KG, Berlin 2013.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, D ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Sybille Bedford, geboren am 16. März 1911 als Sybille Aleid Elsa von Schönebeck in Berlin-Charlottenburg, wächst in Berlin, Frankfurt, Feldkirch/Baden, Italien und Frankreich auf. Ab 1918 lebt sie bei ihrem Vater, dem Baron Maximilian von Schönebeck, ab 1921 in Rom bei der Mutter Elizabeth Bernard, einer reichen Erbin aus der jüdisch-englischen Upperclass. 1926 flüchtet die Familie vor dem italienischen Faschismus nach Sanary-sur-Mer an die Côte d'Azur. Hier knüpft Sybille Bedford Freundschaften mit anderen Exilanten: Klaus und Erika Mann, Aldous und MariaHuxley. Huxley arrangiert 1935 die Scheinehe mit Walter (»Terry«) Bedford, durch die Sybille Bedford, von den Nazis ausgebürgert, englische Staatsbürgerin wird. Ihre Romane und Short Storys, Essays und Gerichtsreportagen, u. a. über den Frankfurter Auschwitz-Prozeß verfaßt sie in englischer Sprache. Sie berichtet als Gerichtsreporterin für »Esquire« und »Life«, arbeitet u. a. für »Vogue«, »The New York Times«, »Saturday Evening Post«, »The Spectator« und den »Observer«.Sybille Bedford lebte bis zu ihrem Tod am 17. Februar 2006 in London.

Der Herausgeber Reinhard Kaiser, geboren 1950 in Viersen am Niederrhein, lebt als Übersetzer und Schriftsteller in Frankfurt am Main. Der Anderen Bibliothek ist er seit ihren Anfängen durch zahlreiche Übersetzungen und Editionen eng verbunden. Seine Übertragungen von Grimmelshausens Roman »Der abenteuerliche Simplicissimus Deutsch« wurde 2009 zum Bestseller, 2010 folgte seine Übersetzung von Grimmelshausens »Lebensbeschreibungen der Erzbetrügerin und Landstörzerin Courage/Der seltsame Springinsfeld«. Bekannt sind seine Bücher »Dieses Kind soll leben« (1993) und »Königskinder. Geschichte einer wahren Liebe«.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.09.2003

