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Wie irre muss man sein, um in einer Aubergine einen Phallus zu sehen und ihren Kauf nur zerstückelt zu erlauben? Das fragt Bilqiss, die widerspenstige Heldin dieses tragikomischen Romans. Man hat sie verurteilt, man hat sie verdammt, man wird sie steinigen. Bilqiss jedoch lässt sich den Mund nicht verbieten, sie verteidigt sich selbst vor dem überforderten Richter. Tags im Gerichtssaal, nachts in ihrer Zelle, wo er sie bald regelmäßig besucht. Rhetorisch geschickt und außerdem klug erzwingt sie den Aufschub ihrer Hinrichtung.Die Weltöffentlichkeit verfolgt das Ganze in Echtzeit, schon ziert…mehr

Produktbeschreibung
Wie irre muss man sein, um in einer Aubergine einen Phallus zu sehen und ihren Kauf nur zerstückelt zu erlauben? Das fragt Bilqiss, die widerspenstige Heldin dieses tragikomischen Romans. Man hat sie verurteilt, man hat sie verdammt, man wird sie steinigen. Bilqiss jedoch lässt sich den Mund nicht verbieten, sie verteidigt sich selbst vor dem überforderten Richter. Tags im Gerichtssaal, nachts in ihrer Zelle, wo er sie bald regelmäßig besucht. Rhetorisch geschickt und außerdem klug erzwingt sie den Aufschub ihrer Hinrichtung.Die Weltöffentlichkeit verfolgt das Ganze in Echtzeit, schon ziert das Antlitz der Angeklagten amerikanische Solidaritäts-Tassen.Wütend, witzig und weise erzählt dieser Roman die Geschichte einer freien Frau in einem islamischen Land. Saphia Azzeddine schreibt mit viel Ironie und leichter Hand, dabei ist es ihr bitterernst.
Autorenporträt
Saphia Azzeddine, 1979 in Agadir, Marokko, geboren, zog mit neun Jahren nach Frankreich. Sie studierte Soziologie, verbrachte ein Jahr in Houston, arbeitete als Diamantschleiferin in Genf und etablierte sich dann als Drehbuchautorin und Schriftstellerin. Ihr erster Roman »Zorngebete« wurde bereits als Theaterstück inszeniert und ins Spanische, Italienische und Schwedische übersetzt. Bei der Verfilmung ihres zweiten Romans »Mein Vater ist Putzfrau« führte die Autorin selbst Regie.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.12.2016

Tausendundeine Unbeugsamkeit
Eine Frau wird gesteinigt und wehrt sich: Saphia Azzeddines heftiger Roman "Bilqiss"

Ob die Schriftsteller in Paris immer noch im "Café de Flore" am Boulevard Saint-Germain sitzen? Natürlich. Wenn man zum Beispiel den Philosophen Bernard-Henri Lévy suche, könne man ihn genau dort finden, und viele andere auch, die Networker unter den Schriftstellern, sagt Saphia Azzeddine. Die seien weiter im "Flore".

Sie selbst aber nicht. Sie habe kein Talent zum Networken und wolle das auch nicht. Sie versuche, für sich zu bleiben, was in der Enge des Pariser Literaturbetriebs, wo jeder jeden kenne, schwierig genug sei. Schlimmer sei es allerdings im Filmgeschäft, einfach weil es um viel mehr Geld gehe als bei Büchern und man den Leuten manchmal dabei zugucken könne, wie sie sich verkauften.

Wir sind in Berlin im Auto, auf dem Weg von Neukölln nach Charlottenburg, wo Azzeddine an diesem Abend im Hotel übernachtet. Während der Fahrt macht sie Handyfotos von der Weihnachtsbeleuchtung am Kurfürstendamm für ihren kleinen Sohn. Sie könne morgen früh gar nicht raus aus dem Hotel, ein Teil des Manuskripts ihres neuen Romans müsse bis mittags bei ihrem französischen Verlag sein, den Éditions Stock, und dann gehe es gleich weiter zur Lesung nach Hamburg. Sie arbeite, sagt sie, gerade an lauter Dingen gleichzeitig, am neuen Roman und, in den letzten Zügen, an einem Drehbuch, die Dreharbeiten würden im nächsten Jahr in Paris beginnen, sie selbst führe Regie. Ein Talent zum Multitasking scheint sie zu haben, denkt man, und ist sich nicht ganz sicher, ob das alles wirklich so ohne Networking geht - ob nun im "Café de Flore", jenseits des "Flore" oder um das "Flore" herum.

