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Vier geniale Frauen, die in finsterer Zeit für unsere Freiheit kämpften
Simone de Beauvoir, Hannah Arendt, Simone Weil und Ayn Rand: Mit großer Erzählkunst schildert Wolfram Eilenberger die dramatischen Lebenswege der einflussreichsten Philosophinnen des 20. Jahrhunderts. Inmitten der Wirren des 2. Weltkrieges legen sie als Flüchtlinge und Widerstandskämpferinnen, Verfemte und Erleuchtete das Fundament für eine wahrhaft freie, emanzipierte Gesellschaft.
Die Jahre 1933 bis 1943 markieren das schwärzeste Kapitel der europäischen Moderne. Im Angesicht der Katastrophe entwickeln vier
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Produktbeschreibung
Vier geniale Frauen, die in finsterer Zeit für unsere Freiheit kämpften

Simone de Beauvoir, Hannah Arendt, Simone Weil und Ayn Rand: Mit großer Erzählkunst schildert Wolfram Eilenberger die dramatischen Lebenswege der einflussreichsten Philosophinnen des 20. Jahrhunderts. Inmitten der Wirren des 2. Weltkrieges legen sie als Flüchtlinge und Widerstandskämpferinnen, Verfemte und Erleuchtete das Fundament für eine wahrhaft freie, emanzipierte Gesellschaft.

Die Jahre 1933 bis 1943 markieren das schwärzeste Kapitel der europäischen Moderne. Im Angesicht der Katastrophe entwickeln vier Philosophinnen, Simone de Beauvoir, Simone Weil, Ayn Rand und Hannah Arendt, ihre visionären Ideen: zum Verhältnis von Individuum und Gesellschaft, von Mann und Frau, von Sex und Gender, von Freiheit und Totalitarismus, von Gott und Mensch. Ihr abenteuerlicher Weg führt sie von Stalins Leningrad bis nach Hollywood, von Hitlers Berlin und dem besetzten Paris bis nach New York; vor allem aber zu revolutionären Gedanken, ohne die unsere Gegenwart - und Zukunft - nicht dieselbe wäre. Ihre Existenzen - als Geflüchtete, Aktivistinnen, Widerstandskämpferinnen - erweisen sich dabei als gelebte Philosophie und legen eindrucksvoll Zeugnis von der befreienden Kraft des Denkens ab.
Ein grandioses Buch über vier globale Ikonen, die am Abgrund des 20. Jahrhunderts beispielhaft und mit bis heute weltweiter Wirkung verkörperten, was es heißt, ein wahrhaft freies Leben zu führen.

»Seine lebendige Art der Philosophiegeschichtsschreibung hat Eilenberger bereits in seinem Buch Zeit der Zauberer grandios bewiesen - hier sind es die Frauen, die er in den Mittelpunkt stellt. Einmal mehr beweist der 1972 in Freiburg im Breisgau geborene Philosoph, dass sich tiefes Denken und lebendiges Beschreiben nicht ausschließen.«
Denis Scheck, Druckfrisch

»Gleichgültig, was man bisher über das Denken im 20. Jahrhundert wusste: Hier wird man auf aufregende Weise klüger.«
Elke Schmitter, Der Spiegel

»Eilenberger erzählt glänzend, argumentiert präzis und schreibt ein bedeutendes Kapitel der Philosophiegeschichte des 20. Jahrhunderts, das so noch nicht geschrieben war.«
Thomas Ribi, NZZ

