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Wie lebt man weiter, wenn das Todesurteil aufgehoben zu sein scheint? Die englische Witwe Joyce Beddoes leidet an Leberkrebs und fliegt mit ihrer alkoholsüchtigen Tochter in die Schweiz, um dort »in Würde« zu sterben. In letzter Minute verweigert sie jedoch das tödliche Gift und verlässt die Sterbeklinik. Sie driftet durch Zürich, und während sie sich von ihrer Tochter immer mehr entfernt, geht es ihr von Tag zu Tag besser. Als die Ärzte den Tumor nicht mehr nachweisen können, glauben die Mitglieder einer katholischen Gemeinde an ein Wunder. Aber je mehr sich ihre körperliche Verfassung…mehr

Produktbeschreibung
Wie lebt man weiter, wenn das Todesurteil aufgehoben zu sein scheint? Die englische Witwe Joyce Beddoes leidet an Leberkrebs und fliegt mit ihrer alkoholsüchtigen Tochter in die Schweiz, um dort »in Würde« zu sterben. In letzter Minute verweigert sie jedoch das tödliche Gift und verlässt die Sterbeklinik. Sie driftet durch Zürich, und während sie sich von ihrer Tochter immer mehr entfernt, geht es ihr von Tag zu Tag besser. Als die Ärzte den Tumor nicht mehr nachweisen können, glauben die Mitglieder einer katholischen Gemeinde an ein Wunder. Aber je mehr sich ihre körperliche Verfassung bessert, desto entschiedener verweigert Joyce dieses geschenkte Leben ...- Will Self, brillanter Chronist der Neurosen unserer Zeit, erzählt von einer Frau, der die allgegenwärtige Sinnsuche in einer Extremsituation zur Farce gerät.

Autorenporträt
Will Self ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen Autoren Englands. Auf Deutsch erschienen von ihm zuletzt die Romane Dorian: Eine Nachahmung (2008), Die Kippe (2011) sowie bei Hoffmann und Campe Regenschirm (2014), der für den Man Booker Prize nominiert war, und Shark (2016). Will Self lebt in London.

Gregor Hens wurde 1965 in Köln geboren und lebt als Schriftsteller und Übersetzer in Berlin. Zuletzt erschien von ihm Nikotin (2010). Er übersetzte Werke von Marlon Brando, Leonard Cohen, Rawi Hage und Kurt Vonnegut.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.10.2015

