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Hegels theoretische Philosophie erlebt gegenwärtig eine Renaissance: Galt sie lange und gerade in der Analytischen Philosophie als bestenfalls von historischem Interesse, finden sich Hegelsche Argumente nun im Zentrum systematischer Debatten auf dem Gebiet der Ontologie, Semantik, Epistemologie und der Philosophie des Mentalen wieder. Philosophen wie etwa Robert B. Brandom und John McDowell berufen sich auf Hegel als zentrale Inspirationsquelle. Dabei ergeben sich in bezug auf die Deutung von Hegels System für die Hegel-Forschung überraschende neue Perspektiven und Fragestellungen. Der…mehr

Produktbeschreibung
Hegels theoretische Philosophie erlebt gegenwärtig eine Renaissance: Galt sie lange und gerade in der Analytischen Philosophie als bestenfalls von historischem Interesse, finden sich Hegelsche Argumente nun im Zentrum systematischer Debatten auf dem Gebiet der Ontologie, Semantik, Epistemologie und der Philosophie des Mentalen wieder. Philosophen wie etwa Robert B. Brandom und John McDowell berufen sich auf Hegel als zentrale Inspirationsquelle. Dabei ergeben sich in bezug auf die Deutung von Hegels System für die Hegel-Forschung überraschende neue Perspektiven und Fragestellungen. Der vorliegende Band versammelt Beiträge von Hauptvertretern der Gegenwartsphilosophie und von führenden Hegel-Forschern und bietet einen umfassenden Überblick über die aktuellen Versuche, Hegels Erbe nicht nur antiquarisch zu bewahren, sondern philosophisch anzutreten.
Autorenporträt
Christoph Halbig ist Professor für allgemeine Ethik an der Universität Zürich. Im Suhrkamp Verlag erschienen zuletzt: Die neue Kritik der instrumentellen Vernunft (hg. mit Tim Henning, stw 2039) und Der Begriff der Tugend und die Grenzen der Tugendethik (stw 2081).
Michael Quante ist Professor für Philosophie an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster.
Im Suhrkamp Verlag ist von ihm erschienen: Die Wirklichkeit des Geistes. Studien zu Hegel (stw 1939) und Personales Leben und menschlicher Tod (stw 1573). Außerdem hat er den Band Hegels Erbe (stw 1699) herausgegeben (zusammen mit Christoph Halbig und Ludwig Siep) und Karl Marx' Ökonomisch-philosophische Manuskripte (stb 15) kommentiert.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.02.2005

Die Schraube bitte fester ziehen!

Daß hochfahrende Gymnasiasten, die weiter vorausdenken als spucken können, irgendwann zwischen siebzehn und neunzehn Jahren einen Nietzschefimmel entwickeln, der mitunter erst im Berufsleben, also an den Gerichten, in den Redaktionen oder auf dem Lehrstuhl, wieder abklingt und manchmal gar nicht mehr, halten wir für den Lauf der Natur, so lange ist es schon das Gegebene. Bevor das Phänomen zum erstenmal auftrat, waren diese Jugendlichen besser dran: Es gab eine Zeit, als statt des Nietzschefimmels der Hegelknall die entscheidenden Jahre adoleszenter intellektueller Selbstüberhebung prägte. Nietzsches pausbäckiger, aber ungesunder Stolz darauf, daß er "mit dem Hammer philosophieren" konnte, verstellt den Kleinen heute leider den Blick darauf, daß man es - wie Georg Wilhelm Friedrich Hegel - statt mit dem Hammer auch eher bohrend versuchen kann, als jemand, der seine Gedanken der Welt anzudrehen versteht wie eine Schraube, die eben noch locker war. Spekulatives Denken dieser Sorte sitzt nicht selten gerade deshalb, weil es zunächst andauernd im Kreis herumgeht, am Ende fester als das Behämmerte.