Autorenporträt
Wolfram Eilenberger, geboren 1972, war langjähriger Chefredakteur des Philosophie Magazins, moderiert die 'Sternstunde Philosophie' im Schweizer Fernsehen und ist Mitglied der Programmleitung der ¿phil.COLOGNE¿. In zahlreichen Talkshowauftritten im Deutschen Fernsehen gibt er der Philosophie eine Stimme und ein Gesicht. Sein Buch 'Zeit der Zauberer' stand monatelang auf der Spiegel-Bestsellerliste, wurde 2018 mit dem Bayerischen Buchpreis und 2019 mit dem in Frankreich renommierten Prix du Meilleur Livre Étranger ausgezeichnet. Zuletzt erschien sein Bestseller 'Feuer der Freiheit'.
Rezensionen
»Eilenberger hat hier nicht nur einen originellen und überzeugenden Zugriff. Er schreibt außerdem elegant, verständlich, humorvoll - und hin und wieder bis zur Ergriffenheit empathisch. Gleichgültig, was man bisher über das Denken im 20. Jahrhundert wusste: Hier wird man auf aufregende Weise klüger.« Elke Schmitter, Der Spiegel, 10. Oktober 2020 Elke Schmitter SPIEGEL 20211010

Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension

Angela Gutzeit ist rundum glücklich mit Wolfram Eilenbergers Würdigung der Philosophinnen Simone de Beauvoir, Hannah Arendt, Simone Weil und Ayn Rand. Dem Autor gelingt laut Gutzeit die Verbindung von Ideen-, Werkgeschichte und Biografie. Wenn der Autor, anschließend an sein "Vorgänger-Buch" , die Jahre von 1933 bis 1943 in den Blick nimmt und die Entwicklung der vier Denkerinnen miteineinander vergleicht und ineinander spiegelt, stört sich Gutzeit nur gelegentlich an zu großer Nähe zwischen dem Autor und der Porträtierten. Charmant erscheint ihr der erzählende Duktus, besonders lesenswert die Passagen über Beauvoir und Sartre als Liebespaar und aktuell, weil passend zur endenden Trump-Ära, das Porträt Rands. Anregend zu philosophischer Lektüre ist das Buch überdies, freut sich Gutzeit.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.12.2020

Im Kopf von Simone, Ayn und Hannah

In Wolfram Eilenbergers neuem Buch "Feuer der Freiheit" retten vier Frauen die Philosophie in Zeiten des Krieges

Es beginnt damit, dass Simone de Beauvoir 1943 im zweiten Stock des Café de Flore in Paris sitzt. Von ihrem Ecktisch aus sieht die französische Schriftstellerin und Philosophin - sie ist Mitte dreißig - den Passanten nach. Und sie ist nicht allein. Der Philosoph Wolfram Eilenberger ist bei ihr. Er versetzt sich in sie hinein, er fühlt mit ihr, ist in ihrem Kopf und rekonstruiert aus überlieferter Rede und gedruckten Schriften, was sie gedacht haben könnte in genau diesem Augenblick, den er beschreibt. Ein Augenblick, den es im Leben der Simone de Beauvoir gegeben hat oder gegeben haben könnte, das bleibt im Ungefähren: "Da liefen sie. Die anderen. Jeder und jede ein eigenes Bewusstsein. Unterwegs mit ihren ganz eigenen Ängsten und Sorgen, Plänen und Hoffnungen. Genauso wie sie auch. Als nur eine unter Milliarden. Ein Gedanke, der ihr jedes Mal wieder einen Schauer über den Rücken jagte."

Nie zuvor, wird uns versichert, habe Beauvoir sich im Nachdenken so sicher und frei gefühlt wie jetzt, im Frühling des Jahres 1943, auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkriegs, inmitten einer besetzten Stadt. Für den Herbst desselben Jahres war ihr erster Roman, "Sie kam und blieb", angekündigt. Ein weiterer lag fertig in der Schublade. Zusammen mit Jean-Paul Sartre hatte sie einen "neuen Stil des Philosophierens" geschaffen und "einen Liebespakt der besonderen Art": "unbedingte geistige Treue und Ehrlichkeit - bei gleichzeitiger Offenheit für weitere Anziehungen". Draußen war Krieg, der Totalitarismus auf dem Höhepunkt, aber bei Simone de Beauvoir ist, so unwahrscheinlich das auch klingen mag, Aufbruchstimmung. Es ist "die geistige Ernte eines ganzen Jahrzehnts". Und nicht nur bei ihr. Auch die französische Philosophin Simone Weil, Hannah Arendt und die amerikanische Schriftstellerin Ayn Rand, alle drei Jüdinnen, haben - das ist Wolfram Eilenbergers These - unabhängig voneinander ihre Visionen "im Angesicht der Katastrophe" entwickelt. Also sieht der Philosoph sich auch die anderen von ihm ausgewählten Denkerinnen von innen und außen an, spricht über sie und durch sie hindurch, um sie uns näherzubringen.