Saphia Azzeddine wurde 1979 in Marokko geboren, in Agadir, zog, als sie neun Jahre alt war, mit ihrer Familie nach Frankreich, studierte Soziologie, verbrachte, um Englisch zu lernen, ein Jahr in Houston, arbeitete als Diamantschleiferin in Genf und etablierte sich dann als Drehbuchautorin, Schriftstellerin und Regisseurin. Eine Weile lang war sie mit dem Komiker und Schauspieler Jamel Debbouze zusammen, das machte sie in Paris berühmt. Aber inzwischen ist das Jahre her. Sie verfilmte mit François Cluzet, dem Hauptdarsteller aus "Ziemlich beste Freunde", ihren zweiten Roman, "Mein Vater ist Putzfrau", der in der Pariser Banlieue spielt. Und sie schrieb weiter, erschrieb sich mit der für sie typischen Mischung aus bitterem Ernst und Satire, aus Zumutung und Humor eine völlig eigene Stimme, die ganz ohne Pathos und Umschweife daherkommt.

"Bilqiss", heißt ihr gerade auf Deutsch erschienenes Buch, benannt nach der Hauptfigur, einer jungen Witwe, die in einem Land, das nicht näher präzisiert wird, das Afghanistan sein könnte oder der Irak, Syrien oder Pakistan, gesteinigt werden soll, weil sie anstelle des Muezzin, der an jenem Morgen zu betrunken war, aufs Minarett gestiegen ist, um zum Morgengebet zu rufen. Dass sie Make-up besitzt, einen Lyrikband und ein unbeugsames Selbstbewusstsein, macht es nicht besser. Bilqiss will sich den Mund aber nicht verbieten lassen. Sie will auch keinen Anwalt, sondern besteht darauf, sich beim Prozess selbst zu verteidigen, was vor allem den Richter überfordert - tags im Gerichtssaal und nachts in ihrer Gefängniszelle, wo er sie bald regelmäßig besucht.

In Anlehnung an "Tausendundeine Nacht" erzählt Azzeddine die märchenhafte Geschichte einer um ihr Leben Erzählenden, ohne dabei auch nur annähernd wie "Tausendundeine Nacht" zu klingen, sondern spöttisch und knapp. Märchenhaft wirkt die Geschichte, weil sie nicht verortet ist, weil in ihr alles irreal überzogen wirkt. Doch dann wechselt Azzeddine das Register schon wieder, und alles klingt wie Realsatire: "Seit einiger Zeit hatten die Ordnungshüter nun tatsächlich auch noch das Recht, uns Frauen auf offener Straße anzuhalten, um zu verlangen, vor ihnen auf- und abzuhopsen, damit sie sich versichern konnten, dass wir keinen Büstenhalter trugen. Sie mussten als unsere Brüste unter der Tunika hüpfen sehen, bevor sie uns beruhigt einen Hieb mit dem Stock geben konnten, damit wir schleunigst davonliefen. Die meisten Männer trugen inzwischen einen Stock bei sich, oder ein Stöckchen für die einfühlsameren. Ganz so, als seien diese eine Verlängerung ihres Geschlechts, erhoben sie sie oder fummelten daran herum, je nachdem ob gerade eine Frau vorbeikam oder ob sie unter sich im Dorf herumschlenderten."

Und dann kommt noch eine dritte Person hinzu, eine amerikanisch-jüdische Journalistin, die gerade kein Thema hat und nachts so lange herumgoogelt, bis sie im Internet auf Bilqiss und ihren Prozess stößt, sofort fasziniert ist und beschließt, für das "New York Magazine" in jenes Land zu reisen, um die Angeklagte in ihrer Zelle zu besuchen. Saphia Azzeddine nutzt das Aufeinandertreffen der beiden Frauen für ein Täuschungsmanöver, das auch mit den Erwartungen der Leser spielt. Denn die Heldin des Romans, die erhobenen Hauptes für ihre Rechte als Frau eintritt, ist, anders, als es die Journalistin vermutet, vom muslimischen Glauben überhaupt nicht abgekommen und erkennt in der Frau aus dem Westen auch nicht ihre Heilsbringerin: "Die Idiotin. Allah vergib mir, dass ich mich über diese Amerikanerin lustig gemacht habe, aber die Gelegenheiten, ein wenig Spaß zu haben, sind so selten, dass ich es mir nicht verkneifen konnte. Du hättest sehen sollen, wie sie meine Worte aufgesogen hat, als ob sie sich einen Zaubertrank einverleiben würde, es war köstlich. Eine romantische Pute mit Anwandlungen einer Auslandsreporterin, das war zu verlockend."