Die hemmungslose Unkenntnis von Mann und Frau
Eine Wiederentdeckung: Sybille Bedfords Familiengeschichte „Ein Vermächtnis”
Solche Familien gibt es in Deutschland nicht mehr. Ihre Spleens, Allüren, Idiosynkrasien, ihre antipädagogische Tollheit hat das vergangene Jahrhundert abgeschafft. Zwar pinkelt manchmal noch ein durchgeknallter Prinz an eine öffentliche Ecke, und ein schneidiger Sozialhilfeempfänger lässt sich sein Monatsgeld nach Florida überweisen, aber das ist auch schon alles, die anderen Exzesse sind Fernsehkonfektion.
Es ist bestimmt kein Zufall, dass sich die Geschichte einer jüdischen Berliner Familie, hinterwäldlerisch katholisch-badischer Barone und einer politisch engagierten Sippe in Sybille Bedfords Roman „Ein Vermächtnis” durch ziemliche Skurrilitäten auszeichnet. Sybille Bedford schaut auf die Zeit zwischen 1870 und 1914 zurück, und man kann Mutmaßungen darüber anstellen, ob diese Beschreibung des Adels und der Berliner Bourgeoisie so funkelt, weil Sybille Bedford als „halbe” Engländerin etwas vom britischen Mut zum Eigensinn über den Häuptern ihrer Verwandtschaft ausgeschüttet hat. Doch diese Familiensaga ist kein rein englisch zugeschnittener Stoff, das „Vermächtnis” verfügt über die „ironische Toleranz” und Illusionslosigkeit, die Fontaneleser bis heute begeistert. Francesca, die 1911, im gleichen Jahr wie Sybille Bedford, in Berlin geborene Ich-Erzählerin, ist zu klug, um anmaßend zu sein. Sie gibt zu, dass ihr Wissen über das kaiserliche Deutschland bruchstückhaft, an vielen Punkten ungenau und das meiste aus zweiter oder dritter Hand erzählt ist. Diese Einschränkungen sind löblich, aber total überflüssig. Die Autorin portraitiert ihr merkwürdig unnützes Personal mit Lust, Humor, Hingabe und Genauigkeit.
In Sybille Bedfords wahrer Familiengeschichte spielt ein Eifersuchtsmord am Bruder ihres Vaters, Maximilian von Schoenebeck, eine nicht unwesentliche Rolle. Ein radikaler Journalist nahm den Mord eines Hauptmanns am Kavallerieoffizier zwei Tage nach Weihnachten 1907 zum Anlass für eine Serie von Hetzartikeln gegen die Militärverwaltung. Die sogenannte „Allenstein-Äffäre” sorgte damals für großen gesellschaftspolitischen Aufruhr. Im Roman ist die Lebensgeschichte des Onkels, der an der Zucht einer Kadettenanstalt im Wortsinn zerbricht, die anrührendste des Buches, sie zeigt den Schaden, den eine gefühlsverachtende Erziehung anrichtet.
Barbaren aus Preußen
Die Biographien dreier von Stand und Lebensart unterschiedlichen Familien, die alle drei durch Heirat miteinander verbunden sind, bestätigen Vorurteile und unterlaufen sie. Für Francescas badischen Großvater ist das 1871 geeinte Deutschland purer Unsinn, in den Preußen erkennt er eine barbarische Bedrohung. Der Familie Merz sind solche Überlegungen fremd. Sie sitzt in ihrem Berliner Bürgerhaus in der Vossstrasse hinter viel Samt und dunkler Eiche und bekommt von der Welt nur so viel mit, wie ihr angenehm ist. In ihrem Haus wird nicht gelesen, sondern opulent und häufig gegessen und ein bisschen gestöhnt, wenn die Kinder dummes Zeug machen. „Das Vermächtnis” beschreibt eine Gesellschaftsschicht, in der die Familie das „natürliche Zentrum” war.
Sybille Bedford hat in ihrem Autorenleben ein paar Reisebeschreibungen und eine beachtete Biographie über Aldous Huxley geschrieben. „A Legacy” erschien 1956 in London, wurde übersetzt und kam bei uns in den humorfreien sechziger Jahren, also zum absolut falschen Moment unter dem Titel „Das Legat” heraus. Die neue, ausgezeichnete, klangvolle und wortphantasiereiche Übersetzung von Reinhard Kaiser erreicht uns im richtigen Augenblick. Wir sind aufrichtig säkularisiert und können eine solche Deutschstunde hemmungslos genießen und nebenbei ziemlich viel erfahren. Sybille Bedford schreibt nicht nur intelligent, amüsant und atmosphärisch, ihr Blick auf die Kluft zwischen Stadt und Land, jüdischem Bürgertum, Berliner Gesellschaft, Landadel, Kaufmannssinn und Militär ist scharf, aber nicht gehässig. Sie geht mit ihrem Stoff diskret um. Die Geschichte des Vaters, eines Dandys, der Antiquitäten sammelt, zwei Affen hält, Melanie Merz heiratet und mit dem Geld der großzügigen Schwiegereltern nach Granada zieht, wo er seine Frau, die gegen ein müßiges Leben nichts einzuwenden hat, weitgehend sich selbst überlässt, ist in andere Schicksale eingeflochten. Der Nonvaleur heiratet nach dem Tod von Melanie eine Engländerin, dass sie hübsch und jung war, gefiel ihm, dass sie intelligent und selbständig war, übersah er. Sie ließ den alten Herrn mit der kleinen Tochter sitzen. Beim Abendessen erzählt er dem Kind aus seinem Leben, und das Kind hört zu.
Ein Verantwortungsgefühl hat weder das Leben der Männer noch der Frauen belastet, denn man besaß die „brummige Zufriedenheit” von Leuten, die ihren Platz im Leben haben. „Das Vermächtnis” beschreibt die voremanzipatorische, vorpsychologische Epoche und die hemmungslose gegenseitige Unkenntnis von Mann und Frau. Die Qualität von „A Legacy” erkannten die Kollegen nach Erscheinen 1956 und wollten darüber hinweg sehen. Hochnäsig kommentierte Nancy Mitford, es sei unglaublich, wie gut die „sehr lieb” wirkende Mrs. Sybille Bedford schreiben könne. Evelyn Waugh wollte sich das „ungeheuere Vergnügen” bei der Lektüre des Romans durch ein Pseudonym erklären. So etwas Außergewöhnliches konnte doch nur ein Mann geschrieben haben. Sybille Bedford hat das vermutlich ebenso amüsiert wie geärgert. „Das Vermächtnis” zu lesen ist tatsächlich ein großes Vergnügen, man erfährt viel über eine vergessene Epoche und über ihre Menschen, deren Ehrgeiz und Tätigkeitsenergie von uns aus gesehen von einem anderen Satelliten kam.
VERENA AUFFERMANN
SYBILLE BEDFORD: Ein Vermächtnis. Aus dem Englischen neu übersetzt und mit einem Dossier versehen von Reinhard Kaiser. Die Andere Bibliothek. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2003. 396 Seiten, 27,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.08.2003

