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Ein Porträt der Familie Mann in Briefen
Zärtlich umgarnend, frech zugespitzt und maßlos übertrieben, Tratsch und lebenswichtige Ereignisse mitteilend: Die Vielfalt der Tonlage in den Briefen von Katia und Thomas Mann mit ihren sechs Kindern ist grenzenlos. Tilmann Lahme legt hier zusammen mit Holger Pils und Kerstin Klein eine Sammlung von Briefen vor, die einen ganz unverstellten, intimen und oft überraschenden Einblick in den Familienbetrieb bietet und gleichzeitig individuelle Porträts der einzelnen Briefeschreiber darstellt. Zusammengestellt von Ruthard Stäblein; gelesen von acht…mehr

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Produktbeschreibung
Ein Porträt der Familie Mann in Briefen

Zärtlich umgarnend, frech zugespitzt und maßlos übertrieben, Tratsch und lebenswichtige Ereignisse mitteilend: Die Vielfalt der Tonlage in den Briefen von Katia und Thomas Mann mit ihren sechs Kindern ist grenzenlos. Tilmann Lahme legt hier zusammen mit Holger Pils und Kerstin Klein eine Sammlung von Briefen vor, die einen ganz unverstellten, intimen und oft überraschenden Einblick in den Familienbetrieb bietet und gleichzeitig individuelle Porträts der einzelnen Briefeschreiber darstellt. Zusammengestellt von Ruthard Stäblein; gelesen von acht Schauspielern, die jedem einzelnen Familienmitglied der Manns eine individuelle Stimme verleihen.

(7 CDs, Laufzeit: 8h 10)

Autorenporträt
Lahme, Tilmann
Tilmann Lahme studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie in Kiel und Bern. Er war Redakteur im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und lehrt heute Kulturwissenschaften an der Universität Lüneburg. Er beschäftigt sich seit Jahren mit der Familie Mann und hat 2009 eine vielgerühmte Golo-Mann-Biographie veröffentlicht. Für "Die Manns. Geschichte einer Familie" hat er die gesamte, in großen Teilen unbekannte Familienkorrespondenz der Manns ausgewertet.

Pils, Holger
Holger Pils ist Geschäftsführer der Stiftung Lyrik Kabinett in München und war von 2009 bis 2014 Leiter des Buddenbrookhauses in Lübeck.

Klein, Kerstin
Kerstin Klein ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Heinrich-und-Thomas-Mann-Zentrum im Buddenbrookhaus, Lübeck.Tilmann Lahme war Redakteur im Feuilleton der FAZ und lehrt heute Kulturwissenschaften an der Universität Lüneburg.Holger Pils ist Geschäftsführer der Stiftung Lyrik Kabinett in München und war von 2009 bis 2014 Leiter des Buddenbrookhauses in Lübeck.