Ihr Roman sei in Frankreich sehr gut aufgenommen worden, erzählt Saphia Azzeddine, sie habe sich darüber gefreut, aber sie mache sich auch nichts vor. Sie wisse, dass dies zuallererst daran gelegen habe, dass ihr Buch eine junge Muslimin zur Hauptfigur habe, die dann auch noch zur Steinigung verurteilt sei. Da könne man sich der Aufmerksamkeit der Medien natürlich sicher sein. Der Roman, an dem sie im Moment schreibe, habe ein ganz anderes Thema, er handele von einer Babysitterin in einer Pariser Familie. Da werde medial sicher nicht viel passieren. Egal.

Sie spricht tonlos und schnell, während sie das sagt. Es klingt abgeklärt, ein wenig bitter, unbeugsam und lustig. Es ist der Saphia-Azzeddine-Tonfall, den man aus ihren Romanen kennt. Auf die Frage, wie sie an der Sprache ihrer drei Figuren gearbeitet habe, sagt sie einfach nur schroff: "Gar nicht." Es sei ihr Ton, sie habe ihn hingeschrieben und trage im Übrigen etwas von diesen drei Figuren in sich. Sie lacht nicht. Man lacht allein. Ihr Ton ist umwerfend, gerade weil sie es so bitter ernst meint.

JULIA ENCKE

Saphia Azzeddine: "Bilqiss". Aus dem Französischen von Birgit Leib. Verlag Klaus Wagenbach, 178 Seiten, 20 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.01.2017

