Lebendig erzählte deutsche Geschichte
Peter Wensierski hat als Journalist über die DDR, speziell über die wachsende Opposition berichtet. Nach eigener Aussage hat ihn fasziniert, dass auf den Fotos und in Filmbeiträgen von den Demonstrationen in Leipzig 1988/89 immer wieder eine Gruppe junger
Menschen in der ersten Reihe zu sehen war. Ihre Geschichte wollte er kennenlernen, und nach…mehrLebendig erzählte deutsche Geschichte
Peter Wensierski hat als Journalist über die DDR, speziell über die wachsende Opposition berichtet. Nach eigener Aussage hat ihn fasziniert, dass auf den Fotos und in Filmbeiträgen von den Demonstrationen in Leipzig 1988/89 immer wieder eine Gruppe junger Menschen in der ersten Reihe zu sehen war. Ihre Geschichte wollte er kennenlernen, und nach umfangreichen Recherchen und nächtelangen Interviews hat er viel Material zusammen getragen, und in diesem Buch die Geschichte der jungen Bürgerrechtler aufgeschrieben.
Die Rebellion vor dem später Wende genannten Zusammenbruch der DDR wird hier aus der Sicht junger Leipziger geschildert, die auf die Straße gingen, nachdem sie sich zuvor bei erfolgreichen Widerstandsaktionen den nötigen Mut geholt hatten. Die Protagonisten hatten nach eigener Aussage die Nase voll davon, eingesperrt zu sein. Sie lebten in besetzten Häusern im maroden Leipziger Osten, trafen sich in Hinterhöfen, diskutierten die Nächte durch. Untergrundzeitungen zirkulierten, es wurden Druckereien für Flugblätter eingerichtet, oder die Infrastruktur befreundeter Pastoren genutzt.
Die verschiedenen Gruppe vernetzten sich, provozierten die Staatsmacht und machten eine politische Radikalisierung durch. Die später berühmt gewordenen Treffen in der Nikolaikirche waren die Keimzelle, die jungen Leute eroberten sich die Straßen von Leipzig, und brachten mit Gleichgesinnten in der ganzen DDR das System schließlich zum Einsturz.
Die Rolle der Gruppen in Leipzig sollte nicht zu hoch angesetzt werden, aber für das Zusammenbrechen der kommunistischen Diktatur hatte die Messestadt mit ihrer besonderen Bedeutung für den Handel und das internationale Ansehen der DDR schon eine herausgehobene Bedeutung. Der Autor schildert auf wunderbar lebendige Weise das damalige Geschehen. Man erinnert sich an die Fernsehbilder und Zeitungsberichte, die man im Westen zur Kenntnis genommen hat.
Das Verständnis wird durch einen Stadtplan von Leipzig erleichtert, auf dem die wichtige Orte eingezeichnet sind. Ein Abspann schildert das Schicksal der Protagonisten nach dem Ende der DDR, und in einem Glossar werden Begriffe erläutert, die vor allem den westdeutschen Lesern nicht unbedingt geläufig sind. Schade ist, dass die eingehende Schilderung mit dem Musikfestival im Sommer 1989 endet. Das eigentliche Zusammenbrechen des Staates nach dem 40. Jahrestag der DDR-Gründung wird nur noch in einer kurzen Zusammenfassung geschildert. Dennoch ein wirklich informatives Buch, mit einem authentischen Blick hinter die Kulissen der damaligen Bürgerechts-Bewegung in Leipzig. Für politisch und historisch interessierte Leser ein Pflichtlektüre!