22,90 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Gebundenes Buch

7 Kundenbewertungen

Nominiert für die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2019Gewinner des Förderpreises zum Bremer Literaturpreis 2020Ivo wusste immer schon, dass er besonders ist. Besonders cool, besonders talentiert, besonders attraktiv. Alle wussten es, seine Familie, seine Jugendtrainer, seine Freunde im Käfig. Jetzt ist er einer der bestbezahlten Fußballer der Welt. Er verdient 100.000 Euro in der Woche, fährt einen Bugatti, hat eine Ehefrau und zwei Kinder, die er über alles liebt. Doch als seine Jugendliebe Mirna ins Spiel kommt, gerät das sichere Gerüst ins Wanken. Wie koordiniert man eine Affäre, wenn…mehr

Produktbeschreibung
Nominiert für die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2019Gewinner des Förderpreises zum Bremer Literaturpreis 2020Ivo wusste immer schon, dass er besonders ist. Besonders cool, besonders talentiert, besonders attraktiv. Alle wussten es, seine Familie, seine Jugendtrainer, seine Freunde im Käfig. Jetzt ist er einer der bestbezahlten Fußballer der Welt. Er verdient 100.000 Euro in der Woche, fährt einen Bugatti, hat eine Ehefrau und zwei Kinder, die er über alles liebt. Doch als seine Jugendliebe Mirna ins Spiel kommt, gerät das sichere Gerüst ins Wanken. Wie koordiniert man eine Affäre, wenn man eigentlich keine Freizeit hat? Lässt Ivos Leistung auf dem Spielfeld nach? Und was macht eigentlich seine Frau, während er nicht da ist? Einmal in Ivos Gedankenwelt eingetaucht, lässt sich Tonio Schachingers Debütroman schwer aus der Hand legen. Es ist nämlich dieser rotzige, witzige und originelle Ton des Erzählers, der vom ersten Satz an fesselt. Gespickt mit Wiener Milieusprache und herrlichen Fußballmetaphern gibt der Roman Einblick in das Schauspiel des Profisports und entlarvt seine Spieler als Schachfiguren auf einem kapitalistischen Spielfeld."Als Ivo jung war, gab es nur einen Ort: ihn selbst. Alles andere, der Fußball, Brügge, London, Hamburg, die Clubs, Autos und Restaurants, waren nur Kulissen, die hinter ihm vorbeigetragen wurden, aber er war der Mittelpunkt, die Sonne, um die sich alles dreht."
Autorenporträt
Tonio Schachinger, geboren 1992 in New Delhi, aufgewachsen in Nicaragua und Wien, studiert Germanistik an der Universität Wien und Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst. ¿Nicht wie ihr¿ ist sein erster Roman.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.12.2019

Ein Fest der Bücher

Es sind viele wunderbare Sportbücher in diesem Jahr erschienen. Wir haben uns für neun entschieden

"Pelé war torgefährlicher, Cruyff schneller, Messi trickreicher - aber niemand war so elegant wie Beckenbauer."

Titel Manuel Neukirchner: Hall of fame. Die größten deutschen Fußballspieler. Delius Klasing, Bielefeld 2019, 240 Seiten, 49,90 Euro.

Kurzkritik Elf Spieler, ein Trainer - das ergibt: eine Jahrhundertelf des deutschen Fußballs. Das Deutsche Fußballmuseum in Dortmund würdigt die besten Spieler in der Geschichte der Nationalelf mit einer Ruhmeshalle, die beständig erweitert wird. Die Hauptdarsteller dieses Buchs bilden dabei das Fundament: Sepp Maier im Tor, Franz Beckenbauer, Andreas Brehme und Paul Breitner in der Abwehr, Günter Netzer, Lothar Matthäus, Matthias Sammer und Fritz Walter im Mittelfeld, Gerd Müller, Uwe Seeler und Helmut Rahn im Sturm und Sepp Herberger als Trainer. Das Buch besticht durch großartige Fotos, viele davon noch in Schwarzweiß, und eindringliche Porträts. Es ist zudem hochwertig verarbeitet.

Für jene, die finden, früher sei der Fußball besser gewesen.

witt.

