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Sie nannten ihn das "achte Fußball-Weltwunder" - und meinten damit Gerd Müller, der als Torjäger noch heute alle Rekorde hält. Wer war dieser Mann, der vom Provinzkicker aus ärmlichsten Verhältnissen zum Weltstar aufstieg, reich wurde und dann nach einem Ausflug in das Fußballentwicklungsland Amerika alkoholsüchtig in der Gosse landete?
Der Historiker Hans Woller schildert die Etappen dieser ungewöhnlichen Karriere - aus kritischer Distanz und zugleich voller Empathie. Die Geschichte des FC Bayern München ist dabei stets präsent. Müllers Verein etablierte sich in den 1960er und 1970er
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Produktbeschreibung
Sie nannten ihn das "achte Fußball-Weltwunder" - und meinten damit Gerd Müller, der als Torjäger noch heute alle Rekorde hält. Wer war dieser Mann, der vom Provinzkicker aus ärmlichsten Verhältnissen zum Weltstar aufstieg, reich wurde und dann nach einem Ausflug in das Fußballentwicklungsland Amerika alkoholsüchtig in der Gosse landete?

Der Historiker Hans Woller schildert die Etappen dieser ungewöhnlichen Karriere - aus kritischer Distanz und zugleich voller Empathie. Die Geschichte des FC Bayern München ist dabei stets präsent. Müllers Verein etablierte sich in den 1960er und 1970er Jahren an der Spitze des europäischen Fußballs, bewegte sich aber immer am Rande des finanziellen Ruins. Wie die Insolvenz abgewendet werden konnte, welche zwielichtige Rolle dabei die bayerische Staatsregierung und die CSU spielten und in welchem Maße Superstars wie Müller oder Beckenbauer von diesen Machenschaften profitierten, ist bisher noch nie so eindringlich dargestellt worden. Fußballgeschichte wird hier zur Zeitgeschichte, die damit eine neue wissenschaftliche Dimension gewinnt.
Autorenporträt
"Hans Woller war lange Jahre Mitarbeiter im Institut für Zeitgeschichte und von 1994 bis 2015 Chefredakteur der "Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte".
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Der Historiker Hans Woller verfasste schon eine Mussolini-Biografie, weiß Rezensent Jörg Später. Nun legt Woller eine Biografie über Gerd Müller vor - und der Kritiker liest hier angeregt von Aufstieg und Fall des Profifußballers, der bei der Weltmeisterschaft in Mexiko 1970 das Siegtor schoss und nach seiner Karriere dem Alkohol fiel. Vor allem liefert ihm Woller eine Gesellschaftsgeschichte der alten Bundesrepublik, staunt der Kritiker, der hier etwa erfährt, wie der Fußball zum "gehypten Kulturevent" wurde oder wie der FC Bayern unter dem Schutz der bayrischen CSU in Steuerskandale geriet. Auch wie die Spieler zu aufstiegsorientierten "Egoshootern" wurden, liest der Kritiker hier nach. Bei allen Schattenseiten des Fußballs, die Woller beleuchtet, verliert er Müller, den "Magier des Strafraums", doch nie aus den Augen, lobt Später.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.10.2019