Daß man Hegel der Philosophiegeschichte und Doxographie überlassen soll, weil die holistisch sein ganzes System bestimmenden idealistischen Voraussetzungen seines Werks dessen Entstehungsepoche nicht überlebt haben, ist eine in Mitteleuropa verbreitete Ansicht. Sie dürfte so richtig sein wie die von Richard Rorty mit einschläfernder Regelmäßigkeit vorgebrachte Ansicht, die anglo-amerikanische analytische Philosophietradition des zwanzigsten Jahrhunderts sei tot; ihr Sterbedatum fällt hierbei bequemerweise immer auf den historischen Moment, da Rorty selbst sich von ihr abwandte. Das Drollige daran: Ausgerechnet der angeblich mausetote Hegel befruchtet neuerdings just die ebenso angeblich absterbende besagte anglo-amerikanische Tradition in bemerkenswerter Weise.

Man konnte das wohl ahnen, seit Donald Davidson seinen schönen Einfall, daß man Gedanken nicht alleine denken kann, sondern nur als jemand, der sich in einem sozialen Zusammenhang anderer Denkender weiß, bei Hegel wiederfand, während er die Transformation der analytischen Philosophie in eine sie dialektisch aufhebende "postanalytische" unternahm. Eine neue Anthologie ("Hegels Erbe". Herausgegeben von Christoph Halbig, Michael Quante und Ludwig Siep. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004. 434 S., br., 15,- [Euro]) zeigt insbesondere in den Beiträgen der analytisch gefärbten "Bostoner Neuhegelianer" Robert Brandom und John McDowell, daß mit Hegel immer noch ein Gestus der temperamentvollen Attacke auf lohnende Probleme verbunden sein kann - dessen Gewinn allerdings den Verlust des Geschichtsphilosophen Hegel, ja geradezu eine (mal offene, mal verdeckte) Entgeschichtlichung jenes Denkers mit sich bringt, den man von Adorno und Marcuse bis Fukuyama vor allem als radikalsten Historisten des neunzehnten Jahrhunderts gelesen hat.

Nicht nur als Galvanisator angelsächsischer Analytiker jedoch hat Hegel Gebrauchswert. Die kürzlich erfolgte Veröffentlichung einer die Schminke der geglätteten offiziellen Hegelschen "Ästhetik" auflösenden Vorlesungsmitschrift aus dem Sommersemester 1826 ("Philosophie der Kunst. Vorlesung von 1826". Herausgegeben von Annemarie Gethmann-Siefert, Jeong-Im Kwon und Karsten Berr. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004. 297 S., br., 10,- [Euro]) macht außerdem klar: Seine Kunstphilosophie ist eine der wenigen, die vor dem zwanzigsten Jahrhundert und seinen bis ins einundzwanzigste verschleppten Spukerscheinungen keine Angst haben müssen. Sie kann über alles mögliche Aufschluß geben, das Hegel selbst nicht gekannt hat: Der Gegensatz zwischen Romantik und Klassik etwa ist so, wie er ihn entwickelt hat, ziemlich genau der zwischen Punk-Rock und Heavy Metal respektive der zwischen Ostküsten- und Westküsten-Rap; seine Lehre davon, daß "so wie die wahrhafte Subjektivität anfängt, das Symbolische schwindet", beschreibt genau, wie der amerikanische Horrorfilm von den allegorischen Monsterepen der vierziger und fünfziger Jahre zu den antisymbolischen Viszeralschockern der sechziger und siebziger Jahre gelangen konnte; und wo er über Malerei und Zeichnung dozierend feststellt, die Formen der Darstellung von Gesichtsausdruck seien dem Ausdruck "nicht für sich angemessen": "Wenn die Kinder weinen, so verzerren ihre Gesichter sich so, daß wir darüber lachen", so gelangt er eine Seite später zu Überlegungen betreffs der Herstellung ausdrucksvoller Bildlichkeit, bei der "die Umrisse eine charakteristische Zeichnung mit wenig Strichen" verlangt, worin nicht weniger als die ganze Ausdruckstheorie der Comicfigur vorgebildet ist. Daß die popkulturinteressierte Jugend Hegels Überlegungen zur Ästhetik noch widerstehen kann, läßt sich demnach nur damit erklären, daß sie diese noch nicht kennt.

