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Über die jüngere Entwicklung der russischen Politik - ein kenntnisreiches, erhellendes Hörbuch von der vielfach ausgezeichneten Journalistin und ehemaligen Moskau-Korrespondentin Golineh Atai Seit dem "Anschluss" der Krim erfindet sich Russland neu: als eine Großmacht, die chauvinistisch spricht und aggressiv handelt. Das sagt Golineh Atai, die für ihre Berichterstattung aus Moskau vielfach ausgezeichnet worden ist. Sie erklärt die tieferen Gründe für eine Politik, die im Westen vielfach kaum wahrgenommen, in falsche Vergleiche heruntergebrochen oder einfach verdrängt wird. Die Wahrheit ist:…mehr

  • Format: mp3
  • Größe: 502MB
  • Spieldauer: 773 Min.
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Produktbeschreibung
Über die jüngere Entwicklung der russischen Politik - ein kenntnisreiches, erhellendes Hörbuch von der vielfach ausgezeichneten Journalistin und ehemaligen Moskau-Korrespondentin Golineh Atai Seit dem "Anschluss" der Krim erfindet sich Russland neu: als eine Großmacht, die chauvinistisch spricht und aggressiv handelt. Das sagt Golineh Atai, die für ihre Berichterstattung aus Moskau vielfach ausgezeichnet worden ist. Sie erklärt die tieferen Gründe für eine Politik, die im Westen vielfach kaum wahrgenommen, in falsche Vergleiche heruntergebrochen oder einfach verdrängt wird. Die Wahrheit ist: Russland sieht sich im Krieg. Und Russlands Aggression existiert darüber hinaus auch in alten und neuen globalen Medien, im Cyberspace, im Wirtschaftsraum. Eine der besten Kennerinnen Russlands erklärt, warum Russland die globale Ordnung offen herausfordert - in einer Zeit, in der die Fortdauer ebendieser Ordnung ungewiß ist.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, D ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Golineh Atai, geboren 1974 in Teheran, war von 2006 bis 2008 für die ARD als Korrespondentin in Kairo und von 2013 bis 2018 Korrespondentin in Moskau, danach arbeitete sie für den WDR in Köln. Seit 2022 leitet sie das ZDF-Studio in Kairo. Sie wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. als 'Journalistin des Jahres 2014', mit dem Peter-Scholl-Latour-Preis sowie dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis. Ihr Buch 'Die Wahrheit ist der Feind. Warum Russland so anders ist' (2019) war ein Bestseller. 2021 erschien ihr Buch 'Iran - die Freiheit ist weiblich'.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Sofia Dreisbach empfiehlt dieses Buch der ehemaligen Moskau-Korrespondentin der ARD, Golineh Atai, als erhellenden Einblick in die russische Propaganda-Maschinerie. Auf der Grundlage "akribischer" Recherche kann die Autorin einen Teil der vom Kreml in Umlauf gebrachten Mythen und Falschmeldungen widerlegen, auch wenn Atai selbst bekennt, sie sei angesichts der Menge erfundener Geschichten kaum nachgekommen. In den hier analysierten Jahren 2011 bis 2019  entdeckt die Kritikerin allerdings schon einen ganzen Haufen Putin'scher Geschichtsverfälschungen: So liest sie etwa nach, dass in den seit 2015 erscheinenden russischen Schulbüchern behauptet werde, ohne Stalin hätte es den "überragenden Sieg" im Großen Vaterländischen Krieg nicht gegeben. Auch Putins Narrative hinsichtlich der Krim- und Syrienpolitik oder den Nervengift-Anschlag in Salisbury kann Atai systematisch sezieren, erkennt die Kritikerin. Nicht zuletzt geben Atais Gespräche mit russischen Wissenschaftlern oder ehemaligen Angestellten russischer Troll-Fabriken Aufschluss über Putins Propaganda-System, schließt Dreisbach.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.2019

Russland befindet sich de facto im Krieg
Täglich frische Mythen aus dem Kreml: Golineh Atai seziert die Propagandamaschine Putins

Wladimir Putin ist seit zwanzig Jahren an der Macht. 1999 wurde der unbekannte Quereinsteiger und ehemalige Geheimdienstler überraschend Ministerpräsident. Dann war er acht Jahre lang Präsident, wieder Ministerpräsident, und nun ist Putin in seiner vierten Amtszeit russisches Staatsoberhaupt. Er hat eine Ideologie zementiert, die in der Innenpolitik und der Außenpolitik zur Richtschnur geworden ist. Für die Annexion der Krim gilt sie genauso wie für die Einmischung in den amerikanischen Wahlkampf, für den Krieg in der Ostukraine ebenso wie für die russische Beteiligung am Krieg in Syrien. Es ist eine "Ideologie der globalen Revanche": Imperialnationalisten bestimmen den politischen Diskurs und schüren die beständige Angst vor einer Bedrohung durch den Westen. Putin gibt sich als der "neue globale Anführer der Konservativen" - im Kampf gegen Feminismus, Homosexuellenrechte und "Chaos".