Die Wahrheit liegt neben dem Platz
Als beim FC Bayern die Steuervermeidung zur Geburtshelferin des Profifußballs wurde:
Hans Wollers Biografie über Gerd Müller erzählt Gesellschaftsgeschichte der alten Bundesrepublik
VON JÖRG SPÄTER
Hirnrissig“ fand Uli Hoeneß die Idee, eine Biografie über Gerd Müller zu schreiben. Da reichen doch fünf Sätze, meinte der Präsident des FC Bayern München. Für ein Gespräch über seinen langjährigen Weggefährten stand er deshalb Hans Woller, dem Biografen, nicht zur Verfügung. Was hätten Hoeneß fünf Sätze sein können? Vielleicht: Gerd Müller kam aus der Provinz. Er bildete mit Sepp Maier und Franz Beckenbauer „die Achse“ (so sagte man tatsächlich) der legendären Bayern-Mannschaft der 1970er-Jahre. Er wurde zum „Bomber der Nation“ und Weltmeister. Nach dem Ende seiner Karriere wurde der Torjäger Alkoholiker. Der FC Bayern in Person von Hoeneß und Beckenbauer holte Müller aus der Gosse und beschäftigte ihn bis zu dessen Alzheimererkrankung als Assistenztrainer im Amateur- und Jugendbereich. Was also soll schon herauskommen bei einer solchen Fußballerbiografie?
Woller ist anderer Meinung über die Substanz der Müller-Geschichte. Er ist Historiker, war langjähriger Redakteur der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte und Experte für den italienischen Faschismus – über Benito Mussolini hat er vor drei Jahren eine hervorragende Biografie vorgelegt. Die Geschichte des Fußballs ist für Woller Teil der „richtigen“ Geschichte – wie auch anders, wenn Woche für Woche und ein Leben lang Millionen von Menschen sich mit dem Ball beschäftigen? Und mit der Fußballgeschichte kann man auch andere Dinge wahrnehmen als bloß das Runde, das ins Eckige muss. Die Wahrheit liegt manchmal auch neben dem Platz.
Was also sehen wir alles, wenn wir beim Müllern zuschauen? Natürlich den sensationellen Aufstieg eines Hochbegabten aus kleinsten Verhältnissen in einem Spiel, das selbst vom Proletensport zum gesellschaftlich anerkannten und gehypten Kulturevent mutiert ist. Dann den tiefen Fall des Helden, der in der Gosse landet. Komplementär dazu die Anfänge des Profifußballs in Deutschland und seine Verstrickung in wirtschaftskriminelle Machenschaften, teilweise unter dem politischen Schutz des CSU-Staates in Bayern. Zudem vermittelt das Buch Einblicke in die gesellschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik, blickt in ein autoritäres Milieu und zeichnet den Wandel von Spielertypen nach. Schließlich erzählt es eine kleine Geschichte von Alkohol und Doping im Fußball.
Sobald Gerd Müller den Rasen betrat, war er ein anderer Mensch – energisch und entschlossen, vielseitig einsetzbar, ein genialer Instinktfußballer. War das Spiel vorbei, verwandelte er sich wieder zurück in den schüchternen, scheuen und unsicheren jungen Mann aus der Provinz, der sich immer benachteiligt fühlte. Aber der Müller traf und traf, die Tore fielen, der Rubel rollte – und der Torjäger im Rampenlicht griff zu, wie und wo er nur konnte. Nicht anders als die anderen übrigens. Unter dieser Generation der Profis herrschte eine so naive wie gierige Goldgräberstimmung.
Woller gibt Auskunft über Schein und Sein des deutschen Profifußballs in seinen Kinderschuhen, über die Wurstigkeit gegenüber Recht und Gesetz, die ihn von Anfang an begleitete und an der sich niemand störte. Das Publikum wollte Tore sehen und Erfolge feiern, die große Politik ebenfalls, die Journalisten übertrafen sich in Hofberichterstattung. Der gemeinnützige DFB stellte zunächst enge Regeln für den bezahlten Fußball auf, aber der FC Bayern zahlte wie wohl die meisten andern auch unter der Hand Extragelder.
Wie es der Bayern-Führung in den Siebzigerjahren gelang, die inzwischen hochkarätige Mannschaft zu bezahlen und sich immer wieder vor der Insolvenz zu retten, kann auch Woller nicht genau erklären. Aber einige illegale Tricks und Manöver im Graubereich hat er doch durch Zeugenaussagen rekonstruiert. Vor allem die Unzahl von Freundschaftsspielen im Ausland, deren Honorare die Spieler direkt im Flugzeug im Briefumschlag erhielten, die nicht versteuert wurden. Politischen Begleitschutz leistete immer wieder der mitreisende Erich Kiesl, Staatssekretär aus dem Innenministerium, der den Zöllnern auf dem Münchner Flughafen erklärte: „Ich bin der Staatssekretär Kiesl und das ist der FC Bayern – also lasst uns durchgehen.“
Der FC Bayern schmückte die CSU, und die Partei von Franz Josef Strauß unterstützte den Klub, wo es nur ging. Allerbeste Amigos waren sie, „eine Hand wusch die andere, aber richtig sauber wurde keine“. Der bayerische Finanzminister Ludwig Huber war bei Schwierigkeiten mit den Steuerbehörden gerne behilflich. Er stiftete die Bayern-Führung offenbar sogar selbst zu illegalen Praktiken an. Woller berichtet über eine ganze Reihe von Steuerskandalen. So ist es nur folgerichtig, dass irgendwann fast jeder Spieler ins Visier der Steuerbehörden geriet, ohne ein Unrechtsbewusstsein zu besitzen.
