Marktplatzangebote
4 Angebote ab € 4,00 €
  • Gebundenes Buch

5 Kundenbewertungen

Am Anfang sind Jude und ihr Zwillingsbruder Noah unzertrennlich. Noah malt ununterbrochen und verliebt sich Hals über Kopf in den neuen, faszinierenden Jungen von nebenan, während Draufgängerin Jude knallroten Lippenstift entdeckt, in ihrer Freizeit Kopfsprünge von den Klippen macht und für zwei redet. Ein paar Jahre später sprechen die Zwillinge kaum ein Wort miteinander. Etwas ist passiert, das die beiden auf unterschiedliche Art verändert und ihre Welt zerstört hat. Doch dann trifft Jude einen wilden, unwiderstehlichen Jungen und einen geheimnisvollen, charismatischen Künstler ...

Produktbeschreibung
Am Anfang sind Jude und ihr Zwillingsbruder Noah unzertrennlich. Noah malt ununterbrochen und verliebt sich Hals über Kopf in den neuen, faszinierenden Jungen von nebenan, während Draufgängerin Jude knallroten Lippenstift entdeckt, in ihrer Freizeit Kopfsprünge von den Klippen macht und für zwei redet. Ein paar Jahre später sprechen die Zwillinge kaum ein Wort miteinander. Etwas ist passiert, das die beiden auf unterschiedliche Art verändert und ihre Welt zerstört hat. Doch dann trifft Jude einen wilden, unwiderstehlichen Jungen und einen geheimnisvollen, charismatischen Künstler ...
Autorenporträt
Jandy Nelson ist wie Noah und Jude in einem abergläubischen Haushalt aufgewachsen. Schon als kleines Mädchen wurde ihr beigebracht, wie man vierblättrige Kleeblätter aufstöbert; sie klopft auf Holz, wirft Salz über die Schulter und trägt Glücksbringer mit sich herum. Ihr Debüt Über mir der Himmel stand auf mehreren Bestenlisten und wurde ein großer internationaler Erfolg. Ihr zweiter Roman Ich gebe dir die Sonne ist New York Times-Bestseller, die Filmrechte sind an Warner Brothers verkauft, er stand ebenfalls auf mehreren Bestenlisten und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. mit dem Printz Award. Derzeit lebt Jandy Nelson in Kalifornien - nicht weit von den Schauplätzen aus Über mir der Himmel und Ich gebe dir die Sonne -, wo sie sich ganz dem Schreiben widmet.

Catrin Frischer, im Herzen Schleswig-Holsteins geboren, hat viele Jahre in Hamburg gelernt, gelebt, gelacht und viel gearbeitet. Nun haust sie mit mehrbeinigen Gefährten auf einem Deich, guckt in den Himmel und über die Wiesen, spinnt Wolle und Wörter, backt eigenes Brot - oder steigt in die Buchstabenminen, um dort Geschichten aus einer fremden in die eigene Sprache zu übertragen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2016

Blick in den Spiegel

Identität als Schicksal? Ach was! Die Zwillinge in Jandy Nelsons Roman erfahren, wie alles in Bewegung gerät.

Von Katharina Laszlo

Was, wenn ihm klar wird, dass ich ich bin?" Die Frage des dreizehnjährigen Noah, der im Morgengrauen auf das Hausdach steigt, um dort, unsterblich verliebt, einen Blick auf den Nachbarsjungen zu erhaschen, ist mehr als eine in zermürbende Selbstzweifel gehüllte Tautologie. Denn wer dieses "Ich" ist, weiß Noah, Protagonist in Jandy Nelsons zweitem Roman "Ich gebe dir die Sonne", keineswegs. Er weiß nur, wie schwer das Leben mit ihm ist, diesem unangemessen an Insekten und Malerei und vor allem an Jungs interessierten "Ich", weiß auch, wie sehr er seine Zwillingsschwester Jude beneidet um ihr so viel akzeptableres, Strandparties und Jungs gutfindendes - und sie gleichzeitig dafür verachtet. Selbst eine Art duale Kreatur, setzt sich der Roman aus zwei sich abwechselnden Zeitebenen und Erzählstimmen zusammen, Noahs dreizehnjähriger und Judes sechzehnjähriger, die einander mal ergänzen, mal fundamental widersprechen. Gewissermaßen von zwei Seiten lässt Nelson die beiden so auf eine ganze Reihe lebensverändernde Ereignisse hinerzählen - die bittere Rivalität um einen Platz an einer angesehenen Kunstschule, die Trennung der Eltern, der Tod der Mutter - und lässt sie fragen, was es bedeutet zu behaupten, man sei man selbst.