Mit den Augen Monets
"Ein Vermächtnis": Sybille Bedfords großer Gesellschaftsroman

Es gehört Mut dazu, mit Mitte Vierzig ein Romandebüt vorzulegen und dieses etwas großspurig "Ein Vermächtnis" zu überschreiben - Mut, Selbstbewußtsein und jene sorglose Gelassenheit, die nur Erfahrung mit sich bringt. Die es wagte, verdient, zu den bedeutendsten europäischen Schriftstellerinnen des zwanzigsten Jahrhunderts gezählt zu werden - und ist doch eine Unbekannte.

Sybille Bedfords autobiographisch inspirierter Roman "A Legacy" erschien erstmals 1956 in Großbritannien und fand acht Jahre später unter dem holprigen Titel "Das Legat" in deutscher Übersetzung wenig Aufmerksamkeit. Nun ist das Werk, neu übersetzt von Reinhard Kaiser, in angemessen prachtvoller Aufmachung in der Anderen Bibliothek bei Eichborn erschienen: eine zweite Chance, die Autorin zu entdecken. In England, so behauptet der Verlag, gelte der Roman längst als "Klassiker der Moderne" - ein frommer Wunsch, sind doch die Bücher Sybille Bedfords in Großbritannien seit Jahren vergriffen. Einzig die amerikanische Counterpoint Press gibt ihr Gesamtwerk - vier Romane, literarische Reise- und Prozeßberichte sowie eine zweibändige Biographie Aldous Huxleys - in Taschenbuchausgaben neu heraus.

Ohne Nostalgie, aber voller Anteilnahme evoziert "Ein Vermächtnis" das längst verblichene Deutschland des späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhundert, eine Welt, die sich intakt wähnt und doch von Sprüngen so durchzogen ist wie eine ausgemusterte Porzellanschale. Eine allwissende Erzählerin, die sich Francesca nennt, aber eigentlich Sybille Bedford selbst ist, schildert die Geschichte ihrer Familie in den Jahrzehnten vor ihrer Geburt (und noch ein Stück darüber hinaus). Es sind die Geschicke dreier sehr unterschiedlicher Familien, deren Wege sich durch Heirat kreuzen, dreier Familien, die sich ihres Platzes in der Welt trügerisch gewiß sind, deren Mitglieder jeder für sich ihren Irrtum schmerzlich werden erkennen müssen.

Da ist zunächst die Familie des Vaters, die Freiherrn von Felden: alteingesessene badische Landadelige frankophiler Prägung, nicht mehr so vermögend wie einst, doch noch keineswegs verarmt. Mit einer gewissen Sturheit pflegen die Feldens ihr glückliches, abgeschiedenes Leben. Der Vater weigert sich, deutsch zu sprechen - außer mit den Domestiken -, und wer des Französischen nicht mächtig ist, muß zum Lateinischen Zuflucht nehmen. Die als provinziell betrachteten Nachbarn werden nicht eingeladen, doch Wissenschaftler, Kunstliebhaber und Reisende aus ganz Europa sind stets willkommen. Hunde, Enten und Pferde haben ihre eigenen Namen, die Jahreszeiten ihre eigene Gerüche: Die Zeit vergeht und scheint doch stillzustehen.