Martens, Max Volkert
Max Volkert Martens wurde 1948 in Itzehoe, Schleswig-Holstein, geboren. Nach dem Abitur ging er an die Staatliche Hochschule für darstellende Kunst in Stuttgart. Es folgten Engagements an den Städtischen Bühnen Heidelberg, am Staatstheater Stuttgart und am Düsseldorfer Schauspielhaus. Seit 1982 arbeitet Max Volkert Martens freiberuflich u. a. für die Freie Volksbühne und das Schillertheater in Berlin sowie für das Residenztheater München. Zudem ist er in zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen zu sehen, u. a. in den Serien "Ein Fall für zwei", "Großstadtrevier", "Der Fahnder", den Fernsehfilmen "Die Stadt im Tal", "Der schöne Mann", "Pattbergs Erbe" und den Kinofilmen "Judgement in Berlin" und "Wer hat Angst vor RotGelbBlau". Für den Hörverlag las Max Volkert Martens u.a. bereits "Vendetta" von Donna Leon, "Jahrestage" von Uwe Johnson, "Das sterbende Tier" von Philip Roth sowie "Die Kunst des Liebens" von Erich Fromm.
Trackliste
CD 1
1Die Briefe der Manns00:00:36
2Im Sommer 192400:06:26
3Glücksburg 26. Juli 191900:01:37
4Fühlt sich Katia in ihrer Ehe eingeengt?00:01:48
5Aus der Kur schreibt Katia00:03:00
6Katia Mann an Thomas Mann00:02:16
7Trotz der Spannungen00:02:05
8Endlich ist es soweit00:01:00
9Die Großen, das sind Erika und Klaus00:02:09
10Katia Mann an Thomas Mann00:02:10
11Katia Mann an Erika Mann00:02:37
12Der Aufenthalt von Erika und Klaus00:05:43
13Tante Karla00:02:03
14Die Inflation00:03:24
15Der 17-jährige Klaus Mann weigert sich endgültig00:01:36
16Nach der gescheiterten Schullaufbahn00:02:20
17Der 17-jährige Klaus Mann kann in Berlin00:02:33
18Thomas Mann kann jetzt in England00:02:50
19Katia Mann an Thomas Mann00:01:54
20Beilage von Elisabeth Mann an Thomas Mann00:00:48
Weitere 8 Tracks anzeigen
CD 2
1Katia Mann an Erika und Klaus Mann00:02:18
2Thomas Mann an Erika und Klaus Mann00:03:18
3Nicht nur der Vater00:02:19
4Klaus Mann an Katia und Thomas Mann00:02:08
5Wie ist die Familie Mann aufgestellt00:04:26
6Was wohl aus den Kindern wird?00:02:26
7Endlich kann ich als Beobachter und Bote die lang ersehnte Nachricht00:02:34
8Mit "Unfug treiben"00:03:09
9Katia Mann an Erika Mann00:01:18
10Golo Mann an Erika Mann00:01:15
11Golo Mann an Katia Mann00:01:42
12Der Beobachter meldet und merkt an: Die wirtschaftliche und politische Krise00:04:48
13Erika Mann an Thomas Mann00:01:32
14Schlechte Nachrichten00:03:08
15Klaus Mann an Katia Mann00:02:16
16Michael Mann an Katia Mann00:02:37
17Klaus Mann an Katia Mann00:02:15
18Katia Mann an Klaus Mann00:03:03
19Elisabeth und Michael Mann an Katia und Thomas Mann00:01:35
20Ich höre gelegentlich Radio00:02:23
Weitere 6 Tracks anzeigen
CD 3
1Katia Mann an Klaus Mann00:01:08
2Katia Mann an Klaus Mann00:02:25
3Katia Mann hat weiterhin die Fäden00:03:14
4Monika Mann an Klaus Mann00:02:40
5Im Hause Mann00:03:15
6Katia Mann an Erika Mann00:04:03
7Thomas Mann an Erika Mann00:08:12
8Der Streit geht weiter00:00:56
9Katia Mann an Klaus Mann00:02:29
10Florenz, 26. Januar 193600:02:47
11Im Februar 193600:02:59
12Klaus Mann an Golo Mann00:01:50
13Monika Mann an Thomas Mann00:03:59
14Erika Mann an Katia Mann00:02:29
15Mit dem Naziminister als Botschafter00:04:39
16Golo Mann an Klaus Mann00:02:19
17Thomas Mann an Klaus Mann00:02:16
18Schon wieder muss Klaus zur Entziehungskur00:01:50
19Michael Mann an Katia Mann00:03:55
20Der jüngste Sohn Michael00:02:00
Weitere 2 Tracks anzeigen
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.10.2016