Formell wie inhaltlich ist "Ich gebe dir die Sonne" durchzogen von dem Konflikt aus Gespaltenheit und dem Verlangen nach Ganzheit, der im Fall der Zwillinge besonders deutlich wird. Scheint die Einheit der Zwillinge anfangs noch wie ein Geborgenheit spendender, von der Außenwelt abgeriegelter Bau, wird dieser im Laufe des Romans zunehmend klaustrophobisch. So zeichnet Noah, der die Angewohnheit hat, Erlebtes in mentale Schnellskizzen zu verwandeln, den Blick in den Spiegel nicht als Moment der Wiedererkennung, sondern der Selbstentfremdung, wenn nicht er es ist, der ihm entgegenblickt, sondern seine Schwester (verzerrende, zersprungene und verdeckte Spiegel sind, wenig überraschend, ein wiederkehrendes Motiv).

Für Noah scheint selbst konventionelle Sprache ein einengender Raum, aus dem es unbedingt auszubrechen gilt, bevor man droht von all den Fremden und Bekannten darin erstickt zu werden - manchmal ganz wörtlich: "Also wachse ich und wachse und wachse, bis ich mit dem Kopf an den Himmel knalle", phantasiert er, während er sich im Würgegriff eines Schultyrannen befindet, der schließlich nur der beliebten Jude zuliebe von ihm ablässt.

Drei Jahre später sind die beiden jedoch kaum wiederzuerkennen, scheinen Identitäten, innerfamiliäre Rollen und sogar Lieblingselternteile getauscht zu haben: Jude ist in der Kunstschule als Chaos-Jude bekannt und hat ihre Freunde an Noah verloren, während Noah der Kunst entsagt, versucht, den Nachbarsjungen zu vergessen, und an seinem Ruf als waghalsiger Klippenspringer arbeitet. Alles ist gleich wahr, polare Gegensätze erodieren, verschmelzen sogar miteinander. Binäre, absolute Zuschreibungen sind nicht länger ausreichend, um Menschen und Erfahrungen zu beschreiben, denn alles und jeder spielt mindestens eine Doppel-, manche gar eine Dreifachrolle.

"Vielleicht häufen wir fortwährend neue Persönlichkeiten an", überlegt Jude gegen Ende des Romans. "Es kommen immer neue hinzu - wenn wir eine Wahl treffen, gut oder schlecht, wenn wir scheitern, den Verstand verlieren, ihn wiederfinden." Noah übertrumpft dies, natürlich, mit einer seiner Schnellskizzen: "Jedes neue Selbst auf den Schultern des vorigen, bis wir so wacklige Menschenstangen sind?" Dass eine Metaphysik der wackligen Menschenstangen nach beinahe fünfhundert Seiten wirklich alles ist, worauf sich Nelson festlegen will, sollte keinesfalls als Rückzieher verstanden werden, sondern als weises Plädoyer für die Komplexität der Dinge, die es doch gerade so berauschend macht, ein Leben zu leben. Und gleichzeitig eines für die Fähigkeit der Kunst, uns anzutreiben, uns nicht nur in ihr zu spiegeln, sondern auch, uns fremder zu werden. Indem wir uns vorstellen, wie großartig und furchterregend es wohl wäre, jemand anderes zu sein.

Jandy Nelson: "Ich gebe dir die Sonne".

Aus dem Englischen von Catrin Frischer. Verlag cbt, München 2016. 480 S., geb., 17,99 [Euro]. Ab 14 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
"[Ein] weises Plädoyer für die Komplexität der Dinge, die es doch gerade so berauschend macht, ein Leben zu leben." Frankfurter Allgemeine Zeitung
»Souverän und locker erzählt, mit Witz und in einer lässigen, wie mit dem Airbrush-Pinsel dynamisch entworfenen Sprache.« buchjournal