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Er war abgestellt an die Front, bis sich ihm 1940 unerwartet die Gelegenheit bietet, bei Hitler als Kurier, Leibwächter, dann auch als Telefonist zu arbeiten. In Hitlers Wohnung in München geht Rochus Misch ebenso ein und aus wie am Berghof und in der "Wolfsschanze". Im Führerbunker absolvierte er auch noch seinen Dienst, als Hitler und Eva Braun sich umgebracht haben. Denn für Misch, der Hitler nur als Privatmann erlebte, galt das Gebot unbedingter Loyalität. Um deren fatale Seite es ihm geht, wenn er heute sein Leben erzählt: Nein, ich werfe dem Rochus Misch von damals nicht vor, dass er…mehr

Produktbeschreibung
Er war abgestellt an die Front, bis sich ihm 1940 unerwartet die Gelegenheit bietet, bei Hitler als Kurier, Leibwächter, dann auch als Telefonist zu arbeiten. In Hitlers Wohnung in München geht Rochus Misch ebenso ein und aus wie am Berghof und in der "Wolfsschanze". Im Führerbunker absolvierte er auch noch seinen Dienst, als Hitler und Eva Braun sich umgebracht haben. Denn für Misch, der Hitler nur als Privatmann erlebte, galt das Gebot unbedingter Loyalität. Um deren fatale Seite es ihm geht, wenn er heute sein Leben erzählt: Nein, ich werfe dem Rochus Misch von damals nicht vor, dass er keinen Ärger machte. Dennoch dass mir das so selbstverständlich war, das macht mich nachdenklich.
Autorenporträt
Rochus Misch, geboren 1917, der nie Mitglied der NSDAP war, wurde mit seinem Gardemaß von 1,85 m nach der Musterung für die Leibstandarte SS Adolf Hitler ausgewählt. Ab 1940 arbeitete er bis Kriegsende als Leibwächter, Kurier und Telefonist Hitlers. Nach Hitlers Tod geriet er für neun Jahre in russische Kriegsgefangenschaft. Rochus Misch ist verwitwet und hat eine Tochter.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.08.2008

Immer ruhig und sachlich
Ein Verkaufserfolg: Hitlers Telefonist erinnert sich
Seit Erscheinen im Juli dieses Jahres steht „Der letzte Zeuge. Ich war Hitlers Telefonist, Kurier und Leibwächter” von Rochus Misch auf den Bestsellerlisten, mehr als 50 000 Exemplare sind verkauft. Ein gründliches, scharfsinniges Werk ist es nicht, keines, das Neues über den Nationalsozialismus zu berichten hätte, auch nicht gerade packend geschrieben. Was mag seinen Erfolg ausmachen? Prominenz des Autors kommt ihm kaum zur Hilfe. Geboren 1917, seit 1937 bei der SS-Verfügungstruppe, gehörte Misch von 1940 bis 1945 zum Begleitkommando des „Führers”. Den letzten Zeugen darf er sich nennen, weil unter denen, die im Führerbunker die letzten Tage Hitlers und des Nationalsozialismus teilten, keiner mehr am Leben ist außer ihm. Ein solcher Mann hat einiges gesehen. Und trotzdem ist es nicht selbstverständlich, dass seine Erinnerungen schon als Kontaktreliquie so gut gehen.
Zwei Jahre zuvor hatte sich Bernd Freytag von Loringhoven in gleicher Sache zu Wort gemeldet: „Mit Hitler im Bunker” (wjs Verlag). Von einem Verkaufserfolg konnte hier nicht im entferntesten die Rede sein. „Mit Hitler im Bunker” war auch kein großer Wurf, zumal der Autor das, was er zu sagen hatte, schon in einer Vielzahl von Interviews gesagt hatte. Aber manches war dann doch aufschlussreich, etwa Hitlers Widerwille gegen Vieraugengespräche – er fürchtete, sich bei solchen Gelegenheiten zu Zugeständnissen drängen zu lassen. Und bemerkenswert auch die Beschreibung, wie Hitler immer wieder hochrangige Offiziere für seine Pläne gewann: „Wer in der Absicht kam, Hitler die katastrophale Lage an der Front klarzumachen, verließ ihn meist als ,Bekehrter‘, der vom ,Führer‘ eines Besseren belehrt worden war. Kehrten die Offiziere dann aber zu ihrer Einheit zurück, so stellten sie fest, das sie nichts von dem erreicht hatten, was die Truppen angesichts der militärischen Lage brauchten.” Das ist schon oft berichtet worden und doch nicht trivial. Es beschäftigt uns wie jede Sache, die trotz vielfacher Vergegenwärtigung unerklärlich bleibt. Und ist es nicht unerklärlich, dass die Generäle, der gesellschaftlichen Elite entstammend, in ihrem Fach vorzüglich ausgebildet, unter dem Druck der Front-Erfahrungen stehend, dennoch Hitler moralisch wie geistig nichts entgegenzuhalten hatten?