Die deutsche Einheit im Gefolge des Kriegs zwischen Frankreich und Preußen behagt den Feldens ganz und gar nicht, und sie begegnen ihr mit angestrengtem Stoizimus. Die Söhne des alten Barons sehen Kräfte am Werk, denen sie ausweichen, die sie aber nicht verstehen wollen. Johannes wird in eine preußische Kadettenanstalt gesteckt, eine Erfahrung, von der er sich nie mehr erholt und deren tragisches Ende für einen politischen Aufruhr sorgt, der die gut gepolsterte Seifenblase, in der alle um ihn herum zu existieren scheinen, endgültig zerplatzen läßt. "Le beau Jules", Julius von Felden, Francescas Vater, ist ein Tiernarr mit Begabung zum Geldausgeben, doch ohne Talent zur Liebe. Gustavus heiratet mit der Tochter des Grafen Bernin in eine standesbewußte, katholische, politisch ehrgeizige Familie ein, deren Ansprüchen er nicht genügt, was eine fatale Fehleinschätzung seinerseits zur Folge hat. Gabriel, der Jüngste, kommt um, als er versucht, seinen Bruder vor den Häschern Preußens zu retten. Und schließlich sind da die Merz, großbürgerliche Berliner Juden, in deren Haus Francesca zunächst aufwächst, obwohl sie gar nicht mit ihnen verwandt ist. Ihr Vater war in erster Ehe mit einer Merz-Tochter verheiratet; nach deren frühem Tod erhöht der Schwiegerpapa stillschweigend Julius' Apanage, und dieser geht weiterhin in der Berliner Voßstraße ein und aus - wenn der leidenschaftliche Kunstsammler nicht gerade auf Beutezug durch Europa reist.

Kunst spielt eine wichtige Rolle in Sybille Bedfords Roman, vor allem in Gestalt eines Gemäldes von Claude Monet. Für "Ein Vermächtnis" hat sich die Autorin die Techniken des Impressionismus zu eigen gemacht: Szenen, die in der Zeit vor- und zurückspringen, Dialoge und Betrachtungen setzt sie wie Tupfen nicht nur zu einem beeindruckend atmosphärischem Bild der wilhelminischen Gesellschaft zusammen, sondern auch zu Eindrücken von schimmernden Bäumen, wogenden Feldern und flirrender Luft. "Wer bereit war, sehen zu lernen, der konnte es sehen", schreibt sie über die Kunst Monets, Renoirs und Cézannes. Gleiches gilt für ihre eigenen Beschreibungen, etwa jenes Tals in Landen, aus dem die Feldens stammen, von Sigmundshofen, dem Stammsitz der Bernins, des weitläufigen Hauses der Merz' in Berlin-Mitte - aber auch der französischen Riviera, wo Jules Felden als junger Mann mit einem Maultiergespann und seiner Äffin Tzara unterwegs ist: Wer Sybille Bedford liest, lernt all dies aus den Zeilen heraus sehen.

Auch die Persönlichkeiten erstehen mit leichter Hand, allen voran Sarah, die mit Eduard Merz verheiratet ist: "Sie war eine Frau, die bei allem, was sie tat, über sich Bescheid wissen mußte. Es gab wenige Menschen, die sie gern hatte, und nie hatte sie jemanden für längere Zeit zugleich geliebt und gern gehabt; sie konnte es sich nicht leisten, sich nicht selbst gern zu haben." Sarah, von der Spielsucht ihres Ehemanns und dessen ewigen Schulden ermüdet, liebt den versponnenen, tagträumerischen Julius - und fädelt dessen Hochzeit mit ihrer Schwägerin Melanie Merz ein, um sich selbst ihre emotionale Unabhängigkeit zu beweisen. Jules' zweite Ehe mit ihrer Freundin, der schönen, charismatischen, sprunghaften Engländerin Caroline, kann Sarah nicht verhindern. Diese heiratet Julius, als ihre Affäre mit dem Mann auffliegt, den sie liebt - er ist verheiratet und überdies wesentlich älter als sie. Caroline, die heimliche Hauptfigur der Romans, wird von allen angebetet, einschließlich ihrer Tochter, deren Schilderung der Mutter gelegentlich etwas zu schwelgerisch gerät. Die kluge Caroline mit dem Mir-kann-keiner-Tonfall, dem schnellen Witz, der Bereitschaft, sich immer wieder neu zu verlieben, ist eine Frau in bester Nancy-Mitford-Tradition: "Ich - die immer von sich meint, sie wüßte alles. Ich hätte nie gedacht, daß es uns etwas ausmachen könnte, wie die Leute reden oder was sie wissen. Wenn man die richtige Miene aufsetzt, kommt man mit allem durch."

