20,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Gebundenes Buch

1 Kundenbewertung

Laura, bildschön und Anfang zwanzig, ist wieder in die Bretagne zurückgekehrt. Nun braucht sie erstens eine Wohnung und zweitens einen Job. Dass der Bürgermeister persönlich bei seinem alten Freund im Casino ein gutes Wort für sie einlegt, bleibt nicht folgenlos. Ihr Vater Max, einst französischer Boxmeister, steigt nach Jahren wieder in den Ring. Es sind noch einige alte Rechnungen offen in der kleinen bretonischen Stadt am Meer, in der diese Tragödie um Sex und Macht, Schicksal und Gerechtigkeit die Figuren unausweichlich zu Dominosteinen macht. Als Laura Monate später den nun ehemaligen…mehr

Produktbeschreibung
Laura, bildschön und Anfang zwanzig, ist wieder in die Bretagne zurückgekehrt. Nun braucht sie erstens eine Wohnung und zweitens einen Job. Dass der Bürgermeister persönlich bei seinem alten Freund im Casino ein gutes Wort für sie einlegt, bleibt nicht folgenlos. Ihr Vater Max, einst französischer Boxmeister, steigt nach Jahren wieder in den Ring. Es sind noch einige alte Rechnungen offen in der kleinen bretonischen Stadt am Meer, in der diese Tragödie um Sex und Macht, Schicksal und Gerechtigkeit die Figuren unausweichlich zu Dominosteinen macht. Als Laura Monate später den nun ehemaligen Bürgermeister schließlich anzeigt, ist das Urteil längst gesprochen. Denn: Sie wollte es doch auch ...Tanguy Viel macht ein brutales, aktuelles Thema konkret, indem er es in die Provinz verschiebt. Er vergrößert, indem er verkleinert. Sein einzigartiger Stil erzwingt eine beunruhigende Untergrundspannung, fokussiert genau, lässt Bewegungen und Blicke sprechen. Ein Roman über Ohnmacht und Macht,ein stilistisches Kunstwerk, ein politisches Statement.
Autorenporträt
Tanguy Viel, geboren 1973 in der Bretagne, ist noch immer am liebsten dort. Beziehungsweise bei gutem Wind auf einem Segelboot vor deren Küste. Er lebt, liebt, liest und schreibt meist in Tours und Beaugency, nur selten in Paris. Er wurde mit dem Prix Fénéon und dem Prix de la Vocation ausgezeichnet und war mit seinem Roman »Das Mädchen, das man ruft« für den Prix Goncourt nominiert. Mit Hinrich Schmidt-Henkel haben seine hochgelobten, stilistisch ausgefeilten Romane ihren idealen Übersetzer gefunden.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Niklas Bender findet Gefallen an diesem düsteren neuen Polit- und Boxerroman des französischen Schriftstellers Tanguy Viel. Er erzählt zwei miteinander verbundene Geschichten vor der Kulisse der vielgesichtigen Bretagne: der erste Teil des Buches umfasst die Geschichte der zwanzigjährigen Laura Le Corre, die bei einer Polizeibefragung rückblickend davon erzählt, wie sie Opfer des Ministers für maritime Angelegenheiten wurde. Der zweite Teil befasst sich mit der Boxerkarriere von Lauras Vater und tragischerweise auch Initiator des Kontakts zwischen der Tochter und dem Minister, erklärt Bender. Die vielleicht nicht sonderliche komplexe Handlung funktioniert ihm zufolge durch die angedeutete und gut aufgebaute Spannung, Auch, wenn ihn der erste Teil des Buches deutlich mehr mitgerissen hat als der absehbare zweite, so findet der Rezensent das Buch insgesamt sehr lohnend und reflektiert, vor allem hinsichtlich der Frage, was Einverständnis bedeutet, schließt er.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.05.2022

Die subtilen Tricks des Lüstlings
Tanguy Viel erzählt in seinem Politroman "Das Mädchen, das man ruft" von einem Sexskandal in der französischen Provinz

Tanguy Viel hat in etwas mehr als zwanzig Jahren ein feines OEuvre geschaffen, das den Leser mit jedem neuen Roman ins Herz der Finsternis verschifft (ja, ein Skipper ist Viel auch). Nur liegt das nicht in einem fernen exotischen Dschungel, wie Joseph Conrad oder Francis Ford Coppola vermutet haben, sondern in der eher frischen Bretagne. Eine vielgesichtige Region, der Viel - an Claude Chabrols Kino geschult - neben pittoresken Elementen vor allem eine geschichtete Sozialwelt abgewinnt: traditionelle Codes, spätfeudal-großbürgerliche Verhaltensweisen. Das zeigt sein neuester Roman, "Das Mädchen, das man ruft", durch einen früheren Titel, den der Autor erwogen hatte: "Ancien Régime". Auch erahnt man hinter der befestigten Stadt am Meer Saint-Malo als Setting. Dem provinziellen Rahmen zum Trotz dockt Viels Roman an MeToo- Aktualitäten an - freilich dreht er die Schwarz-Weiß-Tendenz der Debatte in eine subtile Untersuchung von Grauzonen.

Der Titel des Romans ist die Übersetzung des englischen Fachausdrucks "Callgirl". So bezeichnet sich ironisch die zwanzigjährige Laura Le Corre, als sie auf dem Polizeirevier erscheint und Anzeige erstattet gegen den bekanntesten Sohn des Städtchens: Quentin Le Bars, vor Kurzem noch Bürgermeister, jetzt Minister für maritime Angelegenheiten. Ein Gutteil des Romans wird im Rückblick der polizeilichen Befragung erzählt, ein Vorgehen, das der Leser aus Viels Vorgängerroman "Selbstjustiz" kennt; allerdings wurde dort in einem Verhör der Weg eines Mörders zu seiner Tat nachgezeichnet.

Laura ist das Opfer: tragischerweise von Max, ihrem eigenen Vater, in Le Bars' Fänge getrieben, unwissentlich und wider Willen. Denn als seine Tochter in die Heimatstadt zurückkam, hatte Max als Fahrer des Bürgermeisters gehofft, Letzterer könne ihr zu einer Wohnung verhelfen. Le Bars hatte sie im Casino seines Spezis Franck Le Bellec untergebracht und ihr einen Job als Animierdame verschafft. Der Preis der Gefälligkeit: tägliche Bezahlung in Natur, während Max nichts ahnend im Dienstwagen wartete. So weit Plot eins.

Doch Viel fährt zweigleisig: Die Geschichte von schlüpfrigem Amtsmissbrauch verflicht er mit einer Boxerstory. Max, 2002 französischer Meister im Halbschwergewicht, will es mit vierzig noch mal wissen; sein Manager: ausgerechnet Le Bellec. Max' erste Laufbahn hatte dessen Aufstieg begründet und endete dank Le Bellecs Schwester Hélène - diese "fatalste aller Nutten an der bretonischen Küste" hatte den Boxer in ein Nachtleben ohne Morgen gerissen. Jetzt, sieben Jahre später, verdirbt eine welkende Hélène auch das Comeback: Sie informiert Max darüber, was der Chef mit seiner Tochter treibt. Max verliert seinen Kampf, wird schwer verletzt, sinnt auf Rache.

Im Aufbau ist der knappe Roman simpel: Der erste Teil berichtet die Geschichte von Lauras Verführung bis zu dem Punkt, wo Hélène Max die Augen öffnet. Teil zwei zeigt, wie Max verliert - eine traurig-schöne Szene von großer körperlicher Intensität -, seinen Krankenhausaufenthalt, Lauras Versuch, ihm zu helfen, ihren Gang zur Polizei und schließlich einen kleinen Showdown mit immerhin symbolischer Vergeltung. "Das Mädchen, das man ruft" funktioniert also nicht über komplexe Architektur, sondern durch eine per Andeutung gut aufgebaute Spannung und anschwellenden dramatischen Druck.

Der Spannungsbogen entspricht der doppelten Handlung: Erst verfolgt man ängstlich, ob Laura Le Bars' Manipulationen erliegt; dann hofft man auf die Revanche des Boxers. Allerdings ist der erste Teil weit mitreißender, die Boxer-Geschichte wirkt absehbar. Denn wenn Viel mehrere Paradestücke gelingen, ist das größte doch, wie präzise er die subtilen Tricks zeigt, dank derer es dem 48 Jahre alten Le Bars gelingt, eine junge Frau zu Intimitäten zu zwingen, die sie gar nicht will. Laura ist als ehemaliges Fotomodell der leicht und unbekleideten Art bereits erfahren und hellsichtig; dennoch bringt Le Bars sie in die psychologischen Grau- und Gleitzonen, die etwas selbstverständlich erscheinen lassen, was eigentlich abwegig ist.

Zweitens zeigt Viel den Doppelmissbrauch der Körper, den des Mannequins und den des Boxers, als Klassenphänomen: "Seinerzeit hätten sie sich beinahe auf benachbarten Plakaten begegnen können, Vater und Tochter an den Granitwänden, den Körper weitgehend entblößt, der magnetische Blick dazu bestimmt, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, dabei einander entgegengesetzt, da sie jeweils die archetypischen maskulinen und femininen Signale ausstrahlten - er das muskelbepackte Biest, dessen geschwollene Adern Kraft und Virilität verströmten, sie ganz laszive Kurven und gebleichte Zähne, mit denen sie sich auf die Unterlippe biss." In der Unterschichtsfamilie verkauft man seinen Leib, auf die eine oder andere Weise, und nie ganz freiwillig.

Schließlich durchkämmt Viel eindringlich provinziellen Filz und Klüngel. Politik und Halbwelt treffen sich im "Neptun", der Bürgermeister und Le Bellec intrigieren, "zwei Spinnen, deren Netze schon seit so langer Zeit miteinander verwoben waren, dass beide nicht mehr feststellen konnten, welche Drüse den Faden gesponnen hatte, der sie zusammenhielt". Mit einem "geringen Wortschatz" - "dessen konkrete Bezüge in abseitigen Winkeln ihrer Rede verborgen waren" - setzen sich die zwei ins Vernehmen. Französische Rezensenten haben nicht zufällig mehrere Politikskandale der letzten Jahre wiedererkennen wollen. Auch wenn das die Karikatur streift: Viel ist eine schöne schwarze Fabel gelungen, nicht ganz so komplex wie "Paris-Brest", aber sehr klug in der Reflexion auf die Frage, was Einverständnis bedeutet und wie man es erzwingen kann. NIKLAS BENDER

Tanguy Viel:

"Das Mädchen, das man ruft". Roman.

Aus dem Französischen von Hinrich Schmidt-

Henkel. Wagenbach-Verlag, Berlin 2022.

160 S., geb., 20,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr