Marktplatzangebote
3 Angebote ab € 1,50 €
  • Audio CD

Der erste Teil des Werks behandelt die Geschichte der letzten Lebensjahre des Ritters Guillem de Vàroic. Guillem unternimmt eine Pilgerfahrt und kehrt während einer Maureninvasion nach England zurück, wo er sich unerkannt als Einsiedler nach Vàroic zurückzieht. Im Traum erscheint ihm ein Mädchen, das ihm ankündigt, er werde den Widerstand gegen die Invasoren organisieren. Gui gelingt es sodann, die Mauren zurückzuwerfen, worauf er in seine Einsiedelei zurückkehrt. Dorthin gelangt eines Tages der junge, noch unbekannte Ritter Tirant lo Blanc, den der alte Held in einer eindrucksvollen und…mehr

Produktbeschreibung
Der erste Teil des Werks behandelt die Geschichte der letzten Lebensjahre des Ritters Guillem de Vàroic. Guillem unternimmt eine Pilgerfahrt und kehrt während einer Maureninvasion nach England zurück, wo er sich unerkannt als Einsiedler nach Vàroic zurückzieht. Im Traum erscheint ihm ein Mädchen, das ihm ankündigt, er werde den Widerstand gegen die Invasoren organisieren. Gui gelingt es sodann, die Mauren zurückzuwerfen, worauf er in seine Einsiedelei zurückkehrt. Dorthin gelangt eines Tages der junge, noch unbekannte Ritter Tirant lo Blanc, den der alte Held in einer eindrucksvollen und bedeutsamen Szene in die Regeln des Rittertums einführt. Dieser Handlungsabschnitt wird mit der Erzählung von Tirants Turniererfolgen in London und der Stiftung des Hosenbandordens abgeschlossen.
Autorenporträt
Joanot Martorell, 1413 in Gandia, südlich von Valencia, geboren, starb 1468. Sein Ritterroman "Tirant lo Blanc" war das erste in altkatalanischer Sprache verfasste Werk und gilt als Vorreiter des modernen Romans.
Rezensionen
"Das beste Buch der Welt." - Miguel de Cervantes

