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»Die Erde - kaum auszumalen - ist der Rede interieur.« Und die Herde der Rede aggregieren in »Vorstufen der Verschmelzung von Figurenreihen, die vor dem ruhenden Auge vorüberziehen« ein Poem von mehr als 1000 neunzeiligen Strophen, »Stanzen aus diskreter Stetigkeit«. Da schläft Poemander, Hirte der Hermetika, schürt und hütet die Herde seiner überlieferung, welche ihr »Wachsein in Sprache« erhellt. Der opulente Gedichtband deutet zudem in Glossen sowie ikonischen Lese- und Orientierungshilfen die Möglichkeiten von Lyrik an: ohne hemdsärmelige »Krempel der reinen Vernunft« dort, wo Sprache…mehr

Produktbeschreibung
»Die Erde - kaum auszumalen - ist der Rede interieur.« Und die Herde der Rede aggregieren in »Vorstufen der Verschmelzung von Figurenreihen, die vor dem ruhenden Auge vorüberziehen« ein Poem von mehr als 1000 neunzeiligen Strophen, »Stanzen aus diskreter Stetigkeit«. Da schläft Poemander, Hirte der Hermetika, schürt und hütet die Herde seiner überlieferung, welche ihr »Wachsein in Sprache« erhellt. Der opulente Gedichtband deutet zudem in Glossen sowie ikonischen Lese- und Orientierungshilfen die Möglichkeiten von Lyrik an: ohne hemdsärmelige »Krempel der reinen Vernunft« dort, wo Sprache aufhört, Kritik ihrer Urteilskraft zu sein, »zunft ihrer Zukunft« einzugehen in ein selbstredendes Moiré der Rede. Ein Gegengedicht, das Aufmerksamkeit, Erwartung und Erinnerung wortgetreu verflicht in Strängen der lyrischen Tradition. Ekloge, Ode und Lehrgedicht in einem - als anschaulich präzis konzipierte, sinnliche Verstrickung: »Nach und nach ist Poesie alles in allem ein Bild.«
Autorenporträt
Egger, OswaldOswald Egger wurde 1963 in Lana/Südtirol geboren. Seine Prosa und Gedichte sind in mehrere Sprachen übersetzt und wurden vielfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Ernst-Jandl-Preis für Lyrik 2019. Seit 2011 ist er Professor für Sprache und Gestalt an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel. 2014 erhielt er das Villa-Massimo- Stipendium, 2020 das Robert-Musil-Stipendium. Oswald Egger lebt und arbeitet auf der Raketenstation Hombroich.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.01.2000

Verschwiemelte Muster
Lallen und Lispeln: Oswald Egger hütet die "Herde der Rede"

Von Klopstocks "Messias" überdauern die drei ersten Gesänge. Und wer heute noch Arno Holz liest, ist mit einem Reclam-Heft bestens bedient: Eine späte Fassung seines "Phantasus" nannte man boshaft "Elephantasus". Also tut man Oswald Egger und seinem 300-Seiten-Poem "Herde der Rede" kaum einen Tort, wenn man sagt, es sei um gute 200 Seiten zu lang.

Auch solche Leser werden das finden, die mit des Autors Intention und seiner Schreibart anfangs sympathisieren: Ihre Faszination verbraucht sich schnell. Oswald Egger dreht sein Kaleidoskop unermüdlich um und um, und dem Leser, der ihm anfangs noch folgt, flimmert's schließlich vor Augen. Dieser Effekt ist offenbar Absicht. Denn einer der Begriffe, mit denen Egger sein Schreiben charakterisiert, ist das Wort "Moiré". Der Leser darf dabei an das gemusterte Gewebe denken, an das Moiré-Papier, an die durch fehlerhafte Passung erzeugten Muster beim Mehrfarbendruck oder auch an den unerwünschten Moiré-Effekt auf Fernsehbildschirmen. Eggers Text bedient - je nach Optik des Lesers - alle diese Effekte: die schmeichelnden, aber auch zunehmend die irritierenden oder bloß ärgerlichen.

Der sechsunddreißigjährige Wiener Autor, der mit "Herde der Rede" seine erste Arbeit in einem großen Verlag vorlegt, ist alles andere als ein Dilettant. Er ist Herr seiner Mittel, seiner gewählten Effekte - Herr der "Herde der Rede Moiré". Er sieht sich als "Poemander" und Hirte seiner "Hermetika". Er operiert mit Homonymen und Doppelsinnigkeiten, gleitet flink assoziierend anagrammatisch von der "Herde" zur "Erde" und zur "Rede" und zurück. Sprache changiert, nichts Festes ist erkennbar. Eggers Ehrgeiz war offenbar, aus möglichst wenig Grundworten möglichst viel Text zu produzieren, nämlich etwa 8000 freirhythmische Zeilen, die er zu neunzeiligen Stanzen bündelt.

Was dabei herauskam, kann man modisch "selbstreferenziell" oder altmodisch narzisstisch nennen. Sein poetologisches Glaubensbekenntnis ist der Satz: "Es genügt mir, wenn ich denke, daß ich spreche." Wie er das anstellt, sagt er ziemlich zu Anfang: "Jede Nacht, wenn ich einschlaf suche (und mein Hertz wacht), pocht ein Bild an mein Kauern, in dem Wandentlang erscheinte ein Geraum, und ich denke bei mir Bewandtnisse aus, Zustände, worin ich, mit anderen Worten, sein kann." Verschmockter kann man es kaum sagen. Und mancher Leser, der so weit gelangt ist, wird seinen "Einschlaf" woanders suchen und das (oder den?) "Geraum" des Textes fliehen.

Er sollte sich gedulden. Denn etwas später findet er ein poetologisches Statement, das durchaus klar und schön ist: "Ich schlafe, drehe mich zur Rede, aber horch, meine Wörter wachten." Sie wachen, ja erwachen immer dann, wenn Oswald Egger sich an ein Stück Natur hält oder doch an Halluzinationen von Naturszenen: "Aber der Schnee blieb nicht liegen. Er wurde wärmer, aper, bald. Die Reiser bindseln, die Schober und den Kiesel von der Straße, Rebscheren, das Laub im glattgedrückten Gras, die Gewege Feldmaus und Aufhäufen der Wühler, ein erster Sonnenschlaf." Doch schon wenige Zeilen weiter ist der Text beim "Makramee", also bei arabischer Knüpftechnik, und beim "Schnurstich einer Tüllarbeit" angekommen. Will sagen: Der Autor langweilt uns mit der altbekannten etymologischen Herleitung, wonach "Text" von Gewebe kommt. Er liefert uns immer neu Sprach-Textilien, aber sein Kunst-Gewebe hat trotz aller Moiré-Effekte einen unübersehbaren Stich ins Kunstgewerbe.

HARALD HARTUNG

Oswald Egger: "Herde der Rede". Poem. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1999. 301 S., br., 22,80 DM.

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