"Hände sind Waffen."

Titel Kobe Bryant: Mamba Mentality. Mein Weg zum Erfolg. Riva, München 2019, 208 Seiten, 24,99 Euro.

Kurzkritik Da sitzt er also auf einem handelsüblichen Bürostuhl, die Füße im Eiswasser, in der Hand eine Tageszeitung: "Ich habe nicht nur meinen Körper, sondern auch meinen Verstand trainiert", sagt Kobe Bryant. Aufgenommen wurde das Bild vom Fotografen Andrew D. Bernstein, der seit Jahrzehnten offizieller Fotograf der Los Angeles Lakers ist und durch seine intimen Aufnahmen in diesem Buch einen ganz besonderen Blick auf die Karriere von Bryant schafft. "Mamba Mentality" ist keine klassische Biographie, es ist vielmehr ein Scan der Gedanken- und Motivationswelt von Kobe Bryant, eine Art Lehrbuch. Eines seiner Gebote: "Mein Ziel war immer, den Gegner zu vernichten." Wie er das tat, wie er sich immer wieder mental und körperlich ans Limit brachte, wie er seine Gegenspieler analysiert und sich von schweren Verletzungen erholt hat, all das beschreibt er so eindrucksvoll, dass selbst Kenner des Basketballs in eine neue Welt eintauchen.

Für alle, die sich psychisch und physisch stärken wollen. witt.

"Kampfsport ist ein Langzeitprojekt für Gewaltprävention und Integration."

Titel Ernes Erko Kalac: Faszination und integrative Kraft des Sports - Geschichte eines Geflüchteten. ibidem-Verlag, Stuttgart 2019, 162 Seiten, 32 Euro.

Kurzkritik Im Jahr 1989 kämpft Ernes Erko Kalac mit dem jugoslawischen Nationalkader bei der Karate-Europameisterschaft in Wien und äußert sich in einem Interview kritisch zur Politik von Staatschef Milosevic. Er muss fliehen, wie während des folgenden Balkan-Krieges bald auch Hunderttausende seiner Landsleute. Er schlägt sich nach Deutschland durch, kommt dort an ohne jede Sprachkenntnisse - und findet Anschluss durch den Sport. In der hessischen Provinz gründet er einen Verein, der sich zu einem bundesweiten sportlichen und sozialen Vorzeigeprojekt entwickelt. Kalac erstellt ein Integrationskonzept, um Geflüchtete, sozial Benachteiligte und Menschen mit Behinderungen zu helfen. Er wird vielfach ausgezeichnet und Integrationsbotschafter des Deutschen Olympischen Sportbundes. In seinem Buch erzählt er die Geschichte seines Lebens.

Für alle, die Sport für mehr halten als das, was Profis betreiben. ede.

"Lass Federer einfach spielen und forsche nicht, was er taktisch macht. Du verstehst es ohnehin nicht."

Titel René Stauffer: Roger Federer: Die Biografie. Piper, München 2019, 352 Seiten, 25 Euro.

Kurzkritik Ob Roger Federer der größte Tennisspieler der Geschichte ist oder bleibt, das sei einmal dahingestellt. In jedem Fall ist der Schweizer, der 20 Grand-Slam-Titel gewonnen hat und damit mehr als jeder andere, eine große Inspiration für Spieler und Schreiber. Über Federer sind Elogen erschienen. Der Tonfall des Schweizer Journalisten René Stauffer in seiner Biographie "Roger Federer" ist eher nüchtern, aber die Aufarbeitung des Ausnahmelebens ist in Breite und Tiefe äußerst gelungen. Das Buch, in Teilen eine überarbeitete Fassung vom 2008 erschienenen "Das Tennisgenie", beschreibt nicht nur Federers Tenniskunst, sondern blickt auch hinter die freundliche Fassade.

Für Federer-Fans ein Standardwerk. kle.

"Basketball seit Nowitzki war anders als Basketball vor ihm: beweglicher, variabler, weniger erwartbar, feiner, raffinierter."