Woller berichtet auch vom Mentalitätswandel der Spielertypen. Nach den ersten großen Erfolgen stellte Müller etwa Ansprüche in der Nationalmannschaft – so etwas hatte es vorher nicht gegeben. Noch unter Herberger waren die Spieler „einberufen“ worden und fügten sich in die Volksgemeinschaftsmannschaft. „Uns Uwe“ hätte niemals dem Trainer Vorschriften gemacht, die ersten Popstars des Fußballs nun aber schon. Die Professionalisierung sorgte zwar für ein knallhartes Leistungsmilieu, aber auch für den Abbau von autoritären Strukturen, einen Modernisierungsschub unter konservativen Vorzeichen sozusagen. Spieler wie Breitner, Hoeneß und Rummenigge, die nächste Generation, besaßen das Abitur, waren aufstiegsorientierte Individualisten, Egoshooter und Alphatiere, die den Fußball in erster Linie als Ware betrachteten und eine radikale Wende beim FC Bayern einleiteten, die den alternden Müller 1979 in die USA vertrieb.
Wollers Biografie beleuchtet die Schattenseiten des Profifußballs. Die Bayern-Stammspieler kamen wegen des chronischen Geldmangels des FC Bayern auf über 100 Spiele pro Saison. Das war eine enorme physische Belastung, dazu kam der psychische Druck des Erfolgszwangs. Nach 1974 wurden die Münchner Weltmeister immer mehr zu mürben Helden. Die medizinische Betreuung bestand aus Fitspritzen. Cortison und „Wundertränke“, von denen man nicht wusste, woraus sie bestanden, hielten die Spieler am Laufen und manchmal bei Laune. Aufputschmittel wie Pervitin und Dicodid hatten schon Wehrmachtssoldaten gerne konsumiert. Den Preis bezahlten die Fußballer erst später.
Die Alkoholabhängigkeit wurde bei Gerd Müller allerdings schon während der Karriere deutlich. Nicht nur in jedem Dorfverein wurde unentwegt gesoffen, auch bei den Profis. „Wir sind doch Männer und trinken keine Brause“, sagte einst der stark angetrunkene Schiri Ahlenfelder, als er versehentlich die Mannschaften bereits nach 30 Minuten zum Pausentee bat. Der gegen Ende seiner Karriere immer öfter frustrierte Müller wuchs langsam, aber sicher in die Alkoholsucht hinein. Nachdem er mit dem Fußball aufgehört hatte, trank er nur noch, weil nun der letzte Zwang zur Selbstdisziplin wegfiel. Zu peinlichen Auftritten kamen geschäftlicher Misserfolg und Eheprobleme. Bis Uli Hoeneß eingriff, der in den Neunzigerjahren einen familienunternehmensorientierten Blick auf das Fußball-Business entwickelte. Mit Hilfe von Uschi Müller ermöglichte er dem gefallenen Star die besten – immerhin 15 – Jahre seines Lebens an der Seite von Hermann Gerland – abseits von Glanz und Glamour und dem Medienrummel, nur auf der Kickwiese.
Bei allen Nebengeschichten bleibt kein Zweifel: Müller war das achte Fußball-Wunder, ein Magier des Strafraums, ein begnadeter Instinktfußballer. Woller liebt den Gegenstand, den er kritisiert. Er erzählt mit großem Ballgefühl. Der Fußballphrasendrescher würde sagen: Der Autor ist technisch beschlagen, seine Laufwege stimmen, die Passkombinationen zwischen den Erzählebenen gelingen. Woller hat aber keines der üblichen Fußballbücher vorgelegt, sondern eine problemorientierte Studie, die zugleich großen Unterhaltungswert hat, auch und gerade für die Liebhaber des Spiels.
Der Fall Müller ist mehr als eine moralische Parabel vom Aufstieg und Niedergang eines bildungslosen Weltstars aus der Provinz. Er beleuchtet die kriminelle Kehrseite des entstehenden Profifußballs und zeigt, dass der Profifußball ein Drogenproblem hat. Es ist ja vermutlich noch schlimmer: Der Profifußball ist selbst die Droge. Wie ist es sonst anders zu verstehen, dass wir Fußballfreunde diese grenzenlose, selbstzerstörerische Kapitalisierung des Profifußballs immer weiter tolerieren und uns immer wieder für viel Geld die Spiele von Mannschaften anschauen, die nachweislich nicht nur gegen das Financial Fairplay verstoßen, sondern auch die Aufklärung darüber behindern?
Hans Woller: Gerd Müller oder Wie das große Geld in den Fußball kam. Eine Biografie. Verlag C.H. Beck, München 2019. 352 Seiten, 22,95 Euro.
Anhand von Zeugenaussagen
belegt Woller illegale Tricks und
Manöver im Graubereich
„Wundertränke“, bei denen
man nicht wusste, was drin war,
hielten die Spieler am Laufen
Der Autor ist technisch
beschlagen, seine
Passkombinationen gelingen
„Bomber der Nation“: Gesellschaften charakterisieren sich auch durch die Namen, mit denen sie ihre Helden schmücken. Bei der Weltmeisterschaft in Mexiko 1970 erzielte Gerd Müller das Siegtor zum 3:2 der deutschen Nationalmannschaft gegen England in Leon.
Foto: Horstmueller
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.2019

