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Das 1871 gegründete Kaiserreich gilt häufig als Hort der Obrigkeitshörigkeit, des Chauvinismus und des Militarismus. Dabei war es zugleich eine Zeit des Aufbruchs in die moderne Massendemokratie. Es hatte eine kluge Verfassung, ambitionierte Reformen wurden auf den Weg gebracht, einer der größten Umbrüche überhaupt nahm entscheidend an Fahrt auf: die Frauenemanzipation. Bei diesen Tendenzen, so Hedwig Richter, handelte es sich nicht einfach um Ungleichzeitigkeiten. Die vom Ideal der Gleichheit motivierte Inklusion der Massen hatte ihren Preis in einer Reihe von Exklusionen: Antisemitismus,…mehr

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Produktbeschreibung
Das 1871 gegründete Kaiserreich gilt häufig als Hort der Obrigkeitshörigkeit, des Chauvinismus und des Militarismus. Dabei war es zugleich eine Zeit des Aufbruchs in die moderne Massendemokratie. Es hatte eine kluge Verfassung, ambitionierte Reformen wurden auf den Weg gebracht, einer der größten Umbrüche überhaupt nahm entscheidend an Fahrt auf: die Frauenemanzipation. Bei diesen Tendenzen, so Hedwig Richter, handelte es sich nicht einfach um Ungleichzeitigkeiten. Die vom Ideal der Gleichheit motivierte Inklusion der Massen hatte ihren Preis in einer Reihe von Exklusionen: Antisemitismus, Rassismus oder Misogynie. In ihrem Essay zeigt Richter, dass wir das 20. Jahrhundert mit seinen Extremen besser einordnen können, wenn wir die Reformzeit um 1900 in ihrer Komplexität begreifen.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, D, I ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Hedwig Richter, geboren 1973, ist Professorin für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität der Bundeswehr München. 2020 wurde sie vom Wissenschaftskolleg zu Berlin mit dem Anna-Krüger-Preis ausgezeichnet. Ihr Buch Demokratie. Eine deutsche Affäre (C. H. Beck 2020) stand auf der Shortlist des Bayerischen Buchpreises.

Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Georg Simmerl liest Hedwig Richters neues Buch als Ableger von Richters kontrovers aufgenommenem Demokratie-Buch. Wieder gehe es laut Simmerl um die ambivalente Gesellschaft des Kaiserreichs und Reformen und Inklusionsprozesse, die laut Richter in die moderne Massendemokratie geführt haben. Simmerl lobt den präzisen Stil und das genaue Lektorat und folgt der Autorin bei der Herausarbeitung von Themen und Begriffen, wie Rassismus, Antisemitismus, Populismus, Misogynie, die direkt in die Gegenwart leiten. Für Simmerl ein unheimlicher Effekt. Trotz einiger "Einseitigkeiten" ist das Buch für ihn instruktiv.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.04.2021

Schillernd
Hedwig Richter wurde mit Thesen über die Fortschrittlichkeit des deutschen Kaiserreichs
zur umstrittensten Historikerin des Landes. Nun erscheint ihr neues Buch zum Thema
VON GEORG SIMMERL
Hedwig Richters Versuch aus dem vergangenen Jahr, den Deutschen die Genese ihrer Demokratie als Fortsetzungsgeschichte des Fortschritts mit vermutlich gutem Ausgang näherzubringen, hat sie populär gemacht – und zur umstrittensten Historikerin des Landes. Doch während Richter, Professorin an der Münchner Universität der Bundeswehr, mit „Demokratie. Eine deutsche Affäre“ in den Sachbuch-Bestenlisten landete und den „Anna-Krüger-Preis“ für verständliche Wissenschaftssprache erhielt, attestierten ihr Journalistinnen und Journalisten, den Abgründen deutscher Geschichte auch sprachlich nicht gewachsen zu sein. Und auch unter den Ordinarien der Geschichtswissenschaft wurden die Reaktionen gereizter.