Zirkus mit
Festbeleuchtung
und solidem
Fundament
„Seid alle brav und froh!“
Familienroman, Epochenbild
und Sprachfeuerwerk:
Die vielfarbige Korrespondenz
der „amazing family“ Mann
VON HANS PLESCHINSKI
Nun sind sie alle vereint im erregten Austausch. Und das Familienoberhaupt, Thomas Mann, benennt in einem Brief an seinen Sohn Klaus das Grundmotiv des Miteinanders: „So wäscht eine Hand die andere, und Eltern und Kinder helfen einander durchs Leben.“
  Dank aufwendiger Recherchen, glückhafter Funde und dann der feinen Zusammenstellung von knapp zweihundert der ungefähr zweitausend überlieferten Briefe können wir nun eintauchen in das postalische Konzert, das die Familie Mann – Katia, Thomas und ihre sechs Kinder – durch Jahrzehnte und über die Kontinente hinweg miteinander veranstalteten.
  Diese Schreiben der Gatten, zwischen Kindern und Eltern und der Geschwister untereinander nehmen den Leser nicht nur mit auf eine Zeitreise. Trotz der Weltbekanntheit der Großfamilie enthüllen die Schreiben aus dem Allgäu von 1920 oder von 1964 aus Capri auch wenig geläufige Facetten der „amazing family“, wie der britische Diplomat und Schriftsteller Harold Nicolson die Familie Mann bleibend bezeichnete.
  Wo beginnt man mit einer Charakterisierung dieses intensiven Postverkehrs und seiner markanten Adressaten und Absender? Man kann sich die Manns zum Beispiel als Orchester vorstellen: Die Eltern geben als Basso continuo den Rhythmus vor und grundieren das unkonventionelle Konzert. Nicht selten setzen Erika und Klaus Mann schrill mit Querflöte oder mit der Pauke ein. Golo Mann, das dritte Kind, bläst die Posaune der Rechtschaffenheit und Bildung. Die weniger geliebten Geschwister Michael und Monika klagen im Hintergrund auf der Bratsche, während die jüngste Tochter, die liebreiche Elisabeth, wie mit Violinenklang entzückt: „Danke für Brief und Check. 63 Dollars waren genau das richtige.“
  Im Mittelpunkt des Austauschs steht gewiss Katia Mann. Die Gattin und Mutter ist Anlaufstelle für sämtliche Klagen und Trösterin in jede Richtung. Sie rät zu Disziplin, derweil ihre Kinder gerade wieder einem Internat entfliehen. Und sie moniert nachsichtig den Drogenkonsum ihres Sohnes Klaus und ermutigt ihn zum Schöpferischen. Die Mutter träufelt Balsam in manchen Zornesausbruch der furiosen Erika: „Vor allem stehe ich auf dem Standpunkt, daß man einem Menschen, den man hoch schätzt, Dinge, die man mißbilligt, nachsehen muß, so lange es sich nicht um eine Niedertracht handelt.“
  Solange die Mutter lebt, mögen die Kinder oft gedacht haben, kann uns nichts Böses geschehen. Katia Mann versteht es – wie sämtliche Mitglieder der Familie – Einfühlung und Sprache glänzend miteinander zu verbinden. Wie als Stichwortgeberin für den „Zauberberg“ des Gemahls teilt sie ihm von einer Soiree im Sanatorium mit: „In der vorderen Reihe sitzen die Lungensträflinge, zum Teil gräulich hustend. Zum Schluß wurde noch von vier Männern auf einer Bahre hoch über den Köpfen hinweg unter Hallo einer gebracht und hingelagert. Man muß bei so einer Heilstätte unbedingt an ein Lungenzuchthaus denken.“
  Von seiner Frau, mit ihrer unverbrüchlichen Treue und Tapferkeit, musste Thomas Mann jedoch auch erfahren: „Ich habe hier viel Zeit zum Nachdenken, und da denke ich doch manchmal, daß ich mein Leben nicht ganz richtig eingestellt habe, und daß es nicht gut war, es so ausschließlich auf Dich und die Kinder zu stellen. Aber nun schon genug und übergenug davon.“ Man beglückte und frustrierte einander unaufhörlich, und der Kitt des Clans hielt.
  Aus den teils bisher unveröffentlichten Briefen tritt uns – anders als oft kolportiert – Thomas Mann als durchweg besorgter Vater entgegen. Man spürt, wie er sich der eigenen Arbeit entwindet, um Golo aufzumuntern: „In Wahrheit, Du kannst gar nicht oft genug von Dir hören lassen, ganz gleich, in welcher Laune es geschieht, und ob Du wesentlich Neues zu sagen hast.“ Nicht minder aufmerksam klingt der Zuspruch an Klaus nach der Lektüre von dessen Roman „Der Vulkan“: „Also denn: ganz und gar durchgelesen und zwar mit Rührung und Heiterkeit, Genuß und Genugtuung und mehr als einmal mit Ergriffenheit. Sie haben Dich ja lange nicht für voll genommen, ein Söhnchen in Dir gesehen und einen Windbeutel, ich konnt es nicht ändern. Aber es ist nun wohl nicht mehr zu bestreiten, daß Du mehr kannst, als die Meisten.“
