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Es beginnt mit einem Sturz: Maria Fraulob, die früh verwitwete Ich-Erzählerin und Herstellerin von Schmuck, stürzt versehentlich mit einem Paar zusammen und fällt - der Mann im dunkelgestreiften Anzug ist ihr beim Aufstehen behilflich. Er und seine Begleiterin leben, wie sich bald herausstellt, in einer etwas verkommenen ländlichen Villa im Alten Land jenseits der Elbe, und die Frau lädt Maria zu sich ein. Zu besichtigen sind dort eine einzigartige Schuhsammlung und tropisch bepflanzte Vogelvolieren. Doch Maria zieht noch etwas anderes dort hin, hat sie sich doch Hals über Kopf in diesen charmanten Mann verliebt...…mehr

Produktbeschreibung
Es beginnt mit einem Sturz: Maria Fraulob, die früh verwitwete Ich-Erzählerin und Herstellerin von Schmuck, stürzt versehentlich mit einem Paar zusammen und fällt - der Mann im dunkelgestreiften Anzug ist ihr beim Aufstehen behilflich. Er und seine Begleiterin leben, wie sich bald herausstellt, in einer etwas verkommenen ländlichen Villa im Alten Land jenseits der Elbe, und die Frau lädt Maria zu sich ein. Zu besichtigen sind dort eine einzigartige Schuhsammlung und tropisch bepflanzte Vogelvolieren. Doch Maria zieht noch etwas anderes dort hin, hat sie sich doch Hals über Kopf in diesen charmanten Mann verliebt...
Autorenporträt
Brigitte Kronauer wurde am 29. Dezember 1940 in Essen geboren. Sie studierte Germanistik und Pädagogik und war bis 1971 als Lehrerin tätig. Bereits ihr erster Roman, 'Frau Mühlenbeck im Gehäus', der 1980 erschien, erregte große Aufmerksamkeit. Seither hat sie mehrere Romane, Erzählungen und Essays veröffentlicht. Ihr schriftstellerisches Werk wurde unter anderem mit dem Fontane-Preis der Stadt Berlin, dem Hubert-Fichte-Preis der Stadt Hamburg und dem Joseph-Breitbach-Preis ausgezeichnet. 2005 wurde ihr der Georg-Büchner-Preis verliehen, 2011 erhielt sie den Jean-Paul-Preis, 2017 den Thomas-Mann-Preis. Brigitte Kronauer ist am 22. Juli 2019 in Hamburg gestorben.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.12.2003

Das Echo macht einen Umweg

Vielleicht ist sie entzückt, vielleicht ist sie bedrückt, vielleicht auch ein bißchen verrückt. Wovon erzählt die Ich-Erzählerin in Brigitte Kronauers Roman "Teufelsbrück"? Von ihrer Verwandlung in einen Vogel. Wo gibt es denn sowas? In der Literatur. Der im Jahr 2000 veröffentlichte Roman ist Literatur über Literatur; für seine Verfasserin gilt immer noch, was sie 1974 über sich geschrieben hat: "Ich stelle mit literarischen Mitteln die Wirkung der Literatur auf das Leben dar." Bettina Clausen zitierte die frühe Selbstauskunft auf einer Marbacher Tagung der Reihe "Das literarische Portrait". Im Begriff des Porträts liegt die Abstraktion von der Zeit. Der Porträtmaler verfährt nicht erzählerisch. Tatsächlich gelang es in Marbach, die Methode der Schriftstellerin in elementare Kunstgriffe auseinanderzulegen, die dem gesamten Werk das Charakteristische geben.

Auf der ersten Seite von "Teufelsbrück" berichtet die Ich-Erzählerin, daß ihr im Einkaufszentrum ein Lied durch den Kopf ging, das Lied der Jorinde, die sich im Grimmschen Märchen in eine Nachtigall verwandelt. Der Nachhall ist fast alles, was sie an Vorgeschichte über den Zusammenstoß mit Leo, dem Mann der Erzzauberin Zara, mitteilt, aus dem die gesamte Romanhandlung hervorgeht. Unter dem Eindruck des Schmerzes des unwillkürlichen Übereinanderherfallens hörte sie die letzten Worte des Liedes, als kämen sie nicht mehr aus dem Kopf, sondern aus der Welt, "wie von fern": "Zuküth, ziküth, ziküth." Das Leben vollendet, was die Literatur begonnen hat. Ist diese Übertragung nicht Einbildung? Glaubt man, ein Vögelein habe sich im poetischen Moment ins prosaische Einkaufszentrum verirrt? Die Imitation des Grimmschen Liedes, das seinerseits dem Volksleben abgelauscht sein möchte, ist damit aber noch nicht beendet. Sie pflanzt sich in lautmalerischer Weise fort, mit dem Mittel des - unreinen, insofern lebensechten - Reims. Es erklingt ein Echo von "ziküth, ziküth". Oder doch nicht? Das Echo hört man erst hinterher. Das verhält sich hier zwar für den Leser so, der alles Erzählte nur im Modus des Nacheinander zur Kenntnis nehmen kann, wird aber, was die Situation, von der erzählt wird, betrifft, ausdrücklich für ungewiß erklärt. ",Wie blöd, wie blöd', wurde gleichzeitig oder in Wirklichkeit ganz in meiner Nähe geflüstert."