Der Sumpf jenseits des Rasens
Eine Biographie über Gerd Müller blickt in die Zeiten, als das große Geld in den Fußball kam

Wenn es eine Fußballerbiographie in den politischen Teil dieser Zeitung schafft, dann muss etwas anders sein als bei den handelsüblichen Lebensbeschreibungen der großen Weltstars. Beim jüngsten Werk über den großen Gerd Müller fällt schon der Autor aus dem bekannten Raster: Hans Woller, Historiker und lange Zeit Herausgeber der "Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte". Hier hat sich jemand mit einem ganz anderen Blick an die mythenvernebelte Frühzeit des deutschen Profifußballs gemacht. In der Flut von Fußballliteratur - darauf weist Woller in seinem Vorwort hin - gibt es bis dato keine einzige breit recherchierte und methodisch anspruchsvolle Biographie, die den Blick über das rein Sportliche und Persönliche der Stars hinaus wagt und auch die Welt jenseits des Rasenvierecks reflektiert. "Gerd Müller oder wie das große Geld in den Fußball kam" hat er sein Buch benannt.

Vieles aus der großen Zeit der Müllers, Beckenbauers und Maiers ist längst Legende: der märchenhafte Aufstieg der Jungs aus der Nachkriegstristesse in den internationalen Jet-Set, das Leben in den Klatschspalten und die teils bis heute unerreichten Rekorde. Dass es in den ersten Jahren des kommerziellen Profifußballs finanziell alles andere als koscher zugegangen ist, war irgendwie schwer zu leugnen, doch nachbohren wollte eigentlich niemand.

Als der junge Gerd Müller 1964 nach München kam, war er ein typisches Kind seiner Generation. Ein paar Monate nach Kriegsende in Nördlingen geboren, wuchs er in ärmlichen Verhältnissen auf. Der Vater erst Tagelöhner, später Fahrer einer Kohlen- und Lumpenhandlung, die Mutter kümmerte sich um die vier Kinder. Die Schule hatte den jungen Gerd nie groß interessiert und erst recht keine Erfolge gebracht. Sicher fühlte sich der junge Müller vor allem auf dem Fußballplatz, wo nichts zählte als sein Talent und der unbändige Wille. Beim TSV Nördlingen wurde er bald aus dem Umfeld des FC Bayern entdeckt, der damals zwar noch im Schatten seines Lokalkonkurrenten TSV 1860 München stand, aber dem Nachwuchstalent offenbar bessere Perspektiven bieten konnte. Und wo Müller bald viel Geld verdienen sollte, zumindest unter der Hand.

Müller war nicht der Einzige, die ganze Liga fußte damals auf einem System von schwarzen Zahlungen. Denn die Funktionäre des deutschen Fußballs hatten sich Anfang der sechziger Jahre zwar dazu durchgerungen, den Weg zum Profitum zu gehen. Doch hing man hierzulande nach außen weiter an der idealisierten Vorstellung, dass der Fußballsport eine "saubere" Sache sei und von den Gesetzen des Mammons freigehalten werden müsse. Die wirklichen Gründe waren freilich nicht nur ideeller Art. Denn was auf dem Spiel stand, war die Gemeinnützigkeit der Vereine, ohne die deftige Steuern fällig geworden wären. Um die Gemeinnützigkeit zu bewahren, wurden Gehälter und Ablösesummen streng gedeckelt - und waren damit weit entfernt von dem tatsächlichen Wert, den die Stars in einer entstehenden Medienwelt entwickelten.

Beinahe logische Folge dieser Kluft zwischen tatsächlichem Wert und realen Gehältern war ein System schwarzer Kassen und Zulagen. Die Bayern-Führungsriege um Manager Robert Schwan, eine Gruppe von Männern, die über ihre Vergangenheit lieber schwiegen und in den Wirren der Nachkriegszeit zu Geld und Einfluss gekommen waren, erkannte das wirtschaftliche Potential des Fußballs früher als andere. Doch Sponsoring und Einnahmen aus Fernsehübertragungen und der Werbung waren noch Zukunftsmusik. Als einzig verlässliche Erlösquelle blieben Gastspiele und zum Teil ausgedehnte Auslandstourneen in Sommer- und Winterpause. Auf diesen Reisen kassierte Manager Schwan laut Woller hohe DM- und Dollar-Summen ein, immer in bar und nie regulär verbucht. Der größte Anteil ging in Briefumschlägen direkt an die Spieler, mit "dicken Bündeln" seien sie zurückgekehrt, berichtete Beckenbauer später.

Alles lief diskret, auch die regelmäßigen Zwischenlandungen in Zürich, wo ein Teil der Einnahmen sicher verblieb. Für alle Fälle sei regelmäßig "politischer Begleitschutz in Gestalt von Staatssekretär Erich Kiesl aus dem Innenministerium" dabei gewesen, schreibt Woller. Einmal soll der den verdutzten Zöllnern am Münchner Flughafen gesagt haben: "Ich bin der Staatssekretär Kiesl und das ist der FC Bayern München - also lasst uns bitte durchgehen." Die Nähe zur CSU half den Bayern-Spielern laut Woller auch später noch, als die Finanzämter Mitte der siebziger Jahre Teile der jüngeren Vergangenheit aufarbeiten. Die meisten Verfahren wurden diskret mit kleineren Nachzahlungen bereinigt, obwohl zum Teil riesige Summen hinterzogen worden waren. Dass manche Helden von damals noch heute gewisse Anpassungsschwierigkeiten an die allgemeingültige Steuermoral haben, ist da beinahe verständlich. Doch trotz Wollers Recherchen liegt noch vieles im Dunklen. Das Steuergeheimnis schützt die Akten in den Archiven und die damals Handelnden in Sport und Politik.

Müller war schnell zum großen Star aufgestiegen. Im Zirkus um die immer größere mediale Ausleuchtung des Fußballs in diesen Jahren sprang er über jedes Stöckchen und verdiente blendend. Doch auf dem gesellschaftlichen Parkett jenseits des Rasens hatte sich der Jahrhundertfußballer aus der schwäbischen Provinz nie wohl gefühlt. Von Anbeginn hatte er im Schatten der "Lichtgestalt" Beckenbauer gestanden. Noch schlimmer wurde es, als mit Uli Hoeneß und Paul Breitner eine neue Generation von Spielern nach oben kam, die sich als Fußball-Intellektuelle gaben und Maßstäbe setzten, denen Müller nicht mehr genügte. Der Rest ist Geschichte: 1979 die Trennung von den Bayern im Streit, sein spätes Abenteuer in den Vereinigten Staaten, wo er den abgearbeiteten Körper noch ein paar Jahre für viel Geld als Altstar in der amerikanischen Liga schindete, dann der wirtschaftliche Abstieg, als er all sein Geld durch zwielichtige Berater und aussichtslose Investments verlor. Schließlich der Alkohol. Sein Leben lang hatte der Müller begleitet, eine kleine Schwäche, bei der die Kollegen gerne ein Auge zudrückten. Ende der achtziger Jahre hätte ihn der Suff beinahe in der Gosse enden lassen.

Doch dann kam die letzte große Wendung im Leben des Gerd Müller - und es war ausgerechnet der FC Bayern um Uli Hoeneß, der den gefallenen Star wieder aufrichtete. Hoeneß, inzwischen Manager, brachte Müller in eine Entzugsklinik und holte ihn in die Jugendarbeit des FC Bayern. Dort wirkte er, fern der medialen Aufmerksamkeit, aber wohl zufrieden und mit größtem Einsatz, bis es ihm seine Alzheimer-Erkrankung unmöglich machte. Hoeneß, der selbst alle Härten des frühkapitalistischen Fußballs erfahren hatte, erkannte damals mal wieder vor den anderen, dass die Vereine für ihre Spieler Verantwortung tragen und dass sie empfindsame Wesen wie Gerd Müller schützen müssen.