  Eine mühsame Nachsicht kennzeichnet noch Thomas Manns Reaktion auf Monika Manns literarische Hervorbringungen: „Deine ,Gedanken‘ sind ja ein feines lyrisches Stückchen, etwas dünn wohl, aber oft nicht ohne Reiz und von ganz stimmungsvollem Tonfall. Mit der Rechtschreibung und Grammatik stehst Du nicht durchaus auf bestem Fuß. Fror (von frieren) schreibt man nicht mit h, und ,beschwörte‘ sagt man auch nicht, sondern ,beschwor‘.“
  Die Kaskade von Briefen unterschiedlichster Thematik und Couleur gliedert sich, grob gesagt, in drei Epochen. Zunächst ist da die lustvoll abenteuerliche Zeit der Weimarer Republik, als der Nobelpreisjubel und die Welterkundungen der Kinder sich vermischten. Man bekommt den Eindruck einer Familie als Zirkus mit Festbeleuchtung, und im Hintergrund sorgt der „Herrpapale“ für das finanzielle Fundament.
  Von 1933 bis in die Fünfzigerjahre dann bestimmen die Fährnisse des Exils die Mitteilungen der Manns. Es bleibt bewundernswert, wie äußerlich gefasst die Familie ihre Enteignung in Deutschland, die Ausbürgerung, das Hin und Her über den Atlantik bewältigte. Katia teilt Klaus unverdrossen mit: „Wir verarmen nun natürlich völlig. Bis zum Juli bist Du ja bekanntlich abgefunden. Und damit holla!“
  Der Abscheu vor der Nazi-Diktatur und die Gewissheit, dass sie nach furchtbarem Grauen untergehen wird, war den Familienmitgliedern wie eingeboren. Alle informierten einander über ihre Aktivitäten und Gedanken zu dem Inferno, das durchzustehen war. Bedrückt richtet der Vater an Golo die Frage: „Und ist denn ein rasches Ende des Krieges, das wesentlich alles beim Alten ließe, auch nur zu wünschen? Nur für Deutschland allerdings ersehnt man die Verwilderung, so weit als sie notwendig ist, damit Bruder Hitler das verdiente Ende findet.“ Erika Mann, die temperamentvollste Stimme im Familienoktett, äußerst ihr Kriegsgrauen anders: „Gott verdürbe sich seine Biographie, ließe er zu, dass Europa, um des kranken Tieres Willen, verblutete.“
  Sehr eindrucksvoll sind die Schilderungen von Erika und Klaus, die als Journalisten sofort nach Kriegsende das zerstörte Deutschland erkunden. Klaus findet, vier Jahre vor seinem Freitod, sein Münchner Elternhaus verwüstet vor und berichtet schockiert von einem Besuch bei Richard Strauss: „Das Erstaunlichste daran ist, daß ein Mann von so außergewöhnlichem Talent moralisch derart abgestumpft und empfindungslos sein kann. Er hat noch nicht einmal die Entschuldigung seiner Senilität, denn er wirkt auffallend gut erhalten und rüstig.“
  Nach dem Tod Thomas Manns 1955 tritt der Briefwechsel in seine Schlussphase ein. Es gilt nun, das Werk des Zauberers gewinnbringend lebendig zu erhalten. Die Geschwister debattieren über angemessene Publikationen. Dabei maßregelt Erika aufs Schärfste Monika und deren Erinnerungskult: „Niemand zwingt Dich, Sachen zu erzählen, an die Du Dich nicht erinnerst, oder die Dir reizvoller erscheinen, wenn sie der Wahrheit nicht entsprechen.“ Die oft wegen ihres Phlegmas gescholtene Monika bringt ihrerseits den Generationenradau, der das Haus Mann prägte, auf den Punkt: „Wir Mittelalten haben es schwer. Ihr Alten steckt in festem Grund, der unsere war schon locker. Die Jungen wiederum sind immun, gemacht für das Heute, das Euch nur ein Nach- und Gaukelspiel ist, uns aber Realität.“
  Der Briefwechsel ist vielerlei: Ein fulminanter Familienroman, ein Epochenbild und ein sprachliches Feuerwerk. Die Schreiben haben die drei Herausgeber, Tilmann Lahme, Holger Pils und Kerstin Klein, so ausgewählt, dass sich Themenkreise jeweils runden. Der Anmerkungsteil besticht durch seine Gründlichkeit. In ihrer Post lebt die „amazing familiy“ frisch auf und entzückt allein schon durch ihre Anreden wie „Frau Schatz“, „Gololo“ oder „Golette“, „Starker Vater, schöne Mutter“ und „Dulala“ für Elisabeth Mann. Untereinander bezeichnete man sich munter als homosexuell oder „Buhle aus Lesbien“. Kleinliche Moral war für kleine Leute.
  Die Manns beschäftigte, nach Maßgabe des Vaters, Bedeutenderes: „Aber schließlich, zu erben muß man auch verstehen, erben, das ist am Ende Kultur.“ Ein einmaliges und faszinierendes Erbe ist, in ihrem Vielklang, diese Korrespondenz.
Im Mittelpunkt des Austauschs
steht die Gattin und Mutter Katia,
die alles zusammenhält
Nach dem Krieg reist Klaus
nach Deutschland und findet sein
Elternhaus verwüstet vor
Kleinliche Moral sei
für kleine Leute, fanden diese
freien Familiengeister
      
