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Es sind dramatische Umstände, unter denen der Lyriker Rolf Bossert im Dezember 1985 die bundesdeutsche Literaturbühne betreten und nur kurz darauf wieder verlassen hat: Zum Kreis der rumäniendeutschen Schriftsteller um Herta Müller, Franz Hodjak und Richard Wagner zählend, geriet er Anfang der 80er Jahre in immer heftigere Konflikte mit dem rumänischen Regime. 1984 stellte er einen Ausreiseantrag, der nach der politischen Zensur das Publikationsverbot zur Folge hatte. Im Dezember 1985 schließlich konnte er nach Frankfurt am Main ausreisen, wo er sich nur zwei Monate später das Leben nahm.Die…mehr

Produktbeschreibung
Es sind dramatische Umstände, unter denen der Lyriker Rolf Bossert im Dezember 1985 die bundesdeutsche Literaturbühne betreten und nur kurz darauf wieder verlassen hat: Zum Kreis der rumäniendeutschen Schriftsteller um Herta Müller, Franz Hodjak und Richard Wagner zählend, geriet er Anfang der 80er Jahre in immer heftigere Konflikte mit dem rumänischen Regime. 1984 stellte er einen Ausreiseantrag, der nach der politischen Zensur das Publikationsverbot zur Folge hatte. Im Dezember 1985 schließlich konnte er nach Frankfurt am Main ausreisen, wo er sich nur zwei Monate später das Leben nahm.Die Gedichte Rolf Bosserts spiegeln die schwierigen Umstände seiner Biographie wider: Sie sind radikal, ironisch wie selbstironisch, sarkastisch, streng, von erbarmungsloser Schönheit. Aber immer scharf beobachtet und von beeindruckender Wucht: 'In Bosserts Gedichten stehen die Bilder erst richtig, wenn sie umgestoßen sind. Er fährt durch die Ordnung der Sprache, bis die Scherben funkeln. In diesem Funkeln sitzen Angst und Lust beisammen.' Herta Müller, Frankfurter Allgemeine ZeitungIch steh auf den Treppen des Winds zeigt erstmals in großer Vollständigkeit das lyrische Werk Rolf Bosserts, das in seiner Unbändigkeit noch zu entdecken ist.
Autorenporträt
Rolf Bossert, geboren 1952 in Reschitza, Rumänien, starb im Februar 1986 unter ungeklärten Umständen in Frankfurt am Main. Er hat während seines kurzen, aber intensiven Lebens in Rumänien sieben Bücher veröffentlicht, darunter die Gedichtbände »Siebensachen« und »Neuntöter«, posthum erschien 1986 beim Rotbuch Verlag in Berlin der Lyrikband »Auf der Milchstraße wieder kein Licht«.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.09.2006

