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Der italienische Gastarbeiter Antonio Marcipane hat alles erreicht: Er besitzt ein Reihenendhaus, ein schönes Auto und vier Dutzend Krawatten. Seine Töchter haben deutsche Männer geheiratet, und jetzt wartet ein entspanntes Rentnerdasein auf ihn. Fehlt da noch etwas? Ja, denn einen Traum hat er sich noch nicht erfüllt: Amerika - und sein Schwiegersohn muss mit. Nun also Burger statt Pasta. Basta.

Produktbeschreibung
Der italienische Gastarbeiter Antonio Marcipane hat alles erreicht: Er besitzt ein Reihenendhaus, ein schönes Auto und vier Dutzend Krawatten. Seine Töchter haben deutsche Männer geheiratet, und jetzt wartet ein entspanntes Rentnerdasein auf ihn. Fehlt da noch etwas? Ja, denn einen Traum hat er sich noch nicht erfüllt: Amerika - und sein Schwiegersohn muss mit. Nun also Burger statt Pasta. Basta.
Autorenporträt
Jan Weiler, geb. 1967 in Düsseldorf, arbeitete als Texter in der Werbung, absolvierte dann die Deutsche Journalistenschule in München und war viele Jahre Chefredakteur des 'Süddeutsche Zeitung Magazins'. Heute lebt er als Autor mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in der Nähe von München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.08.2005

Guten Tack, Blitzkrieg
Mit Liebe zur Heimat: Jan Weilers Bucherfolgsgeschichte

Es ist eine beinahe märchenhafte Erfolgsgeschichte. Vor zwei Jahren veröffentlichte Jan Weiler, damals Chefredakteur des Magazins der "Süddeutschen Zeitung", ein Taschenbuch im Ullstein Verlag. Unter dem Titel "Maria, ihm schmeckt's nicht" versammelte er dort unterhaltsame Geschichten über seine angeheiratete italienische Verwandtschaft. Im munteren Plauderton erzählte Weiler vom verheerenden Antrittsbesuch bei seinem exzentrischen Schwiegervater Antonio Marcipane - "das Kinde will uns verlasse!" - und schilderte die nervenaufreibenden Erlebnisse während der ersten gemeinsamen Urlaubsreise mit der gesamten "italienischen Sippe".

Das Presseecho fiel, höflich gesagt, bescheiden aus, und so war es allein die Mundpropaganda, die "Maria, ihm schmeckt's nicht" in kürzester Zeit zu einem heimlichen Bestseller machte. Nach einem Jahr legte der Verlag rasch noch eine gebundene "Geschenkausgabe" nach und hat bis heute insgesamt 600 000 Exemplare des Titels verkauft. Jan Weiler, der inzwischen seine Redakteursstelle gekündigt hat, sitzt bereits an einer Drehbuchfassung, und gleichzeitig erscheint die Fortsetzung seiner italienischen Abenteuer jetzt im Kindler Verlag: "Antonio im Wunderland" gehört bereits kurz nach seiner Auslieferung zu den zwanzig meistverkauften Büchern bei Amazon.de und ist auf Platz vier der "Spiegel"-Bestsellerliste vorgerückt, übertroffen nur von den aktuellen Kassenschlagern der Superstars Dan Brown und Joanne K. Rowling.

"Antonio im Wunderland" macht zunächst einmal genau dort weiter, wo "Maria, ihm schmeckt's nicht" aufgehört hatte. Antonio Marcipane, der gut gelaunte "Gastarbeiter der ersten Stunde", parliert trotz der langen Jahre in Kempen bei Krefeld weiterhin in genauso interessantem Deutsch wie Giovanni Trappatoni, und weil er nach 37 Jahren im Stahlwerk endlich fertig hat und Rentner geworden ist, will er es sich jetzt richtig gutgehen lassen: "Vielleickte schön verreisen?" Also lädt er wieder einmal seine Tochter und seinen Schwiegersohn zu einer gemeinsamen Urlaubsfahrt in seine italienische Heimatstadt Campobasso ein, wo Nonna Annas staubtrockener "panettone" und Onkel Egidios sorgsam gepflegte Fremdsprachenkenntnisse auf sie warten: "Guten Tack, Blitzkrieg Kartoffel."

Auf den ersten Blick könnte man meinen, daß der große Erfolg von Jan Weilers größtenteils harmlosen Familiengeschichten vor allem in einem originellen Umgang mit althergebrachten Klischees und einer aus kulturellen Mißverständnissen genährten Situationskomik besteht. Die Tische biegen sich unter Tellern voller "pasta", "polenta" und "prosciutto", die italienischen Frauen haben ein großes Herz, und die italienischen Männer sind so sehr auf die Unschuld ihrer Töchter bedacht, daß sie unverheiratete Paare zwar in einem Zimmer schlafen lassen, dann aber die ganze Nacht über immer wieder überraschend die Tür aufreißen: "I wollte nur ,buona notte' sagen." Erfährt man darüber hinaus, daß "ein Tabu hier unten wirklich ein Tabu ist" und man ein Butterhörnchen niemals "Croissant", sondern immer nur "cornetto" nennen darf, hat man als Leser sogar noch etwas Nützliches für den nächsten Urlaub im Süden gelernt.