 
       
Tilmann Lahme, Holger Pils und Kerstin Klein (Hrsg.): Die Briefe der Manns. Ein Familienporträt. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2016. 720 Seiten. 24,99 Euro. E-Book 22,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.12.2016

Danke für dein forsches Brieflein

Mielein, Lämmlein, Kütschlein, Lämplein: Thomas Manns Familie scheint von Sinnen gewesen zu sein, wenn sie sich schrieb. Wir aber verdanken heute ihrer Korrespondenz einen Sinnesrausch.

Brief- und Tagebucheditionen sind ein spezielles Genre. Ob es abgebrühte Leser gibt, die keine Scheu beim Hineinblättern verspüren? Denn seien die Verfasser auch noch so berühmt und lange tot: Die privatesten Bekenntnisse anderer Menschen zu lesen erzeugt eine leicht fragwürdige Mischung aus Neugier und Peinlichkeit.

Und dann noch die Familie Mann! Hätte es sie nicht gegeben, man hätte sie nicht erfinden können. Nicht eine solch geballte Ansammlung an Talent und Triumph, Mut, Ehrgeiz und Engagement, Exzentrizität und Unglück, Narzissmus und Selbstzerfleischung. Nicht dieses Maß an Konkurrenz und Bestehenwollen, vor allem dem künstlerisch wie menschlich unerreichbaren Vater Thomas Mann gegenüber, aber ebenso untereinander. Und auch nicht diesen über alle weltgeschichtlichen Stürme hinwegtragenden Familiensinn, eine enorme Anhänglichkeit und sich in tausenderlei Diminutiven und Kosenamen ausdrückende Zärtlichkeit, mit denen die acht Familienmitglieder, sechs Kinder und die Eltern, aneinander schrieben und über die Kontinente in Verbindung blieben - Thomas und Katia Mann und ihre Kinder waren eine kosmopolitische, vielsprachige, multibegabte Künstlerfamilie, voller strahlendem Licht und tiefstem Schatten.

Wichtige Teile der Familienkorrespondenz sind bedauerlicherweise verschwunden, darunter, bereits in den Wirren des Zweiten Weltkriegs, ein Großteil der Briefe, die Thomas und Katia in ihren frühen Jahren gewechselt haben - sie fehlen heute besonders der "Zauberberg"-Forschung schmerzlich. Denn Katia Mann hat, wie aus dem wenigen Erhaltenen hervorgeht, ihrem Mann, dem "Lämmlein" oder "Reh", regelmäßig witzig-pointierte Beschreibungen von ihren Kuraufenthalten in Sanatorien geschickt. In späteren Jahren trennte sich das power couple kaum je, also existieren wenige Briefe.

Rätselhafter noch ist der Verbleib fast der gesamten Korrespondenz von Golo und Monika Mann, die nach Golos Tod und dem Verkauf des Kilchberger Hauses durch die Witwe von Golos Adoptivsohn - Ingrid Beck-Mann hatte erst Monika, dann auch Golo bis zum Ende gepflegt - einfach nicht mehr auftauchen wollten. Andererseits ist im Rahmen dieses großartigen Projekts, die Mann-Familie anhand ihrer Briefe zu porträtieren, etliches in den Archiven aufgetaucht, was bisher unbekannt oder verschollen war. Siebzig Prozent der 199 hier ausgewählten Briefe lagen bisher nicht gedruckt vor.

