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Arnes Nachlass erzählt die Geschichte eines Jungen, der schon früh das Unglück kennenlernte und im Alter von zwölf Jahren zu einer Pflegefamilie kommt. In ruhigen, atmosphärisch dichten Bildern entwickelt Lenz Stück für Stück das Psychogramm eines Jugendlichen, der Mühe hat, Anschluss an seine Altersgenossen zu finden und dennoch nach Nähe und Geborgenheit sucht.
»Sie beauftragten mich, Arnes Nachlaß einzupacken.« Hans, der Ich-Erzähler, kommt nicht umhin, die kleinen und großen Schätze zu sichten, die Arne Hellmer, dieser außergewöhnliche Junge, mit dem er zwei Jahre lang ein Zimmer
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Produktbeschreibung
Arnes Nachlass erzählt die Geschichte eines Jungen, der schon früh das Unglück kennenlernte und im Alter von zwölf Jahren zu einer Pflegefamilie kommt. In ruhigen, atmosphärisch dichten Bildern entwickelt Lenz Stück für Stück das Psychogramm eines Jugendlichen, der Mühe hat, Anschluss an seine Altersgenossen zu finden und dennoch nach Nähe und Geborgenheit sucht.
»Sie beauftragten mich, Arnes Nachlaß einzupacken.« Hans, der Ich-Erzähler, kommt nicht umhin, die kleinen und großen Schätze zu sichten, die Arne Hellmer, dieser außergewöhnliche Junge, mit dem er zwei Jahre lang ein Zimmer teilte, zurückließ. »Wie ein Eindringling in seine Welt, seine Tränen, seine verborgenen Hoffnungen« kommt sich Hans vor und entfaltet, angeregt durch die Fundstücke des Nachlasses, Arnes Geschichte.

Vor dem Hintergrund des Hamburger Hafens und seiner Werften gewinnt sein Leben nach und nach Kontur. In ruhigen, atmosphärisch dichten Bildern entwirft Siegfried Lenz das Psychogramm eines Jugendlichen, der das Unglück früh kennenlernt; eines Außenseiters, der verzweifelt nach Nähe und Geborgenheit sucht.

Autorenporträt
Siegfried Lenz, am 17. März 1926 in Lyck (Ostpreußen) geboren, begann nach dem Krieg in Hamburg das Studium der Literaturgeschichte, Anglistik und Philosophie. Danach wurde er Redakteur. Seit dem Erscheinen seines ersten Romans "Es waren Habichte in der Luft" im Jahre 1951 zählt er zu den profiliertesten deutschen Autoren. Seit 1951 lebt Lenz als freier Schriftsteller in Hamburg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.1999

Alle Tassen im Koffer
Siegfried Lenz sucht den bescheidenen Ton für "Arnes Nachlaß" / Von Harald Hartung

Der neue Lenz" - das war doch früher einmal ein wahres Medienereignis, Aufmacher aller großen Literaturblätter. Und wenn auch die Kritik zunehmend ihre Vorbehalte formulierte, am Zuspruch des Publikums war nie zu zweifeln. Dieser Pakt mit dem Publikum, den Siegfried Lenz sich wünschte, hielt über die Jahre. Es war der Autor, der ihn mit seinen letzten Romanen strapaziert hat.

"Die Klangprobe" (1990), die Geschichte eines Kaufhausdetektives, glitt ins allzu Biedere ab, und "Die Auflehnung" von 1994 laborierte an einer verschwommenen Zeitkonstruktion. Rückblickend möchte man sagen: Dem Autor schien das Sensorium für die Stimmigkeit des epischen Klangs abhanden gekommen. Er war wie ein Teekoster, der nach langen Berufsjahren seinen untrüglichen Geschmack verliert.

Nun ist in der Literatur die Zukunft immer offen, und Lenz, der ein erfahrener Autor ist, hat in seinem neuen Buch die Ansprüche klug zurückgenommen. Mit gut zweihundert Seiten ist "Arnes Nachlaß" eher eine längere Geschichte als ein Roman. Ja, man könnte das Buch nach Anspruch, Personal und Handlung durchaus eine Jugenderzählung nennen, die auch für Erwachsene geeignet ist. Es ist ein altmodisches Buch geworden, das trotz einiger aktueller Anspielungen und Details eine Welt zeichnet, die es nicht mehr gibt; was nicht unbedingt gegen Lenz sprechen muss. Und wenn das Buch aufs Ganze gesehen auch unbefriedigend bleibt, hat "Arnes Nachlaß" doch einen überzeugenden Beginn, den Marcel Reich-Ranicki in seiner Goethepreisrede auf Lenz bereits zu Recht gerühmt hat. In der Tat gelingt es Lenz, den Leser in die Gefühle und Gedanken des jungen Mannes hineinzuziehen, der den ramponierten Koffer mit den Dingen öffnet, die Arne, mit dem er zwei Jahre sein Zimmer teilte, hinterließ. Dabei rekapituliert Hans, der Ich-Erzähler, die Geschichte eines Jungen, der sein Lebenstrauma nicht bewältigen konnte: Arne, ein ungewöhnlicher und ungewöhnlich begabter Junge, der als einziger den Suizid seiner Familie überlebte, findet bei Hans' Eltern ein neues Zuhause, wenn auch nicht die völlige Heilung.

Die Zuneigung, die Arne gegenüber Hans empfindet, seine Liebe zu dessen Schwester Wiebke, sein inständiger Versuch, bei der Clique Aufnahme zu finden - all das reicht letztlich nicht aus: Arne bleibt fremd und gefährdet. Als er sich auf eine dumme und krumme Sache der von ihm bewunderten Clique einlässt und diese auffliegt, verschwindet er mit einem Boot auf der Elbe. Das alles ist bis etwa zur Hälfte des Buches umsichtig und stimmungsvoll erzählt: das tägliche Leben in der Familie, die Vorgänge auf der Abwrackwerft, die der Vater betreibt, und auch die Atmosphäre des Hamburger Hafens. Arne, der Fremde, Verletzliche, der so ganz anders ist als seine Altersgenossen, erhält etwas von der Aura eines verletzten Engels.

Doch je weiter die Geschichte fortschreitet, umso mehr verliert die Figur an Faszination; vielleicht auch das Interesse des Autors. Man begreift noch, dass Arne sich in die etwas ältere Wiebke verliebt und dass seine Schulleistungen nachlassen, als er ein Jahr überspringt und in Wiebkes Klasse kommt. Aber dann scheint ihm jede weitere Entwicklung versagt. Die fortgesetzte Behauptung seiner enormen Begabung wird nicht glaubwürdiger - es sei denn, man wollte Arnes Don-Quichotte-Lektüre oder das Pauken finnischer Vokabeln für Belege von Genialität nehmen.

Nun mag man es richtig finden, dass Lenz aus Arne kein Wunderkind machte. Der Versuch hätte auch seine Grenze am Ich-Erzähler Hans, dem der Autor nicht mehr Intelligenz und Psychologie mitgab, als einem normalen älteren Jugendlichen zukommt. Doch vielleicht hätte der Autor an der Emphase sparen können, mit der Hans den Verlorenen mit "Du" anredet. Sie steigert durchaus nicht die Teilnahme des Lesers. Eher überzeugt, wie Lenz unser Interesse auf die Familie lenkt, die im Schmerz um den Verlust zusammenrückt. Sogar Lars, der jüngere und etwas windige Bruder, scheint geläutert. Er sucht den über dem Nachlass sinnierenden Hans auf und legt Arnes Dinge an ihren alten Platz zurück. Die beiden rauchen eine Zigarette: "Zeit kam zurück, ohne dass etwas gesagt werden musste."

Dafür gibt Lenz uns den Kommentar an anderer Stelle, in seinem Essay über den Schmerz: "Der Schmerz eröffnet uns nicht nur unsere Ohnmacht und Verletzlichkeit, sondern lässt uns auch eine tröstliche Möglichkeit der Existenz erkennen - die Möglichkeit einer Bruderschaft im Schmerz."

Siegfried Lenz: "Arnes Nachlaß". Roman. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 1999. 208 S., geb., 29,90 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Das sensible Seelenbild eines einsamen Knaben, das zugleich das Drama des begabten Kindes in sich birgt."
Beatrice Eichmann-Leutenegger, Neue Zürcher Zeitung
"Die nur in zarten Andeutungen sich bewegende Schilderung der unerwiderten Neigung Arnes zu Wiebke, der Schwester des Erzählers, gehört zu den unvergesslichen Momenten dieses bewegenden Romans." Dieter Borchmeyer in der 'Zeit'

"Das sensible Seelenbild eines einsamen Knaben, das zugleich das Drama des begabten Kindes in sich birgt." Beatrice Eichmann-Leutenegger in der 'Neuen Zürcher Zeitung'
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Was Lenz in diesem Bändchen erzählt, gehört zum Anrührendsten, das deutsche Autoren in diesem Jahrzehnt geschrieben haben.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"In einer etwas zähen Kritik nennt Harald Hartung den Roman "ein altmodisches Buch", mit dem Lenz jedoch ein bißchen zu alter Größe zurückfinde. Es gelingt ihm überzeugend, die Gefühle des jungen Mannes darzustellen, der den Koffer öffnet, meint Hartung und zitiert zum Beleg Marcel Reich-Ranicki, der gerade diese Stelle auch sehr gelobt habe. Später verliere der Roman jedoch an Faszination. Vor allem Arnes besondere Intelligenz werde mehr behauptet als ausgemalt. Alles in allem: eine Jugenderzählung.

© Perlentaucher Medien GmbH"