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Welches Verhältnis unterhält das Abendland zu seiner eigenen Religion? Emmanuel Carrère stellt sich die Gretchenfrage. Er vertieft sich in die Anfänge des Christentums fragt nach der Kraft, mit der es gelingt, an Dinge zu glauben, gegen die der Verstand rebelliert, und eine revolutionäre Ethik zu vertreten, die den Schwachen zum Starken erklärt. Mal ironisch, mal mit dringlichem Ernst zeichnet Carrère das Fresko einer antiken Welt, die in vielen Zügen unserer heutigen ähnelt.Zwei Lebenskrisen stellen Emmanuel Carrère vor die Frage, wie Menschen an Dinge glauben können, die dem Verstand…mehr

Produktbeschreibung
Welches Verhältnis unterhält das Abendland zu seiner eigenen Religion? Emmanuel Carrère stellt sich die Gretchenfrage. Er vertieft sich in die Anfänge des Christentums fragt nach der Kraft, mit der es gelingt, an Dinge zu glauben, gegen die der Verstand rebelliert, und eine revolutionäre Ethik zu vertreten, die den Schwachen zum Starken erklärt. Mal ironisch, mal mit dringlichem Ernst zeichnet Carrère das Fresko einer antiken Welt, die in vielen Zügen unserer heutigen ähnelt.Zwei Lebenskrisen stellen Emmanuel Carrère vor die Frage, wie Menschen an Dinge glauben können, die dem Verstand entgegenstehen. Er begibt sich auf die Fährte des Revolutionärs Paulus und des Intellektuellen Lukas, zwei prägenden Gestalten des Christentums. Carrère zeichnet das Bild einer Welt, die vom Pragmatismus des Römischen Reiches beherrscht ist und doch durchdrungen vom Wunsch nach tieferem Sinn und Gemeinschaft. Immer wieder zieht er Parallelen zum 21. Jahrhundert, gleicht damalige (Un-)Glaubenspraxismit heutiger ab und füllt sein historisches Gerüst mit einem Nachdenken darüber, worin uns das Christentum mit seiner ungeheuren Umwertung der Werte (die Letzten werden die Ersten sein, Geben ist seliger denn Nehmen.) noch heute berühren kann, ob wir gläubig sind, oder nicht.Emmanuel Carrère verfolgt einen literarischen Weg, der sich über gängige Genredefinitionen hinwegsetzt. Mit seinen so dokumentarischen wie fiktionalen Texten gewinnt er eine zutiefst menschliche Perspektive auf seine Protagonisten und ihre Welt, verwebt seine eigene Lebensgeschichte mit der historischen Darstellung und konfrontiert den Leser mit den unendlichen Facetten des Glaubens und Nichtglaubens. Ob ablehnend oder bejahend: An den Fragen nach den christlichen Werten, die dieser Roman auf wirft, kommt heute niemand vorbei.
Autorenporträt
Emmanuel Carrère, 1957 in Paris geboren, lebt als Schriftsteller, Drehbuchautor und Filmregisseur in Paris. Seine genresprengende Prosa wird in über 20 Sprachen übersetzt und wurde vielfach international ausgezeichnet, z.B. mit dem Prix Renaudot 2011, dem Europäischen Literaturpreis 2013, dem Premio FIL 2017 oder dem Prinzessin-von-Asturien-Preis 2021. Bei Matthes & Seitz Berlin erschienen die Dokumentarromane Der Widersacher, Alles ist wahr, Ein russischer Roman, Limonow und Das Reich Gottes sowie mehrere Essays.  Claudia Hamm, geboren 1969, ist Regisseurin, Autorin von Theatertexten und Essays und Literaturübersetzerin, v.a. von Emmanuel Carrère, aber auch Mathias Énard, Édouard Levé, Nathalie Quintane, Ivan Jablonka, Joseph Ponthus, Joseph Andras. Für ihre Übersetzung von Carrères Das Reich Gottes wurde sie für den Übersetzerpreis der Leipziger Buchmesse nominiert und erhielt den Übersetzerpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft 2016. 