Mit welchen Mitteln Putin Russland in den vergangenen Jahren neu erfunden hat, beschreibt Golineh Atai in ihrem akribisch recherchierten und lesenswerten Buch bis ins kleinste Detail. Sie war bis 2018 fünf Jahre lang ARD-Korrespondentin in Moskau und wurde 2014 für ihre Berichterstattung über die Ukraine-Krise als "Journalistin des Jahres" ausgezeichnet. In ihrer Dankesrede sagte sie damals im ersten Jahr des Krieges in der Ostukraine, die meisten Journalisten in Russland begriffen sich "mittlerweile als Informationskrieger" - "und sie sehen auch mich als Informationskriegerin an".

Atai sagte, sie habe sich vorgenommen, "einfach Stück für Stück die tausend erfundenen Geschichten, Verdrehungen und Verschleierungen" zu widerlegen, die jeden Tag vom Kreml produziert würden. "Aber ich komme nicht nach."

In vier Kapiteln über die Jahre 2011 bis 2019 demontiert Atai die russischen Narrative zu den großen Themen dieser Zeit. Sie beschreibt, wie Putin die Wahrheit kontrolliert und "Erzählungen" vorgibt, "die das einheimische und ausländische Publikum an den Fakten zweifeln lassen". Die hauptsächlichen Waffen des russischen Präsidenten: Informationsmanagement und Medienkontrolle, Mythen, die russisch-orthodoxe Kirche und die "russische Geschichte". So forderte Putin eine Neuauflage der Geschichtsbücher unter der Prämisse, sie sollten die Liebe für und den Stolz auf das Vaterland fördern und Respekt für die Vergangenheit lehren.

In den 2015 erschienenen Schulbüchern wird Stalins Großer Terror zwar nicht verschwiegen, doch der Tenor lautet: Ohne Stalin gäbe es den überragenden Sieg im Großen Vaterländischen Krieg nicht, der neuerdings wieder im Selbstverständnis der Russen zementiert ist. "Mehrdeutigkeiten machen keine guten Mythen", schreibt Atai. "Und nur mit Mythen kann Protest und Demonstrationen gegen die Regierung vorgebeugt werden." Gleiches gilt für die Annexion der Krim. Nach dem "Referendum" zur "Wiedervereinigung der Krim mit Russland" im Februar 2014 zog Putin Vergleiche zur deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1990 - suggerierend, die Halbinsel hätte nach 1991 zur Russischen Föderation gehört.

Eine genaue Analyse würde das Narrativ der Zugehörigkeit nur stören, aber genau da setzt die Autorin Atai an, wenn sie zeigt, wie die Krim dem Zarenreich und später der Sowjetunion einverleibt wurde. Schon der exakte historische Rekurs zeigt, dass der Kreml Falschinformationen verbreitet. Es schmerzt die Autorin, dass die von Russland exzessiv betriebene Taktik der Desinformation auch in westlichen Ländern fruchtet. So teilten etliche ihrer Bekannten in den sozialen Medien fragwürdige russische Quellen, und Redaktionen fehle oft die Zeit, den floskelartigen und nachweislich falschen Dementis des Kremls eigene Nachforschungen entgegenzusetzen. "Die grundsätzliche Frage, wie in einem Informationskrieg Lügen einer Staatsführung berichtet, dargestellt, aufgedeckt werden können, wird nicht gestellt."

Eine systematische Entflechtung der Putin'schen Lügengebilde, wie sie Atai betreibt - sei es etwa in Bezug auf die Krim, auf Syrien oder auf den Nervengift-Anschlag in Salisbury -, bringt dagegen die erschreckende Willkür zu Tage, die in Russland herrscht, sei es in der Strafverfolgung, in den Medien, im Internet und in der Wirtschaft. Atai lässt immer wieder auch Menschen zu Wort kommen, die sie in ihrer Zeit als Korrespondentin getroffen hat. Neben Wissenschaftlern etwa ehemalige Angestellte der sogenannten Troll-Fabrik in Sankt Petersburg, von der aus massenhaft Falschinformationen im Netz gestreut werden.