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.10.2007

Das Schwert wird es richten
Der Weiße Ritter Tirant Lo Blanc, das späte Mittelalter und die unglaubliche Karriere des Ritterromans in unseren Zeiten Von Thomas Steinfeld
Wenn es einen glücklichen Moment in der Literatur gibt, einen, der mit seinem Glanz und seiner Hoffnung alle anderen überstrahlt, dann ist es dieser: Einer (denn es ist bis auf den heutigen Tag meistens ein Mann) verlässt sein Haus und zieht aus, das Abenteuer zu suchen. Dieses lässt nicht lange auf sich warten. Denn die Welt ist noch nicht geordnet, die Wege sind unsicher, die Wälder unendlich, und nirgendwo findet sich eine Karte, der man vertrauen könnte. Hinter jedem Felsen lauert ein Tier, das beißt, hinter jedem Busch wartet eine Frau, und sie schreit, hinter jedem Berg liegt ein Land, das noch kein Fremder je betreten hat. So geht er hin, der Held eines glücklichen Augenblicks, und sein Augenblick währt erstaunlich lange – denn die Geschichte des höfischen Romans erstreckt sich vom späten 12. Jahrhundert, vom „Roman de Brut”, bis weit ins sechzehnte Jahrhundert hinein, bis zu der Romanindustrie, die in der Renaissance dem phantastischen Helden Amadis de Gaula gewidmet war. Danach erst wird der Held gebrochen, in den Augen der ernsthaften Leser wenigstens, und zumindest für diese kommt er nicht mehr unbeschädigt an Leib und Seele in die Literaturgeschichte zurück.
Es gibt zwar eine europäische Provinz namens Katalonien, die heute zu Spanien gehört, ja auch eine katalanische Sprache, die ein noch viel größeres Gebiet als diese Provinz beseelen soll. Aber es gibt bei weitem nicht genug aktuelle katalanische Literatur, damit Katalonien eine Existenz als Gastland auf der Frankfurter Buchmesse bestreiten könnte. Diese Verlegenheit zieht nun eine sehr erfreuliche Nebenwirkung mit sich: Der Stuttgarter Essayist und Übersetzer Fritz Vogelgsang hat, gerade noch rechtzeitig vor der Messe, seine Übersetzung des „Romans vom Weißen Ritter Tirant Lo Blanc” fertiggestellt, ein gewaltiges Unternehmen, das er schon in der späten achtziger Jahren mit dem ersten Band begonnen hatte. Band zwei und drei schlagen nun, zusammen mit ihrem Anfang in einem prächtigen Schuber verstaut, in einem Paket von Umfang und Gewicht einer mittleren Kanonenkugel in den Buchhandlungen auf.
Und selbst wenn dieses Abenteuerbuch nicht wäre, was es ist, nämlich ein ungewöhnlich lebendiger, sachlich reicher, sprachlich vielgestaltiger und auch spannender Ritterroman, so sollte doch mit diesem Einschlag zumindest eines erreicht sein: ein Bewusstsein dafür zu wecken, dass uns das späte Mittelalter nie verlassen hat, ja, dass es gegenwärtiger ist als je, seitdem es mit Miguel Cervantes und seinem komischen Helden Don Quijote dem Witz und damit dem Anachronismus übergeben wurde.
Entstanden um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts, erzählt der Roman von Tirant Lo Blanc die Geschichte eines bretonischen Ritters, dem besten seiner Art, der durch Hunderte von Abenteuern geht, um schließlich den oströmischen Kaiser von der Bedrohung durch die Türken zu befreien und dessen Tochter zu erobern – auch wenn er sterben muss, bevor er mit ihr zusammenleben darf und vielleicht selbst Kaiser werden kann. Miguel Cervantes, so steht es im Don Quijote, und so wird er überall zitiert, muss dieses Buch für den besten Ritterroman überhaupt gehalten haben. Dabei hat der Weiße Ritter eine solche Hilfe gar nicht nötig. Man lese nur aufmerksam, wie elegant und wunderbar doppelsinnig sich die Prinzessin verteidigt, als ihr der edle Held im letzten Teil des Werkes endlich als nackter Mann entgegentritt: „Seid nicht so starrsinnig, Herr, nicht so grob! Bedenkt doch, Ihr seid hier weder auf dem Schlachtfeld noch auf dem Turnierplatz, um Ungläubige zu Boden zu strecken. Seid nicht darauf aus, diejenige zu besiegen, die längst überwältigt ist von Eurem Wohlwollen. Erweist Eure Ritterlichkeit gegenüber der hilflos Unterlegenen. Laßt mich teilhaben an Eurem mannhaften Tun, daß ich Euch Widerpart leisten kann.” Hier findet keine Vergewaltigung statt, eher schon das Gegenteil – aber dem Erzähler gelingt es, in die knappe Schilderung einer forcierten Verführung das ganze Widerspiel von Ehre und Sinnlichkeit zu flechten, die aus der Liebe die größte metaphysische Kraft der Neuzeit werden lässt.
Dabei ist Tirant, der Weiße Ritter, ein schlichter Held, und er kann nicht anders sein. Er kennt nur zwei Motive, die Ehre und die Liebe, und diese treiben ihn nach England und nach Äthiopien, nach Rhodos und nach Gibraltar, also an die Enden der bekannten Welt, von Schlachtfeld zu Schlachtfeld und immer wieder zurück zu Karmesina, seiner geliebten Prinzessin, der schönsten Frau der Welt. Alle Ritter sind schlichte Helden, viel schlichter als die epischen Heroen des klassischen Altertums, aber sie sind nicht schlichter als Harry Potter, der Zauberlehrling, als ein Avatar, den ein Computerspieler durch „Warcraft” schickt, oder als Frodo, der Hobbit, dessen Lebensaufgabe darin besteht, einen Ring in einen Höllenschlund zu werfen – denn auch diese drei sind Ritter, auch wenn ihnen, mehr oder minder, die Minne abhanden gekommen ist. Dass diese Gestalten so schlicht sind, dass ihnen Psychologie völlig fremd ist und ihre Charaktere im Typischen aufgehen, liegt daran, dass sie als Spediteure des Heils dienen. Sie sind absolute Frömmigkeit und Tatkraft. Ihre Seelen sind jeweils auf einen Punkt konzentriert, und wo so viel Seele ist, kann der Charakter nicht zählen – und vor allem kein historisches Bewusstsein.
Und das Merkwürdige ist: Zu keiner Zeit, nicht im Spätmittelalter, nicht während der Renaissance und erst recht nicht danach, hatte der Ritterroman, rein quantitativ betrachtet, so viele Leser wie in unseren Jahren – wobei der Glaube, wir lebten auch literarisch in modernen Zeiten, sich als das Vorurteil der Aufklärung vor die tatsächlichen Verhältnisse zu stellen scheint und den meisten Menschen offenbar gar nicht bewusst ist, dass sie ihr Leben mit Ritterromanen verbringen. Nur zum Schein ist der Ritterroman im späten achtzehnten Jahrhundert der vermeintlich realistischen, prinzipiell forschenden und zumindest latent stets tragischen Kunstdichtung ausgewichen, und er tat es nur, um im Trivialen, in der Massenkultur neue Kraft zu schöpfen und um dann zweihundert Jahre später um so triumphaler zurückzukehren.