Hans Woller ist es gelungen, die großen Linien dieser Zeit herauszuarbeiten. Ohne künstliche Spannungsbögen und ohne jede emotionale Überhöhung gibt sein Buch einen detailreichen Einblick in diesen bisher kaum beachteten Teil der deutschen Nachkriegsgeschichte.

ALEXANDER HANEKE

Hans Woller: Gerd Müller. Oder wie das große Geld in den Fußball kam.

C. H. Beck Verlag, München 2019. 352 S., 22,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Ein zeitgeschichtliches Opus im renommierten C.H.Beck Verlag. (...) Spannend!"
Münstersche Zeitung

"Packen Sie dieses Buch und lassen Sie sich davon packen. Warten Sie nicht!"
Axel Hacke


"Woller erzählt mit großem Ballgefühl. Der Autor ist technisch beschlagen, seine Laufwege stimmen, die Passkombinationen zwischen den Erzählebenen gelingen. [...] Wollers Biografie beleuchtet die Schattenseiten des Profifußballers."
Süddeutsche Zeitung, Jörg Später

"Ein Wissenschaftler erzählt die Geschichte des legendären Torjägers Gerd Müller - und nimmt zugleich den FC Bayern auseinander."
Spiegel, Andreas Meyhoff

"Hier hat sich jemand mit einem ganz anderen Blick an die mythenvernebelte Frühzeit des deutschen Profifußballs gemacht."
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Alexander Haneke

"Das große Geld im Fußball, Steuerhinterziehung und Protektion von Politikern - die Dokumentation des Historikers Hans Woller in Buchform war notwendig, um die Öffentlichkeit nachhaltig aufzuklären."
Die Tageszeitung, Wilhelm Schlotterer

"Dieses Buch ist ein Glücksfall. Es ist eine solide Biographie des Fußballspielers Gerd Müller und zugleich ein Kriminalroman."
Junge Welt, Gerhard Henschel

"Beeindruckend, anrührend und absolut lesenswert."
SWR1, Rainer Hartmann

"Das Buch ist mehr als eine Biographie. Es ist ein Psychogramm des ,Bombers' der Nation (...). Ein Plädoyer für mehr Menschlichkeit im Fußball."
ORF Südtirol, Patrick Rina

"Woller rehabilitiert den immer verkannten 'Bomber' als Genius voll menschlichem und fußballerischem Feingefühl. Ein Rühr- und Lehrstück."
Berliner Zeitung, Christian Seidl

"Es gleicht einem Krimi, was Woller anhand von Zeitzeugen zusammengetragen hat."
Die Presse

"Hans Woller (...) schafft es in seinem Werk, den Aufstieg Gerd Müllers aus einer Familie von 'Habenichtsen' im schwäbischen Nördlingen bis hin zum FCB und die Münchner Schickeria zu beschreiben."
tz und Münchner Merkur, Jonas Austermann

"Hans Woller korrigiert das Bild von Gerd Müller als eindimensionalen Fußballer und Menschen."
Berliner Zeitung, Christian Seidl

"Ein großartiges Buch"
Dresdner Morgenpost

"Gerade die Hintergründe des sich zur Zeit Gerd Müllers noch in den Kinderschuhen befindlichen Profifußballs zu beleuchten macht dieses Buch so spannend."
NOZ.de

"Das Buch ist mehr als 'nur' Sportlektüre. Es beschreibt ein Stück Zeitgeschichte."
Badische Zeitung, Michael Dörfler

"Es geht um Gerd Müller, dessen Aufstieg aus ärmlichen Verhältnissen (...) aber auch darum, wie der FC Bayern in den Sechziger- und Siebzigerjahren zu dem Klub werden konnte, wie er heute ist."
Abendzeitung, Thomas Häberlein
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"Jetzt, wo der Weg in die Stadien versperrt ist, soll dieses großartige Dokument erst recht den Weg in die Hände möglichst vieler Leserinnen und Leser finden."
Vorarlberger Nachrichten, Peter Natter