"Man möchte", hat der Dichter Ronald M. Schernikau stöhnen müssen, "daß, wer Hegel liest, ein anderer wird. Dann lernt man den Westherausgeber von Hegel kennen." Der deutscheste Bürgerphilosoph und bürgerlichste Deutsche wird im bürgerlichen Westen, anders als bei Sozialisten wie Schernikau oder Peter Hacks, immer noch viel zu selten gelesen - und sticht von der approbierten Einfallsausbeutung gegenwärtiger akademischer wie populärer Denkerei immer noch ab wie der erste richtige Daumen von der ersten echten Hand des ersten wirklichen Menschen.

DIETMAR DATH

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.02.2005

System gewordene Konfusion?
Ein Band über Hegels Erbe und die analytische Philosophie
Als er im Sommer 1998 an seiner Einführung in die Philosophie Hegels arbeitete, überraschte Herbert Schnädelbach bei einer Podiumsdiskussion mit dem provozierenden Urteil: Während man Kants kritischer Philosophie mit guten Gründen folgen könne, sei Hegels Idealismus nur ein schöner, aber endgültig ausgeträumter intellektueller Traum. Man dürfe zwar, aus philosophiegeschichtlichem Interesse, Hegel-Veranstaltungen organisieren, aber Hegels Philosophie selbst biete „keine systematischen Ansatzpunkte” mehr für ein zeitgenössisches Philosophieren. Überhaupt sei der ganze deutsche Idealismus, vor allem Fichtes und Hegels, nur „eine zum System gewordene Konfusion”.
Schnädelbachs Provokation war gelungen. Hegels Philosophie war wieder im Gespräch, eine hitzige Debatte eröffnet, und Schnädelbachs „Hegel zur Einführung” wurde aufmerksam zur Kenntnis genommen. Aber dessen ironische Verneinung war nicht nur, psychoanalytisch interpretiert, ein effektiver Hinweis auf das eigentlich Gewünschte und Bejahte. Sie widersprach auch den Tatsachen. Denn schon seit mehreren Jahren ist eine Renaissance von Hegels Philosophie im Gange, und zwar gerade dort, wo man sie am wenigsten erwartet hätte: im Rahmen der analytischen Philosophie nämlich, wie sie in den anglo-amerikanischen Ländern vorherrscht. Zwar hatte sie sich zunächst, angeleitet von George Edward Moore und Bertrand Russell, radikal gegen alle Spielarten des Hegelianismus profiliert. Mit dem unlogischen Schabernack von Hegels „Dialektik” und seinem „holistischen” System, mit kontinentaleuropäischer Geistphilosophie wollten analytisch denkende Philosophen nichts zu tun haben.
Aber die logische und sprachliche Analyse führte aufgrund ihrer selbstkritischen Eigendynamik zu einer Wiederentdeckung Hegels, zunächst nur zögernd und punktuell, zunehmend jedoch auch ausformuliert und systematisch. Die Wiederkehr des Verdrängten begann bereits vor fünfzig Jahren in den USA, vor allem in den Arbeiten von W.V.O. Quine und Wilfrid Sellars, denen es um eine Klärung der erkenntnistheoretischen Ansprüche des Empirismus ging. Sachhaltiges Wissen müsse auf einer sicheren empirischen Basis aufgebaut werden, die als solche „unmittelbar gegeben” sei, lautete einst das empiristische Programm.
Intensiver Widerstreit
Dass es sich dabei nur um ein Dogma handeln konnte, einen „Mythos des Gegebenen”, haben Quine und Sellars mit analytischem Scharfsinn kritisiert und dabei auch Hegel wieder ins Spiel gebracht. Gegenwärtig sind es vor allem die beiden führenden analytischen Philosophen an der Universität Pittsburgh, Robert B. Brandom und John McDowell, die in Hegels Philosophie einen systematischen Ansatzpunkt für ihr eigenes Denken gefunden haben. Im aktuellen Gespräch zwischen „analytischer” und „kontinentaler” Philosophie spielt, neben Kant, auch Hegel eine Schlüsselrolle.