Der Marburger Historiker Eckart Conze etwa profilierte im Januar in der Zeit das Kaiserreich als Obrigkeitsstaat. Richters weichgezeichnetem Bild, so Conze, fehle jene kritische Distanz zum Kaiserreich, die bislang ein Zeichen für die Liberalisierung der Bundesrepublik gewesen sei. Beim Aufeinandertreffen der beiden im SWR-2-Radio warf ihm wiederum Richter vor,„Pickelhaubengeschichten“ zu schreiben. Mit „der Exotisierung des Kaiserreichs“ müsse aber endlich Schluss sein.
Richtig zur Sache ging es dann jedoch auf den Rezensionsportalen des Fachs. Auf H-Soz-Kult unterzog der Trierer Geschichtsprofessor Christian Jansen Richters Demokratiebuch in einer Rezension mit dem Titel „Gefühlte Geschichte“ einer polemischen-peniblen Durchsicht, bei der er vor allem popularisierende Verkürzungen monierte. Auf Sehepunkte sprach Andreas Wirsching, als Direktor des Instituts für Zeitgeschichte einer der mächtigsten Historiker der Republik, sogar von einem „durch und durch unseriösen Buch“, mit dem Richter „systematisch all jene wissenschaftlichen Standards“ unterlaufe, die in Proseminaren vermittelt würden.
Damit erreichte die Kritik an Richter und ihren Thesen eine außergewöhnliche Schärfe. Der Stil der jüngsten Angriffe lässt keinen Zweifel daran, dass hier Zunftgrößen einer in der breiteren Öffentlichkeit erfolgreichen Kollegin mit allen Mitteln ihr fachliches Renommee nehmen wollen. Aber schwächt der Stil auch die vorgebrachten Einwände?
Durch einen mitunter eigenwilligen Umgang mit Forschungsliteratur und manch leichtfertige Formulierungen gelangt Richter in ihrem Demokratiebuch tatsächlich immer wieder zu durchaus revisionistischen Standpunkten. Wirsching etwa sieht gegenwärtig die demokratische Grundordnung bedroht und wirft – wie Conze – Richter vor, unabsichtlich neo-nationalistischen Bestrebungen zuzuarbeiten. Dieser Vorwurf betrifft Richters Neigung, deutsche Demokratiegeschichte von Anfang an in eine internationale Geschichte des „Westens“ einzugemeinden statt sie auf den Nationalsozialismus zulaufen zu lassen.
Für das Selbstverständnis aufrechter Demokraten scheint es aber auch eine Provokation zu sein, wenn Richter darauf hinweist, dass der Nationalsozialismus demokratische Wurzeln hatte und nicht aus obrigkeitsstaatlichen Überhängen, sondern aus einem demokratischen Gemeinwesen hervorging. Vielleicht wäre es jetzt aber dennoch an der Zeit, aus einer maßlosen Kontroverse um eine Person zu einem neuen Historikerstreit zu kommen.
Verkniffene Repetitoren, die sich damit begnügen, am Ende doch wieder nur die autoritären Grundzüge des Kaiserreichs durchzunehmen, leisten dazu aber kaum einen Beitrag. Zumal die Positionen genau besehen gar nicht so gegensätzlich sind. Selbstredend stehen alle auf der Seite der liberalen Demokratie. Die Frage ist bloß: Wie in ihrem Dienst richtig an das Kaiserreich erinnern?