Ein Mann und eine Frau stoßen zusammen. Die Frau hört Vögel zwitschern, und die Begleiterin des Mannes beklagt mit unterdrückter Stimme das Peinliche der Situation. Warum soll sich das nicht gleichzeitig und in Wirklichkeit ereignen? Nimmt man die Erzählerin beim Wort, dann steht man vor einer erkenntnistheoretischen Alternative, der Entscheidung zwischen zwei Ordnungen der Ereignisse. In der Ordnung der Gleichzeitigkeit gäbe es nichts Wirkliches, nur das, was das Ich selbst in die Welt setzt. Die Wirklichkeit wäre dagegen mit dem Nacheinander zu identifizieren, das Leben mit der Literatur; alles Erzählen wäre insoweit realistisch. Gleichzeitig oder wirklich? Man liest weiter, ohne - wie blöd, wie blöd - die Entscheidung zu kennen. Die Autorin gab zu dieser Stelle die Erläuterung, daß sie nie konventionell beginne. Sie wolle den Leser brüskieren, ihn waffenlos in das Universum der Erzählung hineinziehen.

Daß der Autor, sofern lebend, anwesend ist und sein Porträt im Werden kommentieren kann, macht die eine Besonderheit der Tagungsreihe aus, die von der Stuttgarter "Akademie für gesprochenes Wort" getragen wird, einer Schule für Rundfunksprecher. Die andere Besonderheit ist, daß die zu interpretierenden Texte von Studenten der Akademie kunstgerecht zum Vortrag gebracht werden. Die konstruktivistische Ästhetik Brigitte Kronauers bürgte dafür, daß die Autorin als Auslegerin nicht falsch besetzt war. Niemand soll sprachlos vor diesem Werk stehen, auch seine Schöpferin nicht: "Es handelt sich bei meinen Romanen eben durchaus um Denkgebäude." Insofern "Teufelsbrück" von der Ich-Erzählerin einer Zuhörerin erzählt wird, in der sie am Ende Zara erkennt, scheint der stimmenreiche Roman nach dem mündlichen Vortrag zu verlangen. In Marbach bewährte sich das Verfahren, indem es zur Einsicht in seine Unangemessenheit führte. Die Interpreten neigten am Ende dazu, sich gegen die Wirklichkeit der Zuhörerin zu entscheiden, die eingebildete Zara als das gleichzeitig-unwirkliche Gegenüber der Erzählerin zu deuten, als ihr Spiegelbild. Brigitte Kronauers Bücher sind klassisch darin, daß sie wollen, daß etwas zu ihnen gesagt wird. Die Ursituation aber, deren Echo sie sind, ist der Solipsismus.

PATRICK BAHNERS

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Ein großer poetischer Roman über die Elbe, die Liebe und die Romantik in unromantischer Zeit." Reinhard Baumgart in der 'Zeit'

"Brigitte Kronauer spielt mit Brentano, Hoffmann und Nietzsche und richtet gleichzeitig ihren scharfen Blick auf die banalsten Dinge der Welt. Sie legt literarische Spuren, gibt Rätsel auf, lässt Wirklichkeit und Fiktion die Rollen tauschen." Kölner Stadt-Anzeiger

"Das vielschichtige Portrait eines weiblichen Bewusstseins ... so sprach- und bildmächtig, alltagsgesättigt und übermütig zugleich erzählt, wie das derzeit hier zu Lande nur wenige können." Holger Schlodder im 'Mannheimer Morgen'

"Eine Frau, die sich traut, vom Glück der Liebe zu erzählen ... Das Buch ist ein Glücksfall." Susanne Kunckel in der 'Welt am Sonntag'

"Mal mit knappstem Witz, mal mit satirischer Boshaftigkeit ... wird die Welt durch die Optik der Liebe gesehen ... ein Meisterwerk von romantischer Klugheit." Harald Jähner in der 'Berliner Zeitung'