Die Herausgeber, Tilmann Lahme, Holger Pils und Kerstin Klein, haben sich, neben der Exemplarizität der einzelnen Briefe, um größtmögliche Ausgewogenheit bemüht - die Familienaußenseiterin und ungeliebte Tochter Monika etwa kommt verhältnismäßig öfter zu Wort, als sie geschrieben hat beziehungsweise als eben von ihren Briefen erhalten ist. So meint man mit steigender Faszination, dem großen, durcheinanderplaudernden Mannschen Familiengespräch zuzuhören. Wie in anderen Briefbänden, etwa denen von Virginia Woolf, amüsiert man sich zwar auch hier darüber, wie sich der jeweilige Ton je nach Adressat verändert: So sind die Briefe Klaus Manns an seine Mutter voller Wärme und Verehrung, während zwischen ihm und Lieblingsschwester Erika ein fröhlich-frivoler Tonfall herrscht. Freimütig wird von Drogen- und Sex-Abenteuern berichtet, daran geknüpft mehrfach die dringende Bitte: "Lasse solches Geschreibsel nicht herumliegen. Es müsste den verheerendsten Eindruck machen. Ich bin aus guter Familie." Und noch einmal anders, wenn Übervater Thomas Mann der Adressat ist. Hier schwankt der hochbegabte Sohn zwischen Kratzfuß und Lakonie, zwischen Unsicherheit und dem Anspruch, dem Vater als Ebenbürtiger zu begegnen: "Danken muss ich ja auch noch für die schöne Aufschrift, die Du einem Kouvert an mich gabst: Herrn Schriftsteller Klaus H. Th. Mann - was mich natürlich ehrte, obwohl es den Tatsachen ja nicht ganz entspricht." Aber erst der Umstand, dass hier so viele verschiedene Personen aneinander und übereinander schreiben, führt zu einer einzigartigen Komplexität. Die Auswahl erstreckt sich über mehr als sechs Jahrzehnte bis 1981, beginnend 1919 mit einem Brief des Vaters an die erst dreizehnjährige Erika, "für dein forsches Brieflein danke ich dir recht vielmals".

Diese beiden Komponenten, die Zeit und die Vielzahl der Involvierten, erzeugen einen summenden Familiengesang, der das Ohr für Zwischentöne schärft. Vieles wusste man, aber durch die originalen Stimmen wird es intensiv beglaubigt: etwa, wie lieblos und überkritisch von Jugend an mit Monika umgegangen wurde, die dazu noch geschlagen war mit einem Geburtstag direkt folgend dem des berühmten Vaters. Besonders abfällig äußert sich immer wieder Mutter Katia selbst - obwohl sich die schlimmsten Sätze über die Tochter Monika in Thomas Manns Tagebüchern finden.

Doch wenn es nicht gerade um das arme "Mönle" geht - "dumpf-wunderlich, völlig unbeschäftigt, die Speisekammer bemausernd (was der Schlankheit abträglich ist)" -, überstrahlt Katia Mann, geborene Pringsheim, in ihren Briefen den Familienkosmos als die verständnisvolle, sorgende Zentralsonne. Dazu musste sie erst werden. In den ersten Jahren war sie mit "dem schwierig-schöpferischen Mann und den sechs nicht ganz einfachen Kindern" (Klaus Mann) wohl hinreichend überfordert, was schließlich zu den erwähnten langen Kuren führte. Von dort gibt sie der halbwüchsigen Erika briefliche Anweisungen betreffs der Dienstboten und äußerst sich einmal, halb entmutigt, halb vorwurfsvoll gegenüber Thomas Mann, "daß es nicht gut war, es [mein Leben] so ausschließlich auf Dich und die Kinder zu stellen".

Doch später wächst sie ganz in die Rolle der Urmutter hinein, obwohl sie kokett meist als "armes altes Mielein" unterschreibt. Unermüdlich hält Katia den Kontakt mit den Kindern, diese antworten oft ihr allein, dem Vater bloß höfliche Grüße entbietend. Sie bedeckt die ganze Familie mit zärtlichen oder saloppen Kosenamen (etwa: die "Urgreise" für ihre Eltern, das Ehepaar Pringsheim), sie lobt, mahnt, schickt den Kindern immer wieder Geld oder bezahlt, nur selten murrend, deren angehäufte Rechnungen.

