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A major new sequence of works from one of the world's leading historians of ideas.
The second volume of Barbarism and Religion explores the historiography of Enlightenment, and looks at Gibbon's intellectual relationship with writers like Voltaire, Hume and Smith. John Pocock shows how the Decline and Fall is both akin to but distinct from the historiographical context within which Gibbon wrote his great work.

Produktbeschreibung
A major new sequence of works from one of the world's leading historians of ideas.
The second volume of Barbarism and Religion explores the historiography of Enlightenment, and looks at Gibbon's intellectual relationship with writers like Voltaire, Hume and Smith. John Pocock shows how the Decline and Fall is both akin to but distinct from the historiographical context within which Gibbon wrote his great work.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.12.2000

Milchglasscheibe der Skepsis
Dialoge über die Zeiten: John Pocock sucht die Lichtquelle der Aufklärung und schildert die Verwandlung von "faith" in "belief"

Edward Gibbon sagt am Ende seiner "History of the Decline and Fall of the Roman Empire", in ihr habe er den Triumph von Barbarei und Religion beschrieben. Barbarei und Religion: Das meinte die Goten, Langobarden, Franken und Sachsen einerseits - als Überwinder der Römer - und das Christentum andererseits. In weit ausholendem Zugriff hat Gibbon aus diesem Stoff eine Universalgeschichte gemacht, die bis in die östlichen Imperien und bis zum Ende des Mittelalters reicht; was als Geschichte des Untergangs des Römischen Reichs begonnen hatte, wurde zunehmend eine Geschichte des Aufstiegs der Kirche - und Gibbon ihr abgeklärtester Kirchenhistoriker. Aus diesem Grund versteht sich John Pococks großes Alterswerk als eine Beschäftigung mit den "politics of theology". Aufklärung, so Pocock, ist noch in ihren antireligiösen Ausprägungen eine Spielart von theologischen Gehalten. So liest er denn Gibbons Werk als große aufgeklärte Geschichte der christlichen Theologie.

Seit fünfundzwanzig Jahren war keine Monographie des in Neuseeland geborenen Historikers mehr erschienen, der in Cambridge und Baltimore gelehrt hat. Nach "The Machiavellian Moment" hat Pocock nur noch Aufsatzsammlungen veröffentlicht. Um so erwartungsvoller hat man seinem lange angekündigten Werk entgegengesehen. Dieses Werk gibt sich als Buch über Edward Gibbon, ist aber "work in progress" und geht in seinen Ansprüchen weit über eine Monographie im üblichen Sinne hinaus. Nach den ersten beiden Bänden des Gesamtprojekts sollen weitere folgen.

Der erste Band ist ein postumer Dialog mit dem vor einigen Jahren verstorbenen italienischen Historiker Franco Venturi. Vor drei Dekaden hat Venturi in Cambridge einen Vortrag gehalten, in dem er Gibbon als englischen "Giganten" der Aufklärung bezeichnet, im selben Atemzug aber betont hat, daß England nicht eigentlich am Phänomen Aufklärung beteiligt gewesen sei. Gibbon stelle eine Ausnahmefigur in seinem Land dar, er sei ein Exilant der Aufklärung. Für Venturi bestand Aufklärung nämlich in der Existenz von Gruppen von Intellektuellen, wie sie in Frankreich "philosophes" genannt wurden: antiklerikalen Reformern, die Einfluß auf die Politik ihres Zeitalters nahmen. Diesen engen Aufklärungsbegriff bestreitet Pocock.

Daß dies eine schwierige Aufgabe ist, liegt auf der Hand. Es gilt, mit dem Umstand zurechtzukommen, daß England ein Land der Reformation war und daher nicht die radikalen und religionsfeindlichen Formen von Aufklärung wie Frankreich hervorgebracht hat. Es hatte die Radikalität nicht nötig. Pocock zieht daraus die Konsequenz: Der erste Schritt seiner Neujustierung setzt den Aufklärungsbegriff in den Plural. Es gab nicht einige, sondern mehrere Aufklärungen. Jede von ihnen - die "arminianische" Aufklärung der liberalen Calvinisten, die konservative englische Aufklärung der Latitudinarier, die Aufklärung in den Pariser Salons und Kaffeehäusern - hatte ihre eigenen Charakterzüge und Gesetzmäßigkeiten.

Daß der deutsche Typus von Aufklärung in Pococks Reexaminierung keine Rolle spielt, liegt vordergründig an der Tatsache, daß für Gibbons Biographie Deutschland keine Rolle spielt; dennoch kann man sich die Frage stellen, ob das Buch nicht in gewisser Weise um Deutschland herum geschrieben ist: Ist Deutschland ein blinder Fleck für die Aufklärungstypologie? Kann man einfach die städtischen Aufklärungen in Hamburg und Leipzig, die universitären in Halle und Göttingen vernachlässigen? Haben nicht auch sie eine europäische Dimension gehabt?