Der Bonner Historiker Christoph Nonn, der Richters Position nahesteht, sieht im Kaiserreich die Potenziale sowohl einer „hellen“ als auch einer „dunklen Moderne“ angelegt. Eckart Conze wiederum malte in seinem Buch „Der lange Schatten des Kaiserreichs“ zwar vor allem das zweite Potenzial aus, er wirbt ansonsten (wie übrigens Bundespräsident Steinmeier) aber auch für einen differenzierten Blick. Der Produktiver Streit um das Kaiserreich hat im Fach zudem Tradition: Hans-Ulrich Wehler erkannte im Kaiserreich seinerzeit eine vor allem ökonomisch hochdynamische Gesellschaft, die sich im verkrusteten Obrigkeitsstaat nur nicht voll entfalten konnte und so eine Vielzahl schwelender „Krisenherde“ gebar. Und auch für seinen Antipoden Thomas Nipperdey war das Kaiserreich zwar in vielerlei Hinsicht „modern, bürgerlich, liberal“, im „Kernbereich der Herrschaftsordnung aber autoritär“. Richter, die sich an Nipperdey orientiert, gesteht dies ebenfalls ohne Weiteres zu.
Wenn es nun einen neuen produktiven Streit geben soll, dann reicht es allerdings nicht, sich bloß über die hellen und die dunklen Aspekte des Kaiserreichs zu verständigen. Für einen interessanten Streit müssen „Grautöne“ kenntlich gemacht werden. Ebendies forderte Richter auch im Radiogespräch mit Conze. Ihr neues Buch „Aufbruch in die Moderne – Reform und Massenpolitisierung im Kaiserreich“ gibt jetzt die Gelegenheit zu prüfen, ob sie die Gesellschaft des Kaiserreichs in ihren Ambivalenzen zu fassen bekommt.
Der neue Band ist ein Ableger des Demokratiebuches. Viele historische Figuren und manche Zitate kehren wieder. Auch die zentralen Thesen bleiben die gleichen: Durch vielfältige Reformen seien im Kaiserreich, vor allem um 1900, Inklusionsprozesse in Gang gebracht und so die Grundlagen für die moderne Massendemokratie gelegt worden. Der Schreibstil ist dieses Mal aber durchgehend präzise, das Buch bestens lektoriert. In den Mittelpunkt rückt die „dunkle Seite der Massenpolitisierung“. Die Inklusionsdynamiken im Kaiserreich hätten nämlich, gipfelnd in seinem Nationalismus, zu vielfachen Exklusionen ­geführt. Richter erfasst sie in jenen Begriffen, die unsere Gegenwart aufwühlen: Rassismus, Antisemitismus, Kolonialismus, Populismus, Misogynie.
Die deutsche Belle Époque, die Richter dem Leser zeigt, schillert deswegen bisweilen hässlich: Wir sehen Robert Koch im Hamburg der Cholera-Epidemie von 1892 über den Dreck in den Armenvierteln verzweifeln; Helene Stöcker, eine führende Frauenrechtlerin, will die Euthanasie; der togolesische Geschäftsmann John Calvert Nayo Bruce, den die Hoffnung auf Bildung für seine Tochter ins Kaiserreich führt, wird zu einem erfolgreichen Organisator von Menschenzoos; und unterdessen lässt General Lothar von Trotha in Deutsch-Südwestafrika Zehntausende Herero und Nama abschlachten.
Da Richters Kaiserreich vor allem ein Rechtsstaat mit fortschrittlichem Männerwahlrecht, einflussreichem Parlament und lebhafter Öffentlichkeit ist, entsteht so ein unheimlicher Effekt: Es rückt nicht nur an unsere Gegenwart heran, man meint sie hier und da sogar schon erkennen zu können. Richter presst nämlich die widersprüchlichen Reformbewegungen des Kaiserreichs in ein Narrativ progressiver Aufbrüche, das auf die Gegenwart vorausweist. Und für diesen Zweck greift Richter dann auch auf durchaus traditionelle Vorstellungen der deutschen Geschichtswissenschaft zurück.