Es ist dasselbe Strukturprinzip, das er schon in seinem Buch "Zeit der Zauberer" angewendet hat, seinem Erfolgsbuch über die Philosophen Ludwig Wittgenstein, Walter Benjamin, Ernst Cassirer und Martin Heidegger, mit dem er die deutsche Philosophie von 1919 bis 1929 als Epoche umriss. Nach den Männern sind jetzt die Frauen dran, in derselben Verknüpfung von Ideengeschichte, Literatur und Leben. Und es funktioniert offenbar: "Feuer der Freiheit: Die Rettung der Philosophie in finsteren Zeiten (1933-1943)", wie das neue Buch heißt, ist längst auch ein Verkaufserfolg. In den kommenden Tagen liegt es wahrscheinlich in vielen deutschen Wohnzimmern unterm Weihnachtsbaum. Zu Recht?

Wer Episoden aus dem Leben von Beauvoir, von Hannah Arendt oder Simone Weil erzählt, ist, allein aufgrund deren Prominenz und unbestrittener Bedeutung, zunächst einmal auf der sicheren Seite. Bei der in Deutschland unbekannteren Ayn Rand ist das nicht automatisch so, aber dieses Risiko geht Eilenberger offenbar gerne ein. Er beginnt also 1943, springt zurück ins Jahr 1933 und erzählt im Leben seiner Protagonistinnen die zehn Jahre, die er für ihr jeweiliges Denken entscheidend hält. "Eines Tages werde ich herausfinden, ob ich ein ungewöhnliches Exemplar der menschlichen Spezies bin", zitiert er einen Eintrag aus dem Denktagebuch der 29-jährigen Rand von 1934. Zeilen der Selbstbefragung, die auch von den anderen stammen könnten. Sie alle erfahren sich grundlegend anders in die Welt gestellt, beteuert Eilenberger. Von früher Jugend an habe sie dieselbe Frage gequält: "Was mag es letztlich sein, was mich so anders macht? Bin wirklich ich der Geisterfahrer auf der Autobahn des Lebens - oder nicht eher die Masse wild hupender Menschen, die mir einer nach dem anderen mit aufgeblendeten Lichtern entgegenkommen?"

Es ist nicht so, dass man sich über solche klischeehaften Formulierungen (fühlt sich, wenn man es so formuliert, nicht jeder so?), die den Köpfen seiner Heldinnen sicher nicht entsprungen sind (Autobahn des Lebens?), nicht wundert. Doch schafft es das Buch zunächst, einen mit den Biographien der vier Frauen in Atem zu halten. Besonders gilt das für die Lebensgeschichte von Simone Weil, die Deutschland bereist, um den Aufstieg der Nationalsozialisten zu verstehen; mit dem Kommunismus bricht, als sie 1933 die strukturelle Gleichartigkeit der Sowjetunion unter Stalin und des Dritten Reiches erkennt; die 1934 aus der Wohnung der Eltern am Jardin du Luxembourg auszieht und in ein Mietzimmer in der Nähe der Vorstadtfabrik zieht, in der sie arbeitet, "um direkten Kontakt mit der Wirklichkeit" zu erlangen. Und die sich den anarchistischen Milizen im Spanischen Bürgerkrieg anschließt, wo sie sich an der Front eine schwere Brandverletzung zuzieht. Als die Deutschen Frankreich besetzen, emigriert sie nach New York, kehrt von dort aus aber nach London zurück, um für die Befreiung ihres Landes zu kämpfen: "Gerne als Fallschirmspringerin", die betreffenden Handbücher habe sie eingehend studiert.