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Wie glauben? Um diese Frage kreist das vorliegende Buch, erklärt Rezensentin Hanna Engelmeier. Sich diese Frage eindringlich zu stellen, dazu habe der Autor Emmanuel Carrère allen Grund, erfahren wir weiter: Im Zuge einer Lebenskrise wandte er sich in den 90ern Trost suchend dem Christentum zu, scheiterte aber daran, gläubig zu werden, was zur vorliegenden Auseinandersetzung mit den Lebensstationen zahlreicher, für den christlichen Glauben maßgeblicher Persönlichkeiten führte. Was sie selbst davon hält, bleibt jedoch unklar. Dass sie das Buch im folgenden eher lakonisch abhandelt - der Autor suche vor allem unexotische Orte auf, sein Fazit aus dieser Auseinandersetzung mit dem Glaube falle recht lapidar aus - lässt jedoch auf eine wenig ersprießliche Lektüre schließen. Ausdrückliches Lob findet immerhin die Übersetzung von Claudia Hamm.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.03.2016

Macht
euch
bereit!
Der französische Autor
Emmanuel Carrère erzählt
vom frühen Christentum
und von seiner eigenen
spirituellen Suche
VON ALEX RÜHLE
Ein Agnostiker, der einen weit ausgreifenden Roman über die Anfänge des Christentums schreibt. Der sich darüber hinaus nicht entblödet, eine eigene Sinn- und Schaffenskrise in diesen Text einzuweben, während er versuchte, sich durch den Glauben zu retten, täglich im Neuen Testament las, jeden Morgen zur Messe ging, strenges Bibelstudium betrieb. Das kann ja heiter werden. So eine Mischung aus „Quo vadis“ und sinnstiftendem Ratgeber.
  In Frankreich muss man sich erst recht gewundert haben: Emmanuel Carrère? Der hat doch zuletzt mit „Amok“ die beklemmende Chronik eines fünffachen Mordes und seiner irrwitzigen Vorgeschichte vorgelegt, die sehr unheimliche, hervorragend recherchierte Biografie über einen französischen Hochstapler, der 15 Jahre lang als Arzt und Forscher durchgegangen war; als seine Lüge aufflog, erschoss der charmante Mann seine Frau, die drei Kinder und seine Eltern. Danach schrieb Carrère eine ähnlich eindrückliche und abgründige Romanbiografie über den russischen Schriftsteller, Nationalbolschewisten und Mystiker Eduard Limonow. Jetzt also „Le Royaume“. Das klingt erst mal wie eine dieser Sci-Fi-Sagas, in denen Weltraum-Hightech mit Mittelalter verschmilzt.
  Stattdessen Paulus und Lukas. Die zweite Hälfte des ersten Jahrhunderts. Und minutiöse Textexegese: Apostelgeschichte, Lukasevangelium, Paulus’ Briefe an die ersten Gemeinden. Der Streit zwischen Jerusalem und dem bekehrten Paulus, der Jesus ja gar nie erlebt hat und dennoch durch seine feurigen Episteln zum Schriftführer der Geheimsekte wird. Die Etablierung des Abendmahls, das Wunder, dass aus dieser apokryphen, angefeindeten, zersprengten Gruppierung eine Weltreligion wurde – kurzum Themen, die man in spirituellen Nischenverlagen vermutet, publiziert in unverkäuflichen Broschüren. Es begab sich aber zu der Zeit, im Sommer 2014, dass aus einem einzelnen Manuskript viele Tausend Bücher wurden, „Das Reich Gottes“ schoss auf Platz eins der französischen Bestsellerlisten.
  Carrère lockt seine Leser in diese ferne Zeit und fremde Gesinnungswelt, indem er mit seiner eigenen metaphysischen Sehnsucht und spirituellen Suche Anfang der Neunzigerjahre beginnt, einer Phase, in der er exerzitienartige Tagebücher führte, auf deren bigotten Ton er heute nur mit ironischem Befremden reagieren kann. Das ist deshalb so geschickt, weil er so einerseits signalisiert, dass er sich intensiv mit seinem Material beschäftigt hat, und gleichzeitig Entwarnung gibt: Ich werde euch nicht bekehren, schließlich bin ich selbst Agnostiker. Gleichzeitig tappt er aber auch nicht in die Falle des dünkelhaften Intellektuellen, der allen Glauben mokant weglächelt, im Gegenteil: „Ich glaube nicht, dass ein Mensch von den Toten zurückgekehrt ist. Aber man kann es glauben, und dass ich es selbst geglaubt habe, weckt meine Neugier, fasziniert mich, wirft mich aus der Bahn. Ich schreibe dieses Buch, um mir nicht einzubilden, als Nichtmehrgläubiger mehr zu wissen als jene, die glauben, und als ich, da ich selbst noch glaubte. Ich schreibe dieses Buch, um mir selbst nicht zu sehr recht zu geben.“
  Angesichts dieses Bescheidenheitscredos ist es nur konsequent, dass Carrère das wenige, das wir zur Verfügung haben, nie mit hollywoodesk realistischen Sandalenszenen ausschmückt. Immer bleibt klar, dass hier einer Vermutungen anstellt, Sätze wie „Es erscheint mir plausibel“ oder „Mir gefällt folgende Möglichkeit“ bilden sein auktoriales Glaubens-Bekenntnis.