Besonders für die „Philosophy of Mind” haben sich drei Motive seiner Philosophie als fruchtbar erwiesen: Erstens seine Kritik jeder Unmittelbarkeit, die selbst der sinnlichen Gewissheit nicht zukommen könne, da sie stets schon durch vieles andere vermittelt sei; zweitens seine holistische Tendenz zum Ganzen, die jeden Atomismus vereinzelter Sinnesdaten, Dinge oder Tatsachen überwand; und drittens seine „Identitätsphilosophie”, die der strikten Trennung zwischen Erkennen und Wirklichkeit, Begriff und Sache widersprach und vor allem in McDowells „Mind and World” 1994 reformuliert worden ist, im Anschluss an Donald Davidsons hegelianisierende Kritik des Schema-Inhalt-Dualismus.
Um den Dialog zwischen analytischer Problemklärung und ­lösung und kontinentaler Hegelforschung und ­kommentierung weiterzuführen, fand 2003 in Münster ein Kolloquium statt. Altgediente Hegel-Spezialisten wie Hans Friedrich Fulda, Walter Jaeschke und Ludwig Siep trafen sich mit Analytikern wie Robert B. Brandom und John McDowell, um nach „Hegels Erbe” im doppelten Sinne zu fragen. Deutlich wurde dabei vor allem, dass Schnädelbachs Diagnose einer hegelianischen „System-Konfusion” ein Fehlurteil war. Denn es müsse festgestellt werden, dass die Epoche des so genannten Deutschen Idealismus eine Zeit des intensiv geführten Widerstreits gewesen ist, in dem die Auseinandersetzung zwischen Idealismus und Realismus, zwischen den internen Leistungen einer subjektiven Selbstbestimmung und Spontaneität und den externen Zwängen seitens objektiver Gegebenheiten, in einer intellektuellen Höhenlage geführt worden sei, die ungebrochen zum Nachdenken herausfordere.
Dreizehn Beiträge zum Münsteraner Hegel-Kolloquium liegen nun veröffentlicht vor. Sie dokumentieren, wie schwer es ist, Hegels Erbe anzutreten und ihm zu entsprechen. Und oft ist auch festzustellen, wie wählerisch philosophische Erben sein können. Man sieht es nicht zuletzt daran, dass von der linkshegelianischen, gar marxistischen Erbschaft Hegels in diesem Sammelband keine Rede ist. In Münster blieb Hegel auf den Kopf gestellt. Aber vielleicht bietet er auch nur so einen system-analytischen Ansatzpunkt.
MANFRED GEIER
CHRISTOPH HALBIG, MICHAEL QUANTE, LUDWIG SIEP (Hrsg.): Hegels Erbe. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004. 434 Seiten, 15 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Manfred Geier skizziert in seiner Besprechung zu diesem Sammelband, der auf einem Hegel-Kolloquium in Münster im Jahr 2003 beruht, den gegenwärtigen Stand der Debatte. Der Philosoph Herbert Schnädelbach hatte nämlich, so berichtet Geier, im Jahr 1998 mit der Aussage provoziert, Hegel und der deutsche Idealismus seien "zum System gewordene Konfusion". Ganz offensichtlich ein "Fehlurteil", meint der Rezensent angesichts der dreizehn Beiträge in dem Kolloquiumsband, in dem bewährte Hegelspezialisten hiesiger akademischer Provenienz wie Hans Friedrich Fulda, Walter Jaeschke oder Ludwig Siep auf amerikanische Philosophen der analytischen Schule stoßen, darunter Robert B. Brandom und John McDowell. Bei den analytisch denkenden Philosophen der anglo-amerikanischen Schule sei schon seit längerer Zeit eine Wiederentdeckung Hegels in Gang gewesen, weist Geier drauf hin. Die dreizehn in diesem Band veröffentlichten Beiträge dokumentieren für ihn, wie schwierig es ist, "Hegels Erbe" anzutreten; beachtenswert findet der Rezensent außerdem, dass von der linkshegelianischen beziehungsweise marxistischen Erbschaft Hegels nicht mehr die Rede ist.

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