Das ist interessant (man will sofort eine komplette Simone-Weil-Biographie lesen!). Genauso wie der Weg der Ayn Rand, eigentlich Alissa Rosenbaum, die 1926 aus Leningrad in die Vereinigten Staaten emigriert und ihren amerikanischen Traum als Schriftstellerin und Drehbuchautorin in Hollywood realisiert, während die Wehrmacht ihre Geburtsstadt aushungert. Und wie immer wieder aufs Neue die Geschichte der Hannah Arendt, die vor den Nationalsozialisten nach Frankreich flieht und 1941 nach New York entkommt, wo sie kämpferisch nach einer Neubestimmung sucht: "Wir haben unser Zuhause und damit die Vertrautheit des Alltags verloren. Wir haben unseren Beruf verloren und damit das Vertrauen eingebüßt, in dieser Welt irgendwie von Nutzen zu sein. Wir haben unsere Sprache verloren und mit ihr die Natürlichkeit unserer Reaktionen (. . .). Wir haben unsere Verwandten in den polnischen Ghettos zurückgelassen, unsere besten Freunde sind in den Konzentrationslagern umgebracht worden, und das bedeutet den Zusammenbruch unserer privaten Welt . . . Wie Verrückte kämpfen wir um eine private Existenz mit individuellem Geschick", schreibt Arendt 1943 in "Wir Flüchtlinge".

Der seltsame Effekt, der sich beim Lesen einstellt, ist aber leider der, dass Eilenberger, obwohl er sich erzählend immer wieder in die Köpfe seiner Protagonistinnen hineinbegibt und ehrgeizig versucht, literarische Effekte zu erzielen, damit nicht bewirkt, dass die Frauen einem tatsächlich nahekommen oder vor Augen stehen - schon gar nicht als Frauen, was vor allem an der oft floskelhaften Sprache liegt, die gar nichts Spezifisches herausarbeitet, sondern alle im gefälligen Sound vereint: "Blüten der Spiritualität. Blumen des Bösen. Mag der Rest der Welt sich auch weiterhin im freien Fall befinden. Immer deutlicher spürt Beauvoir, als Autorin einer Spur zu folgen, die zum Ziel führt." Oder: "Für die Ausarbeitung dieses potentiell gesellschaftsentschlüsselnden Gedankens (gemeint ist "das andere Geschlecht", A. d. R.) würde Beauvoir noch zehn Jahre sowie die Erfahrung eines weiteren Weltkriegs benötigen - um in der Folge als Denkerin endgültig aus dem Schatten Sartres zu treten" (war dafür wirklich der Zweite Weltkrieg nötig?).

Überhaupt bemüht sich der Autor um Stimmigkeit. Alles muss zusammenpassen, und wo das womöglich nicht der Fall ist (und eigentlich auch nicht der Fall sein müsste), wird es sprachlich befördert, behauptet oder suggeriert: ",Wenn die Weltgeschichte nicht so beschissen wäre, wäre es eine Lust zu leben', ein Leitsatz Hannah Arendts, mit dem auch Ayn Rand sich lebenslang hätte identifizieren können." (Wer nicht?) "Vergleicht man Weils ,Cahiers' mit Beauvoirs Tagebüchern und Schriften des gleichen Zeitraums, entsteht der höchst unheimliche Eindruck eines telepathischen Kontakts zweier Geister, die von beiden Enden eines unendlich langen Fadens in gespannter Resonanz stehen." (Geisterstunde?)

So beginnt man dem Autor bald zu misstrauen, wenn er dort, wo er für die Zusammenhänge zwischen den Gedankengebäuden seiner vier Denkerinnen noch mehr Kitt braucht, seiner Anfälligkeit für Superlative nachgibt, was nicht ohne Folgen bleibt. Je näher man hinschaut, desto mehr Ungenauigkeiten, Übertreibungen und Stereotypen entdeckt man - allen voran die Superstereotypien, mit denen Eilenberger den Zweiten Weltkrieg abhandelt: "finstere Zeit", "Weltenbrand", "Katastrophe". Obwohl doch alles ein großer gefälliger Wurf sein soll, bleibt man so am Ende nur mit ein paar interessanten Bruchstücken zurück.