Pococks zweiter Schritt führt ihn entschiedener auf das Feld der Theologie. Um zu klären, was Aufklärung im Falle England bedeuten konnte, hält er ein vertieftes Verständnis der Dilemmata der Church of England für unerläßlich. Die englische Kirche war ja von ihren Dogmen her protestantisch, aber in den Zeremonien und im Selbstverständnis der apostolischen Sukzession katholisch geprägt. Einerseits mußte ihr daher daran gelegen sein, die Präsenz Christi und des Heiligen Geistes im Kirchenoberhaupt zu verteidigen, das zugleich der Monarch war. Andererseits war man von den Exzessen des fanatischen "Enthusiasmus" in der Bürgerkriegszeit traumatisiert und tendierte dazu, aus politischen Gründen antiplatonisch zu sein und alles Spirituelle - aber damit auch die göttliche Natur Christi - herunterzuspielen. Pocock nennt das ein Problem der "Politik der Christologie". Hier kommt er zu Einsichten, die man bisher noch nie so klar und differenziert vernommen hat.

Die komplexen Verwicklungen von Politik und Theologie im England des frühen achtzehnten Jahrhunderts werden beschrieben: "Es kam zu einer expliziten, wenn auch nur temporären Verbindung von starker Unterstützung der Revolution und der Hannoverschen Thronfolge, einer Ekklesiologie, die das Wissen um Gott auf das Haben von Ansichten verkürzte, und einer Theologie, die Christus auf etwas reduzierte, das weniger als eine gleichartige und gleichewige Person der Trinität war." Daß aus "faith" nun "belief" wurde, aus Autorität und unbefragtem Vertrauen das offene Feld von Diskurs und Diskussion über theologische Fragen, markiert für Pocock eine tiefgreifende mentalitätsgeschichtliche und epistemologische Revolution hin zur Aufklärung. Gibbons Werk, so Pocock, läßt sich als Geschichte der problematisch gewordenen Doktrinen von Inkarnation und Trinität lesen. Es ist der historische Niederschlag genau dieser Revolution.

Der zweite Band des Gesamtprojekts präsentiert einen weiteren Dialog aus der Ferne. Nun ist es Arnaldo Momigliano, dessen Andenken geehrt wird, indem Pocock einer von ihm aufgeworfenen Frage neue Erörterung schenkt. "The Decline and Fall" ist ein narratives Meisterwerk; daher animiert es zu Reflexionen über die Eigenart der Aufklärungshistoriographie. Nun hatte Momigliano behauptet, Gibbons besondere Stellung in dieser Historiographie wäre darin zu sehen, daß er eine Einheit von antiquarischer Gelehrsamkeit und philosophischer Geschichtsschreibung erreicht habe. Und diese Einheit sei nur durch ein Drittes möglich geworden, nämlich durch narrative Konstruktion. Wie aber war, so fragt auch Pocock, das Verhältnis von Erudition, Philosophie und narrativer Struktur? Seine Antwort besteht darin, aufzuzeigen, wie sich diese Elemente im Verlauf der frühen Neuzeit in ihrer Stellung zueinander verändert haben.

Gibbons Leistung, so antwortet Pocock Momigliano, besteht darin, daß er - sosehr er Schüler der "hypothetischen" Geschichtskonstruktionen der Juristen-Historiker war - bei seiner Konstruktion eines "enlightened narrative" tiefer angesetzt habe als seine Zeitgenossen: Während diese allenfalls das dunkle Mittelalter der Kirchenherrschaft als Kontrastfolie zur Neuzeit betrachtet hatten, so geht Gibbon noch hinter diese Zeit zurück. Seine Abkehr von der Neuzeit ermöglicht ihm die Aufnahme des ganzen Schatzes an Erudition, den Kirchenhistoriker über die Spätantike und ihre byzantinischen und islamischen Nachfolgekulturen aufgehäuft hatten. Nur ist es jetzt ein moderner und säkularer Historiker, der die "peinture" der gelehrten Fakten auf ideale Weise mit dem "récit" der Ereignisse zu verbinden weiß. Und das scheint auch Pococks tieferes Motiv für sein Werk zu sein: die Neuzeit von ihren theologisch-politischen Wurzeln der Spätantike her zu begreifen, in einer Dimension, die über seine bisher angestellten Überlegungen zu Republikanismus, Tugend und Kommerz hinausgeht.

Eine Auseinandersetzung mit Gibbon als Kirchenhistoriker, so kündigt der Autor an, soll folgen. Hier erst ist das Herzstück des Projekts und der Gibbon-Deutung zu vermuten, hier erst werden Gibbons berüchtigtes fünfzehntes und sechzehntes Kapitel und seine Gewährsmänner wie Isaac de Beausobre im Mittelpunkt stehen.

MARTIN MULSOW

John G. A. Pocock: "Barbarism and Religion". Volume One: The Enlightenments of Edward Gibbon, 1737-1764. Cambridge University Press, Cambridge 1999. L, 339 S., geb., 30,- brit. Pfund. Volume Two: Narratives of Civil Government. Cambridge University Press, Cambridge 1999. L, 422 S., geb., 30,- brit. Pfund.

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'Pocock manages to place Gibbon within these larger cosmopolitan movements without diminishing the historian's extraordinary accomplishment.' Tim Breen, New York Times Review of Books