Magneten für eisernes Mitgefühl
Luft und Meer, Land und Wort: Die gesammelten Gedichte des rumäniendeutschen Dichters Rolf Bossert als Auftakt der großen Werkausgabe
Wohin, fragt man sich, hätte sich das Werk des rumäniendeutschen Lyrikers Rolf Bossert (1952-1986) entwickelt, wenn er nicht so früh gestorben wäre? Seine Gedichte, die nun als erster Band der Gesammelten Werke im Schöffling Verlag vorliegen, tragen die Züge eines work-in-progress. Herausfordernd, aufmüpfig die frühen Gedichte des frühen Zwanzigjährigen: „wer aber ist die realität? / (. . .) gibt sie sich hin für ein paar gute Worte, / in schönen zeilen? / wer ist sie?” Da macht sich ein Kraftprotz auf den Weg, ein derber Verbalerotiker, legt Lunte an das Leben und zündelt, was das Zeug hält: „denn bomben und gedichte / wir fänden was daran.”
Man merkt, wie der werdende Autor die Tradition durchpflügt, wie er das eine annimmt, das andere verwirft, lieber argumentiert als poetisiert, und dann rutschen ihm doch ein paar Wörter heraus, die das Zeug zur poetischen Verdichtung haben: „eichsche vögel / und bachmannsche fische / haben sich gegenseitig / aufgefressen // was bleibt ist / luft und meer / dazwischen / ein land / ein wort”.
Luft und Meer, ein Land, ein Wort – auf diese paar Vokabeln könnte man den Sehnsuchtsakkord bringen, der Bosserts Gedichte begleitet, so sehr er sich auch bemüht, den raubeinigen Trommler und triebgesteuerten Macho zu geben. In der Art, wie sich diese Wörter im Lauf des Werks verwandeln, steckt das Bewegungsgesetz eines Lebenswerks, das mit großem Schwung und raumgreifender Geste beginnt, für eine kurze Dauer auf dem Plateau eines über die eigenen Mittel souverän verfügenden Sprechens ausruht, um dann immer mehr in die Enge getrieben zu werden.
Das geht über das Nachlassen jugendlichen Elans, das jeder kennt, hinaus. Vermutlich kam da eine Menge zusammen: eine gewisse Empfindlichkeit, biographische Erlebnisse und nicht zuletzt die politische Entwicklung des Landes, das er anfangs nur „Land” nennen konnte, das am Beginn der Ceaucescu-Ära den Prager Frühling begrüßte, dessen Abgrenzung von Moskau aber nicht zu mehr Freiheit, sondern zu einer der brutalsten Diktaturen des Ostblocks führte.
Das Rumänien, das Rolf Bossert mit seiner Frau und den beiden Söhnen nach bangem Warten auf die Genehmigung des Ausreiseantrags schließlich im Dezember 1985 verlassen durfte, war ein gut bewachtes Gefängnis. Rolf Bossert stand unter Beobachtung der Securitate. Bilder klaustrophobischer Enge verfolgen den Autor bis in den Schlaf. In den Gedichten des letzten Lebensjahres, von „späten” Gedichten möchte man bei einem mit dreiunddreißig Jahren gestorbenen Autor nicht sprechen, finden sich wiederholt Fügungen wie „der enge Traum” oder der „Schlaf” als „enger Raum”. Die Schlussstrophe eines mit „Der Traum” überschriebenen Gedichtes heißt: „Wem habe ich mich, hat mein Wort sich hingegeben? / Ich lebe uns geschlossen aus dem Leben.”
In der Nacht des 17. Februar 1986 stürzte Rolf Bossert aus dem Fenster des Übergangsheims in Frankfurt-Griesheim, in dem er als Spätaussiedler mit seiner Familie untergebracht war. „Auf der Milchstraße wieder kein Licht” hieß der Gedichtband, der kurz nach seinem Tod bei Rotbuch erschienen ist. Anfang Februar hatte der Autor noch an einer Tagung im Literarischen Colloquium Berlin teilgenommen. Ihr sprichwörtlich gewordenes Motto, „Die Uneinigkeit der Einzelgänger”, erklärt, warum die Mitglieder der „Aktionsgruppe Banat”, zu denen Bossert wie u.a. auch William Totok, Richard Wagner und Ernest Wichner gehörte, im Westen so willkommen waren: als nostalgisches Gegenbild zur saturierten Vereinzelung.
Bei Rolf Bossert lässt sich lernen, dass beides wahr sein kann: das Gefühl der Verzweiflung und das Spiel, ja sogar der Handel mit ihm. Einige seiner besten Gedichte erzählen davon, z.B. „Rundschreiben an meine Freunde”: „Die prosaische Hilflosigkeit, steckt sie / in unseren Texten, ist ein Magnet / für eisernes Mitgefühl. Und gleitet / das Wort Angst ins Gedicht, wir / hörn es mit Wollust. In Rezensionen / beschreiben wir die Verzweiflung / der Schreibenden.” Und auch vom „Warencharakter der Seele” wusste er und übersetzte ihn gleich noch ins Englische: „second-hand soul”.
Wie er wohl heute schreiben würde? Man kann es nicht wissen. Seinen rumäniendeutschen Kollegen ist, allen Unkenrufen zum Trotz, auch im wiedervereinigten Deutschland der Stoff nicht ausgegangen. Wahrscheinlich hätte er sich irgendwo am Rand situiert. „Ich schlage mein Himmelszelt auf, / Einen Steinwurf vom Weltall entfernt.” MEIKE FESSMANN
ROLF BOSSERT: Ich steh auf den Treppen des Winds. Gesammelte Gedichte 1972-1985. Herausgegeben von Gerhardt Csejka. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2006. 347 S., 24,90 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.03.2006