JULIA ENCKE

Wolfram Eilenberger: "Feuer der Freiheit: Die Rettung der Philosophie in finsteren Zeiten. 1933-1943." Verlag Klett-Cotta, 400 Seiten, 25 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.10.2020

Anders in die Welt gestellt
Wolfram Eilenberger lässt uns mit vier großen Denkerinnen des 20. Jahrhunderts fühlen: In „Feuer der Freiheit“ erzählt er von den
Zeitgenossinnen Ayn Rand, Simone de Beauvoir, Simone Weil und Hannah Arendt
VON JENS BISKY
Der Autor ist seinen vier Heldinnen sehr nah, so nah, dass er einer von ihnen den ersten Satz seines Buches überlässt: „Warum überhaupt beginnen, wenn man doch wieder innehalten muß.“ Mit dieser Frage Simone de Beauvoirs aus dem Jahr 1943 beginnt Wolfram Eilenberger sein Buch „Feuer der Freiheit“. Er lädt dazu ein, der Philosophin über die Schulter zu schauen, in ihren Kopf zu blicken, ihre Stimmung nachzuerleben. Diese Nähe umfängt Leser und wohl auch Leserinnen, gerade weil sie mit konventionellen literarischen Verfahren hergestellt wird. Am Ende des ersten Kapitels, in dem sie alle ihren Auftritt haben, ist man mit Simone Weil, Ayn Rand, Hannah Arendt und eben Simone de Beauvoir so vertraut, als seien sie neue Bekannte, deren Ich genauer zu erkunden sich lohnt, deren Schicksale nicht gleichgültig lassen.
Gut zehn Jahre folgt ihnen Eilenberger. Er skizziert ihre Beziehungs- und Liebesgeschichten, berichtet von Buchprojekten, Schreibversuchen, Einfällen, Gedanken, Überzeugungen. Er lässt uns ihre Perspektive einnehmen auf das Jahrzehnt, in dem die Welt zum Schlachtfeld der Diktatoren Hitler und Stalin wurde, in dem Roosevelts New Deal die Vereinigten Staaten umkrempelte, in dem der Mord an den europäischen Juden begann und die ersten Nachrichten davon keinen Glauben fanden.
Die Schriftstellerinnen haben nie zu viert gemeinsam an einem Tisch gesessen oder auf einem Podium miteinander diskutiert. Die Konstellation ist eine Erfindung Eilenbergers, eine gute, überzeugende Findung, weil es neben enormen Unterschieden auch erhellende Gemeinsamkeiten gab, die Fluchterfahrung, die philosophische Tradition, das Entsetzen über die politische Entwicklung.
Ayn Rand war aus Leningrad in die USA emigriert. Während sie ihren amerikanischen Traum verwirklichte, hungerte die Wehrmacht in jahrelanger Blockade ihre Geburtsstadt aus. Sie verteidigte indessen ihr Amerika gegen den New Deal, der ihr Verrat an der Freiheit schien, die es gegen Irrtümer, Sozialismus und kollektivistischen Wahn zu behaupten galt. Hannah Arendt entkam knapp den Nationalsozialisten, floh nach Frankreich, wurde dort 1940 im Lager Gurs interniert, aus dem sie entwich, als die Wehrmacht Paris besetzte. Im Mai 1941 erreichte sie New York. Die Erfahrung, einer „neuen Gattung von Menschen“ anzugehören, die „von ihren Feinden ins Konzentrationslager und von ihren Freunden ins Internierungslager gesteckt werden“, bestimmte ihr politisches Denken. Später schrieb sie, man müsse sich „als Jude verteidigen“, wenn man „als Jude angegriffen“ werde. Das hieß: „Nicht als Deutscher oder als Bürger der Welt oder der Menschenrechte oder so.“
