Eine Poetische Prosa von düsterer Schönheit
Die letzte Lebensnacht Hölderlins vor seinem Tod am 7. Juni 1843. Den Namen Scardanelli hatte er sich selbst gegeben, als er - schon geistig verwirrt - seinen schwäbischen Namen nicht mehr ertrug. 1802, mit 32 Jahren, brach die Geisteskrankheit aus und das »Ende in vollkommener Hoffnungslosigkeit« war absehbar.
In dieser letzten Nacht, die Schünemann aus der Ich-Perspektive des geistig Umnachteten imaginiert, verbinden sich in einem wirren Monolog Erinnerungsfetzen, Gedankensplitter und Gefühle zu einem Kaleidoskop aus »Worten und Bildern, die im Gehirn herumflattern wie die Schatten von Vögeln.« In einer einzigartig verdichteten Prosa wird das zerfallende Bewußtsein Hölderlins sichtbar.
Die letzte Lebensnacht Hölderlins vor seinem Tod am 7. Juni 1843. Den Namen Scardanelli hatte er sich selbst gegeben, als er - schon geistig verwirrt - seinen schwäbischen Namen nicht mehr ertrug. 1802, mit 32 Jahren, brach die Geisteskrankheit aus und das »Ende in vollkommener Hoffnungslosigkeit« war absehbar.
In dieser letzten Nacht, die Schünemann aus der Ich-Perspektive des geistig Umnachteten imaginiert, verbinden sich in einem wirren Monolog Erinnerungsfetzen, Gedankensplitter und Gefühle zu einem Kaleidoskop aus »Worten und Bildern, die im Gehirn herumflattern wie die Schatten von Vögeln.« In einer einzigartig verdichteten Prosa wird das zerfallende Bewußtsein Hölderlins sichtbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.12.2007Hölderlins Wahn
Hölderlin verbrachte die Hälfte seines Lebens im Tübinger Turm, umsorgt von der Familie des Schreinermeisters Ernst Zimmer, der den "Hyperion" bewunderte. Geblieben aus den Jahren seiner geistigen Verrückung sind gespenstisch inhaltsleere Briefe an die Mutter, die sein Vermögen verwaltete, und einfache Naturgedichte, die er wirr datierte und gerne mit "Dero unterthänigster Scardanelli" unterschrieb. Was war aus dem Dichter der großen, komplexen Elegien und Hymnen geworden? "Daß nirgend ein Unsterbliches mehr am Himmel zu sehn ist", war für Hölderlin kaum zu verschmerzen, und die erzwungene Trennung von Susette, der "Diotima" seiner Dichtung, nichts weniger als "ein Weltabschied", wie Peter Schünemann in den zwei seinen Hölderlin-Band "Scardanellis Gedächtnis" ergänzenden Essays pointiert. "Hölderlins wahre Weltverdunkelung" und seine allerspäteste "formelhafte Indolenz" liest er als "Abwendung von einer fremdgewordenen Welt, ein für allemal". Diesen Abgrund zwischen Welt und Mensch wird man sich kaum tief genug vorstellen können. Ihn füllte Peter Schünemann, Autor zahlreicher Texte etwa über Benn, Heym, Trakl, Robert Walser mit klugen Gedanken zum Werk und bereits 1982 mit seiner ganz eigenen Prosa: "Scardanellis Gedächtnis" ist nun die Neufassung seiner Hölderlin-Collage "Der Magister"; keine besitzergreifende Aneignung, eher eine expressive Gedächtnisspur im Spurlosen. Eine Gratwanderung, die wohl am besten am Stück zu lesen wäre, um seine Schatten zu werfen im Hölderlinuniversum, das Schünemann hier um ein weiteres lesenswertes Stück Prosa ergänzt. (Peter Schünemann: "Scardanellis Gedächtnis". Mit zwei Essays: Das andere Spätwerk; Hölderlins Schatten. Verlag C. H. Beck, München 2007. 110 S., geb., 14,90 [Euro].) HIR
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Hölderlin verbrachte die Hälfte seines Lebens im Tübinger Turm, umsorgt von der Familie des Schreinermeisters Ernst Zimmer, der den "Hyperion" bewunderte. Geblieben aus den Jahren seiner geistigen Verrückung sind gespenstisch inhaltsleere Briefe an die Mutter, die sein Vermögen verwaltete, und einfache Naturgedichte, die er wirr datierte und gerne mit "Dero unterthänigster Scardanelli" unterschrieb. Was war aus dem Dichter der großen, komplexen Elegien und Hymnen geworden? "Daß nirgend ein Unsterbliches mehr am Himmel zu sehn ist", war für Hölderlin kaum zu verschmerzen, und die erzwungene Trennung von Susette, der "Diotima" seiner Dichtung, nichts weniger als "ein Weltabschied", wie Peter Schünemann in den zwei seinen Hölderlin-Band "Scardanellis Gedächtnis" ergänzenden Essays pointiert. "Hölderlins wahre Weltverdunkelung" und seine allerspäteste "formelhafte Indolenz" liest er als "Abwendung von einer fremdgewordenen Welt, ein für allemal". Diesen Abgrund zwischen Welt und Mensch wird man sich kaum tief genug vorstellen können. Ihn füllte Peter Schünemann, Autor zahlreicher Texte etwa über Benn, Heym, Trakl, Robert Walser mit klugen Gedanken zum Werk und bereits 1982 mit seiner ganz eigenen Prosa: "Scardanellis Gedächtnis" ist nun die Neufassung seiner Hölderlin-Collage "Der Magister"; keine besitzergreifende Aneignung, eher eine expressive Gedächtnisspur im Spurlosen. Eine Gratwanderung, die wohl am besten am Stück zu lesen wäre, um seine Schatten zu werfen im Hölderlinuniversum, das Schünemann hier um ein weiteres lesenswertes Stück Prosa ergänzt. (Peter Schünemann: "Scardanellis Gedächtnis". Mit zwei Essays: Das andere Spätwerk; Hölderlins Schatten. Verlag C. H. Beck, München 2007. 110 S., geb., 14,90 [Euro].) HIR
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