"Ein Märchen, ein Krimi, eine Phänomenologie des Eros, eine Legende mit Heiligen und mit Teufeln ..." Andrea Köhler in der 'Neuen Zürcher Zeitung'

"Brigitte Kronauer beherrscht die rare Kunst, vom Glück der Liebe zu erzählen ... Selten war sie so souverän, so temperamentvoll, so witzig." Gunhild Kübler in der 'Weltwoche'

"Die 500 Seiten dieses Romans sind wahrer Trostlosigkeit abgetrotzt und machen uns diese doch vergessen. So muss Verführung aussehen." Julia Schröder in der 'Stuttgarter Zeitung'

"Faustdick sitzt der Autorin der Schalk im Nacken." Meike Fessmann in der 'Süddeutschen Zeitung'
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Ein Märchen, ein Krimi, eine Phänomenologie des Eros, eine Legende mit Heiligen und mit Teufeln, eine phantastische Liebesgeschichte. Jens Walter lehrerbibliothek.de 20220114
Maria lebt in einem Hamburger Vorort und in einer wohlgeordneten Welt. Diese Ordnung wird aufgehoben, als sie in einem Einkaufszentrum von Leo im wahrsten Sinne des Wortes umgehauen wird. Der ebenso charismatische wie undurchsichtige Finanzjongleur und vor allem seine Begleiterin Zara nehmen sie bald gefangen in einem Netz aus Intrigen und lustvollen Verstrickungen. Maria stürzt sich Hals über Kopf in ein Abenteuer mit Leo, doch von Anfang an ist klar, dass es kein gutes Ende nehmen wird.
Fast märchenhaft lässt Kronauer ihre Heldin an neun Abenden ihre Geschichte erzählen, wobei erst allmählich klar wird, wer eigentlich ihr Zuhörer ist. Intelligent und einfühlsam beschreibt die Hamburger Autorin die Verzauberung durch die Liebe und ihre Aufhebung durch einen Gewaltakt. (www.parship.de)

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Eine Eloge von Reinhard Baumgart! Man hört den Rezensenten förmlich aufatmen, dass hier endlich einmal wieder Literatur mit einem großen L verhandelt werden darf, nicht nur allfällig aufgemerkt werden muss auf die "jungen Routiniers und alten Könner". Es geht in dem neuen Roman der Hamburger Schriftstellerin um die unpassende Liebe einer Kronauerschen Heldin zu einem "weich brutalen" Latin Lover, bzw. um die Liebe schlechthin, das "Perpetuum mobile eines Sinnens, Jubelns, Zweifelns". Der "unerhört dichte Text" spinnt seinen Erzählfluss ein in Bilder und "Inbilder" voller Menschen und flüchtig-präzis wahrgenommener Beziehungen in Bahnhöfen, auf Bürgersteigen und in Einkaufszentren, schreibt Baumgart in seiner ausführlichen Rezension. Und gleichzeitig wird das Erzählen selbst aufgelockert und thematisiert durch Effekte der Mündlichkeit, denn die Protagonistin Maria Fraulob erzählt ihre Geschichte selbst. Aber wem erzählt sie sie? Nun, hier gibt es, so Baumgart, die "Chiffre" Zara, die "bis zum Ende nicht endgültig zu entziffern" ist: eine Frau, die alle Fäden, und vor allem den Latin Lover, in der Hand hat, eine "Liebesfee und -hexe", die im Alten Land residiert und ihren Besuchern in Volieren und Terrarien allerlei Gattungen und Begattungen vorführt. Sie könnte einfach eine "stinkreiche Spekulantin sein", aber vielleicht ist sie "Circe", "Frau Welt" oder "Frau Minne", spekuliert der Rezensent. Im Zusammenhang mit all dem Sinnlich-Übersinnlichen, das dabei zur Sprache kommt, hebt er besonders hervor "30 Seiten beispiellos gewagte und geglückte Prosa" - die Beschreibung des Leben Jesu auf einem "siebenflügeligen Altar" als "Tierfabel der Paare und Paarungen". Obwohl es am Ende natürlich böse ausgeht, sich alles in "monströse Komödie" verwandelt und irgendwo hoch in den Bergen zwei Schüsse fallen, ist der Rezensent hochzufrieden mit dem Roman. Zum Schluss versucht er noch eine Einordnung "dieses Außenseiterbuches" und meint, vielleicht ist die Kronauer ja die "hellere Schwester der finsteren Jelinek". Beide sind "unnachgiebig radikal", aber wo die "Alpendiva" mit "Hohn und Wut" reagiert, herrschen "Licht und Nachsicht" bei der Erzählerin von der Elbe.

© Perlentaucher Medien GmbH
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