Die junge Philosophielehrerin Simone de Beauvoir versuchte derweil, ihre Beziehung zu Jean-Paul Sartre zu verstehen, suchte nach ihrer eigenen Stimme, ihrem Entwurf, ohne, wie sie es lange tat, in der Abwehr gegenüber anderen zu verharren. Eine, von der sie sich abgrenzte, war ihre Kommilitonin Simone Weil, die trotz ihrer körperlichen Schwäche eine nahezu unbegrenzte Empathie und aktivistische Entschlossenheit mit intellektueller Produktivität verband. Simone Weil hatte Deutschland bereist, um den Aufstieg der Nationalsozialisten zu verstehen, sie brach mit dem Kommunismus, als sie 1933 die strukturelle Gleichartigkeit der stalinschen Sowjetunion und des Dritten Reiches erkannte, sie half dem Flüchtling Trotzki und warf ihm zur gleichen Zeit seine Politik des revolutionären Terrors vor. Sie argumentierte öffentlich gegen eine militärische Unterstützung der Republikaner in Spanien durch die französische Regierung und reiste in das Nachbarland, in den Bürgerkrieg, schloss sich dort anarchistischen Milizen an. Sie emigrierte, als die Deutschen Frankreich besetzten, kehrte dann von New York aus nach Europa, nach London, zurück, um für die Befreiung ihres Landes zu kämpfen und falls nötig zu sterben: „Gerne als Fallschirmspringerin“, schreibt Eilenberger, „die betreffenden Handbücher habe sie eingehend studiert.“
Simone Weil dürfte die in Deutschland am wenigstens Gelesene der vier sein, zu sehr befremdet wohl viele ihr Weg von der aktivistischen Linken zum Katholizismus. Hier bewährt sich Eilenbergers Entscheidung für Nähe, Simone Weils Denken und ihre Entschlüsse erscheinen plausibel, konsequent. Mit ihrem Tod am 24. August 1943 endet die philosophiehistorisch-biografische Erzählung.
Eilenberger ist seit seinem Welterfolg „Zeit der Zauberer. Das größte Jahrzehnt der Philosophie 1919 – 1929“ über vier Männer – Heidegger, Benjamin, Wittengenstein, Ernst Cassirer – der interessanteste deutschsprachige Autor populärphilosophischer Bücher in Deutschland. Er belehrt nicht, er führt vor; er entfaltet keine These, sondern beobachtet. In „Feuer der Freiheit“ erklärt er die ungewöhnliche Auswahl seiner vier Heldinnen mit einer Einsicht, die ihnen gemeinsam gewesen sein soll: Sie hätten sich, jede für sich, als „grundlegend anders in die Welt gestellt“ erfahren. Dabei seien ihnen „nicht etwa sie selbst, sondern die anderen“ als Problem erschienen: „Womöglich gar: alle anderen.“ Das Thema des Buches ist Zeitgenossenschaft, die Frage, was es heißt, „ganz und gar gegenwärtig zu sein“, wie Hannah Arendt es einmal formulierte.
Gegenwärtig sein, so legt Eilenberger nahe, heiße zu philosophieren, weder eigenem Urteil noch dem anderer blind zu folgen, sich des eigenen Verstandes zu bedienen. Wie seine Heldinnen das versuchten, wird hier mit bewundernswertem konstruktiven Geschick, fast alle Gelegenheiten für Analogien und Kontraste nutzend, erzählt. Aber: Die Stärken der Darstellung gehen mit auffallenden Schwächen einher. Stilistische Marotten, das Nebeneinander von akademischen Prunkvokabeln wie „veritabel“ oder „distinkt“ und bürokratischen Wendungen wie „besagt“ und „betreffend“ oder unnötig gespreizte Sätze, stören weniger als die Neigung zum Kitsch. Da scheint die Zeit selbst den Atem anzuhalten, der Krieg wird zum „Höllenspektakel“, der Wissenschaft wird „kalt vermittelbare Lehre“ vorgehalten, ohne „verlebendigendes Atmen“ drohe dem Feuer der Freiheit das Erlöschen.