Dieser Briefband ist nicht nur schön und durch seinen reichhaltigen Kommentar sowie das Ordnungs- und Verweissystem sehr gut benutzbar, sondern bietet einen tiefen Blick in das Familiengefüge mit all seinen Abhängigkeiten und subkutanen Verschiebungen. Hier wird noch einmal nachvollziehbar, wie aus der Ältesten, Erika, erst die Stütze der Mutter, dann die Beschützerin des labilen Bruders, später die politische Ratgeberin und Assistentin des Vaters wurde oder sogar werden musste. Dass sie, nach dem Tod des "Zauberers", glaubte, Monika Mann Interviews über die Familie oder autobiographische Schriften per Brandbrief verbieten, ja, überhaupt die Nachlasspflege Thomas Manns alleinverantwortlich steuern zu können, ist bei einer so ungemein intelligenten, starken, politisch engagierten, aber auch sturen Frau folgerichtig. Wenn auch nicht sympathisch.

Dass sich wiederum das gemobbte "Mönle", deren blumig-exzentrischer Schreibstil die Familienattribute "wunderlich" und "verstiegen" hinreichend unterstreicht, nun nichts mehr verbieten lässt, empfindet man geradezu als erleichternd - mag sie, wie Erika ihr knallhart serviert, von allen Kindern dem Vater auch am fernsten gewesen sein, so hat sie doch ein Recht an ihrer eigenen Geschichte. Zum Bruch zwischen den beiden Schwestern kommt es typischerweise kurz nach dem Tod des empfindlichen Vaters.

Golo Mann wiederum hätte sich am liebsten von Jugend an auf unauffälligste Weise aus der Familie hinausgeschlichen. Das belegen auch seine wenigen Briefe, die Distanz eher ausbauen als verringern: "Verbleibend, Frau Mutter, Ihr liebevollst-gehorsamster Sohn." Gegen seinen Willen wurde er - umso mehr nach Klaus Manns Freitod - immer wieder hineingezogen. Später, als berühmter Historiker, wagte nur er es, Erika zu widersprechen. Gelegentlich gab sie ihm sogar nach. Als aber Erika mit nur 63 Jahren an einem Gehirntumor starb, blieben Nachlasspflege und Betreuung der uralten Mutter an ihm hängen. Ganz braver Sohn, beugte er sich unter das Joch, obwohl sein Zähneknirschen bis zuletzt vernehmbar blieb.

Beständig fröhlich und sonnig in all ihren Briefen ist allein Elisabeth Mann Borgese (1918 bis 2002), neben Erika das erklärte Lieblingskind Thomas Manns. Für sie kursierten familienintern die meisten Kosenamen (Medi, Dulala, Dingerchen, Schnurrlika), und sie, die bis ins hohe Alter nur glückliche Erinnerungen an Kindheit und Familie hatte, schrieb auch solche Briefe: zärtlich, sprudelnd, sich nicht vereinnahmen lassend von all den schweren Fragen und Konflikten, die in der Familie zu fast allen Zeiten herrschten. Und so beweist dieser Band - der dennoch wieder nur ein Ausschnitt ist aus dem schier unendlichen Kosmos der Manns - eine alte Weisheit: dass jedes Geschwisterkind in einer anderen Familie aufwächst.

Das Buch endet vielsagend 1981, als von den Geschwistern nur noch drei, Golo, Monika und Elisabeth, am Leben sind. Im zuletzt abgedruckten Brief an Elisabeth kommentiert Golo die Ankündigung des Neffen Frido, einen autobiographischen Roman zu schreiben, mit Worten, die das ganze Drama der Mann-Familie umreißen: "Bald werde ich nicht nur son of, neview of, twice or three times brother of, sondern auch uncle of . . . sein . . ."

EVA MENASSE

"Die Briefe der Manns". Ein Familienporträt.

Hrsg. von Tilmann Lahme, Holger Pils und Kerstin Klein. Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2016. 720 S., Abb., geb., 24,99 [Euro].

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