Was tut ein Ritter? Sein allmächtiger Erzähler schickt ihn auf eine christliche Odyssee, er lebt nach außen gewandt, er handelt wie Tirant, der Kapitan der kaiserlichen Armee: „Rastlos kämpfte er, in fremdem Auftrag, doch ohne Rücksicht auf die Gefährdung von Leib und Leben der eigenen Person. Selbstlos für den Sieg der gemeinsamen Sache fechtend, erwarb er sich viel Ehre und Ruhm ... Da saht ihr Helme herunterkollern, hingemähte Ritter zu Boden sinken, auf dem die Toten und Verwundeten beider Seiten sich häuften. Es war ein Graus, dieses grandiose Schauspiel anzuschauen. Wieder und wieder wetterte der Bretone drein, mal da, mal dort. Nicht an einer einzelnen Stelle focht er, sondern an vielen, und immer eilte er dort zu Hilfe, wo Hilfe vonnöten war.” Ritterromane sind nicht grausam, denn massenhaft, so ganz und gar talibanmäßig dahingemetztelt werden nur die Anonymen, die Menschen ohne Gesicht und Namen.
Dabei sind sie eine offensiv künstliche und zutiefst sentimentale Angelegenheit, eine heroische Phantasie für (bei weitem nicht mehr nur junge) Leute, die sich prospektiv in die Rolle von anderen, besseren, mächtigeren Menschen versetzen. Mit ihnen kehren die Leser in eine lange zurückliegende Vergangenheit zurück: Das Spätmittelalter träumte vom Hochmittelalter, das Hochmittelalter von der Zeit der Völkerwanderung – und wir träumen vom Mittelalter überhaupt, von einer metaphysischen Epoche jenseits der Zeit. Und es kommt auch nicht auf Jahre und historische Umstände an: Denn wo die Seele auf das Heil sinnt, gibt es keine Geschichte – denn zum Heil verhalten sich alle Ereignisse relativ, selbst die Untergänge und die Katastrophen. Sie sind Stadien auf des Lebens Weg, unerheblich in ihrer Eigenart, sinnvoll allein dadurch, dass sie den Helden der Erlösung näher bringen. Was schließlich auch für die Liebe gilt, um die im Roman vom Weißen Ritter, wie in den meisten Ritterromanen, ausführlich gefeilscht und gehandelt wird. Denn es geht hier nicht nur darum, die Religion zu erotisieren, sondern auch darum, die Erotik zu mystifizieren, damit eine Vorstellung von der Liebe als säkularem Heil entsteht. Der Ritterroman ist daher nicht nur eine konsequent serielle, epigonale, sondern vor allem auch eine katholische Angelegenheit. Denn der Protestantismus und dessen individualisierter Glaube würden seine schlichte Welt mit Rücksichten, Kompromissen und Widersprüchen füllen – für diese aber ist kein Platz, um so mehr aber für immer wieder neue Verlautbarungen des Helden, seines Herrn, seiner Gegner, der Frauen, denen er begegnet. All diese Sendschreiben und Kundgebungen, Reden und Widerreden dienen demselben Zweck: der Frage, was einen Ritter ausmacht. Sie lassen einen echten spätmittelalterlichen Ritterroman heute zu einer etwas mühsam zu lesende Veranstaltung werden – während der Umstand, dass sich J. R. R. Tolkien, Joanne K. Rowling oder die anonymen Autoren von Computerspielen solche Auseinandersetzungen sparen können, vor allem bezeugt, wie sicher ihre Helden in ihrer Typologie ruhen. Wobei, das muss man hinzufügen, der Ehrbegriff eines Ritterromans auch bedeutet, dass, wenn es darauf ankommt, ein Kämpfer immer auf einen Kämpfer trifft (weshalb Tirant, als er von einem Hund angegriffen wird, diesen totbeißt) – und auch der Gegner seine Ehre behält, sehr im Unterschied zu den Vernichtungsfeldzügen, wie sie heute ausgefochten werden, so dass sich die Feindschaft einem Ritual unterwirft und, selbst wenn sie ein tödliches Ende nimmt, ohne Häme und seltsam zivil daherkommt.
Und so ist es, eben weil es keine Zeit in der Literaturgeschichte gibt, in der so viele Ritterromane gelesen werden, wie das heute der Fall ist, als herrschte ein großer Überdruss am modernen Leben, an der Komplexität von Arbeits- und Privatverhältnissen, an gebrochenen, verworrenen Karrieren – und eine Sehnsucht nach dem Großen, Allgemeinen, für alle Verbindlichen, nach dem „gloriosen Schlummerglück” (Tirant Lo Blanc). Der bürgerliche Kult der Individualität scheint an seinem systematischen Ende angekommen zu sein. Wozu ein Charakter, wenn man doch ein Typ sein kann? Wozu handeln, wenn man zu träumen vermag?
„Und wenn ich zurückkehren könnte in diesen vorigen Zustand”, heißt es, klug und schön, im Roman von Tirant Lo Blanc, „wäre es mir ein großer Trost, die Dinge zu berühren, in meinen Armen zu halten, die ich am meisten liebe und geliebt habe auf dieser Welt; und ich glaube, wenn mir das gelänge, wäre das für mich das Paradies auf Erden und die Erfüllung aller Seligkeit.” Im Roman bringt der Weiße Ritter zwar den Türken, die Ostrom mit überlegener Streitmacht gegenüberstehen, eine finale Niederlage bei. Tatsächlich aber ist Konstantinopel, als Joanot Martorell die Geschichte von Tirant Lo Blanc niederschrieb, schon an Mehmet den Eroberer verloren. Und so muss es sein. Aus denselben Gründen, aus denen der Ritterroman heute das meistgelesene literarische Genre ist – und die deutsche Übersetzung des „Romans vom Weißen Ritter Tirant Lo Blanc” zur rechten Zeit erscheint.
Joanot Martorell
Der Roman vom Weißen Ritter Tirant Lo Blanc
Übersetzt von Fritz Vogelgsang. Mit einem Nachwort von Mario Vargas Llosa. Drei Bände in Kassette. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2007. 1656 Seiten. Bis 31. März 2008 78 Euro, danach 98 Euro.
Seid nicht so starrsinnig, Herr, nicht so grob! Denn dies ist das Schlachtfeld der Liebe
Wozu ein Charakter, wenn man Typ sein kann? Wozu handeln, wenn es sich träumen lässt?
Pferd, bekümmert blickend, ruhmreicher Ritter, noch nicht gestürzt, mit Helm, noch nicht heruntergekullert: aus Pisanellos Fresko „Der Heilige Georg und die Prinzessin” in Sant’ Anastasia in Verona zeigen wir den Gefährten Georgs. Abb. aus: B. Degenhart, A. Schmitt: Pisanello und Bono da Ferrara. Hirmer Verlag, 1995
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2007