Das sind Eindrücke, über die Rochus Misch nicht verfügt. Freytag von Loringhoven war seit Juli 1944 Adjutant des Generalstabschefs Heinz Guderian, in dieser Eigenschaft regelmäßig Teilnehmer der Lagebesprechungen und Gesprächspartner wichtiger Männer. Misch verrichtete Hilfsdienste einfacher Art. Als Kurier, Leibwächter oder Telefonist bekam er nicht viel mit. Gelegenheit, Hitler in Entscheidungssituationen zu erleben, hatte er nicht, Bekenntnisse wurden ihm gegenüber nicht gemacht. Er gehörte zum Begleitkommando, mal in Berlin, mal auf dem Obersalzberg oder in der Wolfschanze. Immer in der Nähe, nie dabei. Er kann erzählen, wie Hitlers Wohnung möbliert war, wie gekocht wurde und dass die Sicherheitsvorkehrungen lässig gehandhabt wurden. Mehr nicht. Was kann da interessieren?
Der freundliche Chef
Misch malt ein freundliches Bild von Hitler als dem „Chef”: „ein normaler, ein einfacher Mann, der einfachste Mensch, den ich kannte”. Wohl hatte seine Umgebung immer „ein bisschen Angst”, nicht aber das Gefühl, bei einem Versehen sofort scharf bestraft zu werden. Und fürsorglich sei Hitler gewesen. Als der den Eindruck hatte, es gehe Misch nicht gut, schickte er ihn erst zu seinem Leibarzt und dann zur Kur nach Karlsbad. Es ist eine wohlwollende Welt, die den SS-Mann Misch birgt. Selbst als ein Nennonkel, Gewerkschafter und SPD-Mitglied, ins KZ deportiert wird, bedeutet das kein unlösbares Problem. Mit einer Intervention bei SS-Obergruppenführer Wolff holt ihn Misch wieder heraus.
Das mag alles so gewesen sein. Aber ist das interessant? Dass die völlige moralische Fühllosigkeit Hitlers einherging mit Nachsicht und Fürsorge gegenüber der engeren Umgebung, das verrät etwas über die Psychologie absoluter Macht. Zur Frage aber „Wie war es möglich?” trägt das nichts bei. Deshalb ist „Der letzte Zeuge” über weite Strecken regelrecht langweilig. Was nur finden seine Leser daran?
Ist Misch eine Figur wie Heinrich Manns Untertan? Der Verleger Christian Strasser hat das behauptet, aber plausibel ist es nicht. Diederich Heßling, die Titelfigur in Manns Roman, ist begeistert von Kaiser, Reich und Untertanen-Dasein, begeistert bis zur Raserei. Misch ist kühl. Er kommt durch Zufall in Hitlers Nähe und sieht die Vorzüge: ausgezeichnete Bezahlung und ruhiger Dienst. Politik ist ihm gleich, Hitler-Reden zu hören reizt ihn nicht, der Taumel der Massen stößt ihn ab. Er ist ein guter Sportler und passionierter Techniker, er lebt für sich und die eigenen Belange. Gut aussehend, mit Anziehungskraft auf Frauen begabt, ein, wie er selbst es ausdrückt, „gewöhnlicher Mann” in privilegierter Lage. Diese Lage will er sich erhalten, er hat Gründe, seinen Pflichten mit Akkuratesse nachzukommen. Bloß nicht wieder an die Front. Soldatische Bewährung oder auch nur Beförderung sind ihm Störung. Misch ist Mann Hitlers, aber völlig unheldisch.
Und darin ist er eine Quelle zum Nationalsozialismus für das Jahr 2008. Nicht was er über Hitler zu sagen hat, ist von Belang. Mag sein, dass der ein oder andere Alt- und Neonazi den „letzten Zeugen” liest, um mal etwas über das Führerhauptquartier zu erfahren ohne moralische Distanzierung – Misch selbst spricht davon, dass er „rückschauende Bewertungen” habe vermeiden wollen. Aber solche Ewiggestrigen können die verkaufte Auflage nicht erklären. Was die Leser Mischs interessiert, das ist: von jemandem zu hören, der Hitler nahe war und doch wie sie.
