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Die beiden Auftragsmörder, die sich diese Frage stellen, fahren mit dem Auto durch die Nacht zur nächsten Küste. Im Kofferraum liegt der 29. Nordafrikaner, den sie für einen unbekannten Auftraggeber umgebracht haben und den sie in die Meerenge werfen wollen. Es ist ein Job wie jeder andere, nur lohnenswerter als gewöhnlich im krisengeplagten Spanien.Ein rasanter Dialog-Roman, der zwischen blauäugigen, populistischen Ansichten sowie feinen, philosophischen Betrachtungen pendelt. Dieses Buch ist heute so aktuell wie nie zuvor.

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Produktbeschreibung
Die beiden Auftragsmörder, die sich diese Frage stellen, fahren mit dem Auto durch die Nacht zur nächsten Küste. Im Kofferraum liegt der 29. Nordafrikaner, den sie für einen unbekannten Auftraggeber umgebracht haben und den sie in die Meerenge werfen wollen. Es ist ein Job wie jeder andere, nur lohnenswerter als gewöhnlich im krisengeplagten Spanien.Ein rasanter Dialog-Roman, der zwischen blauäugigen, populistischen Ansichten sowie feinen, philosophischen Betrachtungen pendelt. Dieses Buch ist heute so aktuell wie nie zuvor.
Autorenporträt
Carlos Eugenio López wurde 1954 in León, Spanien, geboren. Mit seinen preisgekrönten Romanen, sowie seinen Erzähl- und Lyrikbänden gehört er zu den originellsten und provokantesten Schriftstellern Spaniens. López, der seine Heimat in den siebziger Jahren verließ, lebt heute, nach längeren Aufenthalten in Frankreich, den USA und England, in Griechenland.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.06.2007

In achtzig Phrasen um die Welt
Carlos Eugenio López erzählt von Killern, die zu viel reden

Eigentlich ist es nur ein Job; kein schöner, aber ein lukrativer. Und irgendjemand muss ihn erledigen. Tote gibt es so oder so. Neunundzwanzig sind es bislang, allesamt Einwanderer aus dem nördlichen Afrika. Aus Ganovensicht ist das nicht viel, zumal im Vergleich zu den Zehntausenden, die in Spanien leben. Und wie viele allein beim Versuch umkommen, die Grenze illegal zu überqueren, weiß man ohnehin nicht. Auf jeden Fall dürften es viel mehr als die drei Handvoll sein, die es diesen Sommer erwischte. Kein Reporter fragt nach, kein Staatsanwalt setzt eine Untersuchung in Gang. Darum ist das Geld so leicht nie wieder verdient, weshalb man die Chance nutzen sollte: Ein paar Morde sollten diesen Sommer schon noch drin sein. Die Auftraggeber werden sich erkenntlich zeigen.

"Abgesoffen" heißt der kurze, ausschließlich in Dialogform gehaltene Roman des 1954 geborenen Autors Carlos Eugenio López, der zu den schwärzesten, sarkastischsten und scharfsinnigsten Texten der spanischen Gegenwartsliteratur gerechnet werden kann. Der im Original bereits 2000 erschienene Roman entfaltet die Stimmen zweier Auftragsmörder, die Woche für Woche im spanischen Norden einen Maghrebiner entführen, in einer Badewanne ertränken und anschließend in die Meerenge von Gibraltar werfen, wo die Polizei die Leichen dann finden wird. Sinn der Aktion: die Migranten davor zu warnen, weiterhin nach Spanien zu drängen. Denn Spanien, so die Argumentation der Mörder, ist spanisch. Die Nordafrikaner haben ihr eigenes Land.

Die Leiche des jüngsten Opfers liegt im Kofferraum, die Männer unterhalten sich während einer dieser nächtlichen Fahrten Richtung Gibraltar. Trotzdem gelingt es López, diese Situation ins Exemplarische zu heben, den kruden Argumenten eine Logik abzulauschen, deren sich in Europa nicht nur in Rechtfertigungsnot geratene Auftragsmörder bedienen. Möglich wird das durch den Rekurs auf die Floskeln, Redewendungen und Gemeinplätze, wie sie oft anklingen, wenn sich Europäer über Flüchtlinge unterhalten.

Wo immer López, der seit langem in England lebt, die halbgaren Phrasen aufgeschnappt hat, aus denen sein Roman zusammengesetzt ist - das alles klingt eigentümlich bekannt und steht in seiner Belanglosigkeit für den Versuch, sich das gelegentlich aufkommende schlechte Gewissen vom Leib zu halten. Auch den Mördern ist nicht wohl bei ihrem Tun. Rechtfertigen, so ihre Hoffnung, lässt es sich trotzdem. Was soll man davon halten, wenn Afrikaner sterben? "Das sind Menschen", deutet der eine Killer seine Bedenken an. "Wie man's nimmt", antwortet der andere. "Sind Moros etwa keine Menschen?" - "Schon, aber nicht Menschen wie du und ich. Das ist so, als würde man sagen, Getafe ist ein Fußballclub. Das kann schon sein. Aber sind Madrid und Barcelona das deshalb auch? Nein, Madrid und Barcelona sind Madrid und Barcelona, und Getafe ist ein Haufen Hühnerkacke."

Was die vielen Themen und Anspielungen zusammenhält, ist die Trivialität des Stils, die Banalität eines aus aufgeschnappten Behauptungen zusammengesetzten Weltbilds, ergänzt durch Allgemeinplätze, welche die Killer für Lehren aus der Geschichte halten. "Schuld an unserer Misere", fasst einer der Gauner die Lage zusammen, "sind die achthundert Jahre, in denen die verdammten Moros hier waren." Das Bewusstsein, Unrecht zu tun, und der Unwille, es sich einzugestehen: López' Buch ist eine grandiose Illustration jener raffinierten Verdrängungstechniken, die Jean-Paul Sartre als "mauvaise foi" bezeichnete: Man weiß um seine Schuld, ziert sich aber, sie anzuerkennen.

Seite um Seite zeigt López, welches Reservoir dafür zur Verfügung steht, den Anschein der Selbstkritik zu wahren, sie aber tatsächlich nach Kräften zu unterlaufen. "Wenn man mitkriegen will, was in der Zeitung steht, muss man sie schon lesen", sinniert einer der Killer. Die, aus der die beiden ihr Wissen schöpfen, scheint nicht unbedingt zu den Qualitätsblättern zu gehören. Das Weltgeschehen aus der Perspektive pragmatischer Intelligenz: In wunderbar simplen Sätzen verkürzt sich die globale auf die persönliche Perspektive, erscheinen die großen politischen Dramen im Spiegel eines dekadenten Eros. Die Kubanerin und die Bosnierin stehen für billigen oder erzwungenen Sex, und von der Kapitalismuskritik führt eine schnurgerade Linie zu den Konsequenzen, die sich daraus für die Prostitution ergeben: "Eine Nutte, die sich nicht spezialisiert, kommt auf keinen grünen Zweig."

Der spanische Moralist Baltasar Gracián legte in seinem "Criticón" mit böser Lust die Heucheleien seines Zeitalters offen. Sein Landsmann Carlos Eugenio López folgt ihm dreieinhalb Jahrhunderte später mit nicht weniger schwarzem Sinn für die Abgründe der Moral. Doch während Gracián die Heucheleien seiner Mitmenschen am Ende geißelte, lässt López sie unkommentiert. Ungerührt lässt er die Unterhaltungen dahinplätschern, ohne einzugreifen. So wird es umso offensichtlicher, dass nicht das von Belang ist, worüber, sondern dass überhaupt gesprochen wird. Das Gespräch lenkt ab, wirft entscheidende Fragen nicht auf, sondern unterläuft sie, weshalb es nicht abbrechen darf und einen zentrifugalen Charakter annimmt, von Thema zu Thema eilt.

Entsprechend hoch ist das Tempo, in dem Lopez den Dialog über 180 Seiten hält, deren schwarzer Humor seinesgleichen sucht. Dass er auch im Deutschen so prägnant daherkommt, verdankt sich ganz wesentlich der Übersetzung Susanna Mendes. Sie hat das spanische Original in eine kunstvoll lapidare Sprache übertragen, eine Sprache, die zeigt, dass nichts banaler als das Böse ist.

KERSTEN KNIPP

Carlos Eugenio López: "Abgesoffen". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Susanna Mende. Verlag Kein & Aber, Zürich 2006. 190 S., geb., 18,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dies ist einer der "schwärzesten, sarkastischsten und scharfsinnigsten Texte" der spanischen Gegenwartsliteratur, lobt Kersten Knipp diesen Roman von Carlos Eugenios Lopez. Das Buch besteht aus einem durchgängigen Dialog zwischen zwei Auftragsmördern, die die Aufgabe haben, jede Woche einen in Spanien lebenden Maghrebiner zu ertränken und anschließend die Leiche in der Meerenge von Gibraltar zu entsorgen, um nordafrikanische Flüchtlinge abzuschrecken, wie der Rezensent erzählt. Dass die unter dem unentwegten Geschwätz der beiden Kriminellen liegende Dummheit und Gefühllosigkeit des europäischen Diskurses über Flüchtlinge deutlich hervortritt, macht für Knipp eine große Stärke des Romans. Die Killer haben sich zwar nur Banalitäten zu sagen, aber gerade daraus erschließen sich dem Rezensenten die ganzen verzwickten Techniken, mit denen Menschen ihr Unrecht zugeben, um es nur umso besser zur Seite drängen zu können. Lopez lässt den Dialog unkommentiert, lässt die Sprache vor den Inhalt treten und macht so auf Ungesagtes aufmerksam, schreibt Knipp und schickt auch ein Lob an die Übersetzerin Susanna Mendes: Ihre hervorragende Übersetzung rette den schwarzen Humor des Romans ins Deutsche.

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