Wer noch ein Lied hat
Dem Vergessen entrissen: Rolf Bosserts Gedichte

An den Abend im Literarischen Colloquium Berlin Anfang Februar 1986 erinnere ich mich recht gut. Auf dieser Veranstaltung im Rahmen des Schriftstellertreffens "Die Uneinigkeit der Einzelgänger" las auch ein noch fast unbekannter Banater Lyriker seine Gedichte. Er las engagiert und vibrierend vor Leben. Es war der dreiunddreißigjährige Rolf Bossert, der erst kurz vor Weihnachten in die Bundesrepublik gekommen war. Das Ceausescu-Regime hatte ihm unter traumatisierenden Schikanen die Ausreise bewilligt. Bossert waren die Strapazen nicht anzumerken. Er genoß den Beifall von Kollegen und Publikum und schien voller Pläne und Hoffnungen. Auf eine Postkarte nach Bukarest schrieb er, Berlin erinnere ihn an Reschitza (seine Geburtsstadt), er fühle sich hier geborgen. Eine Woche später kam die schockierende Nachricht. Bossert war aus dem Flurfenster des Übergangsheims in Frankfurt-Griesheim, in dem er mit seiner Familie untergekommen war, in den Tod gesprungen.

Noch im Jahr seines Todes erschien der Band "Auf der Milchstraße wieder kein Licht", Gedichte aus den in Rumänien erschienenen Bänden "Siebensachen" und "Neuntöter" sowie nachgelassene Texte. Gerhardt Csejka, der Empfänger der erwähnten Postkarte, hatte ihn herausgegeben. Man las Verse, die sich wie ein Versprechen auf Künftiges ausnahmen, aber auch Zeilen von Pessimismus und Verzweiflung, die gerade wegen ihrer Prägnanz wie Schlüssel zum Suizid wirkten. Ein "Selbstporträt" beschränkte sich auf diese zwei Zeilen: "Ich schreib mir das Leben / her, schreib mir das Leben weg." Das war mehr als ein Stück Poetologie: existentieller Ernst.

Heute, zwanzig Jahre nach Bosserts Tod, gibt eine neue, wesentlich erweiterte Ausgabe seiner Lyrik die Möglichkeit, Leben und Werk des jungen Dichters von damals zu würdigen. "Ich steh auf den Treppen des Winds" ist ihr Titel, und wiederum ist Gerhardt Csejka der Herausgeber. Er liefert im Nachwort die nötigen Informationen zu Bosserts Biographie und dem gesellschaftlichen Umfeld, in dem er schrieb; und die Datierungen der Gedichte zeigen die Schübe und Verzögerungen der lyrischen Produktion.

Bossert begann im Biotop der "Aktionsgruppe Banat", der auch Herta Müller, Richard Wagner, Klaus Hensel und Werner Söllner angehörten. Auch er suchte zwischen Poesie und Antipoesie, zwischen Aufbegehren und Sklavensprache seinen Weg. Die Zensur ließ für einige Jahre manches passieren. Ja, es gab so etwas wie eine staatlich geduldete Literaturblüte, über die man spotten konnte: "Wir sitzen in Städten im Osten. / Man macht Poesie. / Und während die Schreibfedern rosten / Erklärt sich der Krug zum Genie."

Bosserts Erstling "siebensachen" von 1979 erhielt den Literaturpreis des Kommunistischen Jugendverbandes. Zwei weitere Preise folgten: für ein Kinderbuch und für eine Übersetzung von Gellu Naum. Dann aber folgte 1981 der Schock eines anonymen Überfalls, Rolf Bossert und Klaus Hensel wurden nach einem Restaurantbesuch durch gedungene Schläger brutal niedergeschlagen. Auch sonst nahmen die Repressionen durch die Staatsorgane zu. Der Dichter spürte den "Arbeitstag in der Aktenmappe, wie eine / Bombe". Und das im Dezember 1982 geschriebene "Lied" befindet lapidar: "Wer noch ein Lied hat, / greift sich an den Kehlkopf: ohne / ersichtlichen Grund." Zwar erschien 1984 noch der Gedichtband "Neuntöter" mit relativ wenigen Eingriffen der Zensur, doch Bossert hatte schon kurz davor den Ausreiseantrag gestellt. Die Ausreise erfolgte unter traumatisierenden Schikanen der Securitate.