Doktor
Hohl
Wie man einen Giftbecher leert:
Will Self ist in „Leberknödel“
ein sehr britischer Sterbehelfer
VON KRISTINA MAIDT-ZINKE
Dieses Buch birgt einige Überraschungen. Zunächst verblüfft die äußere Gestalt: Brevierformat, ein mattgoldener Einband, auf dem Autoren- und Titelzeile mit einer senkrechten grafischen Linie die Form eines Kruzifixes bilden. Im Inhaltsverzeichnis entsprechen die acht Kapitelüberschriften der Satzfolge von Requiem-Vertonungen, vom Introitus bis zur Communio. Sonderbar bis skurril kontrastiert die religiöse Anmutung mit dem Titel „Leberknödel“. Und dann steht da noch „Roman“, was im Impressum sogleich widerlegt wird: Der Text entstammt dem Band „Liver. A Fictional Organ with a Surface Anatomy of Four Lobes“ (Leber. Fiktionales Organ mit einer Oberflächen-Anatomie von vier Lappen), den der britische Schriftsteller Will Self 2008 veröffentlicht hat. Er enthält zwei Novellen und zwei Kurzgeschichten zum Thema „Leber“, und die hier vorliegende Novelle (denn um eine solche handelt es sich), die auch im englischen Original „Leberknödel“ heißt, ist sozusagen einer der vier „Lappen“.
  Will Self, Jahrgang 1961, Oxford-Absolvent in Philosophie und ehemaliges Mitglied der Punkband „The Abusers“, ist Journalist, Zeichner, Satiriker sowie Autor fantastischer und grotesker Prosa. Er gilt als Spezialist für zeitgenössische Neurosen, aber auch für literarisch fruchtbar gemachte Drogenerfahrungen. Bei uns ist er zuletzt mit dem Roman „Regenschirm“ (2014) in Erscheinung getreten, der es 2012 auf die Shortlist zum Booker Prize geschafft hat. Das war eine wilde und überbordende, im Vergleich zu manch früherem Werk jedoch überzeugend strukturierte Mischung aus Psychiatrieroman und Jahrhundertpanorama. In der kleinen Form, so scheint es nun, kann Self seine Qualitäten noch besser zur Geltung bringen. Der Leberknödel ist ein seltsames und irritierendes Gebilde, so amüsant wie erschütternd, und eben deshalb ein hochsolides Stück Literatur.
  Joyce Beddoes, eine siebzigjährige Witwe aus Birmingham, die unheilbar an Leberkrebs erkrankt ist, fliegt nach Zürich, wo sie das spezifisch schweizerische Angebot eines begleiteten Suizids in Anspruch nehmen will. Diese Entscheidung ist auch ein Resultat ihrer beruflichen Prägung: In der Verwaltung eines Krankenhauses hat Joyce sich Strategien für geordnete und menschenwürdige Problemlösungen antrainiert. Mit ihr reist Tochter Isobel, eine lebensuntüchtige, alkoholsüchtige Mittdreißigerin, die ihre Mutter überredet hat, die letzten Stunden an der Limmat so komfortabel wie möglich zu gestalten.
  Der Autor kennt ganz offenbar, was er beschreibt – den stilvoll sterilen Chic eines namentlich genannten Viersterne-Hotels, die kühl-behäbige Lebensqualität des Finanzplatzes Zürich, womöglich gar die Usancen und das Ambiente einer professionellen Sterbepraxis. Doch seine Kunst besteht darin, das alles aus der Perspektive einer Mittelschicht-Pensionärin zu betrachten, die dabei ist, ihren Abschied von der Welt zu managen, mit den letzten Kräften, die ihr von Behandlungen geschwächter Körper, ihre von Erinnerungen und Ängsten heimgesuchte Seele noch mobilisieren können.
  Freilich besitzt Joyce Beddoes wie ihr Erfinder ziemlich viel von jenem Humor, den wir als genuin britisch schätzen und der das Absurde wie das Makabre mit eisigem Understatement zum Glänzen bringt. Deshalb folgen wir ihrer gruseligen Geschichte ohne Mühe, ja sogar mit Vergnügen – und werden vorerst belohnt. Im allerletzten Moment, als sie, mit Schokolade und Anti-Brechmittel präpariert, den Giftbecher leeren soll, den der fürsorgliche Dr. Hohl ihr überreicht hat, macht Joyce einen Rückzieher: Sie hat plötzlich keine Lust mehr auf Selbstmord, auch weil ihr klar wird, wie unverhohlen ihre Tochter auf das Erbe spekuliert. Sie entsorgt ihre Medikamente in der Hoteltoilette, schickt die hysterische Isobel in die Wüste und beschließt, sich völlig passiv zu verhalten. Was dazu führt, dass sie sich – unbeabsichtigt, doch medizinisch nicht ganz abwegig – immer besser fühlt und sich kontinuierlich ihre Autonomie zurückerobert.
  Aber schon lauert die nächste schräge Wendung: Durch Zufall gerät sie in katholische Kreise, namentlich an das etwas eigenartige Paar Ueli und Marianne, das sich alsbald ihrer annimmt. Wenig später vertauscht sie das teure Hotelzimmer mit dem Logis bei der Professorenwitwe Stauben, deren an Krebs verstorbene Tochter von der katholischen Gemeinde als Heilige verehrt wird. Und schließlich soll Joyce, deren mysteriöse Gesundung nun rasche Fortschritte macht, von der Diözese als ein Fall von Wunderheilung instrumentalisiert werden – nicht zuletzt als Waffe im religiösen Kampf gegen das Geschäft mit der Sterbehilfe. Sie aber, die an gar nichts glaubt, verweigert das Ansinnen ebenso wie zuvor den Giftbecher.
  Und nun folgt die erstaunlichste Phase dieser schwarzkomischen Schweizer Reise: In hinterhältig subtilen Sprachnuancen und Kippfiguren schildert Will Self einen seelischen Prozess, der darauf hinausläuft, dass Joyce Beddoes, auf unerklärliche Weise dem Krebstod entronnen, am Ende auch das geschenkte Leben verweigert. Nur kurz währt der euphorisierende Reiz zurückgewonnener Körperfreuden, etwa der üppigen Leberknödel-Mahlzeit in der „Kronenhalle“, während die Sexszene mit dem otternköpfigen Ueli schon stark ins Traurig-Groteske spielt.
  In einer Volte, die sich gleichsam unterschwellig ereignet, macht der Autor plausibel, dass eine Stadt wie Zürich, die landschaftlich wie ökonomisch aus dem Vollen schöpft, den Lebensüberdruss nähren kann. Zugleich konfrontiert er sein Vexierspiel aus Heilung und Erlösung, Humanismus und Sinnfindung mit der Glaubensresistenz seiner Heldin. Immer wieder durchsetzt er ihren Wahrnehmungs- und Erinnerungsstrom mit Bruchstücken aus dem Requiem-Text, den die langjährige Chorsängerin verinnerlicht hat. Als Ohrwurm begleitet er sie bis zu ihrer letzten, wohlüberlegten Entscheidung.
  Das ist aber noch nicht alles. Auf der Website des Autors (www.will-self.com) findet sich der unbedingt lesenswerte Essay eines Iren namens Paul Doolan. Er weist bis ins Detail nach, was keiner der englischen Kritiker bemerkt hatte: dass es sich bei den Zürich-Erlebnissen der Joyce Beddoes um eine camouflierte Wanderung auf den Spuren von James Joyce handelt, der dort 1941 starb und begraben wurde. Das reichert den intellektuell so nahrhaften Leberknödel um eine detektivische Dimension an – und macht neugierig auf die drei übrigen „Lappen“ des Liver-Bandes.
Die Mittelstands-Heldin ist nicht
ganz allein in Zürich unterwegs,
sie hat James Joyce als Begleiter
        
  
  
Will Self: Leberknödel. Roman. Aus dem Englischen von Gregor Hens. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2015. 208 Seiten, 18 Euro. E-Book 13,99 Euro.
„Leber. Fiktionales Organ mit einer
Oberflächen-Anatomie von vier Lappen.“
Foto: imago stock&people

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rezensent Tilman Urbach fühlt sich grotesk unterhalten bei Will Self. Dies, obgleich das Buch eigentlich zu dünn, die Figuren nicht wirklich unter die Haut gehen und Self mit den Themen Krebsdiagnose und Sterbehilfe nicht wirklich zum Wohlfühlen aufruft. Der schnoddrige Ton und die schiefen Sprachbilder im Text hält Urbach allerdings für passend zum Galgenhumor der todgeweihten Protagonistin, die dem Tod im letzten Moment doch noch von der Schippe springt, um auf den Spuren James Joyces durch Zürich zu spazieren, wie der Rezensent mitteilt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.10.2015

Giftiger als ein Schierlingsbecher

Vermutlich ist dieser schmale Roman deshalb so befremdlich, weil er einen Großteil unserer Vorstellungen mit, wie es scheint, diebischer Freude unterläuft - jene der Moral und des Geschmacks eingeschlossen. Die siebzigjährige Jo fliegt von Birmingham nach Zürich, um dort in einer Einrichtung für Sterbehilfe ihrem Leben ein selbstgewähltes Ende zu setzen. Jo leidet, wie die Ärzte ihr prognostiziert haben, unheilbar an Leberkrebs. Wer sich kurz noch einmal den Titel des Romans in Erinnerung ruft - "Leberknödel" -, der mag eine Vorstellung von Selfs Provokationslevel haben.

Dass Jo den Giftbecher in letzter Sekunde ablehnen wird, ist nicht sonderlich überraschend. Schon im Flugzeug in die Schweiz hat sie sich mit Absturzängsten gequält, was sie an ihrer Entschlossenheit zum Sterben zumindest zweifeln ließ. Vor allem scheint es die Geringschätzung ihrer Tochter zu sein, von der Jo sich zwar begleiten lässt, die sie aber für faul, dicklich und raffgierig hält, die letztendlich den Ausschlag gibt, am Leben zu bleiben: So schnell will sie der verwöhnten Mittdreißigerin das Erbe nicht überlassen. Verkorkste Mutter-Tochter-Beziehungen haben eben die Eigenschaft, ungewöhnliche Entscheidungen zu bedingen.

Die Dynamik, die im gerade noch bewahrten Leben von Jo nun eintritt, ist allerdings eher ungewöhnlich. Die bisher siechende, inkontinente, nicht ohne eine hohe Dosis von Schmerztabletten auskommende Patientin verwandelt sich innerhalb kurzer Zeit in eine blühende alte Dame. Ein Wunder? Das jedenfalls wollen ihr ein paar eifrige Katholiken weismachen, deren Hauptanliegen indes darin besteht, den frevelhaften Machenschaften des Freitod-Instituts ein Ende zu bereiten. Ein wenig magischen Realismus scheint Will Self seinem Roman tatsächlich beigegeben zu haben, um diesen schließlich aber mit scharfem säkularem Besteck zu sezieren. Nachdem Jo sich hoffnungsvoll für das Leben entschieden hat, führt Self genüsslich dessen alltägliche Erbärmlichkeit vor Augen. Wie zu erwarten war, überzieht dieser Autor die Geschichte der vermeintlichen Wunderheilung einer sterbenskranken Freitod-Kandidatin wieder einmal mit seinem handfestem Zynismus. Wofür also die ganze Qual? Von Will Self ist keine Antwort zu erwarten. Oder vielleicht doch: Die Kapitel hat er nach der Satzfolge eines Requiems überschrieben. Von einer Lebenden hat er also schon längst nicht mehr erzählt.

WIEBKE POROMBKA.

Will Self: "Leberknödel". Roman.

Aus dem Englischen von Gregor Hens.

Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2015. 208 S., geb., 18,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Der Leberknödel ist ein seltsames und irritierendes Gebilde, so amüsant wie erschütternd, und eben deshalb ein hochsolides Stück Literatur.« Kristina Maidt-Zinke Süddeutsche Zeitung, 13.10.2015