Titel Thomas Pletzinger: The Great Nowitzki. Mit Fotos von Tobias Zielony. Kiepenheuer&Witsch, Köln 2019, 512 Seiten, 26 Euro.

Kurzkritik Sieben Jahre hat die Arbeit an diesem Buch gedauert, sagt Pletzinger. Sogar seine Töchter, die während der Recherche für dieses Projekt geboren worden sind, haben irgendwann geglaubt, Nowitzki sei sein Beruf. Pletzinger ist Nowitzki bis in die Umkleide gefolgt, er hat Interviews mit ihm geführt, mit seiner Familie und seinen Vertrauten gesprochen und dabei eine Nähe aufgebaut, die diesem Buch guttut - weil es ein solch intensives Sportbuch über das Denken und Handeln eines deutschen Sportstars bisher noch nicht gab. Das macht es so besonders, und deshalb ist es auch egal, dass die Geschichte, wie aus Nowitzki einer der besten Basketballer der Geschichte wurde, keine neue ist. Die Erzählung ist es. Und ihr Tempo. Swish!

Für jeden, der von Großen träumt. witt.

"Wer keinen Bugatti hat, kann sich gar nicht vorstellen, wie angenehm Ivo darin sitzt."

Titel Tonio Schachinger: Nicht wie ihr. Kremayr & Scheriau, Wien 2019, 304 Seiten, 22,90 Euro.

Kurzkritik Ivica "Ivo" Trifunovic ist ein Star. 27 Jahre alt, österreichischer Nationalspieler, er verdient 100 000 Pfund pro Woche. Und auch sonst hat er alles, was ein richtiger Fußballer heute braucht: Seine Frau Jenny hat platinblonde lange Haare und vermutlich nicht von der Natur geformte Brüste; er fährt einen Bugatti, gern niedertourig, damit die Karre ordentlich wummert. Und doch steckt er in einer Krise: Wird er jemals wieder so gut, wie er einmal war? Und warum wird sein Herz so hart, als er seine Jugendliebe Mirna wiedersieht? Das Romandebüt von Schachinger, Jahrgang 1992, ist nicht nur eine fiktive Studie über den heutigen Fußballspieler, sie ist auch eine Geschichte über das Menschsein. Quell Schachingers Inspiration waren unter anderem die Social-Media-Accounts von Marko Arnautovic. Das Buch ist gelungen, so sehr, dass es es sogar auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises geschafft hat.

Für alle die meinen, Fußball sei ohnehin nur Theater. witt.

"Nach außen gibt sich Niki cool. In Wirklichkeit hat er seine sensiblen Phasen."

Titel Hartmut Lehbrink, Ferdi Kräling: Niki Lauda, von außen nach innen - 1949-2019. Delius Klasing, Bielefeld 2019, 160 Seiten, 79 Fotos und Abbildungen, 29,90 Euro.

Kurzkritik Die Fotos erscheinen, als habe man sie so noch nie gesehen. Manche in Schwarzweiß, andere in Farbe: Niki Lauda an der Rennstrecke, im Ferrari, beim Spaziergang mit seinem Schäferhund, im Gespräch mit einigen der größten Persönlichkeiten in der Geschichte der Formel 1. Etwa mit Bernie Ecclestone, dem Erfinder dieser Rennserie. Er und 39 andere Figuren aus der Formel 1 kommen in diesem Buch zu Wort und erzählen ihre ganz eigene Geschichte über Niki Lauda. Über den Rennfahrer, den Ehemann, den Vater, den Menschen. Über Jahre, ja Jahrzehnte entsteht so ein ganz besonderes Bild des Mannes mit der roten Kappe. Am 20 Mai 2019 ist Niki Lauda gestorben, er wurde 70 Jahre alt.

Für alle, die wissen wollen, wie Niki Lauda wirklich tickte.

witt.

"In den Ozeanen der sterilen Perfektion muss es Inseln der Echtheit geben."

Titel Christian Werner mit Frank Goosen: An jedem verdammten Sonntag. Edelbooks, Hamburg 2019, 194 Seiten, 19,95 Euro.