Man begreift, daß Bosserts abgebrochenes Werk nicht allein nach artistischen Gesichtspunkten zu rezensieren ist. Doch noch heute erstaunt die Vieltönigkeit seiner Arbeiten. Sie reicht von konkretistischen Texten über Balladen und Chansons bis zu allegorischen Chiffrierungen. In der schwierigen Wartezeit vor der Ausreise scheint Bossert von Politik und Geschichte so ermüdet gewesen zu sein, daß er sich in das Bild eines Malers flüchtete, der im Abseits arbeitet: "Die Zeit schaut / Vorbei. Du malst."

Das war ein Traum. Wie weit trug er ihn? Noch zwei Wochen vor seinem Tod sprach Bossert von einem neuen Gedichtband, der den Titel "Schweigeminute für Eulenspiegel" tragen sollte. Ein wunderschöner, doch im Innersten trauriger Titel, wie das gleichnamige Gedicht zeigt. "Und die Toten wolln nicht / mehr, im Takt ihrer Lider, / unsere Stummheit begleiten." Der Doppelsinn der "Lider" erinnert an Rilkes Grabspruch, an Niemandes Schlaf unter "soviel Lidern". Eine Gedenkminute für den Dichter, der gern ein Eulenspiegel gewesen wäre! Er verdient eine erneute Lektüre.

Rolf Bossert: "Ich steh auf den Treppen des Winds". Gesammelte Gedichte. Herausgegeben von Gerhardt Csejka. Schöffling Verlag, Frankfurt am Main 2006. 347 S., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

" Rezensent Harald Hartung ist froh, dass mit dieser Edition die gesammelten Gedichte des Banater Lyrikers Rolf Bossert nun dem Vergessen entrissen wurden. Ein lyrisches Werk, dessen "Vieltönigkeit" Hartung auch zwanzig Jahre nach dem Selbstmord des so vielversprechenden Dichters noch erstaunt. Für Hartung reicht Bosserts Werk von "konkretistischen Texten über Balladen und Chansons" bis zu "allegorischen Chiffrierungen". Mit großer Anteilnahme streut der Rezensent auch traumatisierende biografische Details aus dem Leben des im Rumänien Ceausescus drangsalierten Lyrikers ein und möchte auf Grund der Tragik dieses Lebenslaufs Bosserts abgebrochenes Werk nicht allein nach künstlerischen Kriterien rezensieren. An dessen Schönheit und existenzieller Tiefe und auch seiner Qualität lässt er jedoch keinen Zweifel.

© Perlentaucher Medien GmbH"
'Bei Rolf Bossert lässt sich lernen, daß beides wahr sein kann: das Gefühl der Verzweiflung und das Spiel, ja sogar der Handel mit ihm.' Meike Fessmann, Süddeutsche Zeitung 'Wer diese Gedichte jetzt aus der Distanz von mehr als zwanzig Jahren liest, ist immer wieder beeindruckt.' Holger Schlodder, NDR 'Zur Wiederentdeckung: Diese neue Ausgabe macht nun die erstaunlichen Entwicklungssprünge und Metamorphosen des Dichters Bossert fassbar.' Michael Braun, Der Freitag 'Bosserts Gedichte bewegen sich in einem Spannungsfeld, als dessen extreme und höchst gegensätzliche Pole sich Brecht und Celan ausmachen ließen.' Jan Wagner, Frankfurter Rundschau 'Die Gesammelten Gedichte Bosserts verschaffen einen atemlos machenden Eindruck von der Kompromißlosigkeit eines wortfeilenden Menschen.' Marica Bodrozic, Hessischer Rundfunk 'Noch heute erstaunt die Vieltönigkeit von Bosserts Arbeiten. (.) Bossert verdient eine erneute Lektüre.' Harald Hartung, Frankfurter Allgemeine Zeitung 'Bossert war ein Meister des schwarzen Humors.' Richard Wagner, Neue Zürcher Zeitung