Kalkül und Weltanschauung
Lange hat man in Deutschland das Dritte Reich mit den Augen Thomas Manns betrachtet, als Ausartung der deutschen Geschichte und namentlich ihrer romantischen Bestandteile. Joachim Fests Hitler-Biographie, das wirkungsmächtigste Buch zur Sache, folgte stark diesem Grundgedanken. Der ideologische Anteil des Nationalsozialismus, das Erlösungsversprechen, wurde hoch veranschlagt. Die Deutschen, die dem folgten, wirkten wie Wagner-durchglühte Weltanschauungsritter. Daneben tritt seit einigen Jahren der Blick auf die materiellen Vorteile, die das Regime den Deutschen zuschob. „Hitlers Volksstaat” von Götz Aly ist der Klassiker dazu.
So materiell wusste auch der junge Misch seine Vorteile zu kalkulieren. Nicht dass das Publikum heute den Zeitzeugen zu Alys Forschungen sucht. Aber es liest von einem Deutschen im Dritten Reich, einem in Vertrauensstellung , dessen Motivation es unschwer nachvollziehen kann. Dass jemand „ruhig und sachlich” gewesen sei, das bedeutet für Misch höchstes Lob. Ruhe und Sachlichkeit sind das Gegenteil der Begeisterung oder „fanatischen Entschlossenheit”, sie sind der Skepsis verwandt. Aber sie sind auch anderes noch. In seinem Buch behauptet Misch, von den Verbrechen in den Konzentrationslagern nichts gewusst zu haben. Das muss man nicht glauben, aber es könnte stimmen. Saul Friedländer hat in seinem Werk „Das Dritte Reich und die Juden” beschrieben, dass Hitler selbst die Statistik der deportierten und ermordeten Juden nur in verhüllender Form erhalten habe. Aber verwunderlich ist weniger, dass Misch bis 1945 vieles nicht wusste oder gewusst haben will. Verwunderlich ist, dass er sich auch danach keine Gedanken macht.
Was geht in jemandem vor, der erkennen muss, dass der „Chef”, der so „normal” gewesen war, schrecklichste Verbrechen befohlen hat? In Misch scheint nichts vorzugehen, diese Frage stellt er sich nicht. Seine Frau, tüchtig und ehrgeizig, bildet sich fort, wird nach dem Krieg Lehrerin, Schulleiterin und zieht für die SPD ins Berliner Abgeordnetenhaus ein. Mit der gemeinsamen Tochter findet Rochus Misch kein gutes Verhältnis mehr, und das liegt nicht bloß an der zehnjährigen Kriegsgefangenschaft, die viele Familien zermürbt hat. Die Tochter nimmt dem Vater auch den Dienst für Hitler übel. Es muss ständigen Anstoß gegeben haben, über die eigene Vergangenheit nachzudenken. Und doch bringt Misch nicht zur Sprache, was es für ihn bedeutet, Leibwächter Hitlers gewesen zu sein. Immer ruhig und sachlich. Nicht persönlich jedenfalls. Ein solches Buch gehört zu den Bestsellern dieses Sommers, seit Wochen. STEPHAN SPEICHER
ROCHUS MISCH: Der letzte Zeuge. „Ich war Hitlers Telefonist, Kurier und Leibwächter”. Unter Mitarbeit von Sandra Zarrinbal und Burkhard Nachtigall. Mit einem Vorwort von Ralph Giordano. Pendo Verlag, Zürich und München 2008. 336 Seiten, 19, 90 Euro.
Rochus Misch, Jahrgang 1917, ist der letzte noch lebende Zeitzeuge von Hitlers Selbstmord. Hier spricht er während der Präsentation einer Informationstafel über den Führerbunker in Berlin mit Journalisten. Foto: AP Photo/Markus Schreiber
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Dass dieses Buch so erfolgreich ist, bereitet Stephan Speicher Kopfzerbrechen. Wie kann das sein?, fragt sich der Rezensent. Speicher findet, was er hier liest, weder gründlich noch scharfsinnig noch packend geschrieben, und Neues über den Nationalsozialismus erfährt er ebenso wenig wie unveröffentlichte Bekenntnisse des Führers. Ist es, weil der Leibwächter und Telefonist Rochus Misch der letzte Überlebende aus Hitlers Führerbunker ist? Ratlos blickt Speicher auf das hier vermittelte Hitler-Bild: Hitler - ein ruhiger, sachlicher Chef. Und dann geht es ihm auf: Es ist gerade das Unspektakuläre des Zeitzeugen Misch, das die Leser anzieht, seine eigene ruhige und sachliche Art. Und Speicher weiß nicht, was ihn mehr verwundert, ja erschreckt: Ein Autor, der so ein Buch schreibt und dabei weder Gefühle noch Gedanken zeigt noch eine Vorstellung davon vermittelt, was es heute für ihn bedeutet, Hitlers Leibwächter gewesen zu sein. Oder der Umstand, dass sein Buch im Jahr 2008 ein Bestseller werden konnte.

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