Kurzkritik Männer auf Asche, die zwei Kreise bilden. Im Hintergrund rauchen die Fabrikschlote. Männer in Trainingsjacken, die den Spielball im Rapsfeld suchen. Männer mit Mützen hinter der Absperrung, gestikulierend. Fotograf Christian Werner hält die kleine Welt des Amateurfußballs in Fotos fest, die in ihrer Tristesse rührend wirken und doch von einer großen Liebe erzählen: von der Leidenschaft der Amateure, mit der sie ihrem Lieblingssport nachgehen. Ob auf dem Dorf oder in der Großstadt. Mit krummen Linien und windschiefen Eckfahnen, die auf umgedrehten Hütchen das Ende des Sportplatzes markieren. Dazu Sprüche vom Spielfeldrand, trocken, authentisch, schnörkellos - wie der Fußball, der in den zahllosen Kreisklassen noch immer jeden Sonntag gespielt wird.

Für Romantiker, die den Fußball lieben, in der Provinz und überhaupt. ad.

"Als ich die Regeln des Überlebens ein für allemal gelernt hatte, war mein Unterwegssein keine Aufgabe mehr, eher ein Zustand."

Titel Reinhold Messner: Alle meine Gipfel. Bilanz eines Lebens der Extreme. Langen-Müller, München 2019, 376 Seiten, 30 Euro.

Kurzkritik Der wohl berühmteste Bergsteiger unserer Zeit öffnet sein Fotoalbum und teilt seine Erinnerungen. Es sind Bilder von entlegenen Gebieten, von Bergen, ummantelt von Schnee, und einem Mann, der die größten Gipfel bezwingen wollte. Messner geht chronologisch vor, von 1950, dem Sass Rigais als erstem Dreitausender seines Lebens, bis 2018, dem Klettern mit seiner Tochter Anna in den Dolomiten oder mit Gorillas in Ruanda. Dieses Buch ist eine Hymne an die Natur, aber auch ein Plädoyer für das Leben, den Glauben und dafür, niemals den Mut zu verlieren.

Für Abenteurer und Gipfelstürmer. witt.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.10.2019