Das beste Buch der Welt
Katalanische Weltliteratur: Der "Weiße Ritter" von Joanot Martorell endlich auf Deutsch / Von Hans-Martin Gauger

Bei Cervantes, gleich zu Beginn des "Don Quijote", wird nach dessen erster Ausfahrt die Büchervernichtung geschildert, die, während Don Quijote im Schlafe liegt, der Pfarrer und der Barbier des Orts, in dem der Held zu Hause ist, vornehmen, weil sie in seinen vielen Ritterbüchern den Grund der Zerrüttung des Edelmannes sehen. Aber der kluge und belesene Pfarrer, über den sich der Erzähler gar nicht lustig macht, will doch zuvor die Titel überprüfen. Schließlich wird es ihm zu viel, und er weist die Haushälterin an, alle noch nicht durchgegangenen Bücher auf den Hof zu werfen, damit sie dort verbrannt werden können. Da aber fällt eines aus dem Stoß, der zum Fenster hinaus soll, vor die Füße des Barbiers. Indem dieser es aufhebt, liest er: "Geschichte des berühmten Ritters Tirante el Blanco". Wie elektrisiert ruft da der Pfarrer aus: "Gott steh mir bei! Dass Tirante der Weiße auch hier ist! Gebt ihn mir, Nachbar, denn ich bezeuge, dass ich einen Schatz an Vergnügen und eine wahre Mine an Zeitvertreib in ihm gefunden habe (. . .). Ich sage Euch die Wahrheit, Herr Nachbar: dies ist, aufgrund seines Stils, das beste Buch der Welt."