Mit Stöckelschuhen auf dem Gebetsteppich
Saphia Azzeddines furioser Roman über eine widerspenstige Angeklagte in einer islamischen Theokratie
Am Ende droht die Todesstrafe durch Steinigung, das steht von vornherein fest. Bis dahin bleibt in diesem Buch aber etwas Zeit für die kleinen Siegesmomente der Verzögerungskunst. Und dem Biss des Erzähltalents von Saphia Azzeddine, das in diesen Momenten gedeiht, bieten die gottgefällig frömmelnden Theokratien des Islam wie die selbstgefällig menschenrechtsseligen Demokratien des Westens reichlich Angriffsfläche.
Die junge Frau namens Bilqiss, die da in einem nicht näher genannten Kriegsland des Orients in ihrem Metallkäfig vor dem Richter steht, hat die blühende Fantasie, die Unverfrorenheit und das lose Mundwerk, um das Abstruse ihrer Situation dem nach Strafe geilenden Prozesspublikum so richtig vor Augen führen zu können. Angeklagt ist sie wegen eines blasphemischen Akts. Anstelle des betrunkenen Muezzins ist sie eines Morgens eigenmächtig selber aufs Minarett gestiegen und hat einen etwas anderen Gebetsruf als gewohnt übers Dorf verlauten lassen.
Daneben werden der Frau aber auch ein gutes Dutzend weiterer Sittenwidrigkeiten vorgeworfen wie etwa: Besitz von Stöckelschuhen und Damenunterwäsche, eines Plüschtiers, einer persischen Gedichtsammlung, einer parfümierten Kerze. Dass sie überdies ihren Mann mit der Frittierpfanne erschlagen hat, fällt beim Prozess nicht ins Gewicht, es konnte als Unfall getarnt werden.
Mit ihrem ersten Roman „Zorngebete“ wurde die 1979 geborene Franko-Marokkanerin Saphia Azzeddine 2008 sofort berühmt. Ihr zweiter Roman „Mein Vater ist Putzfrau“ wurde 2011 verfilmt. Der hier vorliegende sechste Roman bringt ein weiteres Beispiel ihres zwischen Witz und Wut schillernden Erzählstils. Die Geschichte läuft wie am Schnürchen, genauer, an den sechs Kapitelschnurstücken, in denen das Geschehen abwechselnd aus den unterschiedlichen Perspektiven der Beteiligten aufgerollt wird.
Die angeklagte Bilqiss sucht zwischen der Verbitterung in der Gefängniszelle, dem Schmerz von den Peitschenhieben und der Angriffslust im Gerichtssaal noch herauszuschlagen, was das ihr verbleibende Leben an Erheiterung zu bieten hat. Das Übel im Geschlechterverhältnis, da sei sie mit dem Herrn Richter ganz einig, so wirft sie diesem an den Kopf, könne man nur an der Wurzel angehen, doch liege diese nicht im losen Haar der Frauen, sondern in der Unterhose der Männer, da müsse etwas „dezimiert, zerhackt, abgeschnitten, ausgerottet“ werden.
Der Richter, der mit solchen Provokationen und dem davon ausgelösten Zorn im Saal zurechtkommen muss, ist zum Glück kein Zerrbild einer Autoritätsfigur, das läge unter dem Niveau dieser Autorin. Er ist vielmehr ein Mann mit Gefühl und Lebensklugheit, ehemals ein einfacher Zimmermann, dem die politischen Ereignisse im Land unverhofft zu sozialem Aufstieg verholfen haben. Bei manchen Äußerungen der Angeklagten kommt ihm sogar spontan das Lachen, das er dann allerdings, um Haltung zu wahren, sofort mit einer ausreichenden Zahl öffentlicher Peitschenhiebe für die Vorlaute abgelten muss. Nachts kommt dieser Mann zur Angeklagten in die Zelle geschlichen, in den Bann gezogen vom widerspenstigen, exzessiven, leidenschaftlichen, absolut freien Wesen dieser Frau, und die beiden spielen gemeinsam „1001 Nacht“ im Hinauszögern der Strafvollstreckung.
Dritte im Bunde ist eine aus New York angereiste amerikanische Journalistin, die im Internet auf diese Frau und ihren Prozess gestoßen ist. Als Nachhut der amerikanischen Soldaten, die in diesem Land ein für alle Mal demokratische Ordnung schaffen wollten, will sie ihm und der Welt zumindest die Augen öffnen für Frauen- und Menschenrechte. Und sie ist überzeugt, in diesem Fall die genau richtige Story gefunden zu haben. Nur dass Bilqiss die nach gefühlsdusseligem Kitsch lechzende Amerikanerin schnell durchschaut und ihr freizügig jene Geschichte von geheimer Liebe zwischen ihr und dem Richter serviert, die sie für ihren Menschlichkeitsrausch braucht, „denn diese westlichen Frauen konnten nur das: sich an ihrer eigenen Menschlichkeit berauschen“.
Gelungen ist der Roman an den Stellen, wo er sich an den zu großen Selbstverständlichkeiten beidseits der Überzeugungsfronten festbeißt. Die Moralhüter brauchen falsche Geständnisse, die Massen richtige Opfer, die Weltverbesserer hehre Ideale, die westlichen Medien rührende Geschichten.
Saphia Azzeddines Literatur ist eine Literatur der scharfen Strichführung, der Überspitzung, der Parodie, der geschickt konstruierten Handlungsabläufe und der klug ausbalancierten Kontroversen. Vielschichtigkeit, komplexe Profile, ins Geheimnis weisende Schatten, ungelöste Rätsel sind bei ihr nicht zu erwarten.
Das Buch ist anregend, unterhaltsam, aufschlussreich, mag auch der Schluss unglaubwürdig sein. Es hat den bitterscharfen Humor einer literarischen Nachwuchsgeneration, die weiß, dass die beste aller Welten weder in ihrer europäischen Heimat noch in ihrem mehr oder weniger fernen Herkunftsland maßgeschneidert wird. Birgit Leib hat diesen tragikomisch ausgehenden Täuschungsspuk mit Schmiss und Biss übersetzt.
JOSEPH HANIMANN
Der Richter ist hier nicht das
Zerrbild einer Autoritätsfigur,
sondern ein lebenskluger Mann
Saphia Azzeddine hat ihren Roman in einem imaginären Land angesiedelt. Blick in ein Modegeschäft der arabischen Welt.
Foto: Regina Schmeken
Saphia Azzeddine: Bilqiss. Roman. Aus dem Französischen von Birgit Leib.
Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2016. 173 Seiten,
20 Euro. E-Book 17,99 Euro.
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