Allzu sehr rückt das Buch Philosophie, indem es sie vordringlich als Antwort auf lebensgeschichtliche Situationen darstellt, in die Nähe von Therapie. Es preist sie als Modus, Freiheit zu gewinnen, und koppelt sie dann doch an Meinung, Mode, Moment. An wichtigen Stellen fehlt historischer Neugier. Ayn Rand hat den britischen Politikwissenschaftler Harold Laski zum Vorbild für den Schurken in ihrem zweiten Roman erkoren und der Erlöserfigur, dem Architekten Roark, entgegengesetzt. Was es mit diesem Laski auf sich hatte, muss der Leser selbst herausfinden, der Autor übernimmt das Urteil seiner Heldin, der Mann sei dem Zeitgeist gefolgt. Ayn Rands Roman wurde, nachdem die Autorin schon nicht mehr daran glaubte, ein Erfolg. Warum?
Gern hätte man auch etwas über die Formentscheidungen der vier Schriftstellerinnen gelesen. Es ist ja etwas anderes, ob man wie Rand mit Blick auf Broadway und Hollywood schreibt, oder sich wie Arendt eher als Historikerin denn als Philosophin versteht. Die Nähe verunklart die Physiognomie und erschwert das Nachdenken über naheliegende Fragen. Warum konnte aus dieser Gruppe Ayn Rand die kulturell Erfolgreichste werden? Dass der Zentralbank-Chef Alan Greenspan ihr Adept war, notiert Eilenberger in seinem Epilog „Schneisen“. Dort steht auch, dass die akademische Philosophie Hannah Arendt lange ignorierte. Wie wäre das zu erklären?
Stärken und Schwächen des Buches hängen eng miteinander zusammen. Ein Vorzug ist es, dass Wolfram Eilenberger, während allerorten Analogien zwischen der Gegenwart und den Dreißigerjahren beschworen werden, auf forcierte Aktualisierungen verzichtet, es den Lesern überlässt, die Zeiten ineinander zu spiegeln. Dass er dafür wirbt, Simone Weil endlich und neu zu lesen, ist ein großes Verdienst. Mag auch nicht jede Deutung in diesem fiktiven Gruppenporträt überzeugen, so schärft es doch das Bewusstsein für Möglichkeiten und Tücken der Geistesgegenwart. Wer die Welt und die anderen verstehen will, kann es gut brauchen.
Wolfram Eilenberger: Feuer der Freiheit. Die Rettung der Philosophie in finsteren Zeiten (1933 – 1943). Klett-Cotta, Stuttgart 2020. 400 Seiten, 25 Euro.
Für die meisten
Menschen
erhält ein Werk erst
einen Wert, nachdem
ihm dieser bereits
von jemand
anderem zugesprochen
wurde.“
AYN RAND
Wenn eine Theorie
mich überzeugte,
baute ich sie
in mein Leben ein,
sie veränderte mein
Verhältnis zur
Welt, sie färbte
meine Erfahrung.“
SIMONE DE BEAUVOIR
So merkwürdig
es auch
erscheinen mag:
Die Begriffe zu erhellen,
die ursprünglich leeren
Worte zu diskreditieren,
den Gebrauch
der anderen
Worte durch
präzise Untersuchungen
festzulegen,
ist eine Arbeit,
die Menschenleben
erhalten könnte.“
SIMONE WEIL
Schließlich ist die
gerühmte Freiheit des
Ausgestoßenen
gegen die Gesellschaft
selten mehr
als das völlig freie Recht
auf Verzweiflung.“
HANNAH ARENDT
„Sie erfahren sich einfach grundlegend anders in die Welt gestellt. Und bleiben dabei tief im Innern gewiss, wer oder was das eigentlich zu therapierende Problem darstellt: nicht etwa sie selbst, sondern die anderen. Womöglich gar: alle anderen.“ Das schreibt Wolfram Eilenberger in seinem fiktiven Gruppenporträt über Hannah Arendt (1906 – 1975), Simone de Beauvoir (1908 – 1986), Simone Weil (1909 – 1943) und Ayn Rand (1905 – 1982).
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