Mit "Stil" meint der Pfarrer (und gewiss auch Cervantes) das "Realistische", denn er präzisiert sogleich: "Hier essen die Ritter, hier schlafen sie, hier sterben sie auch in ihren Betten und machen, bevor sie sterben, ein Testament. Kurz, hier finden sich all die Dinge, an denen es in den anderen Büchern dieser Art fehlt." Dieses Buch vom "Weißen Ritter", das also im ersten "realistischen" Roman der Weltliteratur, denn dies ist der "Quijote", auf solch enorme Weise ausgezeichnet wird, erschien 1490, somit 115 Jahre vor dem "Quijote", der 1605 herauskam. Und jetzt endlich, zu dieser Buchmesse, nach weit über fünfhundert Jahren, haben wir den "Weißen Ritter" endlich auch auf Deutsch.

Dieser Roman gehört zur katalanischen Literatur, genauer zur valencianischen. Aber auf diesen Streit brauchen wir uns nicht einzulassen - hier nicht und überhaupt nicht, denn das Valencianische ist keine eigene Sprache. Es gibt, als Sprache, nur das Katalanische, beginnend im Norden bereits im Roussillon in Frankreich und in Ostspanien hinunterreichend in einem immer schmaler werdenden Streifen bis Alicante. Und innerhalb dieser Sprache, zu der auch die vorgelagerten Inseln, Mallorca und die übrigen, gehören, gibt es, wie üblich, regionale Varianten. Richtig ist, dass das alte Königreich Valencia, wie gerade auch und bereits in unserem Roman festgehalten wird, "von Menschen aus vielen Nationen bewohnt ist". Das Katalanische blühte vom dreizehnten bis ins fünfzehnte Jahrhundert in höchst eindrucksvoller, vielseitiger Literatur. Dann aber, bald nach der Vereinigung Kastiliens und Aragoniens, verstummte sie für Jahrhunderte. Die Dichter aus diesen Gegenden wechselten zum Spanischen, obwohl das Katalanische in alltäglicher Rede und auch gerade von den "besseren" Leuten weiterhin gesprochen wurde. Erst im neunzehnten Jahrhundert erstand diese Literatur, deren größter Roman ganz ohne Zweifel der "Weiße Ritter" ist, neu.

Altkatalanisch" präzisiert Vogelgsang im Titel also sehr zu Recht, nicht einfach "katalanisch". Und der Held unseres Romans heißt in seiner Sprache "Tirant lo Blanc". Das Eigenschaftswort "Blanc" (weiß) ergab sich vielleicht aus einer Deformierung von "Valachus", denn möglicherweise geht die Figur auf den walachischen Edelmann Johannes Hunyadi aus Siebenbürgen zurück, der historisch ist und zu einem Symbol des Widerstands gegen die Türken wurde. Jedenfalls: In diesen großen zeitgeschichtlichen Zusammenhang gehört der Roman, aus ihm heraus lebt er: Da war die Katastrophe (so wurde sie empfunden) des Falls Konstantinopels im Jahr 1453.

Über dies und anderes informiert Vogelgsang in einem kundigen und lebendigen Vorwort und einem ebensolchen Nachwort im ersten Band. Beide liegen siebzehn Jahre auseinander, denn der erste Band ist schon früher erschienen: "Steckbrief zur Fahndung nach einem tatverdächtigen Erzfabulanten" (1990) und "Pflichtschuldige Auskunft über Fahndungserfolge, die mittlerweile zu verzeichnen sind" (2007). Zudem enthält die Ausgabe im dritten Band den sehr schönen "Fehdebrief zur Verfechtung der Ehre von Tirant lo Blanc" von Mario Vargas Llosa, der bereits 1968 geschrieben wurde und dem es tatsächlich gelang, dieses "Buch ohne Leser" wiederzuerwecken. Dieser Roman sei, sagt Vargas, "einer der ehrgeizigsten" überhaupt, und Martorell sei "der erste vom Stamm der Allmachtserzähler (. . .), die sich an Gottes Stelle setzen und in ihren Romanen eine ,allumfassende Wirklichkeit' zu erschaffen suchen".