Ein großer Witz
Ansichten eines Clowns: In Tonio Schachingers Roman „Nicht wie ihr“
philosophiert ein Fußballprofi über die Leere der Existenz
VON PHILIPP SELLDORF
Als der Fußballer Peter Crouch 2005 zum FC Liverpool kam, bestand eine seiner ersten Handlungen darin, einen Aston Martin zu kaufen. Jahre später erzählte er in seiner Biografie, wie damals zwei innere Stimmen zu ihm sprachen. Die eine sagte, ein Aston Martin passe doch gar nicht zu ihm. Die andere machte ihm klar, dass für einen Angehörigen des Champions-League-Siegerteams die alten Gewohnheiten nicht mehr zählen dürften. So fuhr er nun mit seinem neuen Auto durch Manchester, Fenster runtergelassen, Ellbogen draußen, Sonnenbrille im Gesicht. Als Crouch an einer Ampel hielt, sah er im Wagen neben sich den großen Roy Keane am Steuer, Manchester Uniteds langjährigen Kapitän, eine Legende der englischen Liga. Crouch nickte und winkte ihm zu und wies mit dem Zeigefinger auf den Mann, dem er sich verbunden wähnte. Keane reagierte: Mit dem Ausdruck von Abscheu schaute er herüber, schüttelte den Kopf, wandte sich ab und starrte nach vorn, bis er die Fahrt fortsetzte. Am nächsten Tag verkaufte Peter Crouch seinen Aston Martin. Er machte 25 000 Pfund Verlust, aber er schätzte sich glücklich, und bis heute ist er Keane, „dem spirituellen Führer eines neuzeitlichen Fußballprofis“, dankbar für die Erleuchtung.
Ivica „Ivo“ Trifunovic, die Hauptfigur in Tonio Schachingers Debütroman „Nicht wie ihr“, besitzt außer einem Aston Martin auch einen Bugatti und mindestens drei weitere teure Autos. Für ihn stellt dieser Fuhrpark keine moralische Herausforderung dar, sondern die obligatorische Ausstattung seines Lifestyles. Aber er weiß das Privileg des Luxus’ zu genießen. „Wer keinen Bugatti hat, kann sich gar nicht vorstellen, wie angenehm Ivo darin sitzt“, sagt der Erzähler im grandiosen ersten Satz dieses sehr originellen und witzigen und stellenweise auch sehr geistreichen Buches. Dass es in die Shortlist für den deutschen Buchpreis aufgenommen wurde, war wohl eine Überraschung, aber ganz sicher keine Verirrung.
Zum Geburtstag bekommt Ivo von seiner Frau Jessy ein besonders gutes Navigationsgerät mit fünf verschiedenen Halterungen geschenkt, damit er es in all seinen Autos benutzen kann. Doch er hasst das Navi und diese Frau darin, die ihm den Weg vorschreiben möchte, und auch die anderen Geschenke ärgern seinen rebellischen Geist: den Gutschein für einen Wellnesstag mit Jessy, das Bild für das Esszimmer und das Buch über den Tennisspieler Dominic Thiem. Mit jedem dieser Präsente fühlt er sich ausgespäht und durchschaut, am liebsten würde er vor der ganzen Familie zu seiner Frau sagen: „Wenn du mich wirklich kennen würdest, würdest du mir Kondome schenken, um mit einer anderen zu pudern.“ Ja, es geht häufig rüde zu in Ivos Gedankenwelt, ab und an meint man in Ivos Tiraden den Furor von Thomas Bernhard zu hören, doch dann gibt es auch die sensiblen und zärtlichen Momente, denn Ivo mag ein Prolet und kein gebildeter Mann sein, aber im Grunde ist er empfindsam und intelligent.
Jenseits der mehr oder weniger aufrichtigen Sportlerautobiografien hat es schon einige ernsthaft recherchierte Versuche gegeben, das tiefinnerliche Denken und Meinen von professionellen Fußballern zu ergründen, aber es sind dabei nicht viele so weitreichend vorgedrungen wie Schachingers fiktive Studie des 27 Jahre alten österreichischen Nationalspielers Ivo, der schon bei Real Madrid und dem Hamburger SV gespielt hat und nun beim englischen Mittelklasseklub FC Everton angestellt ist, 100 000 Pfund Wochenlohn erhält und viel Zeit damit verbringt, über sein Ich als Mensch und Fußballmillionär zu räsonieren. Fußball ist sein Leben und macht ihn glücklich, solange er mittendrin ist im Spiel, aber ohne den Ball kommt ihm das übrige Leben nicht selten traurig, leer und stumpfsinnig vor, dann drängt es ihn zur Verachtung für all die Leute, mit denen ihn sein Beruf zusammenbringt, etwa die vollgefressenen Funktionäre des österreichischen Verbandes oder die verlogenen Journalisten, die die üblichen Vorbehalte gegen ihn und seine Herkunft bedienen. Ivo stammt aus Wien, seine Familie aus Bosnien, für ihn ist die Stadt dem Ursprung nach „ein großes Wir, zu dem prinzipiell jeder dazugehören kann, ob Kroate, Bosnier, Serbe, Türke, Perser – man kann sogar als Österreicher dazugehören, solange man cool ist“. Oder aber, so zieht er die Grenze zwischen den Guten und den Anderen, „man entscheidet sich, keine Ausländerfreunde zu haben, und dann verpasst man alles, was gut an Wien ist und schimpft im Wirtshaus über Tschuschen“. Es sei denn, die Tschuschen – die Zugewanderten vom Balkan – schießen das entscheidende Tor für Österreichs Nationalelf und gehören auf einmal dazu. Man denkt an die Klage des Gelsenkircheners Mesut Özil in seiner Rücktrittsrede: Warum nennt man mich Deutsch-Türke, wenn’s schiefläuft? Auf die Bigotterie kommt Ivo am Beispiel von Jérôme Boateng zu sprechen, „wo ein Nazi gesagt hat, er würde nicht neben Boateng leben wollen, und sich daraufhin jede blöde Kartoffel zwischen München und Hamburg geil dafür gefühlt hat, dass sie sehr wohl neben ihm leben wollen würde“. Und warum? Weil er reich ist und im schönsten Villenviertel von München lebt und nicht im Ausländerviertel Wien-Favoriten, aus dem Ivo stammt.
Schachingers Geschichte, die außer vom eigentümlichen Dasein des Fußballprofis von der Liebe und einem Mann zwischen zwei Frauen handelt (und in aller Deutlichkeit auch vom Sex), siedelt zwar im Wiener Milieu und hat neben der großen Sprachkunst einen spezifisch österreichischen Ton, aber sie ist grenzenlos wie der moderne Fußball. Geschickt platziert der Autor seine erfundene Hauptfigur im realen Geschehen, Ivo trifft reale Spieler wie David Alaba, Zlatko Junuzovic und Marko Arnautovic und schimpft auf DFB-Spieler wie Timo Werner und Leon Goretzka und die „seelenlosen Maschinen, die aus den deutschen Akademien strömen, ohne eine Ahnung von der Welt und sich selbst“.
Die Deutschen kommen bei Ivo selten gut weg, er findet sie „fad“ und spricht ihnen den Sinn für Schönheit ab, aber dann fallen ihm auch Gründe ein, sie zu bewundern. Das ist ja das Gute an seinen inneren Monologen: dass sie die Dinge philosophisch drehen und wenden. Bis Ivo sogar bei Gott anlangt und sich fragt: Macht Gott die Menschen mit Absicht böse, damit sie aus schlechtem Gewissen auf ihn hören?
Trotz ihrer Berühmtheit bleiben Fußballer eine unbekannte Spezies, Phänomene einer Popkultur. Für sein Buch schöpfte der Autor aus Presseberichten und den Selbstbildnissen der Akteure via Instagram, aber der Roman lässt einen glauben, er hätte die Villen der steinreichen jungen Männer von innen gesehen und mit ihnen im Aston Martin gesessen.
Tonio Schachinger: Nicht wie ihr. Roman. Kremayr & Scheriau, Wien 2019. 304 Seiten, 22,90 Euro.
Die Luxusautos stellen für den
Protagonisten keine
moralische Herausforderung dar
Trotz ihrer Berühmtheit
bleiben Kicker
eine unbekannte Spezies
Viel Zeit, um über sein Ich als Fußballprofi zu räsonieren: Christiano Ronaldo im Urlaub.
Foto: imago
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr
Wer rauskommt, muss ihn haben
In Tonio Schachingers Debüt "Nicht wie ihr" erzählt ein Profifußballer

Einmal abgesehen von Ror Wolfs Text-Bild-Collagen und Nick Hornbys Kultroman "Fever Pitch" laboriert das Gros der Saison für Saison erscheinenden Fußballbücher an einem kaum bezwingbaren Problem: Entscheidend ist und bleibt auf dem Platz. Selbst mit größter Expertise ist es schwer zu schaffen, zum einen die Faszination des Spiels aufs Papier zu bannen, zum anderen all jenen, deren Leidenschaft nicht ohnehin schon entfacht ist, zu vermitteln, was der Fußball über das Leben lehrt. Und umgekehrt.

Insofern ließe sich für eine Schnapsidee halten, was der 1992 geborene österreichische Autor Tonio Schachinger, der Sprachkunst an der Universität für Angewandte Kunst in Wien studiert hat, in seinem Debüt "Nicht wie ihr" unternimmt: Er erzählt einen Roman aus der Sicht eines Profifußballers. Ivo, mit vollem Namen Ivica Trifunovic, dürfte etwa derselbe Jahrgang sein wie der Autor, ist unter Vertrag beim FC Everton, österreichischer Nationalspieler und erfüllt allerhand Klischees eines überbezahlten Premier-League-Spielers. Seine Frau Jessy hat platinblonde lange Haare, perfekte, vermutlich nicht ganz von Mutter Natur geformte Brüste, dazu ein verführerisches Strumpfband auf den Oberschenkel tätowiert. Momente von Zufriedenheit erlebt Ivo vor allem dann, wenn er in seinem Bugatti, den Motor niedertourig wummernd, durch die Stadt cruist. Gern auch mal um einiges zu schneller, versteht sich. Eigentlich aber steckt Ivo knietief in einer Krise irgendwo zwischen Burnout und beginnender Depression.

