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Was bedeutet Deutsch-Sein, was Europäer-Sein in einer Zeit, da die Weltordnung immer weniger vom Westen und von einer weißen Minderheit bestimmt wird? Die Herausforderungen der Einwanderungsgesellschaft und die weltweiten Veränderungen haben ein gemeinsames Gesicht: Europa muss einen Statusverlust verkraften. Das Ende weißer Dominanz bedeutet: Der Westen kann anderen seine Definitionen von Fortschritt, Entwicklung oder Feminismus nicht länger aufdrängen. Dem Leben in Pluralität muss ein Denken in Pluralität folgen. Von den Ängsten, die in dieser Umbruchphase entstehen, profitieren die Rechten.…mehr

Produktbeschreibung
Was bedeutet Deutsch-Sein, was Europäer-Sein in einer Zeit, da die Weltordnung immer weniger vom Westen und von einer weißen Minderheit bestimmt wird? Die Herausforderungen der Einwanderungsgesellschaft und die weltweiten Veränderungen haben ein gemeinsames Gesicht: Europa muss einen Statusverlust verkraften. Das Ende weißer Dominanz bedeutet: Der Westen kann anderen seine Definitionen von Fortschritt, Entwicklung oder Feminismus nicht länger aufdrängen. Dem Leben in Pluralität muss ein Denken in Pluralität folgen. Von den Ängsten, die in dieser Umbruchphase entstehen, profitieren die Rechten. Doch uns zu verändern, wird befreiend sein. Wir stehen an einer Zeitenwende. Dieses Buch ermuntert dazu, uns in der Welt neu zu verorten.
Ein sehr persönliches Plädoyer gegen Angst und Abschottung der weitgereisten Journalistin. Charlotte Wiedemann ist sich gewiss: Uns zu verändern, wird befreiend sein.
Autorenporträt
Wiedemann, CharlotteCharlotte Wiedemann ist Journalistin und Autorin. Als Auslandsreporterin in Ländern Asiens und Afrikas, vor allem der islamischen Welt, hat sie sich seit Jahren mit der Thematik »Wir und die anderen« auseinandergesetzt. Publikationen in 'Geo', 'Die Zeit', 'NZZ' u.a.; Kolumnistin der 'taz'. 2017 hat Charlotte Wiedemann den Spezial-Preis der Otto-Brenner-Stiftung für ihr Lebenswerk bekommen. Sie hat mehrere Bücher veröffentlicht.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.09.2019

Vielfältig "Der lange Abschied von der weißen Dominanz", wie ihn die langjährige Auslandsreporterin Charlotte Wiedemann in ihrem neuen Buch beschreibt (dtv, 288 Seiten, 18 Euro), stellt Anforderungen an alle, nicht nur an rechte Nostalgiker, die die ethnische Homogenität und die westliche Hegemonie früherer Zeiten wiederhaben wollen, sondern auch an kritische Kosmopoliten, deren Kenntnisse nicht immer mit ihren Prinzipien mithalten. Wenn es etwas gibt, das diese elegant geschriebenen kurzen Abschnitte von Reflexionen und persönlichen Erinnerungen zusammenhält, dann der Anspruch, in allen kulturellen, ethnischen und politischen Lagern die Ignoranz zu überwinden. Am Beispiel des Skandals, den einmal zwei syrische Schüler auslösten, weil sie ihrer Schweizer Lehrerin den Handschlag verweigerten, schreibt Wiedemann: "Konflikte lauern überall dort, wo sich zwei Seiten begegnen, deren kulturelle Bildung sich auf das eigene Milieu beschränkt. Also ein syrischer Junge, der nur die Sitten seiner konservativen Familie kennt, und eine europäische Lehrerin, die nicht weiß, dass sich ein beachtlicher Teil der Welt mit der rechten Hand auf dem Herzen grüßt, eine Geste der Wärme und des Respekts." Deshalb schließt das Buch mit einem Appell des Senegalesen Felwine Sarr. Europa "habe in den vergangenen fünfhundert Jahren viel gesprochen, nun müsse es das Zuhören lernen".

Si

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.01.2020

Der weite Weg zur Pluralität
Charlotte Wiedemann macht sich kluge Gedanken, wie die Abkehr von der weißen Dominanz gelingen könnte
Man hätte auch den Begriff „Herrschaft“ wählen können, und eine angriffslustigere Autorin hätte das wohl getan. Charlotte Wiedemanns Buch aber heißt „Der lange Abschied von der weißen Dominanz“, und je länger man darin liest, desto besser versteht man, warum das eine gute Entscheidung war. Denn während Herrschaft ein materielles, objektives Verhältnis beschreibt, ist Dominanz subtiler. Sie ist Anspruch und Gestus, Wirklichkeit und Ideal, vor allem aber ist sie häufig unbewusst und nicht reflektiert. Dominanz fühlt sich nicht immer an wie Herrschaft, die auch mit Kontrolle zu tun hat, und sie sieht nicht so aus. Sie ist deshalb komplexer zu beschreiben und infrage zu stellen – insbesondere wenn das die Dominanten selbst tun sollen. Dieser schwierigen Aufgabe widmet sich Wiedemann in ihrem überraschenden und aufschlussreichen Buch mit großer Genauigkeit und Aufrichtigkeit.
In den vergangenen zwei, drei Jahren sind einige mehr oder weniger gute Bücher erschienen, die für ein politisch interessiertes breites Lesepublikum erklären, wie genau sich weißer Rassismus in der Lebenswirklichkeit und Welterfahrung von Menschen anderer Hautfarbe niederschlägt. Der britische Bestseller „Warum ich mit Weißen nicht mehr über Rassismus spreche“ von Reni Eddo-Lodge stieß auch in Deutschland auf Resonanz, vor Kurzem veröffentlichte die deutsche Autorin Alice Hasters dazu eine Art Ergänzungswerk: „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“ Man könnte fast sagen, ein Genre ist etabliert.
Anders als Lodge oder Hasters hat Charlotte Wiedemann keine eigene Erfahrung mit rassistischer Diskriminierung, über die sie schreiben könnte. Sie ist, 1954 in Westdeutschland geboren, so weiß, wie es geht. Sie hat allerdings einen großen Teil ihres Berufslebens in afrikanischen und arabischen Ländern als Reporterin verbracht, kennt es also, „anders“ auszusehen und als eine „andere“ Art Mensch gesehen zu werden. Sie fragt, wie sich diskriminierende und rassistische Gesellschaften selbst schaden und sich von ihren Machtverhältnissen verabschieden können, ohne ihre Demokratiefähigkeit zu verlieren. Damit nimmt sie implizit Rekurs auf den Theoretiker Frantz Fanon, der die Herrschenden im kolonialen System als genauso gefangen analysierte wie die Unterdrückten.
Das ethnisch homogene Deutschland der 1950er-Jahre, nach dem sich rechte Nostalgiker zurücksehnen, bricht Wiedemann gleich am Anfang auf mit einer Beschreibung ihres Klassenfotos: „Wir hießen Erika, Hildegard, Sigrid, Peter, Norbert, Eberhard. Haarfarbe meist zwischen blond und hellbraun.“ Durch einen Zaun getrennt, spielten die Kinder im Schulhof neben denen von der evangelischen Schule und verhöhnen sie als „Effke“. Wiedemann schreibt dazu: „Für die Erziehung in einem ethnisch weitgehend homogenen Nachkriegsdeutschland waren Konfession und Geschlecht die beiden großen Merkmale der Unterscheidung. Wir können daraus lernen, wie zeitgebunden das ist, was wir als trennend empfinden.“ In diesem Ton, in dem sich Verwunderung und Schärfe angenehm mischen, ist ihr Buch großteils gehalten. Das hat den Effekt eines angenehmen Gesprächs, wobei zwischendurch wieder kurze analytische Einschübe kommen:
„Die deutschen Lande lagen stets dort, wo sich alle Wege und Kriegszüge kreuzten, in der Mitte des Kontinents; viele Völker Europas hinterließen ihre Spuren. Carl Zuckmayer nannte den Rhein die ‚größte Völkermühle‘. Diese ältere, uns eingeschriebene Heterogenität erkennen wir heute nicht mehr, vor lauter Aufregung über die Einwanderung neueren Datums.“
Stück für Stück arbeitet sich Wiedemann so von den Sechzigerjahren bis zu den Debatten der Gegenwart vor. Sie erörtert die Frage, ob man rassistische Sprache aus alten Büchern tilgen soll (nein) und ob es antifeministisch ist, Musliminnen das Kopftuch verbieten zu wollen (ja). In einem besonders luziden Absatz erklärt sie das Diskursjargonwort „People of Color“, so dass es wirklich endlich jeder versteht: „Es dient dazu, Solidarität zu stärken zwischen Menschen unterschiedlichen Herkommens, die sich als nicht-weiß verstehen und Diskriminierung erleben.“ Dass es nicht immer passt, verschweigt sie nicht.
„Der lange Abschied von der weißen Dominanz“ ist ein extrem kleinteiliges Buch: Die sieben Kapitel sind jeweils in viele Unterkapitel aufgeteilt, deren Überschriften Hashtags tragen. Die gehören eigentlich ins Internet und funktionieren hier schon deshalb nur halb: „#Verlust der Zentralperspektive“ – na ja. Wenn man sich aber an diese formale Entscheidung gewöhnt hat, stellt man fest: Die Fragmentierung ist ein sehr guter Weg, die multiplen persönlichen, politschen, globalen Konsequenzen rassistischer Verhältnisse zu beschreiben, die unsere Welt nun seit vielen Jahrhunderten prägen. Dominanz ist ein kompliziertes Thema.
MEREDITH HAAF
Charlotte Wiedemann:
Der lange Abschied von
der weißen Dominanz.
dtv München, 2019.
18 Euro.
E-Book: 14,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Eine sehr anregende Sammlung zu all den Themen und Texten, die sich rund um weiße Dominanz drehen. Catrin Stövesand Deutschlandfunk 20200217