Joanot Martorell wurde vermutlich 1410 in Valencia geboren und starb 1465. Sein Roman wurde also erst fünfundzwanzig Jahre nach seinem Tod gedruckt. Vielleicht hat ein anderer Autor, Martí Joan de Galba, der 1490 starb, den Roman weitergeführt und auch in ihn eingegriffen - vielleicht. Martorell kam aus wohlhabender Familie. Er war, ist zu vermuten, in England gewesen, wo sein Roman zunächst spielt, sicher jedoch war er etwa acht Jahre am Hof in Neapel, bei Alfons V. von Aragonien, der einer der mächtigsten Fürsten des östlichen Mittelmeerraums war. Nach dessen Tod kehrte er nach Valencia zurück und starb verarmt - in diesem Punkt dem Cervantes, der freilich aus bescheidenen Verhältnissen kam, nicht unähnlich.

Der Roman, einem portugiesischen Prinzen gewidmet, gibt vor, eine Übersetzung aus dem Englischen zu sein - erst ins Portugiesische, dann zusätzlich noch ins Katalanische (auch Erzähler Cervantes gab ja seinen Roman als eine Übersetzung aus). Der Roman beginnt also in England, wohin Tirant, der an Geist und Körper wunderbare Held, der aus der Bretagne stammt, gezogen ist, um an einer Hochzeitsfeier am Königshof teilzunehmen. Hier trifft er den seltsamen "Einsiedelkönig", der ihm die Regeln der Ritterschaft erklärt. Dann geht es nach Rhodos, welches Tirant von den Türken, die es belagern, befreit. Danach erobert er im Heiligen Land die Stadt Tripolis für den König von Frankreich. Sodann hilft er dem byzantinischen Reich - wieder gegen die Türken. Hier nun verliebt er sich in die Königstochter Carmesina: Die beiden heiraten heimlich. Bevor sie es wirklich und also öffentlich tun - da ist nun eine schöne und gar nicht unsinnliche und sogar lustige Liebesgeschichte -, kämpft Tirant im nördlichen Afrika. Er stirbt nach kurzer Krankheit in Adrianopel. Carmesina folgt ihm, weil sie ohne ihn nicht leben will. Die Leichname werden in die Bretagne gebracht.

Fritz Vogelgsangs gelegentlich recht freie Übersetzung ist vorzüglich: eine außerordentliche Leistung und also diesem außerordentlichen Roman angemessen. Und der ist nun wirklich erstaunlich. Er liest sich gut in seinen kurzen Abschnitten dank seines Stils und dem Vogelgsangs, noch dazu in der formidablen Ausstattung hier. Er hat etwas Leichtes und mediterran Helles, bleibt rational auf dem Boden, ist auch nicht eigentlich exuberant, kein wucherndes selbstvergessenes Fabulieren, vielmehr erzählt er heiter, direkt oder indirekt belehrend, und ist auf diese Weise auch etwas wie ein narratives Handbuch des sich verabschiedenden Mittelalters. Fromm natürlich ist das Buch auch - da ist die Welt noch christlich, ja geradezu kardinalmeisnerisch in Ordnung. Das hindert es freilich nicht, auch unter den Muslimen höchst edelmütige Menschen zu finden.

Eigentlich hat Vargas den Roman sehr gut gekennzeichnet: ein "Ritterroman", aber, wie schon Cervantes' Pfarrer wusste, ganz anders als die anderen, ein "historischer" Roman, aber überaus großzügig in Chronologie und anderem, ein "Sittenroman", ein "erotischer" Roman (ja, durchaus, und es geht bis ins Sexuelle), ein "psychologischer", schließlich ein "totaler Roman", nämlich "ein Wortgebilde, das den gleichen Eindruck von Vieldeutigkeit vermittelt wie das reale Sein". So ist es. Und - es ist erstaunlich.

Joanot Martorell: "Der Roman vom Weißen Ritter Tirant lo Blanc". Aus der altkatalanischen Sprache des Königreichs Valencia erstmals ins Deutsche gebracht von Fritz Vogelgsang. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2007. Drei Bände, insgesamt 1587 Seiten, geb., Kassette 98,- [Euro]; Subskr.-Preis bis 31. 12. 2007 78,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr