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In einer Art Chronik erzählt Tardi im dritten Teil seiner Geschichte über seinen Vater RenéTardi die Zeit nach dem Krieg bis ins Jahr 1953. Nicht nur sehr detailreich und präzise dasFamilienleben, sondern dazu auch die historischen wichtigen Ereignisse dieser Jahre. Abcirca einem Drittel des Bandes übernimmt der kleine Tardi selber die Rolle des Erzählers undlöst den fiktiven Jungen ab, der vorher seinen Vater in der Gefangenschaft und auf seineRückkehr nach Frankreich stets begleitet hatte.

Produktbeschreibung
In einer Art Chronik erzählt Tardi im dritten Teil seiner Geschichte über seinen Vater RenéTardi die Zeit nach dem Krieg bis ins Jahr 1953. Nicht nur sehr detailreich und präzise dasFamilienleben, sondern dazu auch die historischen wichtigen Ereignisse dieser Jahre. Abcirca einem Drittel des Bandes übernimmt der kleine Tardi selber die Rolle des Erzählers undlöst den fiktiven Jungen ab, der vorher seinen Vater in der Gefangenschaft und auf seineRückkehr nach Frankreich stets begleitet hatte.
Autorenporträt
* 1946 in Valence. Studierte an den Schulen École des Beaux-Arts in Lyon und École des Arts Décoratifs in Paris. 1970 veröffentlichte er seine erste Comic-Geschichte in der Zeitschrift Pilote. Ende 2012 hat Jacques Tardi die höchste Ehrenbezeugung des französischen Staates, den Orden der Ehrenlegion abgelehnt. Er lebt und arbeitet in Paris.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.07.2019

An der Seite des Vaters
Jacques Tardi schließt seine Trilogie „Ich René Tardi. Kriegsgefangener im Stalag IIB“ ab, einen autobiografischen Rückblick auf ein mörderisches Jahrhundert
Das Erstaunlichste an dem dreibändigen Hauptwerk des großen französischen Comic-Autors Jacques Tardi ist wohl, dass der Autor es geschafft hat, sich selber als zuhörendes Kind rund 600-mal zeichnerisch in eine Bildgeschichte hineinzukomponieren, die er selber nur zu einem Bruchteil erlebt hat. Und schlicht ein Wunder ist es – oder aber ein Beweis für den unstillbaren Realitätshunger des Autors –, dass keines der 1350 stets gleich großen querformatigen Panels, die auf den 450 Buchseiten übereinanderstehen, einem anderen auf peinliche Weise ähnlich sieht, obwohl auf vielen Hunderten dieser Einzelbilder die in Worten geschilderte Situation geradezu quälend gleich ist.
In seinen früheren Comic-Büchern hat Jacques Tardi gerne die Romane französischer Krimi-Autoren in naturalistisch exakt geschilderte Umgebungen versetzt und auf diese Weise für den Leser alarmierend dicht herangeholt. Neben diesen jeweils konsequent schwarz-weiß erzählten, rabenschwarzen Geschichten, deren drastisch ausgemalte Details stets mehr zu erzählen hatten als die von den Autoren beigesteuerten Texte, hat Tardi seine Leser immer wieder in die Höllen des Ersten Weltkriegs geschickt. Er hat sie also mit den Gräueln eines Kriegs konfrontiert, den die Franzosen eigentlich als Sieg, als großen Triumph über den Erzfeind verbucht haben und darum nur ungern mit Schmerz und Schmutz in Verbindung bringen.
In den Bänden „Grabenkrieg“ und „Elender Krieg 1914-1919“ sind die zermürbenden Rituale des militärischen Alltags, aber auch die Qualen der im Schlamm verreckenden Soldaten mit geradezu aufrüttelndem Zorn geschildert. Dem gingen jeweils aufwendige Recherchen voraus. Viele Details in diesen frühen Büchern konnte er aber auch den Schilderungen seines vom Ersten Krieg traumatisierten Großvaters entnehmen.