Über Putin-Kritiker schreibt Atai: "Niemand ist sicher. Jeden kann es erwischen." Doch sie ist an keiner Stelle alarmistisch oder polemisch, jede ihrer Behauptungen untermauert sie mit Beispielen. Russland sehe sich de facto im Krieg. Im Grunde sei es sehr einfach: "Eine Weltmacht hat einen Kampf um Macht und Einfluss verloren. Sie will ihren verloren gegangenen Rang zurück - und macht dabei die gleichen Fehler, die einst zum Zusammenbruch seiner Führung und Einflusssphäre führten." Zwar nehme die Zufriedenheit der Bevölkerung mit Putin ab, und die anfängliche Begeisterung über Russlands Einmischung in der Ukraine schwinde, Atai hält es dennoch für unwahrscheinlich, dass nach Dutzenden gesetzlichen Einschränkungen der Versammlungs- und Meinungsfreiheit in den vergangenen Jahren bald eine Zeit offener Debatten anbrechen könnte.

Die Proteste gegen den Ausschluss von Kandidaten zur Wahl des Moskauer Stadtparlaments im September hat sie in ihrem Buch nicht mehr berücksichtigen können. Zehntausende gingen in den vergangenen Wochen trotz Verbots auf die Straßen, und das, obwohl die politischen Anführer der Demonstrationen zu großen Teilen (und aus vorgeschobenen Gründen) Arreststrafen absitzen. Das könnte Hoffnung auf eine Veränderung in Russland machen. Das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte und die mehr als tausend Verhaftungen untermauern dann allerdings wieder Atais Skepsis: "Viele Beobachter sehen in . . . autoritären Reflexen auf die Punktsiege der Liberalen eine typische Taktik des Kreml."

SOFIA DREISBACH

Golineh Atai: "Die Wahrheit ist der Feind". Warum Russland so anders ist.

Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2019. 384 S., br., 18,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.03.2020

Die äußere
und die innere Sicht
Angela Stent und Golineh Atai interpretieren
Russlands Politik auf sehr unterschiedliche Weise
VON FRANZISKA DAVIES
Putin, immer wieder Putin. Der Markt für Werke, die sich eine Zeitdiagnose über Russland zur Aufgabe machen, ist offenbar groß. Der Rowohlt Verlag hat voriges Jahr gleich zwei solcher Erklärbücher herausgebracht – mit sehr unterschiedlichen Perspektiven. Angela Stent, amerikanische Politologin und ehemalige Beraterin der US-Regierung, interessiert sich in ihrem fast fünfhundert Seiten starken Werk vor allem für russische Außenpolitik seit dem Ende der Sowjetunion. Sie beginnt mit der Frage nach Traditionen in der heutigen russischen Außenpolitik und bietet ihren Lesern dann einen breit angelegten Überblick über Russlands Beziehungen zu Europa, zur Nato, zur Ukraine, China, Japan, dem Nahen Osten und schließlich den Vereinigten Staaten von Amerika.
Wer nach einem solchen informativen Überblick über Russlands Beziehungen in der Welt sucht, wird in diesem Buch fündig werden. Die Anlage des Buches ist aber zugleich eine Schwäche, denn sie erlaubt es der Autorin kaum, bei wichtigen Fragen ins Detail zu gehen. Aus diesem Grund geht es tatsächlich fast immer um „Putins Russland“; die russische Gesellschaft und ihre Funktionsmechanismen kommen allenfalls in Ansätzen vor. Auf die Frage nach dem Wechselverhältnis zwischen Innen- und Außenpolitik geht Stent nicht ein. Die Konstruktion eines äußeren Feindes – seien es die USA, die Nato oder die Ukraine – erfüllt aber auch eine wichtige innenpolitische Funktion, nämlich die Konsolidierung von Putins Herrschaft. Genauso bleiben die Führungsriegen um Putin und deren Konkurrieren um Macht und Einfluss weitgehend unberührt.
Sehr erfreulich ist dagegen die Ausgewogenheit von Stents Analysen, sie vermeidet einfache Kausalitätsketten oder einseitige Schuldzuweisungen für die Verschlechterung der Beziehung etwa zwischen Russland und Europa. Ein Beispiel dafür ist ihre Analyse der Nato-Osterweiterung, wo sie einerseits darauf verweist, dass russische Befindlichkeiten besonders von Amerika nicht ernst genommen worden seien, andrerseits aber daraus auch nicht die einfache Schlussfolgerung zieht, dass die Beziehungen zwischen Russland und dem „Westen“ jetzt spannungsfrei wären, wenn den Staaten Ostmitteleuropas die Mitgliedschaft in der Nato verweigert worden wäre.
Schwächer ist Stents Kapitel über die „Last der Vergangenheit“, in welchem sie die Kontinuitäten in der russischen Geschichte herauszuarbeiten versucht und außerdem die gewagte Prognose aufstellt, dass sich Russland auch im 21. Jahrhundert nicht verändern werde. Dies gerät teilweise etwas holzschnittartig und führt zu einer fragwürdigen Exotisierung Russlands als eines zum Wandel unfähigen Landes. So attestiert Stent Russland einen stets virulenten „Drang“ zu expandieren und behauptet, dass Russland nie in der Geschichte „Gebietsverluste akzeptiert“ habe. In ihrer Lesart war der Zusammenbruch der Sowjetunion Ergebnis vor allem vom Unabhängigkeitsstreben nicht-russischer Völker. Dabei vergisst sie, dass es nicht nur die nicht-russischen Sowjetrepubliken waren, die sich vom sowjetischen Projekt abwandten. Auch in Russland vollzog sich eine Stärkung der Nation auf Kosten des sowjetischen Imperiums, die zum Ende jenes Imperiums mindestens beitrugen. Gebietsverluste wurden zu bestimmten Zeiten in der Geschichte durchaus akzeptiert. Die Unabhängigkeit etwa Usbekistans war für viele in der russischen Gesellschaft sehr viel einfacher zu akzeptieren als jene der Ukraine. Dies hängt weniger mit einem stetigen Expansionsdrang Russlands zusammen als mit der engen, aber gleichzeitig ausgesprochen konflikthaften Beziehung zwischen russischer und ukrainischer nationaler Idee.
Die Tendenz zur Vereinfachung schlägt sich teilweise auch in Stents Begrifflichkeiten nieder und zwar nicht nur, wenn es um Russland geht. Im Zusammenhang mit dem Nato-Bombardement Serbiens bedient die Autorin zum Beispiel das Bild des Balkans als „Hexenkessel“. Auch wenn es sich hier um eine Übersetzung aus dem Englischen handelt, so liegt doch die Vermutung nahe, dass es auch dem Original zeitweise an analytischer Schärfe fehlt. Dennoch bietet das Buch Lesern und Leserinnen, die auf der Suche nach einem Überblick zur russischen Außenpolitik seit 1990/1991 sind, einen guten Einstieg.
Eine ganz andere Perspektive auf das heutige Russland nimmt Golineh Atai ein. Atai, die für mehrere Jahre Korrespondentin der ARD in Moskau war und zeitweise in Kiew arbeitete, beginnt ihre Darstellung mit den Protesten oft junger Menschen gegen Putins erneuten Griff nach der Präsidentschaft im Jahr 2012. Denn hier, in der russischen Innenpolitik, sieht Atai den Schlüssel für die Entwicklungen der russischen Gesellschaft in den vergangenen Jahren. Putin, der grundsätzlich Proteste gegen korrupte und autokratische Regime als Produkte westlicher Einmischung sieht, begann ein solches Szenario auch für Russland zu fürchten. Um die eigene Herrschaft zu sichern, ging es fortan darum, die unzufriedene Mittelschicht zu „neutralisieren“. Zuvor „ultrakonservative Randfiguren“ wurden in den Staatsmedien und der Politik zunehmend einflussreicher, die von ihnen propagierte Ideologie, eine Mischung aus Orthodoxie, Sowjetnostalgie und einem gegen den Westen gerichteten russischen Neo-Imperialismus, wurde zum Mainstream. Die Porträts dieser Ideologieproduzenten sind eine besondere Stärke dieses dicht geschriebenen Buches.
Im Gegensatz zu Stents Buch werden hier zentrale Akteure der inneren und äußeren Radikalisierung des Putin-Regimes vorgestellt und ihre Netzwerke aufgezeigt. Zu ihnen zählt etwa Konstantin Malofejew, orthodoxer Oligarch, Förderer einer nationalimperialistischen orthodoxen Mission Russlands und eng verbunden mit Igor Girkin, jener Schlüsselfigur des russischen Angriffs auf die Ukraine, der schließlich recht freimütig über die zentrale Rolle russischer Truppen im Donbass plauderte.
Dadurch, dass Atai ihren Fokus auf die innere Wirkung des russischen Neo-Imperialismus legt, fällt ihr Urteil über die Bilanz von Putins Politik auch ganz anders aus als jenes von Stent. Denn Stent macht sich in gewisser Weise den Maßstab der russischen Regierung zu eigen und attestiert Putin letztlich einen erfolgreichen außenpolitischen Kurs, indem es ihm gelungen sei, Russland wieder als global player zu etablieren. Atai aber verweist auf die inneren Kosten dieser Außenpolitik, nämlich die Durchsetzung eines nationalistischen Autoritarismus, die Auswanderungswelle gerade junger und gut ausgebildeter Menschen und ein grundsätzliches Modernisierungsdefizit etwa bei der Infrastruktur und der Energieversorgung.
Was in den offiziellen russischen Diskursen außerdem auf der Strecke bleibt, kündigt Atai schon im Titel ihres Buches an: Die Wahrheit wird zum Feind. Die Konsequenzen beschreibt Atai immer wieder auch aus ihrer persönlichen Perspektive, also aus der Sicht einer Journalistin, für die nicht alles eine Frage der Interpretation ist, sondern die von der Existenz unhintergehbarer Fakten ausgeht. Ratlos sieht sie sich auch in Deutschland teilweise einem Publikum gegenüber, das ihren Berichten über staatliche Gewalt Russlands gegen die eigene Bevölkerung und gegen die Ukraine mit Skepsis oder gar Feindseligkeit begegnet. Atai weiß, dass es absolute Objektivität nicht geben kann, sieht darin aber keinen Grund, nicht mehr danach zu streben. Freilich hat die Lüge, die Mobilisierung von Menschen gegen vermeintliche innere und äußere Feinde nicht nur in Russland Konjunktur. Atai selbst verweist vor diesem Hintergrund auf die Entwicklungen in Donald Trumps Amerika. Deswegen ist der Untertitel des Buches – „Warum Russland so anders ist“ – so unverständlich wie ärgerlich. Worin liegt denn Russlands vermeintliche Andersartigkeit begründet?
Die USA sind ein Beispiel dafür, dass auch westliche Demokratien nicht vor dem Siegeszug des Postfaktischen gefeit sind. Der Unterschied zu Russland ist freilich, dass Amerika zwar eine defizitäre Demokratie, aber dennoch eine Demokratie ist.
Trotzdem hilft es nicht weiter, Russland als grundsätzlich anders zu exotisieren. In diesem Punkt treffen sich dann doch die sonst so unterschiedlichen Bücher von Stent und Atai. Anstatt eine Dichotomie zwischen „uns“ und „Russland“ zu konstruieren, wäre es hilfreicher zwischen denjenigen zu unterscheiden, die unabhängigen Journalismus attackieren und aggressiven Nationalismus propagieren und denjenigen, die nach wie vor kritischen Journalismus für ein hohes Gut halten. Solche Menschen gibt es in Russland genau wie in Deutschland und den USA – mit dem Unterschied, dass sie in Russland mit dem Rücken zur Wand stehen. Warum das so ist, zeigt Atais Buch eindrucksvoll, auch wenn hier die – trotz allem noch existenten – russischen Gegenkulturen etwas zu kurz kommen.
Franziska Davies arbeitet als Osteuropahistorikerin an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählt die Geschichte Russlands im 19. und 20. Jahrhundert.
Ein Problem beider Analysen:
Russland wird der Stempel
des Exotischen aufgedrückt
Russland sei anders als
der Westen. Doch worin liegt
diese Andersartigkeit begründet?
Angela Stent:
Putins Russland.
Aus dem Englischen von Heike Schlatterer, Jens Hagestedt, Thomas
Pfeiffer, Ursula Pesch, Andreas Thomsen und Karsten Petersen.
Rowohlt, Hamburg 2019. 576 Seiten, 25 Euro
Golineh Atai:
Die Wahrheit ist der Feind. Warum Russland
so anders ist.
Rowohlt, Hamburg 2019. 384 Seiten, 18 Euro.
Der Präsident macht sich ein Bild: Wladimir Putin im April 2019 in Sankt Petersburg beim Fernsehen.
Foto: Alexei Druzhinin/AFP
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Eine der besten Rußlandkennerinnen Deutschlands. Markus Lanz 20190612