Hatte Heinrich von Treitschke die preußischen Reformen des frühen 19. Jahrhunderts auf einen kleindeutschen Nationalstaat zulaufen lassen, so sortiert Richter die unterschiedlichsten Entwicklungen nach dessen Gründung in das Reformregister ein: Von den nationalliberalen Errungenschaften der 1870er über Bismarcks Sozialversicherung der 1880er und den Wahl- und Arbeitsschutzreformen um 1900 bis zu den Nachwirkungen des Interfraktionellen Ausschusses von 1917. Da unter den Reformorientierten dieser Zeit deswegen auch konservatives, teils reaktionäres Gedankengut „mindestens so häufig war wie progressives oder sozialistisches“, müssen die disparaten Bemühungen letztlich in einem „bürgerlichen Projekt“ zusammenlaufen, das auf ein fortschrittliches Fernziel ausgerichtet ist.
Obwohl gerade die deutsche Bürgerlichkeit damals wie heute gerne roh und enthemmt auftritt, steht sie bei Richter für Leistungsorientierung und Mäßigung. Sie verschafft der Frauenemanzipation Raum, und als der Kapitalismus nach seiner Zähmung um 1900 die Massen „beglückt“, verbürgerlichen auch die aufstiegsbereiten Unterschichten (in der „Merkel-Ära“ ginge es „den Menschen“ mittlerweile, wie Richter passen dazu jüngst in der SZ umfragebewährt festhielt, „so gut wie nie“). Zu Exklusionen scheint eine mäßigende Bürgerlichkeit kaum noch fähig, und dies garantiere auch „Liberalität“.
So unterscheidet sie, wie einst Heinrich August Winkler, einen „liberalen Nationalismus“ von seiner rassistischen Radikalisierung. Diese Unterscheidung kollabierte aber schon im Berliner Antisemitismusstreit: Der Historiker Uffa Jensen hat daran erinnert, dass in diesem vornehmlich innerliberalen Disput nicht nur Treitschke, sondern auch sein Widerpart Theodor Mommsen die Juden aufforderte, eine eigenständige Identität aufzugeben, sich doch endlich vollständig zu integrieren und also: Deutsche zu werden.
Wenn Hedwig Richter jetzt das Sozialistengesetz damit erklärt, dass der Bismarck-Staat „seiner angekündigten Zerstörung nicht tatenlos zusehen konnte“, spricht aus ihr die zeitgenössische Furcht vor einer deutschen Sozialdemokratie, die aber schon kaum revolutionär war, bevor auch sie um 1900 verbürgerlichte. Gerade in Bezug auf die aufkeimende Frauenbewegung verweist Richter aber stets auf die Marginalisierung aller Radikalen. Dass für die Durchsetzung des allgemeinen Frauenwahlrechts in Deutschland eine Revolution notwendig war, erklärt Richter durch internationale Vergleiche zur Ausnahme. An der „dunklen Seiten der Massenpolitisierung“ will sie dagegen keinerlei deutsche Spezifik erkennen.
Selbst in seinen Einseitigkeiten bleibt Richters Essay jedoch eine instruktive Lektüre. Ein Stück Geschichtsschreibung, die das Kaiserreich in ein neues Verhältnis zur Gegenwart setzt. Darin bekommt das heutige deutsche Bürgertum seine eigenen Anfänge in tendenziösen Formeln vorgeführt. Und doch könnte es über die Ähnlichkeiten, die sich dabei auftun, auch ein wenig erschrecken.
Schwächt der Stil
ihrer Gegner auch die
vorgebrachten Einwände?
Deutsche Bürgerlichkeit
steht bei Richter für Mäßigung
und Leistungsorientierung
Erkennt man hier schon unsere Gegenwart? Polizisten erlernen 1911 das Telegrafieren an Morseapparaten.
Foto: Scherl/SZ Photo
Hedwig Richter: Aufbruch in die Moderne - Reform und Massenpolitisierung im Kaiserreich. Suhrkamp Verlag, Berlin 2021. 175 Seiten, 16 Euro.
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»... eine instruktive Lektüre. Ein Stück Geschichtsschreibung, die das Kaiserreich in ein neues Verhältnis zur Gegenwart setzt.« Georg Simmerl Süddeutsche Zeitung 20210401