Um beim Zweiten Weltkrieg und bei der Leidensgeschichte der Elterngeneration eine ähnliche Authentizität zu erreichen, hat Tardi seinem Vater, der als Panzerfahrer schon wenige Monate nach Beginn des Zweiten Weltkrieges in Gefangenschaft geraten war und dann fünf grausige Jahre in einem deutschen Stalag zubrachte, unablässig Fragen gestellt und ihm auf diese Weise eine Flut von bestürzenden Erinnerungen abgetrotzt. Ausgehend von diesen Details und gestützt auf das Bildmaterial, das er selber von einer mehrmonatigen Recherchereise durch Polen und Deutschland mitbrachte, hat Jacques Tardi eine monumentale Graphic Novel mit dem Titel „Ich René Tardi. Kriegsgefangener im Stalag IIB“ verfasst, die über den Titel weit hinausgreift, ja sich mit den aus Geschichtswerken übernommenen Details zu einem Panorama des Jahrhunderts der Weltkriege weitet. Warum der Hass zwischen Franzosen und Deutschen – zwischen Froschfressern und Fritzen – immer wieder aufflammen konnte, und warum dem Ersten Weltkrieg ein Zweiter folgen musste, bekommt durch diese Bände eine geradezu grausige Logik.
Um die vom Vater mit sichtlichem Widerwillen geschilderten Kriegsgeschehnisse mit persönlichen Gefühlen aufzuladen, hat Tardi sich selber als zuhörendes Kind in fast all die Bilder, die er sich von den Ereignissen machte, hineinversetzt. Er selber wandert also als Zeuge an der Seite seines Vaters durch die Finsternisse der Vergangenheit, was den Bildern einerseits Authentizität vermittelt, sie andererseits aber auch in eine gewisse Ferne rückt.
Im Jahr 2013 ist der erste Band dieses autobiografisch getönten bitteren Jahrhundertrückblicks erschienen. Zwei Jahre später kam der zweite Band heraus, in dem der quälend „lange Marsch“ der Stalag-Gefangenen während der chaotischen letzten Kriegsmonate von Ostpreußen aus quer durch Deutschland bis nach Frankreich geschildert wird. In diesem Frühjahr konnte der Verlag den dritten Band ausliefern. In ihm erinnert sich Tardi an die Jahre „Nach dem Krieg“, also an die Zeit, die er als Kind eines Besatzungssoldaten wechselweise bei den Eltern in Deutschland und bei Verwandten in der südfranzösischen Provinz zubrachte. Mit kühler Sachlichkeit und einem Schuss Ironie sind die Absurditäten des Besatzerdaseins im besiegten Feindesland geschildert. Deutschland ist in vier Zonen aufgeteilt; die französische Zone ist die kleinste und so zerschnitten, dass sie auf der Landkarte aussieht wie ein Büstenhalter. Die deutschen Städte sind bis zur Unkenntlichkeit zerstört; die französische Militärverwaltung hat sich darum in die gut erhaltenen Kurorte zurückgezogen und dort die schönsten Häuser besetzt.
Diesem geregelten Dasein in einem Land, dessen Menschen sichtbar Not leiden, aber gar nicht wie Bestien aussehen, steht das ereignisarm dahinkriechende Leben bei den Großeltern in Valence gegenüber, das allenfalls dann schroff unterbrochen wird, wenn der angereiste Vater wieder einmal über die Franzosen schimpft, die ihn nach fünf Jahren Kriegsgefangenschaft als Heimkehrer wie einen Verlierer und Versager begrüßt haben.
In den dichten Fluss der Beobachtungen flicht Tardi immer wieder grimmige Bemerkungen über die jeweils aktuellen politischen Entwicklungen in Ost und West ein. Und ganz allmählich lässt er den dreibändigen Jahrhundert-Rückblick in eine wunderbar beiläufig erzählte Autobiografie münden. Wir erleben mit, wie der Schüler Jacques, der das von der Elterngeneration geprägte Leben aus einem gewissen ironischen Abstand beobachtet und am ehesten Ruhe gibt, wenn er zeichnen darf, den Comic als Waffe und als Identifikations-Medium zu entdecken beginnt. Und wir begreifen: Bei Tintin und Tarou hat Tardi die Mittel erlernt, die ihn zu einer kritischen Analyse des eigenen Jahrhunderts befähigt haben. Mit seinen hyperkorrekt recherchierten Details aber zielt er über seine künstlerischen Vorbilder weit hinaus.
GOTTFRIED KNAPP
Jacques Tardi: Ich René Tardi,Kriegsgefangener im Stalag IIB, Nach dem Krieg, Band 3. Aus dem Französischen von Christoph Schuler. Edition Moderne, Zürich 2019. 160 Seiten, 32 Euro.
Die Familie wohnt jetzt im Land
des Erzfeindes, dessen Menschen
gar nicht wie Bestien aussehen
Jacques Tardi hat sich selbst als zuhörendes Kind in viele Bilder, die er sich von den Ereignissen machte, hineinversetzt.
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