Keine Tat bleibt ohne Folgen. Diese dräuende Gewißheit trägt den Roman, und sie beflügelte zeitlebens auch seine Verfasserin. Sybille Bedford, die einmal gestand, den größten Einfluß auf sie habe Aldous Huxley ausgeübt, erweist sich bereits in diesem frühen Roman als eine skeptische, doch hochmoralische Autorin. Das soll nicht heißen, daß ihre Figuren sich tadellos benähmen, im Gegenteil: es sind unkonventionelle, schillernde Gestalten, zugleich authentische Produkte ihrer Zeit. Was sie verbindet, ist eine klare Vorstellung davon, wie das Leben aussehen soll - und die Überzeugung, daß ihnen genau diese Existenz zusteht. Sie müssen erst lernen, mit Konsequenzen zu rechnen - und daß auch Fehler ein Leben ausmachen.

Stilistisch hat Sybille Bedfords Bewunderer Evelyn Waugh bei diesem Roman Pate gestanden, auch Cyril Connolly, wenngleich sie sinnliche Eindrücke lebhafter schildern kann als diese beiden. Mit Elizabeth Bowen verbindet sie die Intensität ihrer Beobachtungen, auch die Lust, Lawinen von scheinbaren Nebensächlichkeiten auslösen zu lassen. Was Sybille Bedford jedoch von all ihren schreibenden britischen Zeitgenossen unterscheidet, ist die Weite ihres Blicks: Wissend streift er über Spanien, Frankreich und England, um in Deutschland zu verweilen. Ihre autobiographischen Spuren hat sie kaum verwischt. Als sie 1911 in Berlin-Charlottenburg geboren wurde, war ihr Vater, Maximilian von Schoenebeck Ende fünfzig, ihre Mutter, die Engländerin Elisabeth Bernard, keine dreiundzwanzig Jahre alt. Sie wuchs im Haus der Familie der ersten Frau ihres Vaters in Berlin auf. Nach der Trennung der Eltern lebte sie bei ihrem Vater in Feldkirch, von ihrem zehnten Lebensjahr an pendelte sie mit der Mutter zwischen England, Italien und Südfrankreich - eine Zeit, die sie in dem 1989 veröffentlichten Roman "Jigsaw" (Zeitschatten, 1992) festgehalten hat. Das Vermächtnis dieser beiden großen Romane sind Sybille Bedfords eigene Erinnerungen, die niemand außer ihr so haben - und so beschreiben - konnte.

Sybille Bedford: "Ein Vermächtnis". Roman. Aus dem Englischen übersetzt und mit einem Dossier von Reinhard Kaiser. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2003. 396 S., geb., 27,50 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Voller Hochachtung schreibt Rezensent Sebastian Handke über diesen wilhelminischen Gesellschaftsroman von Sybille Bedford. Bedford, 1911 in Berlin als Tochter des badischen Adeligen Maximilian von Schoenebeck geboren, wuchs in Italien und Frankreich auf, bevor sie nach England ging und dort als Verfasserin einer Biografie von Alduos Huxley zu Ehren kam, die noch heute als Standardwerk gilt. In ihrem Klassiker "Ein Vermächtnis" aus dem Jahr 1956 erzählt sie "in eleganter Sprache", mit Humor und großzügiger Distanz, wie Handke meint, die Geschichte dreier Familien: Da sind die Feldens, eine alte landadlige Familie, in der französisch gesprochen und Preußen verachtet wird, die katholisch-aufgeschlossenen, gräflichen Bernins und da ist die jüdisch- großbürgerliche, dabei doch ein wenig provinzielle Familie Merz. So wenig sie gemein haben, so eng führt das Schicksal sie zusammen und in diesem Schicksal kündigt sich der Niedergang eines Landes an. Der naheliegende Vergleich mit den "Buddenbrooks" sei ein wenig unfair, findet der Rezensent, doch nicht ganz abwegig.

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