Ausgehend von der Apostelgeschichte, dem Lukasevangelium und Ernest Renans „Das Leben Jesu“, versucht Carrère, sich dem jungen Lukas an die Fersen zu heften, einem wortgewandten, griechischen Arzt, der hier zum Chronisten der Apostel wurde, weil ihn deren verrückte Lehre von der Umwertung aller Werte faszinierte. Die Schwachen werden die Starken, liebe deine Feinde. Paulus, dieser knorrige, unnachgiebige Mann mit dem lodernden Geist ist die Inkarnation dieser Umwertung, war er doch selbst einer der gnadenlosesten Christenverfolger, bis ihm auf der Straße von Damaskus Jesus erschienen ist.
Carrère stellt sich vor, dass Lukas Paulus eine Zeit lang auf dessen Reisen begleitet haben könnte. Er verortet seine beiden Helden in einer Kultur, die der unseren in manchem sehr ähnlich ist: Die Römer gingen an Glaubensdinge mit pragmatischem Kalkül heran, das an heutigen Laisser-faire-Laizismus erinnert: Lasst sie glauben, was sie wollen, solange sie Steuern zahlen, ist alles gut. Man zelebrierte Riten und opferte den Göttern, „aber man tat es etwa so, wie wir Weihnachten, Ostern oder Pfingsten feiern.“ Diesem Vakuum verdankte sich in Carrères Augen damals wie heute ein Interesse an den östlichen Religionen „und das Beste, was der Markt zu bieten hatte, war eben das Judentum“. Und plötzlich diese irrlichternden Typen, die sagen, der Messias sei schon da gewesen, gestorben, wieder auferstanden und er werde bald wiederkehren, macht euch bereit . . .
Diese theologisch euphorisierte Subkultur bettet Carrère tief ein in ihre Zeit, liefert eindrückliche Porträts von Nero, Vespasian und dem alten Seneca, der hier wie ein agnostischer Christ klingt. Vor allem aber schafft er es, in diesem merkwürdigen Zwitter aus Roman, philosophischem Essay, historischer Abhandlung und persönlicher Bilanz das nie zuvor Gehörte der Evangelien so herauszupräparieren, dass man das ungläubige Staunen damaliger Paulus-Leser nachempfinden kann. Wie gesagt, das könnte schnell nach Weihrauch riechen und nach Bekenntnisschwulst klingen, wäre da nicht dieser Humor, der immer wieder überraschend um die Ecke kommt, einmal sogar in Form eines New Yorker Taxis. Darin sitzen zwei berühmte Rabbis, die einander an devoter Bescheidenheit zu überbieten versuchen, ach Verehrtester, was bin ich schon, verglichen mit Ihnen . . . Irgendwann dreht sich der Taxifahrer um: „Seit zehn Minuten höre ich Ihnen zu, wie Sie einander als Nichtsnutze beschreiben. Aber was bin ich denn dann? Ein Garnnichtsnutz!“ Die Rabbiner halten verblüfft inne und raunen einander zu: „Was bildet denn der sich ein?“ Dazu Carrère: „Ich sehe Lukas als diesen Taxifahrer und Paulus als einen dieser Rabbis.“
Emmanuel Carrère: Das Reich Gottes. Aus dem Französischen von Claudia Hamm. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2016. 524 Seiten, 24,90 Euro. E-Book 19,99 Euro.
Es begab sich aber zu der Zeit,
im Sommer 2014, dass das Buch
die Bestsellerlisten erklomm
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»Man wird belohnt mit einem rasanten und lehrreichen Buch über das Christentum, die Bibelschreibung und den Glauben - und das ist ja eigentlich ein kleines Wunder.« - David Pfeifer, Süddeutsche Zeitung David Pfeifer SZ - Süddeutsche Zeitung Magazin 20170717