Sehr viel bemerkenswerter ist allerdings, daß Jan Weiler über den Umweg seiner italienischen Reisen, die seinen Erzähler in "Antonio im Wunderland" schließlich sogar samt Schwiegervater über den Atlantik nach New York und Little Italy führen, zu einer sehr deutschen Selbsterkundung gelangt. In gewissem Sinne ergeht es ihm nämlich nicht anders als Johann Wolfgang von Goethe, der vor mehr als zweihundert Jahren in einem Brief an Charlotte von Stein feststellte, daß er sich in Italien habe "unsäglich kennen lernen" müssen und sich dort zuletzt "selbst wiedergegeben" worden sei.

So gelüstete es Jan Weilers Alter ego zum Beispiel bereits im ersten Band nach einigen Tagen ununterbrochenen Espresso-Trinkens nach einem "richtig feinen Filterkaffee" - und auch das italienische Bier, das extra für den deutschen Besuch literweise bevorratet wurde, mochte ihm nicht so recht schmecken. In "Antonio im Wunderland" schlägt diese heimliche Sehnsucht nach deutscher Lebensart dann endgültig in eine melancholische Grundstimmung um, die sich wie ein roter Faden durch das gesamte Buch zieht. Während der Erzähler nämlich betroffen über das Gastarbeiter-Schicksal seines "entwurzelten" Schwiegervaters sinniert, der am Niederrhein "sein Zuhause" gefunden hat, dort aber nie heimisch geworden ist, spiegelt sich darin vor allem sein eigener Wunsch, endlich wieder dort anzukommen, wo er herkommt: in der deutschen, besser gesagt, in der westdeutschen Provinz. Beinahe liebevoll eignet er sich darum nach und nach die kleine Welt der Eigenheime, Vorgärten und leise vor sich hinrostenden Hollywood-Schaukeln an, die er auf den ersten Seiten noch in eine "Nostalgie-Show" im Fernsehen verbannen wollte, er erfreut sich am warmen Klang des Wortes "Bundeskegelbahn" und gerät beim Anblick einer Schachtel "Ernte 23" ins Schwärmen: "eine Marke, von der ich nicht wußte, daß es sie überhaupt noch gibt".

Das also ist das eigentliche Ziel von Jan Weilers langer italienischen Reise: Der 1967 geborene ehemaliger Werbetexter und Journalist nimmt stellvertretend für die Generation der heute Dreißig- bis Vierzigjährigen Abschied vom urbanistisch geprägten Selbsthaß und feiert die Ankunft in der Heimat - und läßt dabei all den Gefühlen freien Lauf, für die er und seinesgleichen sich offenbar jahrelang geschämt haben. Endlich kann man ohne schlechtes Gewissen mitten im regnerischen Deutschland aus einem "Gaubenfenster auf kleine nasse Reihenhausgärtchen mit Teichen und Laubhaufen und Gartenmöbeln sehen, die unter Plastikplanen auf den nächsten Sommer warten". Kein Wunder, daß seine beiden Erzählbände in den einheimischen Buchhandlungen auf so große Nachfrage treffen: Zu Hause bei Jan Weiler ißt man italienisch, aber man fühlt deutsch. So schmeckt's allen.

KOLJA MENSING

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

" Dieser Roman hat Rezensent Kolja Mensing sichtlich das Herz erwärmt. Denn nach der Lektüre dieses Fortsetzungsbuches von Jan Weilers Bestseller "Maria, ihm schmeckt's" fand er seinen Eindruck bestätigt, dass Weiler hier "stellvertretend für die Generation der heute Dreißig- bis Vierzigjährigen" Abschied vom urbanistischen Selbsthass nimmt und die "Ankunft in der Heimat" feiert. Motto: Endlich darf man Deutschland lieben. Ebenso augenzwinkernd wie gerührt fasst Mensing die Handlung zusammen, in deren Zentrum ein "Gastarbeiter der ersten Stunde" steht, der nach der Pensionierung nach Italien reist und mit Tochter und deutschem Schwiegersohn allerlei unterschiedliche Erfahrungen mit Heimat und Entwurzelung macht. Natürlich sei das größtenteils eine "harmlose Familiengeschichte", schreibt Mensing, der als besonderes Kennzeichen der Geschichte den "originellen Umgang mit althergebrachten Klischees und einer aus kulturellen Missverständnissen genährten Situationskomik" zu Protokoll gibt. Bemerkenswert findet er, dass es diesem populären Erzähler am Ende in Italien auch nicht anders ergeht, als Johann Wolfgang von Goethe vor zweihundert Jahren: ihn ergreift die heimliche Sehnsucht, nach deutscher Lebensart.

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