Tonio Schachinger gelingt das Kunststück, keines der aufgerufenen Klischees aufzulösen, sich dabei aber dennoch nicht über diese zu mokieren, genauso wenig, wie er den Leidensdruck Ivos denunziert. Dieser legt sich gegen die innere Leere anzukämpfen eine Affäre zu, die nach zwei Treffen und hilflos-gequälten Whatsapp-Dialogen abbricht, weil die Auserwählte so gar nicht in seine goldene Profikäfig-Welt passen mag. Viel mehr als das Aufflammen und Scheitern dieser Liaison passiert auch während der Monate, in denen "Nicht wie ihr" spielt, nicht. Und das Seltsame: Das macht rein gar nichts.

Dass all das so aufregend ist und so schnurrt wie das Aufbauspiel des FC Barcelona, ist der konsequent personalen Erzählhaltung des Romans geschuldet, die in ihrer Konsequenz ein veritables Bravourstück ist: Keine schnöde Ich-Perspektive hat Schachinger gewählt, sondern eine im herrlich treff- und pointensicheren Wiener Slang quatschende Figur geschaffen, die von sich selbst mit aller Selbstverständlichkeit als "Ivo" spricht - einer der vielen feinen Anklänge an einen verbreiteten Fußballersprech-Gestus, die ein Lothar Matthäus nur auf die Spitze getrieben hat.

Aber Schachinger zeigt eben nicht einfach nur einen Fußballer, sondern erzählt von einem Menschen, der die Extremform dessen erlebt, was die Grunderfahrung alljener ist, die von neoliberalen Strukturen profitieren und zugleich durch diese drangsaliert werden. Was Schachinger Ivo etwa über die gnadenlosen Auswüchse von Optimierung oder die wirkmächtige und manipulative Sprache der Presse denken lässt, hat durchaus hellsichtiges gesellschaftskritisches Potential, ohne dass Ivo selbst es auf diese Reflexionsebene heben müsste. Und wenn Ivo sich über die seelenlosen Maschinen echauffiert, die jährlich aus den Fußballakademien strömen, könnte man glatt melancholisch werden, wenn man es nicht eh schon wäre.

Von schlagender Überzeugung ist nicht zuletzt Ivos Umgang mit einem Alltagsrassismus, dem er durch seinen bosnischen Hintergrund immer wieder ausgesetzt ist. Wenn das Nationalteam gewinnt, ist er Österreicher. Wenn es schlecht läuft, schon ein bisschen weniger. Aber die ebenso verbreitete, mitunter reichlich ungelenke politische Korrektheit geht ihm eben auch gehörig gegen den Strich. "Deshalb ist es ihm auch egal, ob jemand ,Ausländer', ,Tschusch' oder ,Mensch mit Migrationshintergrund' sagt, obwohl er natürlich jedem, der ihn Tschusch nennt, sofort in die Pappn hauen würde."

Vielleicht ist eines der Geheimnisse dieses ebenso komischen wie scharfsichtig beobachteten und uneitlen Romans, in den Schachinger immer wieder Namen von realen Fußballern einfließen lässt, dass er ebenso locker wie präzise verschiedene gesellschafts- und identitätspolitische Fragen verhandelt, dass er sich aber auf ein Terrain erst ganz am Ende wagt: auf den grünen Rasen selbst. Wenn du rausgehst, musst du ihn haben, lautet eine Torwart-Regel. Schachinger hat ihn, aber wie!

WIEBKE POROMBKA

Tonio Schachinger:

"Nicht wie ihr". Roman.

Verlag Kremayr und

Scheriau, Wien 2019.

304 S., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
Mal tiefgründig, mal unbeholfen, mal derb sinniert Ivo permanent über seine Umwelt und arbeitet sich verächtlich an allem ab: an Funktionären und Messi, am Rassismus in Österreich und vor allem an der Liebe. Ein urgutes Lesevergnügen, Oida! Jörn Petersen Kicker 20201207